Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste Ende März 2011 nach Österreich ein und stellte einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 6. April 2011 zur Gänze abgewiesen wurde. Unter einem wurde der Revisionswerber aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 8. September 2011 als unbegründet ab.
2 Ungeachtet der rechtskräftigen Ausweisung verblieb der Revisionswerber in Österreich. Er heiratete am 7. Dezember 2011 eine österreichische Staatsbürgerin und stellte im Hinblick darauf am 12. Jänner 2012 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung.
3 Deshalb wurde der Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 18. Jänner 2013 wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe - das ist (fallbezogen) das Eingehen einer Ehe einer Österreicherin mit einem Fremden, ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK führen zu wollen, wobei sie wusste oder wissen musste, dass sich der Fremde für die Erteilung eines Aufenthaltstitels oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe berufen will - als Beteiligter nach § 117 Abs. 1 iVm Abs. 4 FPG zu einer Geldstrafe verurteilt.
4 Demzufolge wurden gegen den Revisionswerber mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (BH), datierend vom 10. Dezember 2013, gemäß § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 und 2 Z 8 FPG ein mit fünf Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt. Dieser Bescheid wurde den ausgewiesenen Rechtsvertretern des Revisionswerbers am 3. Jänner 2014 zugestellt. Nach der (damaligen) Aktenlage wurde gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel erhoben, sodass die Erlassung der genannten fremdenpolizeilichen Maßnahmen im Informationssystem unter "Ausschreibungen FPG" vermerkt wurde. Daraus ergab sich auch die gegen den Revisionswerber bestehende rechtskräftige asylrechtliche Ausweisung (vgl. Rz 1).
5 Nachdem im Zuge eines im Jänner 2015 gestellten Antrags auf Ausstellung eines Identitätsdokumentes vorgebracht worden war, der Rechtsvertreter des Revisionswerbers habe "fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung" gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2013 eingebracht, teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber mit Schreiben vom 23. Februar 2015 das diesbezügliche Ermittlungsergebnis mit, wonach weder bei der BH noch beim LVwG NÖ ein "Berufungsschreiben" vorliege; der Bescheid der BH sei daher am 18. Jänner 2014 rechtskräftig geworden. Der Revisionswerber sei auch aufgrund der rechtskräftig gegen ihn nach dem AsylG 2005 erlassenen Ausweisung nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt und zur unverzüglichen Ausreise verpflichtet. Unter einem wurde dem Revisionswerber eine "Information über die Verpflichtung zur Ausreise" übermittelt.
6 In der Folge wurde der weiterhin in Österreich gebliebene Revisionswerber mit Ladungsbescheid des BFA vom 1. September 2015 aufgefordert, am 23. September 2015, um 9.30 Uhr, in der Außenstelle St. Pölten persönlich zu erscheinen. Als Gegenstand der Amtshandlung wurde "Sicherung der Ausreise" angeführt und dem Revisionswerber aufgetragen, in seinem Besitz befindliche Dokumente - Reisepass, Ausweise und sonstige für das Verfahren relevante Beweismittel, "wie Zeugnisse, Fotografien, usw." - mitzubringen. Für den Fall der Nichtbefolgung dieser Ladung ohne wichtigen Grund müsse der Revisionswerber (primär) damit rechnen, dass seine zwangsweise Vorführung veranlasst werden könne. In diesem Zusammenhang wurde als Rechtsgrundlage § 19 AVG genannt.
7 Gegen diesen Ladungsbescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde, in der die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wurde. Der Revisionswerber machte geltend, der Bescheid der BH vom 10. Dezember 2013 sei im Hinblick auf die fristgerecht sowohl bei der BH als auch beim LVwG NÖ eingebrachte Berufung/Beschwerde, die von Letzterem an die BH weitergeleitet worden sei, nicht rechtskräftig und seine "Rückführung in die Türkei damit auch (noch) nicht vollstreckbar". Außerdem sei die Ladung nicht nötig iSd § 19 AVG. Einerseits könne der mit der Ladung verfolgte Zweck auch auf andere Weise als durch ein persönliches Erscheinen des Revisionswerbers ("Entsendung" eines Vertreters, schriftliche Abforderung der benötigten Dokumente vom Rechtsvertreter und Klärung allfälliger ergänzender Fragen mit diesem) erreicht werden, andererseits bedürfe seine Ausreise keiner Sicherung, weil er angemeldet bei seiner Schwester und ihrem Ehemann lebe.
8 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 29. Oktober 2015 diese Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 iVm Abs. 2 VwGVG als unbegründet ab und den in der Beschwerde gestellten Antrag auf Kostenersatz zurück. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
9 In den Entscheidungsgründen vertrat das BVwG die Meinung, es sei von der Rechtskraft des Bescheides der BH vom 10. Dezember 2013 auszugehen, weil beim BFA keine Beschwerde eingegangen sei. Im gegenständlichen Verwaltungsakt befänden sich keine Unterlagen, "auf Basis derer tatsächlich von einer (fristgerechten) Beschwerdeerhebung ausgegangen werden konnte". Dafür gebe es nach der Aktenlage keine Anhaltspunkte und diesbezüglich sei auch vom Revisionswerber "nichts in Vorlage gebracht" worden. Vor diesem Hintergrund sei die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem BFA obliegende Einschätzung, die Ladung sei iSd § 19 Abs. 1 AVG "nötig", nicht zu beanstanden.
10 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, wobei der damit verbundene Antrag, ihr aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, abgewiesen wurde. Schließlich lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 18. Februar 2016, E 2460/2015-7, ab und trat sie über nachträglichem Antrag mit Beschluss vom 23. März 2016 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
11 Über die nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilende Zulässigkeit der nunmehr vorliegenden (außerordentlichen) Revision hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
12 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (ua.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG "nicht zur Behandlung eignen", ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
13 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
14 Vorauszuschicken ist, dass der Annahme des BVwG, es sei von der Rechtskraft des Bescheides der BH vom 10. Dezember 2013, mit dem gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen wurde, auszugehen, in der Begründung der Revision nicht entgegen getreten wird. Darüber hinaus bestand für den Revisionswerber auch aufgrund der rechtskräftigen asylrechtlichen Ausweisung eine aufrechte Ausreiseverpflichtung, der er nicht entsprochen hatte.
15 Zur Begründung der Revision, insbesondere auch ihrer Zulässigkeit gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, wird - wenn auch unter verschiedenen Gesichtspunkten, u.a. jenem der Verletzung der Verhandlungspflicht, mehrfach wiederholend - nur wie in der Beschwerde die Notwendigkeit einer Ladung zum persönlichen Erscheinen bestritten, weil der mit der Ladung verfolgte Zweck auch auf andere Weise hätte erreicht werden können und die Ausreise keiner Sicherung bedürfe. Insoweit weiche das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
16 Das trifft - wie nachstehend dargelegt wird - nicht zu:
17 Gemäß § 19 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Die Rechtmäßigkeit der vorliegenden Ladung setzt somit voraus, dass sie "nötig" im Sinne der genannten Bestimmung ist. Das Erscheinen der geladenen Person ist in diesem Sinn nicht "nötig", wenn die Behörde den mit der Ladung verfolgten Zweck auch auf andere Weise (etwa schriftlich oder fernmündlich) erreichen kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. November 2009, Zl. 2009/21/0310, mwN). Insofern ist der Revision beizupflichten. Im gegebenen Zusammenhang wurde das Vorliegen einer solchen Alternative allerdings nur ausnahmsweise angenommen, und zwar in der dem genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Konstellation, in der es gemäß dem im Ladungsbescheid umschriebenen Zweck allein um die Vorlage eines Schriftstückes ging.
18 Sonst obliegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beurteilung, ob zur Erreichung des mit einer Ladung verfolgten Zwecks ein Erscheinen des Geladenen nötig ist, oder ob dieser Zweck auch auf andere Weise erreicht werden kann, grundsätzlich der Behörde (vgl. so bereits die Erkenntnisse vom 17. Juli 2008, Zl. 2008/21/0055, und Zl. 2008/21/0386, und daran anschließend etwa die Erkenntnisse vom 8. Juli 2009, Zl. 2008/21/0108, und vom 16. Mai 2012, Zl. 2010/21/0023). Angesichts dessen ist der Verwaltungsgerichtshof in mehreren mit dem vorliegenden vergleichbaren Fällen, in denen für den Fremden im Zeitpunkt der Ladung aufgrund einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme eine Ausreiseverpflichtung bestand, zu dem Ergebnis gekommen, "vor diesem Hintergrund" könne der Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie - offenbar unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit - die Ladung des Fremden und dessen persönliches Erscheinen zur Erörterung der Frage, wie der auferlegten Ausreiseverpflichtung entsprochen werde und welche Maßnahmen allenfalls zu ihrer Sicherung erforderlich seien, für "nötig" im Sinne des § 19 Abs. 1 AVG erachtete (vgl. unter vielen das Erkenntnis vom 14. April 2011, Zl. 2010/21/0037; siehe idS etwa auch noch die schon oben genannten Erkenntnisse sowie die Erkenntnisse vom 29. September 2009, Zl. 2009/21/0168, vom 27. Jänner 2010, Zl. 2010/21/0016, und vom 20. Februar 2014, Zl. 2013/21/0227). In einer solchen Konstellation besteht - entgegen der Meinung in der Revision - keine Verpflichtung, diese Fragen im Korrespondenzweg abzuklären. Es bleibt dem Fremden aber unbenommen, zusätzlich eine (durch seinen Rechtsvertreter verfasste) schriftliche Stellungnahme zu dem in der Ladung angeführten Thema zu erstatten (vgl. neuerlich das Erkenntnis vom 17. Juli 2008, Zl. 2008/21/0055).
19 Demnach durfte auch im vorliegenden Fall bei der bestehenden Ausgangslage eine Ladung zum persönlichen Erscheinen des Revisionswerbers für "nötig" iSd § 19 Abs. 1 AVG erachtet werden, ohne dass es, und zwar mangels klärungsbedürftigen Sachverhalts iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG, der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung bedurfte. Entgegen der Meinung in der Revision, die auf die zitierte Judikatur nur unzureichend Bedacht nimmt, liegt somit gegenständlich kein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Vielmehr steht das angefochtene Erkenntnis damit im Einklang und es kann daher diese einzelfallbezogene Beurteilung keineswegs als unvertretbar angesehen werden, was Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG gewesen wäre.
20 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen. Bei diesem Ergebnis kann dahin stehen, ob das BFA die im Bescheid vom 1. September 2015 für den Fall des ungerechtfertigten Nichtbefolgens der Ladung angedrohte Vorführung des Revisionswerbers, die - trotz des die dagegen erhobene Beschwerde abweisenden Erkenntnisses des BVwG vom 29. Oktober 2015 - seither nicht vorgenommen wurde, überhaupt noch beabsichtigt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0081, und zum andernfalls fehlenden Rechtsschutzinteresse etwa den hg. Beschluss vom 20. März 2012, Zl. 2012/21/0016, mwN).
Wien, am 4. August 2016
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