VwGH 2013/01/0153

VwGH2013/01/015323.9.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des A in H, dieser bei Beschwerdeerhebung vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Silvana Dorner in Bregenz, Rathausstraße 27, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung, vom 11. Februar 2013, Zl. MA 35/III-M 74/2012, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Normen

EMRK Art6;
StbG 1985 §7 Abs1;
StbG 1985 §7 Abs3;
StbG 1985;
EMRK Art6;
StbG 1985 §7 Abs1;
StbG 1985 §7 Abs3;
StbG 1985;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 17. Februar 2013 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 12. November 2012 (mit Bescheid) festzustellen, dass er "mit Geburt und durch Abstammung auch die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt hat", gemäß §§ 39 Abs. 1 und 2, 42 Abs. 3 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 und 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, "in der geltenden Fassung" abgewiesen und amtswegig festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht österreichischer Staatsbürger sei.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei im Jahr 2011 als uneheliches Kind eines österreichischen Staatsbürgers und einer deutschen Staatsangehörigen, die niemals im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft gewesen sei, geboren worden. Er sei seit Geburt deutscher Staatsangehöriger. Gemäß § 7 Abs. 3 StbG würden uneheliche Kinder - nach den im Feststellungszeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften - die österreichische Staatsbürgerschaft mit Geburt erwerben, wenn ihre Mutter zu diesem Zeitpunkt österreichische Staatsbürgerin sei. Die belangte Behörde habe, wie sich aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2012, G 66/12 ua, ergebe, die ordnungsgemäß kundgemachte Bestimmung des § 7 StbG in der geltenden Fassung bis zu ihrer Aufhebung oder der Erlassung einer Ersatzregelung anzuwenden. Angesichts des unstrittigen Sachverhalts sei auf Grundlage dieser geltenden Rechtslage wie im Spruch zu entscheiden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 13. September 2013, B 356/2013-11, abgelehnt. In der Begründung dieses Beschlusses heißt es:

"Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (in concreto:

§ 7 Abs. 1 und Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311). Die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof im Verfahren G 66/12, G 67/12 geprüft. Mit Erkenntnis vom 29. November 2012 hat er diese Bestimmungen aufgehoben.

Die vorliegende Beschwerde ist einem Anlassfall dieses Gesetzesprüfungsverfahrens nicht gleichzuhalten (vgl. VfSlg. 17.687/2005).

Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Unangreifbarkeit von durch den Verfassungsgerichtshof bereits aufgehobenen (und daher einer neuerlichen Aufhebung nicht mehr zugänglichen) Gesetzesbestimmungen (z.B. VfSlg. 11.874/1988, 436 f., 13.297/1992, 15.978/2000) lässt das Vorbringen die behaupteten Rechtsverletzungen als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen."

Über Antrag des Beschwerdeführers trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde mit Beschluss vom 30. Oktober 2013, B 356/2013-13, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer ergänzte seine Beschwerde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2013.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde. Der Beschwerdeführer hat zur Gegenschrift der belangten Behörde eine Replik erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da die vorliegende Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof noch vor dem 31. Dezember 2013 dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten wurde, sind gemäß § 8 VwGbk-ÜG die Bestimmungen des B-VG und des VwGG jeweils in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 29. November 2012, G 66/12-7 und G 67/12-7, das Wort "Eheliche" in § 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 - StbG 1985), BGBl. Nr. 311/1985 (Wv.), sowie § 7 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311/1985 (Wv.), als verfassungswidrig aufgehoben. Weiters sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2013 in Kraft tritt und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten.

Der vorliegende Beschwerdefall bildet - wie bereits der Verfassungsgerichtshof festgehalten hat - keinen Anlassfall für die Aufhebung des Wortes "Eheliche" im § 7 Abs. 1 StbG sowie des § 7 Abs. 3 StbG. Die vom Verfassungsgerichtshof mit dem genannten Erkenntnis aufgehobenen, als verfassungswidrig erkannten Bestimmungen des StbG waren - wie im angefochtenen Bescheid insoweit zutreffend ausgeführt wurde - im Beschwerdefall anzuwenden (vgl. Art. 140 Abs. 7 B-VG).

Der am 2. Oktober 2011 geborene Beschwerdeführer hat seinen Feststellungsantrag am 13. November 2012 bei der belangten Behörde eingebracht. Der angefochtene Bescheid wurde am 15. Februar 2013 erlassen. Die im Beschwerdefall strittige Rechtsfrage, ob der Beschwerdeführer durch Abstammung auch die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat, war nach den staatsbürgerschaftsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen, die zum betreffenden Zeitpunkt - das ist vorliegend das Geburtsdatum des Beschwerdeführers - in Geltung standen (vgl. die hg. Erkenntnisse jeweils vom 24. April 2013, Zl. 2013/01/0048; und Zl. 2013/01/0050, sowie zuletzt vom 22. Mai 2014, Zl. 2012/01/0164, jeweils mwN).

Die im Beschwerdefall demnach maßgebliche Bestimmung des § 7 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311/1985 (Wv.), in der (noch) anzuwendenden Fassung lautete:

"Abstammung (Legitimation)

§ 7. (1) Eheliche Kinder erwerben die Staatsbürgerschaft mit der Geburt, wenn

  1. a) in diesem Zeitpunkt ein Elternteil Staatsbürger ist oder
  2. b) ein Elternteil, der vorher verstorben ist, am Tag seines Ablebens Staatsbürger war.

(2)

(3) Uneheliche Kinder erwerben die Staatsbürgerschaft mit der Geburt, wenn ihre Mutter in diesem Zeitpunkt Staatsbürger ist. Abs. 1 lit. b gilt sinngemäß.

(4)".

Nach der vorliegend (noch) anzuwendenden Rechtslage war es nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde den (unstrittigen) Sachverhalt dahin beurteilte, dass der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht mit der Geburt erlangt hat.

Der Beschwerdeführer vermag auch sonst nicht aufzuzeigen, dass die Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides in gesetzwidriger Weise vorgegangen wäre.

Die vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannten Bestimmungen des § 7 Abs. 1 und § 7 Abs. 3 StbG wurden durch BGBl. I Nr. 136/2013 mit dem Inkrafttretensdatum 1. August 2013 geändert. Diese Änderung ist im Beschwerdefall aber ohne Belang, weil es - wie erwähnt - auf die im Zeitpunkt der Geburt des Beschwerdeführers in Geltung gestandenen staatsbürgerrechtlichen Vorschriften ankommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 2014, Zl. 2013/01/0151).

Wie bereits vom Verfassungsgerichtshof ausgeführt wirken aufhebende Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes, außer im Anlassfall, vom Tage des Wirksamkeitsbeginnes der Aufhebung an für die Zukunft. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände - mit Ausnahme des Anlassfalls - ist jedoch kraft ausdrücklicher Anordnung in Art. 140 Abs. 7 B-VG das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Gerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis nichts anderes ausspricht. Die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesbestimmung ist von Gerichten und Verwaltungsbehörden - mit Ausnahme des Anlassfalls - auf alle jene Sachverhalte anzuwenden, die vor dem Wirksamkeitsbeginn der Aufhebung liegen. Dies gilt auch für den Verfassungsgerichtshof selbst (vgl. die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluss vom 13. September 2013 zitierte Judikatur).

Eine vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesbestimmung kann auch nicht neuerlich Gegenstand einer Gesetzesprüfung sein. Die Bestimmung des § 7 Abs. 1 und § 7 Abs. 3 StbG in der im Beschwerdefall (noch) anzuwendenden Fassung ist durch das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2012 unangreifbar geworden. Der Anregung des Beschwerdeführers, beim Verfassungsgerichtshof neuerlich ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten, war daher nicht zu folgen.

Insoweit der Beschwerdeführer auf Bestimmungen der EMRK verweist und insoweit einen "quasi Anwendungsvorrang" behauptet, verkennt er, dass Art. 8 EMRK nicht das Recht garantiert, eine bestimmte Nationalität oder Staatsbürgerschaft zu erlangen und dem Art. 14 EMRK eine "unabhängige Existenz" nicht zukommt, da er nur in Verbindung mit dem durch diese Bestimmung geschützten "Genuss der Rechte und Freiheiten" zum Tragen kommt. Das Recht auf Staatsbürgerschaft ist als solches kein Recht der Konvention, sodass die Verweigerung derselben nicht zu einer Verletzung des Art. 8 EMRK führt (vgl. insoweit das Urteil des EGMR vom 11. Oktober 2011, Fall Genovese, Appl. 53.124/09, Rz 29, 31 und 33).

Der Verfassungsgerichtshof hat im genannten Erkenntnis vom 29. November 2012 zur Bestimmung der Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstellen ausgeführt, dass diese Fristsetzung erfolgte, um dem Gesetzgeber eine Neuregelung zu ermöglichen, wobei die Dauer der Frist dem Umstand Rechnung tragen sollte, dass die als konventionswidrig erkannte Rechtslage (weil sie mangels Vorliegen schwerwiegender Gründe für eine unterschiedliche Behandlung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht entsprochen hatte) für einen gewissen Übergangszeitraum aufrecht bleibt.

Zum Vorbringen betreffend einen angeblichen Verstoß gegen die GRC wegen Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch die belangte Behörde bzw. des Diskriminierungsverbotes ist darauf zu verweisen, dass weder der nach der Rechtsprechung des EuGH für die Anwendbarkeit der GRC erforderliche Unionsrechtsbezug noch ein Sachverhalt, wie er dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C 135/08 , Rottmann, zugrunde lag, vorliegt.

Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden. Verfahren über die Verleihung oder Aberkennung der Staatsbürgerschaft fallen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2012, Zl. 2010/01/0027, mwN).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sowie § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014) auf den §§ 47 ff VwGG iVm § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 23. September 2014

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