VwGH 2013/05/0022

VwGH2013/05/002218.11.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Beschwerde des Vereins Z in B, vertreten durch Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 8, gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 12. Dezember 2012, Zl. US 2B/2012/15-13, betreffend Zurückweisung einer Berufung und Abweisung eines Überprüfungsantrags in einem Verfahren nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (mitbeteiligte Partei:

Gemeinde M, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12),

Normen

31985L0337 UVP-RL Art10a Abs3;
31985L0337 UVP-RL Art10a;
32011L0092 UVP-RL Art11 Abs1;
32011L0092 UVP-RL Art11 Abs2;
32011L0092 UVP-RL Art11 Abs3;
32011L0092 UVP-RL Art11;
62008CJ0075 Mellor VORAB;
62008CJ0205 Umweltanwalt Kärnten / Kärntner Landesregierung VORAB;
62010CJ0182 Solvay VORAB;
62011CJ0260 Edwards und Pallikaropoulos VORAB;
EURallg;
UVPG 2000 §19 Abs1 Z7;
UVPG 2000 §19 Abs10;
UVPG 2000 §19 Abs7;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3 Abs7a idF 2012/I/077;
UVPG 2000 §3 Abs7a;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrages auf Überprüfung nach § 3 Abs. 7a UVP-G 2000) richtet, zurückgewiesen.

und

2. zu Recht erkannt:

Im Übrigen (bezüglich des Spruchpunktes 1. des angefochtenen Bescheides) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Bei der beschwerdeführenden Partei handelt es sich um eine gemäß § 19 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation.

Die mitbeteiligte Partei beantragte in einem Verfahren nach dem Oö. ElWOG 2006 die Erteilung einer Bewilligung für sechs Windenergieanlagen (Windräder) zu jeweils 3 Megawatt (MW) im K.- wald, wofür ihr gemäß § 12 leg. cit. mit Bescheid vom 7. März 2012 die Anlagenbewilligung erteilt wurde.

Mit Eingabe vom 7. Mai 2012 beantragte der Oö. Umweltanwalt bei der Oö. Landesregierung die Feststellung, dass für das Vorhaben "Windpark (M.)" bzw. das Gesamtprojekt (...) im K.-wald eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach dem UVP-G 2000 durchzuführen sei.

Mit der am 14. Juni 2012 bei der Landesregierung eingelangten Eingabe stellte auch die beschwerdeführende Partei den Antrag, gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 festzustellen, dass für das geplante Vorhaben "Windpark (M.)" eine Bewilligungspflicht nach diesem Gesetz bestehe.

Mit Bescheid der Landesregierung vom 23. Juli 2012 wurde gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 unter Spruchpunkt I. ausgesprochen, dass für dieses Vorhaben keine UVP nach diesem Gesetz durchzuführen sei, und unter Spruchpunkt III. (u.a.) der genannte Antrag der beschwerdeführenden Partei mangels Parteistellung zurückgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei erhob dagegen Berufung und stellte gemäß § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 an den Umweltsenat einen Antrag auf Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften über die UVP-Pflicht.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Umweltsenates vom 12. Dezember 2012 wurde (u.a.) unter Spruchpunkt 1. die Berufung der beschwerdeführenden Partei als unzulässig zurückgewiesen und unter Spruchpunkt 2. der von ihr gemäß § 3 Abs. 7a leg. cit. gestellte Antrag als unbegründet abgewiesen.

Dazu führte der Umweltsenat aus, dass in einem Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 die Parteistellung einer anerkannten Umweltorganisation nicht vorgesehen sei, weshalb die Berufung der beschwerdeführenden Partei zurückzuweisen sei. Mit der UVP-G-Novelle 2012 sei in § 3 UVP-G 2000 Abs. 7a eingefügt und damit dem Erfordernis, der betroffenen Öffentlichkeit eine Überprüfung von Entscheidungen im Feststellungsverfahren zu ermöglichen, ausreichend entsprochen worden. Im Hinblick auf diese neue Rechtslage habe keine Veranlassung dazu bestanden, beim EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen zu stellen. Was den von der beschwerdeführenden Partei gemäß § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 gestellten Antrag anlange, so sei dieser zulässig. In dieser Hinsicht sei zu prüfen, ob das beantragte Projekt zur Errichtung von sechs Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 17,9 MW für sich allein betrachtet oder in Verbindung mit schon bestehenden Windkraftanlagen und geplanten gleichartigen Anlagen die Voraussetzungen des Anhanges 1 lit. a oder lit. b des UVP-G 2000 erfülle. Dass die Voraussetzungen des Anhanges 1 lit. a leg. cit. nicht erfüllt würden, sei offensichtlich, werde im vorliegenden Fall doch weder die Gesamtleistung von 20 MW noch die Gesamtzahl von 20 Konvertern erreicht. Was die Voraussetzungen des Anhanges 1 lit. b leg. cit. anlange, so werde die Gesamtleistung von 10 MW überschritten, weshalb zu prüfen sei, ob ein schutzwürdiges Gebiet der Kategorie A des Anhanges 2 des UVP-G 2000 vorliege. Darunter fielen ausgewiesene Schutzgebiete z.B. im Sinn der Vogelschutzrichtlinie und nach der Judikatur auch sogenannte "faktische Vogelschutzgebiete". Das Bestehen eines solchen faktischen Vogelschutzgebietes sei nicht überall dort anzunehmen, wo Vogelarten im Sinn des Anhanges I (der Vogelschutzrichtlinie) vorkämen, sondern nur insofern, als ein Gebiet zu den zahlen- und flächenmäßig für die Erhaltung der geschützten Arten geeignetsten Gebieten zähle. Aufgrund des von der Landesregierung eingeholten (im angefochtenen Bescheid näher dargestellten) Gutachtens des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz sei diese zum Ergebnis gelangt, dass kein faktisches Vogelschutzgebiet vorliege. Für die besondere flächenmäßige Eignung eines Gebietes für die Erhaltung der geschützten Arten (im genannten Sinn) gelte, dass eine allein quantitative Betrachtung der Gebiete nicht ausreiche. Gewollt sei, dass Schutzgebiete nur dort ausgewiesen würden, wo die geschützten Arten ein ihren Bedürfnissen entsprechendes Revier vorfänden oder ein artgerechtes Habitat wenigstens entwicklungsfähig sei. Schließlich sei nach Betrachtung aller arten-, zahlen- und flächenmäßigen Faktoren, welche die Eignung des Gebietes ausmachten, eine wertende Gesamtschau vorzunehmen und das Gebiet mit anderen potenziellen oder tatsächlichen Vogelschutzgebieten zu vergleichen. Denn eine Ausweisungsverpflichtung des Mitgliedstaates könne sich nur ergeben, wenn dem Gebiet im Verhältnis zu anderen möglichen Schutzflächen eine hervorgehobene Schutzstellung zukomme. Vor dem Hintergrund der sich aus der Vogelschutzrichtlinie ergebenden Rahmenbedingungen und Kriterien hätten weder die Oö. Umweltanwaltschaft noch die Berufungswerber mit ihrem Vorbringen das Vorliegen eines faktischen Vogelschutzgebietes aufgezeigt. Demgegenüber treffe das Amtssachverständigengutachten, bezogen auf die Projektstandorte, eindeutige Feststellungen zum Nichtvorliegen eines faktischen Vogelschutzgebietes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden und der Berufung bzw. dem Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Überprüfung der Einhaltung von Vorschriften über die UVP-Pflicht Folge geben und vorschreiben, dass für das Vorhaben der Errichtung einer Windenergieanlage "Windpark (M.)" eine UVP durchzuführen sei, in eventu, der Verwaltungsgerichtshof möge den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben.

Der Umweltsenat legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Im weiteren Beschwerdeverfahren legte die beschwerdeführende Partei mit Schriftsatz vom 15. September 2014 ein Privatgutachten vor, welcher Vorlage die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2014 entgegentrat.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden sind.

Im vorliegenden Beschwerdefall sind (u.a.) folgende Bestimmungen des UVP-G, BGBl. Nr. 697/1993, in der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2012 von Bedeutung:

"Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 3. (...)

(...)

(6) Umweltorganisation ist ein Verein oder eine Stiftung,

1. der/die als vorrangigen Zweck gemäß Vereinsstatuten oder Stiftungserklärung den Schutz der Umwelt hat,

2. der/die gemeinnützige Ziele im Sinn der §§ 35 und 36 BAO, BGBl. Nr. 194/1961, verfolgt und

3. der/die vor Antragstellung gemäß Abs. 7 mindestens drei Jahre mit dem unter Z 1 angeführten Zweck bestanden hat.

(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat der Behörde Unterlagen vorzulegen, die zur Identifikation des Vorhabens und zur Abschätzung seiner Umweltauswirkungen ausreichen. Hat die Behörde eine Einzelfallprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen, so hat sie sich dabei hinsichtlich Prüftiefe und Prüfumfang auf eine Grobprüfung zu beschränken. Die Entscheidung ist in erster und zweiter Instanz jeweils innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung sind die mitwirkenden Behörden und das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Die Entscheidung ist von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen und der Bescheid jedenfalls zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs. 4 erfolgen, zu veröffentlichen; der Bescheid ist als Download für sechs Wochen bereitzustellen. Die Standortgemeinde kann gegen die Entscheidung Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Der Umweltanwalt und die mitwirkenden Behörden sind von der Verpflichtung zum Ersatz von Barauslagen befreit.

(7a) Stellt die Behörde gemäß Abs. 7 fest, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist, ist eine gemäß § 19 Abs. 7 anerkannte Umweltorganisation berechtigt, einen Antrag auf Überprüfung der Einhaltung von Vorschriften über die UVP-Pflicht an den Umweltsenat zu stellen. Der Antrag ist binnen vier Wochen ab dem Tag der Veröffentlichung des Bescheides im Internet schriftlich bei der Behörde einzubringen. Ab dem Tag der Veröffentlichung im Internet ist einer gemäß § 19 Abs.  7 anerkannten Umweltorganisation Einsicht in den Verfahrensakt zum Feststellungsverfahren zu gewähren. Im Antrag ist anzugeben, welche Vorschriften die anerkannte Umweltorganisation durch die Entscheidung als verletzt erachtet und auf welche Gründe sich diese Behauptung stützt. Für die Ausübung dieses Antragsrechtes ist der im Anerkennungsbescheid gemäß § 19 Abs. 7 ausgewiesene örtliche Zulassungsbereich maßgeblich. Für die Entscheidung des Umweltsenates über diesen Antrag gilt § 66 AVG mit der Maßgabe, dass anstelle der Berufung der Antrag auf Überprüfung tritt. Der Umweltsenat hat die Entscheidung über diesen Antrag innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat Parteistellung im Überprüfungsverfahren.

(...)"

"Partei- und Beteiligtenstellung sowie

Rechtsmittelbefugnis

§ 19. (1) Parteistellung haben

(...)

7. Umweltorganisationen, die gemäß Abs. 7 anerkannt wurden.

(...)

(7) (Verfassungsbestimmung) Der Bundesminister/die Bundesministerin für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister/der Bundesministerin für Wirtschaft und Arbeit auf Antrag mit Bescheid zu entscheiden, ob eine Umweltorganisation die Kriterien des Abs. 6 erfüllt und in welchen Bundesländern die Umweltorganisation zur Ausübung der Parteienrechte befugt ist. Gegen die Entscheidung kann auch Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.

(...)"

Mit der am 17. Februar 2012 in Kraft getretenen, somit im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (im Folgenden: UVP-RL) wurde die damit aufgehobene Richtlinie 85/337/EWG (im Folgenden: Vorgängerrichtlinie) aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit kodifiziert (vgl. dazu den Erwägungsgrund (1) und Art. 14 der UVP-RL). Die Art. 1 und 11 dieser Richtlinie lauten (auszugsweise):

"Artikel 1

(1) Gegenstand dieser Richtlinie ist die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.

(2) Im Sinne dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

(...)

c) 'Genehmigung': Entscheidung der zuständigen Behörde oder der zuständigen Behörden, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung des Projekts erhält;

(...)

e) 'betroffene Öffentlichkeit': die von umweltbezogenen Entscheidungsverfahren gemäß Artikel 2 Absatz 2 betroffene oder wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse daran. Im Sinne dieser Begriffsbestimmung haben Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen und alle nach innerstaatlichem Recht geltenden Voraussetzungen erfüllen, ein Interesse;

f) 'zuständige Behörde(n)': die Behörde(n), die von den Mitgliedstaaten für die Durchführung der sich aus dieser Richtlinie ergebenden Aufgaben bestimmt wird (werden).

(...)"

"Artikel 11

(1) Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die

  1. a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ
  2. b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert,

    Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

(2) Die Mitgliedstaaten legen fest, in welchem Verfahrensstadium die Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen angefochten werden können.

(3) Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder Nichtregierungsorganisation, welche die in Artikel 1 Absatz 2 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne von Absatz 1 Buchstabe a dieses Artikels. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b dieses Artikels verletzt werden können.

(4) Dieser Artikel schließt die Möglichkeit eines vorausgehenden Überprüfungsverfahrens bei einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

Die betreffenden Verfahren werden fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt.

(5) Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der Öffentlichkeit praktische Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zugänglich gemacht werden."

Wie bereits erwähnt, wurde durch die UVP-RL deren Vorgängerrichtlinie neu kodifiziert. So entspricht (u.a.) Art. 11 der UVP-RL dem bisherigen Art. 10a der Vorgängerrichtlinie (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das Urteil des EuGH vom 11. April 2013, C-260/11 , Edwards u.a., RN 8; ferner etwa den hg. Beschluss vom 16. Oktober 2013, Zl. 2012/04/0040).

Die beschwerdeführende Partei ist als eine gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation der betroffenen Öffentlichkeit im Sinn des Art. 1 Abs. 2 lit. e der UVP-RL zuzurechnen (vgl. dazu Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, Kommentar zum UVP-G3, § 19 Rz 105, S. 495).

Mit der UVP-G-Novelle 2004, BGBl. I Nr. 153, wurde in Umsetzung der damals einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben anerkannten Umweltorganisationen, sofern diese bestimmte materielle und formelle Voraussetzungen erfüllen, Parteistellung in allen Genehmigungsverfahren des zweiten Abschnitts sowie im Abnahmeprüfungsverfahren eingeräumt (vgl. in diesem Zusammenhang die im hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 2010, Zl. 2009/07/0038, wiedergegebenen diesbezüglichen Gesetzesmaterialien). Von dieser Novellierung blieb das Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 unberührt.

In seinem Urteil vom 30. April 2009, C-75/08 (Mellor), hat der EuGH (u.a.) ausgeführt, dass "Dritte, wie auch die interessierten Verwaltungsbehörden, sich vergewissern können müssen, dass die zuständige Behörde nach den im nationalen Recht vorgesehenen Bestimmungen geprüft hat, ob eine UVP erforderlich ist (RN 57). Ferner müssen die betroffenen Einzelpersonen, wie auch die anderen betroffenen nationalen Behörden, in der Lage sein, die Einhaltung dieser Prüfungspflicht, die der zuständigen Behörde obliegt, gegebenenfalls gerichtlich nachprüfen zu lassen. Dieses Erfordernis kann, wie im Ausgangsverfahren, die Möglichkeit bedeuten, gegen die Entscheidung, keine UVP vorzunehmen, unmittelbar vorzugehen (RN 58)". Bekräftigt wurde diese Rechtsprechung im Urteil des EuGH vom 16. Februar 2012, C-182/10 (Marie-NoElle Solvay u.a., RN 57, 58). Zudem besteht nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. das oben genannte Urteil, C- 260/11 , RN 31), wie in Art. 10a Abs. 3 der Vorgängerrichtlinie (nunmehr: Art. 11 Abs. 3 der UVP-RL) ausdrücklich festgehalten ist, das vom Unionsgesetzgeber verfolgte Ziel darin, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu den Gerichten zu gewähren.

Mit der durch die Novelle BGBl. I Nr. 77/2012 in § 3 UVP-G 2000 eingefügten Bestimmung des Abs. 7a hat der Gesetzgeber gemäß § 19 Abs. 7 leg. cit. anerkannten Umweltorganisationen die Möglichkeit eingeräumt, negative Feststellungsentscheidungen im Sinn des zweiten Abschnittes des UVP-G 2000 einer Überprüfung durch den Umweltsenat zuzuführen. Dieser Schritt diente den Gesetzesmaterialien (RV 1809 BlgNR 24. GP 5) zufolge u.a. der Abwendung einer Klage der Europäischen Kommission an den EuGH, welche unter Bezugnahme auf das (oben bereits zitierte) Urteil des EuGH, C-75/08 (Mellor), die Rechtsauffassung vertrat, dass es eine Überprüfbarkeit von negativen Feststellungsentscheidungen für Umweltorganisationen gegeben müsse. Mit dem nunmehr (in § 3 Abs. 7a UVPG-2000) vorgesehenen Antragsrecht auf Überprüfung bei negativen Feststellungsbescheiden - so die Gesetzesmaterialien - wird dem (der Auffassung der Europäischen Kommission) Rechnung getragen, weil Umweltorganisationen durch eine negative Feststellungsentscheidung in ihren Rechten verletzt sein können.

§ 3 Abs. 7a UVP-G 2000 räumt anerkannten Umweltorganisationen in einem Verfahren zur Feststellung, ob für ein Vorhaben eine UVP nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist, das Recht ein, Akteneinsicht zu nehmen und einen Antrag auf Überprüfung der Einhaltung von Vorschriften über die UVP-Pflicht an den Umweltsenat zu stellen. Diese Bestimmung begründet jedoch - im Unterschied etwa zu § 19 Abs. 10 leg. cit., worin anerkannten Umweltorganisationen in Genehmigungsverfahren das Recht zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichthof eingeräumt ist (vgl. dazu Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, aaO, § 19 Rz 124, S. 504 f) - keine Parteistellung solcher Umweltorganisationen im Überprüfungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7a leg. cit. und auch keine Legitimation zur Beschwerdeerhebung an den Verwaltungsgerichtshof (vgl. dazu nochmals Ennöckl/Raschauer/Bergthaler, aaO, § 3 Rz 61, 62, S. 110; ferner etwa Pürgy, Die Einbindung der Umweltorganisationen in das UVP-Feststellungsverfahren durch die UVP-G-Novelle BGBl I 2012/77, in ZfV 2012/1231).

Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei kann aus Art. 10a der Vorgängerrichtlinie (bzw. nunmehr: Art. 11 der UVP-RL) eine umfassende Parteistellung anerkannter Umweltorganisationen nicht abgeleitet werden. Zunächst ist zur Frage der Parteistellung anerkannter Umweltorganisationen in Verfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 auf die bisherige hg. Judikatur zu verweisen, wonach in diesen Verfahren lediglich dem Projektwerber, den mitwirkenden Behörden, dem Umweltanwalt und der Standortgemeinde - und nicht auch anerkannten Umweltorganisationen - Parteistellung zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2004/05/0256, mwN). Wenn sich in Bezug auf diese Norm im Hinblick auf das genannte Urteil, C-75/08 (Mellor), unionsrechtliche Bedenken ergeben haben (vgl. dazu den oben zitierten Beschluss, Zl. 2012/04/0040), so können diese auf den vorliegenden Beschwerdefall schon deshalb nicht übertragen werden, weil sie neben einer fehlenden Parteistellung im Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 auch das Fehlen einer Anfechtungsbefugnis (Antragsbefugnis) im Sinn des § 3 Abs. 7a leg. cit. voraussetzen. Eine solche Anfechtungsbefugnis durch Stellung eines Antrages auf Überprüfung der Einhaltung der Vorschriften über die UVP-Pflicht hat der Gesetzgeber jedoch mit § 3 Abs. 7a leg. cit. anerkannten Umweltorganisationen eingeräumt, weshalb dem Beschwerdevorbringen die bisherige, oben zitierte hg. Judikatur entgegengehalten werden kann. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die mit dieser Gesetzesbestimmung anerkannten Umweltorganisationen eingeräumte Anfechtungsbefugnis im Einklang mit Art. 11 Abs. 2 der UVP-RL steht, der es den Mitgliedstaaten überlässt, in welchem Verfahrensstadium Entscheidungen, Handlungen und Unterlassungen, für die diese Richtlinie gilt, angefochten werden können. Hiebei kann kein Zweifel daran bestehen, dass es sich beim Umweltsenat um ein "Gericht" im Sinn des Art. 11 Abs. 1 der UVP-RL gehandelt hat (vgl. in diesem Zusammenhang das Urteil des EuGH vom 10. Dezember 2009, C-205/08 , RN 34 bis 39, worin dieser ausgeführt hat, dass der Umweltsenat als Gericht im Sinne von Art. 234 EG (nunmehr: Art. 267 EG) anzusehen und dessen Stellung des Vorabentscheidungsersuchens zulässig sei). Dem Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, insbesondere bezüglich eines subjektiven Rechts anerkannter Umweltorganisationen auf Einleitung eines Feststellungsverfahrens und Einhaltung der Umweltvorschriften, kann daher auch vor diesem Hintergrund nicht beigetreten werden.

Da somit einer anerkannten Umweltorganisation keine Befugnis zukommt, gegen eine gemäß § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 ergangene Entscheidung des Umweltsenates Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben, war die vorliegende Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides richtet, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

Im Hinblick darauf, dass der beschwerdeführenden Partei im Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 keine Parteistellung zugekommen ist, hat der Umweltsenat auch zu Recht deren Berufung zurückgewiesen. Demzufolge erweist sich die gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides gerichtete Beschwerde als unbegründet, weshalb sie insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die beschwerdeführende Partei hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist: Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 27. August 2014, Zl. 2013/05/0009).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden im Wesentlichen Rechtsfragen aufgeworfen, zu deren Lösung im Sinne der Judikatur des EGMR eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC stehen daher der Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Im Hinblick darauf konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014 iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. November 2014

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