Normen
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
BDG 1979 §101 Abs4;
BDG 1979 §91;
BDG 1979 §92 Abs1 Z3;
BDG 1979 §92 Abs1;
BDG 1979 §93 Abs1;
BDG 1979 §93;
B-VG Art130 Abs2 Z3;
B-VG Art130 Abs3 impl;
B-VG Art130 Abs4;
B-VG Art133 Abs3;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §24 Abs4;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015090009.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1957 geborene Revisionswerber steht als Hofrat der Verwendungsgruppe A1 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und verrichtete als Referatsleiter (Strafamt) in der sicherheits- und verwaltungspolizeilichen Abteilung der Landespolizeidirektion G (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) seinen Dienst.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 17. Oktober 2013 wurde der Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu welcher er nicht erschienen war, wie folgt für schuldig erkannt und bestraft:
"I
Der Leiter des Strafamtes der Landespolizeidirektion G, der Revisionswerber, ist gemäß § 126 Abs. 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG) BGBl. Nr. 333/1979, schuldig:
1. Er hat - unter Ausnutzung seiner dienstlichen Möglichkeiten und der Verwendung ausschließlich für dienstliche Zwecke zugewiesener Ressourcen - aus privaten Gründen in den zentralen Datenanwendungen des Bundesministeriums für Inneres ZMR-Anfragen durchgeführt und zwar am 27. November 2009 über FK, am 03. Februar 2011 über EJP, am 03. Februar 2011 über MM, sowie am 21. März 2011 über MW.
2. Er hat es bis dato unterlassen die mit 06. Mai 2009 wirksam gewordene Änderung seiner am 29. April 2009 gemeldeten erwerbsmäßigen Nebenbeschäftigung für die Firma 'CA & CC, O, USA', nämlich eine Erweiterung der Geschäftstätigkeit auf 'Betreiben von Automatensalons mit Glücksspiel- und Geschicklichkeitsautomaten' unverzüglich zu melden und die Dienstbehörde durch die Vorlage eines Firmenbuchauszugs vom 21. April 2009 und der Meldung vom 05. Mai 2009 über den wahren Umfang der von ihm ausgeübten Nebenbeschäftigung getäuscht.
3. Er übt seit 06. Mai 2009 eine unzulässige, die Vermutung der Befangenheit und wesentliche dienstliche Interessen gefährdende Nebenbeschäftigung für die Firma CA & CC, O, USA' aus, welche Automatensalons mit Glücksspiel- und Geschicklichkeitsautomaten betreibt, obwohl zu seinen dienstlichen Aufgaben die Durchführung von Verwaltungs(straf)verfahren nach dem Glücksspielgesetz gehört und er derartige Verfahren bereits mehrfach zu führen hatte.
4. Er hat seit mehreren Jahren bis 11. April 2012 den Reisepass Nr. xxx (gültig bis: 23.06.2008), welcher für die österreichische Staatsbürgerin MP ausgestellt worden war, ohne rechtliche Grundlage in einem Schrank seiner Diensträumlichkeiten verwahrt, anstatt dem Verdacht einer Straftat nachzugehen, zumindest aber für die Rückstellung des Dokumentes an die Berechtigte bzw. allenfalls an die zuständige Passbehörde zu sorgen.
Der Beamte hat dadurch seine Dienstpflichten nach
- § 43 Abs. 1 BDG, nämlich die dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und engagiert aus eigenem zu erfüllen;
- § 43 Abs. 2 BDG, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seines Amtes erhalten bleibt;
- § 56 Abs. 2 BDG, nämlich keine Nebenbeschäftigung auszuüben, welche die Vermutung der Befangenheit hervorruft oder wesentliche dienstliche Interessen gefährdet;
- § 56 Abs. 3 BDG, nämlich jede Änderung einer erwerbsmäßigen Nebenbeschäftigung unverzüglich zu melden;
gemäß § 91 BDG schuldhaft verletzt.
Gegen den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Ziffer 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von einem Monatsbezug verhängt.
Dem Beschuldigten werden gemäß § 117 Abs. 2 BDG keine Kosten des Disziplinarverfahrens auferlegt. Die eigenen Kosten hat er selbst zu tragen.
II
Hingegen wird er zu den im Einleitungsbeschluss GZ 28/3- DK/3/12, vom 31. Juli 2012, in den Spruchpunkten 1. (rechtswidrige Erledigung von Verwaltungsverfahren) und 2.b) (Einholung von Firmenbuchauszügen) angelasteten Dienstpflichtverletzungen gemäß §§ 118 Abs. 1 Ziffer 2, 126 Abs. 2 BDG, freigesprochen."
Das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission enthält zu jedem einzelnen Anschuldigungspunkt sowie zur Strafbemessung eine Begründung. Die Begründung zur Strafbemessung lautet wie folgt:
"Strafbemessung - § 93 BDG
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, das Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Beschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung weiters grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer,
Das Disziplinarrecht der Beamten3, 78 ff und ihr folgend das Erkenntnis des verstärkten Senates des VwGH vom 14.11.2007, 2005/09/0115).
Die Dienstpflichtverletzungen des Disziplinarbeschuldigten sind insgesamt als sehr schwerwiegend zu beurteilen; die ZMR-Anfragen wurden als schwerwiegendste Dienstpflichtverletzung erkannt. Der Senat stellt aber ausdrücklich fest, dass die rechtswidrig durchgeführten ZMR-Anfragen und die Dienstpflichtverletzungen nach § 56 BDG als annähernd gleich schwer zu beurteilen waren, weil hier in beiden Fällen elementare Interessen des Dienstgebers - nämlich eine unbefangene, sachliche, vertrauenswürdige, vor allem aber missbrauchsfreie und an den Interessen des Bürgers orientierte Verwaltungsführung zu garantieren - tangiert sind. Die Einbehaltung des Reisepasses war als erschwerend zu berücksichtigen.
Erschwerungsgründe:
- mehrere strafbare Handlungen
- langer Tatzeitraum
Milderungsgründe:
- Tatsachengeständnis (jedoch keine Schuldeinsicht)
- Wohlverhalten seit der Tat
- disziplinäre und strafrechtliche Unbescholtenheit
- lange Verfahrensdauer
Suspendierung
- Betrauung mit Führungsfunktion trotz anhängigem Disziplinarverfahrens
Dienstbeschreibung
Der erkennende Senat ist bei seinen Überlegungen zur Strafbemessung davon ausgegangen, dass der Disziplinarbeschuldigte - wie schon oben ausführlich begründet - unter Ausnutzung seiner Möglichkeiten als polizeiliche Führungskraft, die nur einer geringen Dienstaufsicht unterliegt, mehrere schwerwiegende Dienstpflichtverletzungen begangen hat, die geeignet waren vor allem das Vertrauen des Dienstgebers in seine Loyalität und Rechtstreue - was auch durch den Strafantrag des Disziplinaranwaltes, als Vertreter der Dienstgeberinteressen, sehr eindrucksvoll zum Ausdruck kommt - aber auch das Vertrauen der Allgemeinheit massiv zu beeinträchtigen. Er hat damit ein Verhalten gezeigt, welches einer polizeilichen und juristisch gebildeten Führungskraft unwürdig und geeignet ist, negative Auswirkungen auf seine Vorbildfunktion gegenüber nachgeordneten, oder dienstgradmäßig niedriger gestellten Beamten zu begründen. Gerade von einem juristisch gebildeten Beamten der Polizei muss erwartet werden, dass die Datenbanken des Bundesministeriums für Inneres nicht missbräuchlich für private Zwecke verwendet werden. Auch im Hinblick auf die Ausübung von Nebenbeschäftigungen müssen Führungskräfte, denen schließlich maßgeblicher Einfluss auf die Führung der Sicherheitsbehörden zukommt, besondere Sensibilität beweisen. Wenn schon Führungskräfte überhaupt kein Unrechtsbewusstsein zeigen und bei der Ausübung/Aufnahme von Nebenbeschäftigung, ohne Rücksicht auf die Interessen des Dienstgebers, von ausschließlich privaten Interessen getragen sind, so hat dies äußerst negative Auswirkung innerhalb des Wachkörpers (Vorbildfunktion), aber auch in der öffentlichen Wahrnehmung (Ansehen des Amtes). Dementsprechend war dem Strafantrag der Disziplinaranwaltschaft auf Verhängung einer Geldstrafe nach § 92 Abs. 1 Ziffer 3 BDG schon aus generalpräventiven Gründen stattzugeben. Aber auch spezialpräventiv zeigte sich die Notwendigkeit für die Verhängung einer Geldstrafe, weil der Disziplinarbeschuldigte - unbeschadet seines Tatsachengeständnisses - überhaupt keine Schuldeinsicht zeigte. Grundsätzlich wäre bei einem derartigen, schwerwiegenden Versagen einer Führungskraft - durchaus auch der Intention der Disziplinaranwaltschaft folgend - mit Geldstrafe im Bereich von etwa zwei Monatsbezügen vorzugehen gewesen und hält die Disziplinarkommission den Strafantrag der Disziplinaranwaltschaft keineswegs für abstrus (Stellungnahme des Disziplinarbeschuldigten), wenngleich - wie noch unten auszuführen sein wird - schon auch die tatsächliche Höhe der Strafe in Einklang mit dem Unrechtsgehalt der Tat zu bringen ist. Der erkennende Senat hatte darüber hinaus auch die zweifellos vorhandenen Milderungsgründe zu berücksichtigen, sowie vor allem auch, dass sich die ursprünglich massiven strafrechtlichen Verdachtsmomente (die auch seine Suspendierung zur Folge hatte) letztlich nicht bestätigt haben. Daher war auch die Suspendierung des Disziplinarbeschuldigten, die von der Berufungskommission aufgehoben wurde, war als mildernd zu berücksichtigen. Nicht unbeachtet geblieben ist außerdem die tatsächliche Höhe der ausgesprochenen Strafe, die ja schon aufgrund der hohen Bewertung (A1/2) und der hohen Gehaltsstufe des Disziplinarbeschuldigten wohl nicht als gering bezeichnet werden kann. Vor allem spezialpräventiv sollte der Disziplinarbeschuldigte aus dem Verfahren doch gelernt haben und sich in Zukunft entsprechend verhalten. Diese Strafe war aber letztlich auch deshalb zu wählen, weil auch zu berücksichtigen war, dass der Disziplinarbeschuldigte trotz anhängigem Disziplinarverfahrens mit der Funktion des Leiters des Strafamtes betraut wurde und daraus wohl geschlossen werden kann, dass seine unmittelbaren Vorgesetzten doch noch Vertrauen in seine Amtsführung haben.
Für die Strafhöhe war auch die wirtschaftliche Situation des Disziplinarbeschuldigten, insbesondere sein hoher Schuldenstand maßgeblich. Insoweit sich noch weitere Unterhaltspflichten ergeben sollten, werden diese im Rahmen einer allenfalls zu gewährenden Ratenzahlung zu berücksichtigen sein. Es steht dem Beamten frei, einen entsprechenden Antrag einzubringen.
Der erkennende Senat ist sich durchaus bewusst, dass er mit diesem Erkenntnis - vor allem eben wegen der hohen Funktion des Disziplinarbeschuldigten - am untersten Ende einer adäquaten, dem doch beträchtlichen Unrechtsgehalt der Tat entsprechenden Sanktion liegt, die auch gerade noch generalpräventiven Erwägungen gerecht wird. Mit der nunmehrigen Strafe wird aber dennoch ein deutliches Zeichen gesetzt, welches Verhalten von hohen Repräsentanten der Sicherheitsbehörden erwarten wird und was nicht mehr toleriert werden kann. Es wird am Disziplinarbeschuldigten liegen zu zeigen, dass er daraus gelernt hat und sich in Zukunft wieder ordentlich verhalten wird. Es muss ihm aber bewusst sein, dass bei weiteren Dienstpflichtverletzungen mit weitaus höheren Strafen - bis hin zur Entlassung - gegen ihn vorgegangen werden wird."
Dagegen erhoben der Revisionswerber und der Disziplinaranwalt Berufungen. Diese wurden von dem für die Entscheidung darüber gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 8 B-VG zuständigen Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgewiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass sich die dem Revisionswerber angelasteten Dienstpflichtverletzungen aus dem Spruch des Disziplinarerkenntnisses der Disziplinarkommission ergäben und diese Feststellungen unmittelbar auf Grund der Aktenlage getroffen werden könnten, weil die den Dienstpflichtverletzungen zugrunde liegenden Sachverhalte vom Revisionswerber in seiner Beschwerde (gemeint: Berufung) auch nicht bestritten würden. Das Bundesverwaltungsgericht stellte weiters fest, dass die Geschäftseinteilungen der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für die Jahre 2012 und 2013 unbedenklich seien und dass die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Jahr 2012 an den Amtstafeln des Bundesministeriums für Inneres sowie am Sitz des erkennenden Senates 3 in Villach im Dezember 2011 kundgemacht worden sei. Dies ergäbe sich aus den unbedenklichen Feststellungen des bekämpften Bescheides und werde vom Revisionswerber nicht bestritten. Gemäß § 135a Abs. 3 BDG 1979 habe die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes durch einen Senat zu erfolgen, wenn der Disziplinaranwalt gegen ein Erkenntnis Beschwerde erhoben habe. Gegenständlich liege somit Senatszuständigkeit vor.
Die Strafbemessung nach § 93 BDG 1979 sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber festgelegten Kriterien vorzunehmen sei. Als Ermessensentscheidung unterliege sie nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof, als dieser zu prüfen habe, ob die Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht habe (Hinweis auf Art. 130 Abs. 2 B-VG in der Fassung vor der am 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen B-VG-Novelle, BGBl. I Nr. 51/2012). Daher könne eine Rechtswidrigkeit des Bescheides der Disziplinarkommission hinsichtlich der Strafzumessung nicht erkannt werden, weil diese nachvollziehbar ihre Überlegungen und Umstände zur konkreten Strafbemessung insbesondere unter Bedachtnahme auf die von ihr erkannten Milderungsgründe dargelegt habe.
Der Revisionswerber bestreite nicht, dass die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Jahr 2012 am Sitz des Senates 3 der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres in Villach kundgemacht worden sei und vom Vorsitzenden der Disziplinarkommission am 16. Dezember 2011 erlassen worden sei. Die Auffassung des Revisionswerbers, dass die Geschäftseinteilung der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für das Jahr 2013 rechtswidrig sei, weil sie erst am 8. Jänner 2013 erlassen worden sei, sei rechtsirrig. Nach den Geschäftseinteilungen der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres sowohl für das Jahr 2012 als auch für das Jahr 2013 sei für die Zuständigkeit eines Senates der Zeitpunkt des Anfalls der Rechtssache maßgebend und der dadurch bestimmte Senat bis zur rechtskräftigen Erledigung der Rechtssache zuständig, selbst wenn inzwischen Veränderungen in der Geschäftsverteilung eingetreten sein sollten. Im Hinblick auf die Tatsache, dass die gegenständliche Disziplinarsache beim erkennenden Senat nach der Aktenlage im Jahr 2012 angefallen sei, könne der Meinung des Revisionswerbers, die belangte Behörde könne ihre Zuständigkeit nicht auf die Geschäftseinteilung für das Jahr 2012 stützen, nicht gefolgt werden.
Zur Verantwortung des Revisionswerbers hinsichtlich der Dienstpflichtverletzung der mehrjährigen Aufbewahrung eines fremden Reisepasses (Spruchpunkt 4. des bekämpften Bescheides), wonach er diesen Reisepass als Pfand erhalten habe und somit nicht berechtigt gewesen sei, diesen Pass jemandem anderen zu übergeben, ohne dadurch das Pfand zu veruntreuen, sei zu bemerken, dass gemäß § 448 ABGB nur Sachen, die im Verkehr stehen, als Pfand dienen könnten. Ein Reisepass stehe jedoch unstrittig nicht im Verkehr, weil die Verkehrsfähigkeit voraussetze, dass eine Verwertung zur Befriedigung des Gläubigers möglich sei. Würden hingegen unverwendbare Sachen, wie Diplome, Zeugnisse, Pässe udgl. "verpfändet" oder "sicherungsübereignet", so entstehe kein Pfandrecht oder Sicherungseigentum (Hinweis auf OGH vom 13. Juli 1982, 4 Ob 548/82, mwH).
Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, die nach mit Beschluss vom 21. November 2014, E 740/2014, erfolgter Ablehnung und Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof einer gegen das angefochtene Erkenntnis gerichteten Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof erhoben wurde und über die der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens und Erstattung von Revisionsbeantwortungen durch die Bundesministerin für Inneres sowie auch durch die vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde erwogen hat:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
Der Revisionswerber hält seine Revision deswegen für zulässig, weil das Bundesverwaltungsgericht als wesentlichen Verfahrensfehler die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung verabsäumt und keinerlei Beweiswürdigung vorgenommen habe. Dabei sei es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, näherhin von dessen Erkenntnis vom 19. September 2014, Zl. Ro 2014/09/0049, zu § 24 VwGVG abgewichen. Einen weiteren Zulässigkeitsgrund erblickt der Revisionswerber darin, dass eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darüber noch nicht bestehe, ob eine verspätet kundgemachte Geschäftseinteilung Wirksamkeit entfalte und schließlich auch deswegen, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darüber bestehe, ob gemäß § 135a Abs. 3 Z. 2 BDG 1979 auch dann ein Senat zu bilden sei, wenn neben dem Revisionswerber auch der Disziplinaranwalt berufen habe und letzterer nur gegen die Strafhöhe.
Der Revisionswerber zeigt damit die Zulässigkeit der Revision auf, weil die Frage der Verpflichtung des Bundesverwaltungsgerichts zur Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 24 VwGVG im Falle eines ausdrücklichen Antrages und bei Erlassung eines Disziplinarerkenntnisses mit Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem BDG 1979 in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht behandelt worden ist.
Die Revision ist daher schon aus diesem Grunde zulässig und das angefochtene Erkenntnis im Rahmen der geltend gemachten Revisionspunkte durch den Verwaltungsgerichtshof zu prüfen.
Der Revisionswerber macht geltend, dass das Bundesverwaltungsgericht zu Unrecht keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Die Pflicht der Verwaltungsgerichte zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist in § 24 VwGVG geregelt, dieser und § 28 VwGVG lauten auszugsweise:
"Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren
einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder
abzuweisen ist.
(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
...
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
- 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
- 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts
durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
..."
Das BDG 1979 sieht hinsichtlich der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über ein Disziplinarerkenntnis keine von der allgemeinen Bestimmung des § 24 VwGVG abweichenden Voraussetzungen für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor.
Im vorliegenden Fall hatte der Revisionswerber in seiner Berufung ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren beantragt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte darüber gemäß Art. 151 Abs. 1 Z. 8 B-VG zu entscheiden und die für Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht geltenden Verfahrensbestimmungen, somit die für die Behandlung von Beschwerden geltenden Bestimmungen des VwGVG anzuwenden. Gründe für den Entfall einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGVG lagen im vorliegenden Fall nicht vor, weil die Beschwerde nicht zurückzuweisen und der angefochtene Bescheid nicht auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, nicht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder eine Weisung angefochten war und das Verwaltungsgericht auch nicht über eine Säumnisbeschwerde zu entscheiden hatte.
Daher war für die Frage der Durchführung einer mündlichen Verhandlung § 24 Abs. 4 VwGVG maßgeblich.
In seinem Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0007, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Verpflichtung des Verwaltungsgerichts zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 24 Abs. 4 VwGVG bei der Entscheidung über einen Einleitungsbeschluss, also in einem Fall auseinandergesetzt, in welchem über eine Angelegenheit außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 6 Abs. 1 EMRK zu entscheiden und daher für die Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung ungeachtet eines Parteienantrages allein maßgeblich war, ob gemäß § 24 Abs. 4 "die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt". Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, zusammenfassend festgehalten, dass das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Antrages gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 6 EMRK von der Durchführung einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dass dies dann der Fall ist, wenn von vornherein absehbar ist, dass eine mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre.
Im Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, hat der Verwaltungsgerichtshof die Voraussetzungen dafür wie folgt umschrieben:
"Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von
der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ... außer
Betracht bleiben kann."
Aus der Formulierung "Klärung der Rechtssache" in § 24 Abs. 4 VwGVG kann auch geschlossen werden, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör vor Augen hatte, sondern auch die mündliche Erörterung der nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0007).
Ob die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG erwarten lässt, ist in jedem einzelnen Fall ausgehend von der jeweiligen Sache zu beurteilen. Diese Sache bestand im vorliegenden Fall aus Schuldsprüchen wegen vier verschiedener Dienstpflichtverletzungen und einer Entscheidung über eine Disziplinarstrafe. Darüber hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG entschieden.
Hiebei waren - neben den Bestimmungen über die betroffenen Dienstpflichten - insbesondere folgende Vorschriften des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, idF BGBl. I Nr. 147/2008, anzuwenden:
"Disziplinarstrafen
§ 92. (1) Disziplinarstrafen sind
1. der Verweis,
2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges,
3. die Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsbezug
bis zu fünf Monatsbezügen,
4. die Entlassung.
(2) In den Fällen des Abs. 1 Z 2 und 3 ist von dem Monatsbezug auszugehen, der dem Beamten auf Grund seiner besoldungsrechtlichen Stellung im Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses beziehungsweise im Zeitpunkt der Verhängung der Disziplinarverfügung gebührt. Allfällige Kürzungen des Monatsbezuges sind bei der Strafbemessung nicht zu berücksichtigen.
...
Strafbemessung
§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
(2) Hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind."
Das Bundesverwaltungsgericht hatte angesichts dieser Vorschriften über eine Rechtssache von gewisser Komplexität zu befinden.
Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts trifft zu, dass bei der Bemessung einer Disziplinarstrafe nach § 93 BDG 1979 - auch - eine Ermessensentscheidung zu treffen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. November 2013, 2013/09/0027, mwN). Bei der Entscheidung über ein Disziplinarerkenntnis nach dem BDG 1979 handelt es sich nicht um eine Verwaltungsstrafsache im Sinne des Art. 130 Abs. 3 B-VG. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts trifft daher zu, dass das Verwaltungsgericht, wenn es zur selben sachverhaltsmäßigen und rechtlichen Beurteilung kommt, vor dem Hintergrund des Art. 130 Abs. 3 B-VG nicht sein eigenes Ermessen an die Ermessensübung durch die Disziplinarkommission setzen darf. Jedoch ist das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die Bemessung einer Disziplinarstrafe nicht von der Verpflichtung zur Beurteilung entbunden, ob die Ermessensübung durch die Disziplinarkommission auf gesetzmäßige Weise erfolgte.
Weiters ist zu bedenken, dass das Verwaltungsgericht im Fall einer gesetzwidrigen Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Fall des § 28 Abs. 2 VwGVG (Art. 130 Abs. 4 B-VG) in der Sache selbst zu entscheiden und dabei auch eine Ermessensentscheidung zu treffen hat.
Bei der Entscheidung über die disziplinarrechtliche Schuld und Strafe (§§ 91 ff BDG 1979) handelt es sich um eine aus gebundenen Entscheidungen und einer Ermessensentscheidung zusammengesetzte Entscheidung. Bei der Beurteilung der Schuld und deren Schwere ist kein Ermessen zu üben, erst die Auswahl der Strafmittel (§ 92 Abs. 1 leg. cit.) und gegebenenfalls (im Fall einer Geldbuße oder Geldstrafe) die Festlegung von deren Höhe stellen Ermessensentscheidungen dar. Hiebei sind Beurteilungen betreffend die Persönlichkeit des Beschuldigten, sein vergangenes und zukünftiges Verhalten zu treffen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits zur Rechtslage vor Einführung der Verwaltungsgerichte wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass bei Erstellung einer Prognose über das zukünftige Verhalten einer natürlichen Person der Verschaffung eines - im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gewonnenen - persönlichen Eindrucks besondere Bedeutung zukommt (vgl. aus dem Bereich des Disziplinarrechts etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 2006, 2005/09/0080, vom 12. Juli 2011, 2011/09/0097, und vom 26. Jänner 2012, 2009/09/0187; vgl. zur Erforderlichkeit der Durchführung einer Verhandlung im Zusammenhang mit der Beurteilung der von einer Person ausgehenden Gefährdung im Bereich des Fremdenrechts etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. April 2013, 2012/18/0072, und vom 20. März 2012, 2011/21/0298). Im Fall der Erteilung einer Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung eines Gewerbes wegen gerichtlicher Verurteilungen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. Februar 2015, Ra 2014/04/0035, den Schluss gezogen, dass auch in einem solchen Fall angesichts der Bedeutung eines persönlichen Eindrucks eine öffentliche mündliche Verhandlung hätte durchgeführt werden müssen.
Auch im vorliegenden Fall hatte das Bundesverwaltungsgericht bei der Entscheidung über eine disziplinarrechtliche Schuld und Strafe, bei welcher es gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 u.a. darauf ankommt, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, eine solche Prognoseentscheidung zu treffen.
Bei dieser Sachlage kann nicht gesagt werden, dass im vorliegenden Fall angesichts der bei der Ermessensprüfung gebotenen Berücksichtigung der Ermessensbeurteilung durch die Verwaltungsbehörde sowie angesichts der Bedeutung eines persönlichen Eindrucks bei der gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 zu treffenden Prognoseentscheidung die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG nicht erwarten ließ und die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht gerechtfertigt gewesen wäre.
Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kommt im Übrigen ein Entfall der Verhandlung dann nicht in Betracht, wenn Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um 'civil rights' oder 'strafrechtliche Anklagen' im Sinn des Art. 6 EMRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 9. September 2014, Ro 2014/09/0049, zu § 24 VwGVG, mit Hinweis auf das Erkenntnis vom 23. Jänner 2013, Zl. 2010/15/0196).
Mit einer Entscheidung über die disziplinarrechtliche Schuld und Strafe eines Beamten wird nach der gefestigten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) in der Regel eine Entscheidung über eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK getroffen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 14. Oktober 2011, 2008/09/0125, und vom 9. September 2014, Ro 2014/09/0049, mwN).
Gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK besteht bei Entscheidungen über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal, außer es liegen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten (vgl. die Entscheidungen des EGMR vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04, Hofbauer/Österreich Nr. 2, und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05, Bösch/Österreich). Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände verschiedentlich angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hochtechnische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.
In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 18. November 2014, Zl. 2013/05/0022, mwN, und Senft, Verhandlungspflicht der Verwaltungsgerichte aus grundrechtlicher Perspektive, ZVG 2014, 523, 533ff).
Solche Voraussetzungen für eine Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach Art. 6 Abs. 1 EMRK lagen im vorliegenden Fall nicht vor. Hier trifft nicht zu, dass etwa "hoch-technische" Fragen und keine Fragen der Beweiswürdigung hinsichtlich der Bewertung des Ausmaßes der Schuld des Revisionswerbers und der Höhe der Disziplinarstrafe vorgelegen wären, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht erforderlich gewesen wäre. Vielmehr ist für die Beurteilung der disziplinarrechtlichen Schuld und Strafe der unmittelbare Eindruck des Gerichts über Persönlichkeit und Charakter des Beschuldigten von wesentlicher Bedeutung, hier wird eine mündliche Verhandlung regelmäßig auch dann erforderlich sein, wenn bereits eine Verhandlung vor der Disziplinarkommission stattgefunden hat (vgl. etwa die Erwägungen des EGMR in den Urteilen vom 19. Februar 1996, im Fall Botten v. Norway, Nr. 16206/90, par. 39 ff, 50, und vom 29. September 2009, im Fall Talaber v. Hungary, Nr. 37376/05, par. 23 ff, die zwar Strafverfahren betreffen, die jedoch wegen der Ähnlichkeit des Disziplinarverfahrens mit einem Strafverfahren auch für die Anforderungen an ein faires Disziplinarverfahren von Bedeutung sind). Auch hat der Revisionswerber in seiner Berufung Sach- und Rechtsfragen gegen die Entscheidung der Disziplinarkommission aufgeworfen, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung zweckmäßig gewesen wäre.
Im Übrigen hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage der Notwendigkeit einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG auch gar nicht befasst und die Abstandnahme von deren Durchführung nicht begründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz in den letzten Jahren in allen Fällen, in denen eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt war, eine solche im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK auch durchgeführt (vgl. etwa nur die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 2003, 2000/09/0110, vom 29. April 2004, 2001/09/0208, vom 10. November 2009, 2008/09/0331, und vom 24. Jänner 2014, 2013/09/0149). Diese Verpflichtung haben nach Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz nunmehr die Verwaltungsgerichte zu übernehmen.
Der Revisionswerber erachtet sich auch dadurch in seinen Rechten verletzt, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht durch eine Einzelrichterin, sondern durch einen Senat entschieden habe, damit zeigt der Revisionswerber eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses jedoch nicht auf.
Die §§ 6 und 7 des Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, lauten:
"Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.
(2) Ist in Bundes- oder Landesgesetzen die Mitwirkung fachkundiger Laienrichter an der Rechtsprechung vorgesehen, sind diese anstelle der Mitglieder nach Maßgabe der Geschäftsverteilung als Beisitzer heranzuziehen. Ist in Bundes- oder Landesgesetzen die Mitwirkung von mehr als zwei fachkundigen Laienrichtern vorgesehen, ist der Senat entsprechend zu vergrößern.
(3) Ist ein Mitglied des Senates verhindert, so hat der Vorsitzende den Eintritt des in der Geschäftsverteilung vorgesehenen Ersatzmitgliedes zu verfügen.
(4) Die Tätigkeit des Präsidenten und des Vizepräsidenten in einem Senat bedarf deren Zustimmung."
Die maßgeblichen Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979 idF BGBl. I Nr. 120/2012, lauten:
"Disziplinarerkenntnis
§ 126. (1) Wenn eine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde, hat die Disziplinarkommission bei der Beschlußfassung über das Disziplinarerkenntnis nur auf das, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist, sowie auf eine allfällige Stellungnahme des Beschuldigten gemäß § 125a Abs. 4 Rücksicht zu nehmen.
(2) Das Disziplinarerkenntnis hat auf Schuldspruch oder Freispruch zu lauten und im Falle eines Schuldspruches, sofern nicht nach § 115 von einem Strafausspruch abgesehen wird, die Strafe festzusetzen.
(3) Eine schriftliche Ausfertigung des Disziplinarerkenntnisses ist den Parteien längstens innerhalb von zwei Wochen zuzustellen und der Dienstbehörde unverzüglich zu übermitteln.
...
Verwaltungsgerichtsbarkeit Senatsentscheidungen
§ 135a. (1) In Angelegenheiten des § 15a, des § 20 Abs. 1 Z 2, des § 38, des § 40 und des § 41 Abs. 2 hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch einen Senat zu erfolgen.
(2) In Angelegenheiten des § 14 hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch einen Senat zu erfolgen, wenn die Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen erfolgt ist.
(3) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hat
weiters durch einen Senat zu erfolgen, wenn
1. gegen ein Erkenntnis, mit dem die Disziplinarstrafe
der Entlassung oder der Verlust aller aus dem Dienstverhältnis
fließenden Rechte und Ansprüche verhängt wurde, Beschwerde erhoben
wurde oder
2. die Disziplinaranwältin oder der Disziplinaranwalt
gegen ein Erkenntnis Beschwerde erhoben hat."
Allerdings kommt hier der Ausnahmefall des § 135a Abs. 3 Z 2 BDG 1979 zum Tragen, wonach über Beschwerden des Disziplinaranwalts "gegen ein Erkenntnis" durch einen Senat zu entscheiden ist. Beim Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission vom 17. Oktober 2013 handelt es sich um ein solches "Erkenntnis".
Auch der in den Erläuterungen der Regierungsvorlage erkennbare historische Wille des Gesetzgebers spricht hier für die Zuständigkeit des Senates, es sollten "besonders starke Eingriffe in die Rechtsstellung von Bediensteten einer Entscheidung durch einen Senat vorbehalten bleiben" (2003 BlgNR 24. GP 10).
Die Berufung des Disziplinaranwalts konnte im vorliegenden Fall zu einer Erschwerung der Strafe gegen den Revisionswerber bis hin zur Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung sohin jedenfalls zu einem besonders starken Eingriff in seine Rechtsstellung führen, weshalb auch im Sinn der Erläuterungen die Senatszuständigkeit zu Recht bejaht worden ist.
Eine weitere Rechtswidrigkeit erblickt der Revisionswerber darin, dass im vorliegenden Fall mangels ordnungsgemäßer Kundmachung der Geschäftseinteilungen der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres für die Jahre 2012 und 2013 nicht eine zuständige Behörde erster Instanz entschieden habe. Einen derartigen Kundmachungsfehler vermag der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der hier anzuwendenden Geschäftseinteilungen für die Jahre 2012 und 2013 nicht zu erblicken, zumal auch der Revisionswerber letztlich die Kundmachung der Geschäftseinteilungen nicht in Frage stellt. Wenn in § 101 Abs. 4 BDG 1979 normiert ist, dass die Senate der Disziplinarkommission vom Vorsitzenden "bis zum Jahresschluß für das folgende Kalenderjahr" zu bilden sind, so widerspricht eine Bildung der Senate erst nach dem Jahresschluss zwar dem Gesetz, ein solcher Mangel bewirkt jedoch noch keine Nichtigkeit einer derart verspätet erlassenen Geschäftseinteilung.
Nach dem Gesagten war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden, dieser Verpflichtung wird nunmehr das Bundesverwaltungsgericht Genüge tun müssen.
Wien, am 21. April 2015
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