VwGH 2013/21/0227

VwGH2013/21/022720.2.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. Sporrer als Richterin und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, in der Beschwerdesache der Ö S in W, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 30. Oktober 2013, Zl. 1.277 176/FrB/13, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §10;
AVG §19 Abs1;
AVG §19 Abs2;
AVG §19 Abs3;
AVG §19;
AVG §56;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z2 idF 2011/I/038;
VVG §7;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
AsylG 2005 §10;
AVG §19 Abs1;
AVG §19 Abs2;
AVG §19 Abs3;
AVG §19;
AVG §56;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z1 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §74 Abs2 Z2 idF 2011/I/038;
VVG §7;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 8. März 2009 illegal eingereiste Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, stellte am nächsten Tag einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz. Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 6. Mai 2010 vollinhaltlich ab; unter einem wurde die Ausweisung der Beschwerdeführerin in die Türkei verfügt. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 27. Juni 2013 ab. Schließlich lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der diesbezüglichen Beschwerde, der aufschiebende Wirkung zuerkannt worden war, mit Beschluss vom 13. September 2013 ab.

Hierauf erließ die Landespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) den angefochtenen Ladungsbescheid vom 30. Oktober 2013, mit dem die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die ergangene durchsetzbare Ausreiseentscheidung und die deshalb bestehende Ausreiseverpflichtung aufgefordert wurde, am 28. November 2013, um 8.00 Uhr, zum Fremdenpolizeilichen Büro zu kommen und (u.a.) den Reisepass mitzubringen. Es sei notwendig, dass die Beschwerdeführerin persönlich komme. Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes wurde in erster Linie die zwangsweise Vorführung gemäß § 19 Abs. 3 AVG, weiters auch die Erlassung eines Festnahmeauftrages nach § 74 Abs. 2 "Zi 1 + 2" FPG angedroht.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin die vorliegende, am 28. November 2013 zur Post gegebene Beschwerde.

Den dem Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens vorgelegten Akten lässt sich entnehmen, dass die Beschwerdeführerin der erwähnten Ladung keine Folge leistete. Daher erging noch am selben Tag ein auf § 74 Abs. 2 Z 2 FPG gestützter Festnahmeauftrag, der in tragender Weise mit dem Bestehen der Ausreiseverpflichtung, der die Beschwerdeführerin bislang nicht nachgekommen sei, begründet wurde. Die Beschwerdeführerin wurde sodann in Vollziehung dieses Auftrages am 5. Dezember 2013 um 8.20 Uhr an ihrer Wohnadresse festgenommen; nach Durchführung ihrer Vernehmung wurde sie um 10.45 Uhr wieder enthaftet.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die vorliegende Beschwerde gegen den Ladungsbescheid vom 30. Oktober 2013 nunmehr als gegenstandslos:

Die im angefochtenen Bescheid auch angedrohte Erlassung von Festnahmeaufträgen nach § 74 Abs. 2 Z 1 und/oder Z 2 FPG ging nämlich schon von Anfang an ins Leere. Nach § 74 Abs. 2 Z 1 FPG (in der hier maßgeblichen Fassung des FrÄG 2011) kann gegen einen Fremden ein Festnahmeauftrag erlassen werden, "wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor die Fremdenpolizeibehörde erfolgt". Nach § 74 Abs. 2 Z 2 FPG (in der genannten Fassung) kann gegen einen Fremden ein Festnahmeauftrag erlassen werden, "wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 1 und 70 Abs. 1, § 10 AsylG 2005) nicht nachgekommen ist". Die Festnahmeaufträge nach § 74 Abs. 2 Z 1 und 2 FPG knüpfen demnach nicht unmittelbar an die Nichtbefolgung der Ladung an; ein ungerechtfertigtes Ausbleiben vom Termin zöge mit Blick auf § 74 Abs. 2 Z 1 und 2 FPG keine unmittelbar aus der Ladung resultierende gesetzliche Rechtsfolge nach sich, für deren Vollstreckung schon diese Ladung einen rechtskräftigen Titel bilden würde. Insoweit liegt daher nur eine einfache Ladung vor (vgl. zum Ganzen aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa die Beschlüsse vom 5. Juli 2012, Zl. 2011/21/0196, und vom 20. Oktober 2011, Zl. 2010/21/0486, jeweils mwN). Durch die Androhung der genannten Festnahmeaufträge in der bekämpften Ladung konnte die Beschwerdeführerin sohin schon von vornherein nicht in Rechten, die mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht werden könnten, verletzt sein (vgl. den hg. Beschluss vom 2. August 2013, Zl. 2013/21/0078).

Die in der angefochtenen Ladung maßgeblich angedrohte und ihr die Bescheidqualität verleihende Sanktion für ein unentschuldigtes Nichtbefolgen der Ladung in Form der - nach Erlassung einer Vollstreckungsverfügung möglichen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2013, Zl. 2011/21/0118) - zwangsweisen Vorführung gemäß § 19 Abs. 3 AVG kommt im vorliegenden Fall angesichts der in Vollziehung eines Festnahmeauftrages erfolgten Vorführung der Beschwerdeführerin vor die belangte Behörde zur Vornahme der mit der Ladung angestrebten Vernehmung nicht mehr in Betracht. Eine Rechtsverletzungsmöglichkeit durch einen Ladungsbescheid ist dann ausgeschlossen, wenn die dort (wirksam) angedrohten Sanktionen nicht mehr verhängt werden können (vgl. idS zuletzt den hg. Beschluss vom 22. Jänner 2014, Zl. 2013/21/0177).

Demnach ist im vorliegenden Fall das - bei der Beschwerdeeinbringung noch bestehende - Rechtsschutzinteresse nachträglich weggefallen. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die gegen den Ladungsbescheid vom 30. Oktober 2013 erhobene Beschwerde käme somit nur mehr abstrakttheoretische Bedeutung zu.

Dem ist die Beschwerdeführerin zwar in der ihr zu dieser Frage ermöglichten Stellungnahme entgegengetreten. Dabei hat sie jedoch auf die oben dargestellte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreichend Bedacht genommen und folglich nicht berücksichtigt, dass der angefochtene Ladungsbescheid keine unmittelbare Grundlage für den später ergangenen Festnahmeauftrag nach § 74 Abs. 2 Z 2 FPG und dessen Vollzug bildete. Daran kann der auch vorgenommene Hinweis auf die Nichtbefolgung der Ladung durch die Beschwerdeführerin in der Begründung dieses Festnahmeauftrages nichts ändern. In Bezug auf den von der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme als rechtswidrig erachteten Eingriff in ihre persönlich Freiheit durch die Festnahme und Anhaltung zum Zweck der Vorführung vor die belangte Behörde könnte sich nach dem Gesagten ihre Rechtsposition auch bei einem Erfolg der gegenständlichen Beschwerde gegen den seinerzeitigen Ladungsbescheid nicht verbessern. Soweit die Beschwerdeführerin insoweit ein Rechtsschutzdefizit unterstellt, übersieht sie, dass in der vorliegenden Konstellation die beanstandeten Maßnahmen mit Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt hätten bekämpft werden können (vgl. das schon genannte Erkenntnis vom 28. Februar 2013, Zl. 2011/21/0118; siehe auch das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2013, Zl. 2011/21/0125).

Demzufolge war die Beschwerde in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG (gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG im vorliegenden "Altfall": in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung) als gegenstandslos geworden zu erklären und das verwaltungsgerichtliche Verfahren in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit. b VwGG gebildeten Senat einzustellen.

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGG (in der genannten Fassung) ist der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen. Die demnach vorzunehmende hypothetische Prüfung des Verfahrensausganges ergibt im vorliegenden Fall, dass die Beschwerde bei einer inhaltlichen Behandlung abgewiesen worden wäre:

Zunächst ist nämlich der Beschwerdeeinwand, ein persönliches Erscheinen der Beschwerdeführerin zum Zweck der Befragung zu ihrer Identität und Herkunft wäre nicht erforderlich gewesen, weil diese Umstände zweifelsfrei feststünden, nicht begründet. Es findet sich zwar in der Ladung dieses Thema im Rahmen der Umschreibung der zu bearbeitenden "Angelegenheit". Für die Beschwerdeführerin musste jedoch aus dem Gesamtzusammenhang klar sein, dass im Hinblick auf das in der Ladung auch angeführte Bestehen einer durchsetzbaren Ausreiseentscheidung und ihrer Ausreiseverpflichtung in Verbindung mit der Aufforderung zur Vorlage des Reisepasses vorrangig die Erörterung der Modalitäten und Vorbereitung der Erfüllung dieser Ausreiseverpflichtung Gegenstand der Vernehmung bei dem festgesetzten Termin sein sollte, zumal der Ladung eine (auch in türkischer Sprache gehaltene) ausführliche diesbezügliche Belehrung ("Information über die Verpflichtung zur Ausreise") angeschlossen war; dies ist umso mehr anzunehmen, als die Beschwerdeführerin bis spätestens 15. November 2013 (Tag der Verfassung einer "Vertagungsbitte") auch Kontakt mit ihrem rechtsanwaltlichen Vertreter aufgenommen hatte. Dass die belangte Behörde angesichts der rechtskräftigen Ausweisung der Beschwerdeführerin zur Regelung der Angelegenheit ihrer Ausreise deren persönliches Erscheinen für erforderlich erachtete, ist aber nicht zu beanstanden (vgl. zur Zulässigkeit einer Ladung zwecks Mitwirkung an der Angelegenheit "Ihre Ausreise" das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 2012, Zl. 2010/21/0023, und darauf Bezug nehmend das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2012, Zl. 2012/21/0081; siehe zu einem ähnlichen Beschwerdevorbringen wie hier auch das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2013, Zl. 2012/21/0121).

Soweit die Beschwerdeführerin weiters eine durch die Umsetzung der Ausweisung bewirkte asylrelevante Verfolgung in der Türkei und die Verletzung ihrer Rechte nach Art. 8 EMRK behauptet und daraus die Unzulässigkeit der bekämpften Ladung ableitet, kann dies aber schon vor dem Hintergrund der zeitlich kurz davor erfolgten rechtskräftigen Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz und der rechtskräftigen Ausweisung in den Herkunftsstaat nicht zielführend sein (siehe im Übrigen auch dazu die zuletzt zitierten Erkenntnisse).

Demnach hat gemäß §§ 47 ff VwGG (in der erwähnten Fassung) ein Kostenzuspruch an den Bund zu erfolgen, wobei sich die Höhe nach der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH - Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 richtet.

Wien, am 20. Februar 2014

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