VwGH 2010/21/0016

VwGH2010/21/001627.1.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der E, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 7. Jänner 2010, Zl. III- 1266623/FrB/10, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 2005 §36 Abs1;
AsylG 2005 §36 Abs4;
AsylG 2005 §37 Abs1;
AVG §19 Abs1 AVG;
AVG §19 Abs1;
AVG §56;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1;
VwRallg;
AsylG 2005 §36 Abs1;
AsylG 2005 §36 Abs4;
AsylG 2005 §37 Abs1;
AVG §19 Abs1 AVG;
AVG §19 Abs1;
AVG §56;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:

Der von der Beschwerdeführerin, einer am 11. August 2008 nach Österreich eingereisten nigerianischen Staatsangehörigen, gestellte erste Antrag auf internationalen Schutz wurde im Instanzenzug mit rechtskräftigem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 15. April 2009 abgewiesen; unter einem wurde die Beschwerdeführerin nach Nigeria ausgewiesen.

Nachdem die Beschwerdeführerin mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 6. November 2009 für den Termin 16. Dezember 2009 zur Erörterung der Sicherung ihrer Ausreise geladen worden war, stellte sie am 11. Dezember 2009 einen zweiten Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz. Hierauf wurde die erwähnte Ladung (in Form einer mündlichen Erklärung gegenüber dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin) widerrufen. Der genannte Asylfolgeantrag wurde sodann mit dem am 30. Dezember 2009 erlassenen Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, wobei neuerlich die Ausweisung der Beschwerdeführerin nach Nigeria verfügt wurde.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Ladungsbescheid vom 7. Jänner 2010 wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, am 25. Jänner 2010, um 10.00 Uhr, zum Fremdenpolizeilichen Büro der Bundespolizeidirektion Wien zu kommen und in der Angelegenheit "Sicherung der Ausreise aufgrund der Ausreiseverpflichtung" als Partei mitzuwirken, wobei der Reisepass mitzubringen und ein "unbedingtes persönliches Erscheinen der Partei erforderlich" sei. Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung wurde die Erlassung eines Festnahmeauftrages angedroht.

Gegen diesen, der Beschwerdeführerin am 11. Jänner 2010 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende, am 12. Jänner 2010 zur Post gegebene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 36 Abs. 1, 4 und 5 AsylG 2005 und der damit im Zusammenhang stehende § 37 Abs. 1 AsylG 2005 lauten samt Überschriften:

"Beschwerden beim Asylgerichtshof

Wirkung von Beschwerden

§ 36. (1) Einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag zurückgewiesen wird, kommt eine aufschiebende Wirkung nicht zu. Einer Beschwerde gegen eine mit einer solchen Entscheidung verbundenen Ausweisung kommt die aufschiebende Wirkung nur zu, wenn sie vom Asylgerichtshof zuerkannt wird.

...

(4) Kommt einer Beschwerde gegen eine Ausweisung die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist die Ausweisung durchsetzbar. Mit der Durchführung der diese Ausweisung umsetzenden Abschiebung oder Zurückschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Beschwerdevorlage zuzuwarten. Der Asylgerichtshof hat das Bundesasylamt unverzüglich vom Einlangen der Beschwerdevorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

(5) Wird eine Beschwerde gegen eine durchsetzbare Entscheidung ergriffen oder einer solchen die aufschiebende Wirkung zuerkannt, hat im ersten Fall das Bundesasylamt und im zweiten Fall der Asylgerichtshof die zuständige Fremdenpolizeibehörde zu verständigen.

Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 37. (1) Wird gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundene Ausweisung Beschwerde ergriffen, hat der Asylgerichtshof dieser binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

In der Beschwerde wird geltend gemacht, dass einer Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 36 Abs. 1 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zwar nicht zukomme, jedoch sei die Ausweisung gemäß § 36 Abs. 4 AsylG 2005 erst nach dem Ende der Rechtsmittelfrist bzw. nach Ablauf des siebenten Tages ab Beschwerdevorlage vollziehbar. Bei Zustellung des bekämpften Ladungsbescheides sei die am 13. Jänner 2010 endende Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Asylgerichtshof noch nicht abgelaufen gewesen und derzeit sei auch unbekannt, ob am "Ladungstag" der siebente Tag ab Vorlage dieser Beschwerde, die von der Beschwerdeführerin noch rechtzeitig eingebracht werde, schon erreicht sein werde. Da das fremdenpolizeiliche Vorgehen aber jedenfalls vom Stand des Asylverfahrens, der derzeit nicht vorhergesehen werden könne, abhänge, sei das persönliche Erscheinen der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde zu Unrecht "auf Vorrat" angeordnet worden.

Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 2009, Zl. 2009/21/0310, verweist, geht dies schon deshalb ins Leere, weil dieser Entscheidung eine mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Konstellation zugrunde lag. Dort erfolgte die Bescheidaufhebung nur deshalb, weil nicht nachvollziehbar war, weshalb der geforderte schriftliche Nachweis des Besuchs der Botschaft des Herkunftsstaates an einem bestimmten Tag durch persönliche Überbringung hätte erfolgen müssen und warum nicht etwa eine postalische Übermittlung ausgereicht hätte. Diese Frage stellt sich im vorliegenden Fall nicht.

Nach der Aktenlage ist - wie die Beschwerdeführerin zugesteht - davon auszugehen, dass gegen sie am 30. Dezember 2009 eine (mit der Zurückweisung des zweiten Antrages auf internationalen Schutz verbundene) im Sinne des § 36 Abs. 4 erster Satz AsylG 2005 durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde, weil einer (erst zu erhebenden) Asylgerichtshofsbeschwerde gemäß § 36 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung nur zukommt, wenn sie vom Asylgerichtshof gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt wird.

Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie - offenbar unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit - die Ladung der Beschwerdeführerin und deren persönliches Erscheinen zur Erörterung der Frage, wie der auferlegten Ausreiseverpflichtung entsprochen werde und welche Maßnahmen allenfalls zu ihrer Sicherung erforderlich seien, für "nötig" im Sinne des § 19 Abs. 1 erster Satz AVG erachtete. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt nämlich die Beurteilung, ob zur Erreichung des mit einer Ladung verfolgten Zwecks ein Erscheinen des Geladenen nötig ist, oder ob dieser Zweck auch auf andere Weise erreicht werden kann, grundsätzlich der Behörde (vgl. etwa das Erkenntnis vom 8. Juli 2009, Zl. 2008/21/0108, mwN). Eine bloße Ladung zum persönlichen Erscheinen "auf Vorrat" liegt angesichts der Durchsetzbarkeit der erlassenen asylrechtlichen Ausweisung hier nicht vor.

Diese Beurteilung fällt - entgegen der Beschwerdeansicht - auch nicht deshalb anders aus, weil gemäß dem zweiten Satz des § 36 Abs. 4 AsylG 2005 mit der Durchführung der die durchsetzbare Ausweisung umsetzenden Abschiebung bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Beschwerdevorlage zuzuwarten ist. Diese Pflicht zum Zuwarten mit der Umsetzung der Ausweisung ändert nach der Gesetzessystematik nämlich nichts daran, dass die Ausweisung im Sinne des ersten Satzes des § 36 Abs. 4 AsylG 2005 formell durchsetzbar ist. In diesem Sinn führen auch die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des § 36 Abs. 4 AsylG 2005 (RV 952 BlgNR 22. GP 55) aus:

"Abs. 4 unterscheidet zwischen der Durchsetzbarkeit und der Zulässigkeit der Durchführung fremdenpolizeilicher Maßnahmen. Trotz Durchsetzbarkeit ist eine Effektuierung der Abschiebung erst nach verstrichener Rechtsmittelfrist oder im Falle eines Rechtsmittels 7 Tage nach Berufungsvorlage an den UBAS zulässig, sofern von diesem entweder nach § 37 eine aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wurde oder nach § 38 die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vom UBAS durch Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung suspendiert wurde."

Ungeachtet dessen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 11. Jänner 2009 die Rechtsmittelfrist noch (zwei Tage) offen war, durfte die belangte Behörde daher im Hinblick auf die formelle Durchsetzbarkeit der Ausweisung erste Schritte zur Sicherung der Abschiebung der Beschwerdeführerin unternehmen. Für dieses Ergebnis spricht im Übrigen auch, dass in diesem Stadium - freilich nur bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - auch die Verhängung von Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG zulässig wäre, weil auch diese Bestimmung an eine formell durchsetzbare asylrechtliche Ausweisung im Sinne des § 36 Abs. 4 erster Satz AsylG 2005 anknüpft.

Da die Beschwerdeführerin vor Erlassung des bekämpften Ladungsbescheides noch gar keine Beschwerde an den Asylgerichtshof gegen den Zurückweisungs- und Ausweisungsbescheid des Bundesasylamtes erhoben hatte, vermochte sie von vornherein nicht in die Beurteilung der Notwendigkeit der Ladung der Beschwerdeführerin im Sinne des § 19 Abs. 1 AVG einzufließen (siehe zu einer noch nicht eingebrachten Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde das Erkenntnis vom 18. Februar 2009, Zl. 2008/21/0641; vgl. auch das schon zitierte Erkenntnis vom 8. Juli 2009, Zl. 2008/21/0108). Anzumerken ist aber, dass - aus den bereits genannten Gründen - auch die schon vorher erfolgte Erhebung einer Beschwerde an den Asylgerichtshof zu keiner anderen Beurteilung in Bezug auf die Notwendigkeit der gegenständlichen Ladung hätte führen müssen, und zwar jedenfalls solange der Beschwerde nicht vom Asylgerichtshof die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre.

Schließlich verweist die Beschwerdeführerin noch darauf, dass ihr "als Zeugin oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel" gemäß § 69a Abs. 1 Z 2 NAG zur Gewährleistung der Strafverfolgung ein Aufenthaltstitel zu erteilen sei. Da die Beschwerdeführerin bereit sei, detaillierte Angaben zu dem sie nach Österreich verbracht habenden Prostitutionsring zu machen, stehe ihr auch dieser Weg der Legalisierung ihres Aufenthaltes offen, sodass ihre "derzeitige Ladung" zur Fremdenpolizeibehörde "zur Sicherung der Ausreise" nicht notwendig sei.

Auch dieses Argument versagt schon deshalb, weil es sich auf zukünftige und noch völlig ungewisse Entwicklungen stützt, auf die von der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Ladungsbescheides (noch) nicht Bedacht zu nehmen war.

Somit lässt bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. Jänner 2010

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