OGH 4Ob548/82

OGH4Ob548/8213.7.1982

SZ 55/112

Normen

ABGB §448
ABGB §471
ABGB §1440
ABGB §448
ABGB §471
ABGB §1440

 

Spruch:

Der für ein Kraftfahrzeug ausgestellte Typenschein steht als solcher nicht "im Verkehr" (§ 448 ABGB) und kann daher nicht Gegenstand einer Verpfändung oder einer Sicherungsübereignung sein; durch seine Übergabe kann aber gegebenenfalls ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht begrundet werden

Gutgläubiger Erwerb eines vertraglichen Zurückbehaltungsrechtes an Sachen eines Dritten ist ausgeschlossen. Auch der redliche (Einzel-)Rechtsnachfolger des Verwahrers kann sich nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht an der zur Verwahrung übergebenen Sache berufen

OGH 13. Juli 1982, 4 Ob 548/82 (OLG Wien 14 R 206/81; LGZ Wien 1 Cg 82/81)

Text

Der Kläger übergab dem Motorradhändler Leonhard N sein Motorrad Laverda 1000 3 Cl samt dem hiefür ausgestellten Typenschein zur Vermittlung des Verkaufs. Da Leonhard N das Motorrad nicht innerhalb der vereinbarten Frist verkaufte, stellte er es an den Kläger zurück, ohne diesem den Typenschein wieder auszufolgen. Leonhard N verfaßte ohne Wissen des Klägers einen Kaufvertrag über das Motorrad, in dem er den Kläger als Verkäufer und sich selbst als Käufer einsetzte, und fälschte auf dieser Urkunde die Unterschrift des Klägers. Mit diesem gefälschten Kaufvertrag machte Leonhard N gegenüber der beklagten Bank sein Eigentumsrecht an dem Motorrad glaubhaft und bot es ihr als Sicherstellung für einen ihm gewährten Kredit an. Leonhard N übergab der beklagten Partei zwecks Erwerbes des Sicherungseigentums den Typenschein dieses Motorrades, die ihn in Verwahrung nahm. Das Motorrad selbst wurde der beklagten Partei nie übergeben.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Herausgabe des Typenscheines seines Motorrades. Da die beklagte Partei daran weder Eigentum noch ein Pfandrecht erworben habe, sei sie nicht berechtigt, den Typenschein zu behalten.

Die beklagte Partei wendete ein, daß sie am Typenschein gutgläubig Eigentum erworben habe. Sie habe keinen Grund gehabt, an der Verfügungsberechtigung des Leonhard N zu zweifeln.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Typenschein sei weder ein Bestandteil noch Zubehör des Motorrades. Die beklagte Partei habe daran gutgläubig Eigentum erworben.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und sprach aus, daß der (von der Abänderung betroffene) Wert des Streitgegenstandes 2000 S übersteigt. Der Erwerb eines Pfandrechtes oder von Sicherungseigentum an dem dem Kläger gehörenden Motorrad komme nicht in Frage. Zu prüfen sei nur, ob ein Pfandrecht, Sicherungseigentum oder allenfalls ein vertragliches Zurückbehaltungsrecht am Typenschein bestehe. Da der Typenschein keinen selbständigen Vermögenswert besitze, könne er weder Objekt eines Pfandrechtes noch einer Sicherungsübereignung sein. Die Übertragung derartiger unverwertbarer Sachen könne aber als vertragliche Einräumung eines Zurückbehaltungsrechtes gedeutet werden. Das Gesetz ermögliche gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten beim Eigentum und beim Pfandrecht, doch könne diese Regel auf den gutgläubigen Erwerber eines obligatorischen Rechtes nicht ausgedehnt werden, weil das Gesetz einen gutgläubigen Forderungserwerb nicht kenne. Die beklagte Partei könne somit dem auf sein Eigentumsrecht gestützten Anspruch des Klägers- weder Sicherungsübereignung noch Pfanderwerb noch ein vertraglich wirksam vereinbartes Zurückbehaltungsrecht entgegensetzen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revisionswerberin behauptet nicht (mehr), durch Übernahme des Typenscheins Sicherungseigentum am Motorrad selbst erworben zu haben. Es ist daher nur zu prüfen, ob sie selbständige Rechte am Typenschein erworben hat, die dem Herausgabeanspruch des klagenden Eigentümers entgegenstehen. Das ist mit dem Berufungsgericht zu verneinen. Gemäß § 448 ABGB kann als Pfand jede Sache dienen, die im Verkehr steht. Die Verkehrsfähigkeit setzt voraus, daß eine Verwertung zur Befriedigung des Gläubigers möglich ist. Werden unverwertbare Sachen wie Diplome, Zeugnisse, Pässe udgl. "verpfändet", so entsteht kein Pfandrecht. Der Zweck des Geschäftes geht hier dahin, dem Gläubiger eine Art Zurückbehaltungsrecht einzuräumen, vermöge dessen er befugt ist, diese Sachen, an deren Ausfolgung dem Schuldner sehr gelegen ist, bis zur Befriedigung seiner Forderungen zurückzuhalten (Klang[2] II 397 und 546; Demelius, Pfandrecht an beweglichen Sachen 169; Gschnitzer, Sachenrecht 168; Koziol - Welser[5] II 95; Frotz, Kreditsicherungsrecht 74 f.). Auch die Einräumung eines Sicherungseigentums am Typenschein kommt - im wesentlichen aus denselben Gründen - nicht in Frage. Der Typenschein ist die Bestätigung, daß ein durch die Fahrgestellnummer, bei Kraftfahrzeugen auch durch die Motornummer, bestimmtes Fahrzeug der genehmigten Type entspricht (§ 30 Abs. 1 KFG). Die Zulassung des Fahrzeuges zugunsten es rechtmäßigen Besitzers oder desjenigen, der das Fahrzeug im Namen des rechtmäßigen Besitzers (auf Grund eines Abstattungsgeschäftes) innehat, ist unter anderem vom Nachweis des Typenscheins abhängig (§ 37 Abs. 1 KFG). Aus dieser Funktion der öffentlichen Urkunde folgt, daß der einem bestimmten Fahrzeug zugeordnete Typenschein für sich allein keine im Verkehr stehende verwertbare Sache ist. Der Hinweis der Revisionswerberin auf den Sammelwert alter (in ihrer eigentlichen Funktion gegenstandsloser) Wertpapiere ist verfehlt, da die beklagte Partei den für ein noch existierendes Kraftfahrzeug ausgestellten Typenschein zum Zweck der Kreditsicherung in Verwahrung genommen und nicht als sammelwürdige "Antiquität" erworben hat. Durch das Sicherungseigentum soll dem Gläubiger eine dingliche Sicherung verschafft werden. Er darf die in sein Eigentum übertragene Sache bis zur vollständigen Bezahlung der Schuld behalten. Zahlt der Schuldner nicht, kann sich der Gläubiger aus der übereigneten Sache befriedigen. Letzteres ist bei einem Typenschein, der dem Gläubiger für sich allein zur Sicherung übergeben wird, nicht möglich. Die Übergabe des Typenscheins konnte daher, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, nur die Begründung eines vertraglichen Zurückbehaltungsrecht durch die beklagte Partei bis zur Kreditrückzahlung durch den Übergeber des Typenscheins bewirken.

Gegenüber dem Kläger kann sich jedoch die beklagte Partei auf dieses Zurückbehaltungsrecht nicht erfolgreich berufen. Gemäß § 1440 Satz 2 ABGB sind eigenmächtig oder listig entzogene, entlehnte, in Verwahrung oder in Bestand genommene Stücke überhaupt kein Gegenstand der Zurückbehaltung oder der Kompensation. Diese Bestimmung kommt zwar, was in Verwahrung genommene Stücke betrifft, bei Mandatsverhältnissen nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (Gschnitzer in Klang[2] VI 510; SZ 36/151; vgl. SZ 18/156) im allgemeinen nicht zur Anwendung; dies gilt aber dann nicht, wenn die Sache vom Machthaber zu einem ganz bestimmten Zweck übernommen wurde (MietSlg. 24207/9 ua.). Das war hier der Fall, weil Leonhard N den Typenschein zur Vermittlung eines Motorradverkaufes übernahm, sodaß er, da er dieses Motorrad innerhalb der vereinbarten Frist nicht verkaufen konnte, zur Zurückstellung des Typenscheins mit dem Motorrad verpflichtet gewesen wäre. Auch die beklagte Partei hat als redliche (Einzel-)Nachfolgerin in den Besitz des vom Vorbesitzer in Verwahrung genommenen Typenscheins an diesem kein Zurückbehaltungsrecht (Gschnitzer, Sachenrecht 206; vgl. Rummel, Gutgläubiger Erwerb von Rententionsrechten, JBl. 1977, 521, 528 f.; SZ 32/111; JBl. 1977, 152). Daran ist ungeachtet der Kritik Koziol - Welsers[5] II 81, die nur den Universalsukzessor dem unerlaubt Handelnden gleichstellen wollen, festzuhalten, weil es nach dem Wortlaut des Gesetzes ("... sind kein Gegenstand der Zurückbehaltung ....") nur auf die Eigenschaft der Sache selbst ankommt (JBl. 1977, 152; vgl. Rummel aaO 528 f.).

Der Anspruch des Klägers wäre aber auch berechtigt, wenn kein Fall des § 1440 ABGB vorläge. Die Ansichten darüber, ob das (gesetzliche) Zurückbehaltungsrecht gutgläubig ausgeübt werden kann, sind in Lehre und Rechtsprechung uneinheitlich. Koziol - Welser aaO 81 und Rummel aaO 524 ff. sind der Ansicht, daß die Sache nur jenen Personen vorenthalten werden darf, die zur Erfüllung der Gegenansprüche verpflichtet sind, nicht aber sachenrechtlich berechtigten Dritten. Der dinglich Berechtigte soll nicht in die Lage gebracht werden, unter Umständen Leistungsansprüche des Retentionsberechtigten, die nach der materiellen Rechtslage gegen den dinglich Berechtigten gar nicht erhoben werden könnten, befriedigen zu müssen, um wieder in den Besitz der zurückgehaltenen Sache zu gelangen. In diese Lage würde aber insbesondere der Eigentümer einer Sache, die von einem anderen ohne seine Zustimmung in Reparatur gegeben wurde, kommen, wenn der Unternehmer dem Eigentümer gegenüber von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen könnte, obwohl der Unternehmer gegen den Eigentümer nach herrschender Ansicht keinen Verwendungsanspruch hätte, weil ihm ein vertraglicher Anspruch gegen den Besteller zusteht (vgl. Rummel aaO 525). Gegen eine dingliche Wirkung des Zurückbehaltungsrechtes spreche auch die Bestimmung des § 369 Abs. 2 HGB, die anordne, daß einem dinglich berechtigten Dritten gegenüber das Zurückbehaltungsrecht nicht besteht (Koziol - Welser aaO; Rummel aaO 527). Koziol - Welser treten dafür ein, diese Bestimmung argumento a maiori ad minus auch für das Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB anzuwenden. Demgegenüber hat aber der OGH unter Berufung auf Klang (in Klang[2] II 545) und Gschnitzer (Sachenrecht 207 f.) wiederholt ausgesprochen, daß einem Gewerbetreibenden zugunsten seiner Forderungen auf Bezahlung geleisteter Ausbesserungsarbeiten ein Retentionsrecht nach § 471 ABGB auch gegen den Eigentümer der Sache zusteht, sofern er sich auf Grund des zwischen ihm und einem Dritten abgeschlossenen Werkvertrages in gutem Glauben befunden hat (ZVR 1960/45; EvBl. 1973/131; EvBl. 1976/1; vgl. auch Spielbüchler, Der Dritte im Schuldverhältnis 256 ff.).

Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um ein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht nach § 471 ABGB; dem Rechtsstreit liegt vielmehr ein zulässigerweise (Klang[2] II 546; derselbe V 91; vgl. auch Rummel aaO 525) durch Rechtsgeschäfte begrundetes Retentionsrecht zugrunde. Während aber für den Aufwand auf die Sache oder den Schaden durch die Sache im Regelfall der jeweilige Eigentümer der Sache verantwortlich ist, würde bei gutgläubigem Erwerb eines vertraglichen Zurückbehaltungsrechtes an der Sache eines Dritten diese einer Person vorenthalten, die - in aller Regel - nicht zur Erfüllung der durch das Retentionsrecht gesicherten Ansprüche verpflichtet ist. Ein derartiges vertragliches Zurückbehaltungsrecht hat obligatorischen Charakter. Für einen gutgläubigen Erwerb dieses Rechtes an Sachen eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten fehlt im Gesetz jede Grundlage. Eine Stütze für diese Auffassung findet sich in der Bestimmung des § 369 Abs. 2 HGB, die für das (gesetzliche) kaufmännische Zurückbehaltungsrecht anordnet, daß es gegenüber einem dinglich berechtigten Dritten nicht besteht.

Die beklagte Partei hat somit keinen Rechtstitel, aus dem sie die Befugnis ableiten könnte, dem Kläger die Herausgabe des in seinem Eigentum stehenden Typenscheines zu verwehren.

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