VwGH Ra 2017/01/0091

VwGHRa 2017/01/009125.4.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des G L in L, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 28. Jänner 2016, Zl. LVwG-451-1/2015-R10, betreffend Beibehaltung der Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art51;
62008CJ0135 Janko Rottman VORAB;
MRK Art6;
StbG 1985 §28;
StbG 1985;
VwGG §63 Abs1;
VwGVG 2014 §24;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017010091.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2016, Ra 2016/01/0058, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde in Stattgebung einer Amtsrevision der belangten Behörde das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 28. Jänner 2016 betreffend Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft des Revisionswerbers für den Fall des Erwerbs der US-amerikanischen Staatsangehörigkeit wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht das Vorliegen eines für die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft des Revisionswerbers besonders berücksichtigungswürdigen Grundes im Sinne des § 28 Abs. 2 StbG angenommen habe.

2 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis hat das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg im fortgesetzten Verfahren das Ansuchen des Revisionswerbers um Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen. Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass der - zusammengefasst wiedergegebenen - Stellungnahme des Revisionswerbers vom 15. Juli 2016 kein Vorbringen zu entnehmen sei, das im Hinblick auf das erwähnte hg. Vorerkenntnis zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

3 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 22. September 2016, E 2224/2016-6, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie mit Beschluss vom 8. November 2016 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

4 In weiterer Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Vorweg ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in den Entscheidungsgründen des erwähnten Vorerkenntnisses Ra 2016/01/0058 dargelegt hat, weshalb der Revisionswerber die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen nach § 28 StbG nicht erfüllte, sodass er keinen Anspruch auf Bewilligung der Beibehaltung der Staatsbürgerschaft nach dieser Bestimmung hatte. Entgegen der vom Revisionswerber in seiner Stellungnahme vom 15. Juli 2016 geäußerten Annahme handelt sich bei diesen Erwägungen nicht um "ohnehin nicht bindende obiter dicta", sondern um die tragenden Begründungselemente der Entscheidung.

9 Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtzustand herzustellen. Bei der Erlassung der Ersatzentscheidung sind die Verwaltungsbehörden bzw. Verwaltungsgerichte somit an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden; eine Ausnahme bildet der Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage. Im fortgesetzten Verfahren ist auch der Verwaltungsgerichtshof selbst gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an die im aufhebenden Erkenntnis geäußerten Rechtsansichten gebunden (vgl. zu all dem den hg. Beschluss vom 13. September 2016, Ro 2016/01/0009, mwN, sowie auch den hg. Beschluss vom 20. Dezember 2016, Ro 2015/01/0010, betreffend die Bindung an die tragenden Aufhebungsgründe).

10 Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich aus dem vom Revisionswerber im fortgesetzten Verfahren ergänzend erstatteten Vorbringen nicht ergibt, dass eine wesentliche Änderung der für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 28 StbG maßgeblichen Sachlage eingetreten wäre, weil eine - allein ausschlaggebende (vgl. Rz 12 f des erwähnten Vorerkenntnisses Ra 2016/01/0058) - konkret zu erwartende, extreme Beeinträchtigung des Privat- und Familienlebens des Revisionswerbers, die aus der Nichtannahme der US-amerikanischen Staatsangehörigkeit oder dem Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft resultierte, nach diesem Vorbringen (weiterhin) nicht erkennbar ist.

11 Daher kann - entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen in der

Revision - schon angesichts der Bindungswirkung nach § 63 VwGG keine Rede davon sein, dass für die vorliegende Rechtssache durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "nicht abschließend geklärt worden (sei), was Gegenstand des Beibehaltungsverfahrens nach § 28 StbG ist" (vgl. abermals den erwähnten hg. Beschluss Ro 2016/01/0009; vgl. im Übrigen die bisherige hg. Rechtsprechung zu den Bewilligungsvoraussetzungen nach § 28 StbG, insbesondere die hg. Erkenntnisse vom 20. September 2011, 2009/01/0023, vom 15. November 2000, 2000/01/0354, vom 4. April 1990, 89/01/0119, vom 25. November 1987, 86/01/0031, vom 7. September 1976, 1505/75, sowie vom 10. November 1970, 1255/70, von der das Verwaltungsgericht nicht abgewichen ist).

12 Soweit die Revision in den Zulässigkeitsausführungen weiters eine "Unionsrechtswidrigkeit" sowie konkret einen Verstoß der angefochtenen Entscheidung gegen die GRC infolge des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht geltend macht, ist dem entgegen zu halten, dass das Beibehaltungsverfahren nach § 28 StbG keinen Fall der Durchführung von Unionsrecht im Sinne des Art. 51 GRC darstellt und deshalb - entgegen der Revisionsauffassung - auch nicht den Garantien des Art. 47 GRC unterliegt; eine Konstellation, wie sie dem Urteil des EuGH vom 2. März 2010, C-135/08 , Rottmann, zu Grunde lag (nämlich die Entziehung der Staatsbürgerschaft) liegt nicht vor (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. September 2012, 2009/01/0003, und vom 23. September 2014, 2013/01/0153, sowie den hg. Beschluss vom 13. Oktober 2015, Ra 2015/01/0192). Verfahren in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft fallen auch nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2014, Ro 2014/01/0016, sowie das erwähnte hg. Erkenntnis 2013/01/0153, jeweils mwN).

13 Außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 47 GRC bzw. des Art. 6 EMRK ist es aber weiterhin Sache des Revisionswerbers, die Relevanz der unterbliebenen mündlichen Verhandlung aufzuzeigen (vgl. - den von der Revision zitierten - hg. Beschluss vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/01/0241, mwN). Eine derartige Relevanzdarlegung lässt die Revision gänzlich vermissen. Ein für den Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung für den Revisionswerber mögliches günstigeres Ergebnis ist im Übrigen nicht erkennbar, weil das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung ohnedies das vom Revisionswerber erstattete Sachverhaltsvorbringen zu Grunde gelegt hat.

14 In der Revision werden aus den genannten Gründen keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

15 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 25. April 2017

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