BVwG W169 2238466-1

BVwGW169 2238466-13.5.2022

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2022:W169.2238466.1.00

 

Spruch:

W169 2238466-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.11.2020, Zl. 1264811507-200434801, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.02.2022, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine somalische Staatsangehörige, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 26.05.2020 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Folgetag gab die Beschwerdeführerin zu Protokoll, dass sie aus Hargeysa stamme, wo sie auch zuletzt gewohnt habe. In ihrem Heimatland würden ihre Mutter, ein Halbbruder, zwei Halbschwestern, zwei minderjährige Söhne und eine minderjährige Tochter leben. Ihr Vater sei verstorben. Zum Ausreisegrund führte die Beschwerdeführerin an, dass sie einen Mann geheiratet habe, der einer Minderheitsgruppe angehöre. Er sei Gabooye gewesen und sie gehöre den Isaaq an. Ihre Familie sei dagegen gewesen und habe ihren Mann getötet. Da die Beschwerdeführerin Angst um ihr Leben und ihre Familie habe, habe sie Somalia verlassen.

2. Anlässlich ihrer Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 18.08.2020 gab die Beschwerdeführerin zu Protokoll, dass sie gesund sei. Sie stamme aus Hargeysa und habe seit ihrer Heirat im Jahr 2014 bis zur Ausreise in Wajaale gelebt. Sie gehöre der Religionsgemeinschaft der Muslime und dem Clan der Isaaq an. Sie sei verheiratet und habe drei Kinder. Wo sich ihr Mann befinde, wisse sie nicht. Ihre Kinder seien bei der Schwiegermutter der Beschwerdeführerin in Wajaale. Sie spreche Somali. Sie habe vier Jahre die Grundschule besucht. Bis zu ihrer Heirat habe ihre Mutter für sie gesorgt, indem sie Milch verkauft habe. Nach ihrer Heirat hätte sie von den Einkünften ihres Mannes gelebt, der im Friseursalon seines Onkels mitgeholfen habe. Die Beschwerdeführerin selbst sei keiner Arbeit nachgegangen. Sie habe keinen Kontakt nach Somalia.

Zu ihrem Fluchtgrund brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie im Jahr 2012 vergewaltigt worden sei, deshalb im Jahr 2013 an einen älteren Mann zwangsverheiratet habe werden sollen, im Jahr 2014 aber aus Liebe einen aus der Minderheit der Gabooye stammenden Mann geheiratet habe und mit ihm von Hargeysa nach Wajaale gegangen sei, ohne ihrer Familie etwas davon zu sagen. Diese habe jedoch im Dezember 2018 ihren Mann aufgespürt, geschlagen und verschleppt, da ihre Familie gegen diese Ehe gewesen sei. Da ihre Familie sie töten habe wollen, habe sie im März 2019 das Land verlassen.

Zu den Lebensumständen in Österreich führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie noch nicht integriert sei. Sie habe sich für einen Deutschkurs gemeldet, ihr sei aber gesagt worden, dass sie noch warten müsse.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Der Beschwerdeführerin wurde gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und wurde nach Wiederholung der bisher getätigten Angaben aus näher genannten Gründen ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, eine mangelhafte Beweiswürdigung und inhaltliche Rechtswidrigkeit moniert. Beantragt wurden die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung sowie die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens zur Frage, „ob“ die Beschwerdeführerin bereits Kinder geboren habe.

5. Am 23.02.2022 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung statt, an welcher die Beschwerdeführerin und ihre Rechtsvertretung teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist entschuldigt ferngeblieben. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde die Beschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen, Rückkehrbefürchtungen und Integrationsbemühungen in Österreich befragt (s. Verhandlungsprotokoll). Ihr wurden die bereits mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelten aktuellen Länderberichte vorgehalten, zu denen sie Stellung nahm (Beilage ./A). Weiters legte sie eine Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs vor (Beilage ./B).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Identität der Beschwerdeführerin steht nicht fest.

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Somalia und Angehörige der Religionsgemeinschaft der Muslime sowie des Clans der Isaaq. Die Beschwerdeführerin stammt aus Hargeysa, wo sie bis zu ihrer Ausreise mit ihrer Familie gelebt hat. Sie ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter.

Die Beschwerdeführerin spricht die Sprache Somali. Sie besuchte vier Jahre die Grundschule und ging keiner Erwerbstätigkeit nach.

Der leibliche Vater der Beschwerdeführerin ist verstorben. Ihre Mutter, ihr Stiefvater, ihr Halbbruder und ihre beiden Halbschwestern, alle volljährig, leben in einem Miethaus in Hargeysa. Ihre Mutter sichert durch den Verkauf von Milch den Unterhalt der Familie. Die Beschwerdeführerin hat Kontakt zu ihren Angehörigen.

Die Beschwerdeführerin ist nicht mit einem Angehörigen der Gabooye verheiratet und hat nicht drei Kinder mit ihm.

Sie ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

Die Beschwerdeführerin wird in Somalia nicht von ihrer Familie wegen einer Mischehe bedroht und es droht ihr keine Zwangsverheiratung. Der Beschwerdeführerin droht auch sonst keine asylrelevante Gefahr in Somalia.

Der Beschwerdeführerin ist eine Rückkehr zu ihrer Familie nach Hargeysa möglich und es wäre ihre Existenz dort gesichert.

Die Beschwerdeführerin hat keine Angehörigen in Österreich. Sie besucht einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 und hat bislang keine Deutschprüfung erfolgreich absolviert. Sonstige Kurse hat sie nicht besucht. Sie lebt von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist bislang weder einer Erwerbstätigkeit noch einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen. Sie ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und kennt die Lehrer und Teilnehmer ihres Deutschkurses.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgehalten:

1. COVID-19

Im ersten Quartal 2021 entwickelte sich eine neue Welle. Im Zeitraum 16.3.-7.5.2021 wurden 11.504 Infektionen bestätigt, 537 Personen starben an oder mit Covid-19 (UNSC 19.5.2021, Abs. 61). Mit Stand 27.6.2021 waren in Somalia 7.235 aktive Fälle registriert, insgesamt 775 Personen waren verstorben (ACDC 27.6.2021). Insgesamt gibt es laut offiziellen Angaben Ende August 2021 knapp 1.000 Todesopfer bei nur rund 18.000 bestätigten Infektionen. Seit Beginn der Pandemie waren bis dahin nur rund 284.000 Tests durchgeführt worden (WB 6.2021, S. 26).

Mitte März 2021 trafen die ersten Impfstoffe in Somalia ein. Mit Stand 29.4.2021 waren 121.700 Personen immunisiert (UNSC 19.5.2021, Abs. 61). Bis Mitte August 2021 wurden an Somalia zwei Arten von Covid-19-Impfstoff gespendet: mehr als 400.000 Impfdosen von Oxford/AstraZeneca und 200.000 von Sinopharm. Das allein würde nur ausreichen, um 3 % der Bevölkerung zu impfen (AI 18.8.2021, S. 18). Allerdings zögern viele Menschen, sich impfen zu lassen (AI 18.8.2021, S. 18; vgl. WB 6.2021, S. 20). Viele der gespendeten Oxford/AstraZeneca-Dosen sind bereits abgelaufen und können nicht mehr verwendet werden (AI 18.8.2021, S. 18). Mitte August 2021 empfing Somalia offenbar weitere ca. 410.000 durch die COVAX-Initiative gespendete Covid-19-Impfdosen (BAMF 16.8.2021).

Nach Angabe des somalischen Gesundheitsministeriums waren bis Ende Juli 2021 1,8 % der Menschen voll immunisiert (UNOCHA 7.2021). Nach anderen Angaben waren am 14.10.2021 insgesamt 477.075 Impfdosen verabreicht worden und zu diesem Zeitpunkt 1,5 % der Bevölkerung voll immunisiert (PTC 14.10.2021). Laut Schätzungen werden bis Ende des Jahres 2021 rund 500.000 Menschen voll immunisiert sein, bis Ende 2022 weitere 700.000. Jedenfalls ist die Bevölkerung dadurch möglichen neuen - und gefährlicheren - COVID-19-Varianten ungeschützt ausgesetzt, und die Krankheit droht im Land endemisch zu werden (WB 6.2021).

Im August 2020 wurde der internationale Flugverkehr wieder aufgenommen (PGN 10.2020, S. 9).

Regeln zum social distancing oder auch Präventionsmaßnahmen wurden kaum berücksichtigt (HIPS 2021, S. 24). Trotz Warnungen wurden Moscheen durchgehend – ohne Besucherbeschränkung – offengehalten (DEVEX 13.8.2020). Mitte Feber 2021 warnte die Gesundheitsministerin vor einer Rückkehr der Pandemie. Die Zahl an Neuinfektionen und Toten stieg an (Sahan 16.2.2021b). Ende Feber 2021 wurden alle Demonstrationen in Mogadischu verboten, da eine neue Welle von Covid-19 eingetreten war. Zwischen 1. und 24. Feber verzeichnete Somalia mehr als ein Drittel aller Covid-19-Todesopfer der gesamten Pandemie (PGN 2.2021, S. 16).

Der Umgang der somalischen Regierung mit der Covid-19-Pandemie war und ist völlig inadäquat. Die tatsächliche Zahl an Covid-19-Fällen und -Toten ist vermutlich höher als die offiziellen Zahlen darstellen (AI 18.8.2021, S. 5; vgl. UNFPA 12.2020, S. 1). Dies liegt u.a. an den wenig verfügbaren bzw. erreichbaren Testmöglichkeiten, am Stigma, an wenig Vertrauen in Gesundheitseinrichtungen sowie teilweise an der Leugnung von COVID-19 (UC 13.6.2021, S. 9; vgl. UNFPA 12.2020, S. 1). Testungen sind v.a. auf Städte beschränkt (UC 13.6.2021, S. 2) und generell so gut wie inexistent. Die offiziellen Todeszahlen sind niedrig, das wahre Ausmaß wird aber wohl nie wirklich bekannt werden (STC 4.2.2021). Es sind nur jene Fälle registriert worden, wo es Erkrankte überhaupt bis zu einer Gesundheitseinrichtung geschafft haben und dort dann auch tatsächlich getestet wurden. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs – viele mehr sind zu Hause gestorben (AI 18.8.2021, S. 14). Auch, dass es in Spitälern kaum Kapazitäten für Covid-19-Patienten gibt, ist ein Grund dafür, warum viele sich gar nicht erst testen lassen wollen – ein Test birgt für die Menschen keinen Vorteil (DEVEX 13.8.2020).

Die informellen Zahlen zur Verbreitung von Covid-19 in Somalia und Somaliland sind also um ein Vielfaches höher als die offiziellen. Einerseits sind die Regierungen nicht in der Lage, breitflächig Tests (es gibt insgesamt nur 14 Labore) oder gar ein Contact-Tracing durchzuführen. Gleichzeitig behindern Stigma und Desinformation die Bekämpfung von Covid-19 in Somalia und Somaliland. Mit dem Virus geht eine Stigmatisierung jener einher, die infiziert sind, als infiziert gelten oder aber infiziert waren. Mancherorts werden selbst Menschen, die Masken tragen, als infiziert gebrandmarkt. Die Angst vor einer Stigmatisierung und die damit verbundene Angst vor ökonomischen Folgen sind der Hauptgrund, warum so wenige Menschen getestet werden. Es wird berichtet, dass z.B. Menschen bei (vormals) Infizierten nicht mehr einkaufen würden. IDPs werden vielerorts von der Gastgemeinde gemieden – aus Angst vor Ansteckung. Dies hat auch zum Verlust von Arbeitsplätzen – z. B. als Haushaltshilfen – geführt. Dabei fällt es gerade auch IDPs schwer, Präventionsmaßnahmen umzusetzen. Sie leben oft in Armut und in dicht bevölkerten Lagern, und es mangelt an Wasser (DEVEX 13.8.2020).

Somalia ist eines jener Länder, dass hinsichtlich des Umgangs mit der Pandemie die geringsten Kapazitäten aufweist (UNFPA 12.2020, S. 1). Humanitäre Partner haben schon im April 2020 für einen Plan zur Eindämmung von Covid-19 insgesamt 256 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt (UNSC 13.11.2020, Abs. 51). UNSOS unterstützt medizinische Einrichtungen, stellt Ausrüstung zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung. Bis Anfang Juni konnten die UN und AMISOM eine substanzielle Zahl an Behandlungsplätzen schaffen (darunter auch Betten zur Intensivpflege) (UNSC 13.8.2020, Abs. 69). Trotzdem gibt es nur ein speziell für Covid-19-Patienten zugewiesenes Spital, das Martini Hospital in Mogadischu. Dieses ist unterbesetzt und schlecht ausgerüstet; von 150 Betten verfügen nur 11 über ein Beatmungsgerät und Sauerstoffversorgung (Sahan 25.2.2021c). In ganz Somalia und Somaliland gab es im August 2020 für Covid-Patienten nur 24 Intensivbetten (DEVEX 13.8.2020). Viele Covid-19-Patienten sind in Spitälern aus Mangel an Sauerstoffversorgung oder wegen eines Stromausfalls gestorben (AI 18.8.2021, S. 13f). Es gibt so gut wie keine präventiven Maßnahmen und Einrichtungen. Menschen, die an Covid-19 erkranken, bleibt der Ausweg in ein Privatspital – wenn sie sich das leisten können (Sahan 25.2.2021c). Die Situation war derart ernst, dass sich Akteure aus dem privaten Sektor engagiert und zusätzliche Covid-19-Kapazitäten geschaffen haben (AI 18.8.2021, S. 14). Der türkische Rote Halbmond hat Somalia im Feber 2021 weitere zehn Beatmungsgeräte zukommen lassen (AAG 26.2.2021). Im März 2021 spendete die Dahabshil Group dem Staat Sauerstoffverdichter, mit denen insgesamt 250 Patienten versorgt werden können. Die Firma übernimmt auch die technische Instandhaltung (Sahan 11.3.2021). Ende September 2021 wurde in Mogadischu die erste öffentliche Anlage zur Produktion von medizinischem Sauerstoff eröffnet. Diese wurde von der Hormuud Salaam Stiftung angekauft und gespendet. Der Sauerstoff wird an öffentlichen Spitälern in Mogadischu kostenlos zur Verfügung gestellt (Reuters 30.9.2021).

Nachdem die Bildungsinstitutionen ihre Arbeit wieder aufgenommen hatten, sind nicht alle Kinder zurück in die Schule gekommen. Dies liegt an finanziellen Hürden, an der Angst vor einer Infektion, aber auch daran, dass Kinder zur Arbeit eingesetzt werden. Außerdem zeigt eine Studie aus Puntland, dass die Zahl an Frühehen zugenommen hat. Gleichzeitig wurden Immunisierungskampagnen und auch Ernährungsprogramme unterbrochen. Manche Gesundheitseinrichtungen sind teilweise nur eingeschränkt aktiv – nicht zuletzt, weil viele Menschen diese aufgrund von Ängsten nicht in Anspruch nehmen; der Patientenzustrom hat sich in der Pandemie verringert (UNFPA 12.2020, V-VI).

Nach Angaben von Quellen sind Remissen im Zuge der Covid-19-Pandemie zurückgegangen (IPC 3.2021, S. 2; vgl. UNFPA 12.2020). Eine Erhebung im November und Dezember 2020 hat gezeigt, dass 22% der städtischen, 12% der ländlichen und 6% der IDP-Haushalte Remissen beziehen. Die Mehrheit der Empfänger berichtete von Rückgängen von über 10% (IPC 3.2021, S. 2). Nach anderen Angaben erwies sich der Remissenfluss als resilient. Demnach haben sich die Überweisungen von 2,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 auf 2,8 Milliarden im Jahr 2020 erhöht. Die Überweisungen an Privathaushalte erhöhten sich von 1,3 auf 1,6 Milliarden (WB 6.2021, S. 11f).

Der Export von Vieh – der wichtigste Wirtschaftszweig – ist wegen der Pandemie zurückgegangen (UNFPA 12.2020, S. 1). 45 % der Kleinstunternehmen mussten schließen (UNSC 10.8.2021, Abs. 17). Die Arbeitslosigkeit - und damit auch die Armut - haben sich verstärkt. Schätzungen zufolge mussten beim Ausbruch von COVID-19 21 % der Somali ihre Arbeit niederlegen; und das, obwohl nur 55 % der Bevölkerung überhaupt am Arbeitsmarkt teilnimmt. 78 % der Haushalte berichteten über einen Rückgang des Einkommens (WB 6.2021, S. 23).

Internationale und nationale Flüge operieren uneingeschränkt. Ankommende müssen am Aden Adde International Airport in Mogadischu und auch am Egal International Airport in Hargeysa einen negativen Covid-19-Test vorweisen, der nicht älter als drei Tage ist. Wie in Mogadischu mit Personen umgegangen wird, welche diese Vorgabe nicht erfüllen, ist unbekannt. In Hargeysa werden Personen ohne Test auf eigene Kosten in eine von der Regierung benannte Unterkunft zur zweiwöchigen Selbstisolation geschickt. Die Landverbindungen zwischen Dschibuti und Somaliland wurden wieder geöffnet, der Hafen in Berbera ist in Betrieb (GW 11.6.2021).

Restaurants, Hotels, Bars und Geschäfte sind offen, es gelten Hygienemaßnahmen und solche zum Social Distancing. Die Maßnahmen außerhalb Mogadischus können variieren. Es kann jederzeit geschehen, dass Behörden Covid-Maßnahmen kurzfristig verschärfen (GW 11.6.2021).

Quellen:

 AAG - Anadolu Agency [Türkei] (26.2.2021): Turkish Red Crescent donates 10 ventilators to Somalia, https://www.aa.com.tr/en/turkey/turkish-red-crescent-donates-10-ventilators-to-somalia/2158421 , Zugriff 1.3.2021

 ACDC - African Union Center for Disease Control and Prevention (27.6.2021): Africa CDC Dashbord Covid-19, https://africacdc.org/covid-19/ , Zugriff 1.7.2021

 AI - Amnesty International (18.8.2021): "We just watched COVID-19 patients die": COVID-19 exposed Somalia's weak healthcare system but debt relief can transform it [AFR 52/4602/2021], https://www.ecoi.net/en/file/local/2058478/AFR5246022021ENGLISH.pdf , Zugriff 27.8.2021

 BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (16.8.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw33-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=4 , Zugriff 27.8.2021

 DEVEX / Sara Jerving (13.8.2020): Stigma and weak systems hamper the Somali COVID-19 response, https://www.devex.com/news/stigma-and-weak-systems-hamper-the-somali-covid-19-response-97895 , Zugriff 12.10.2020

 GW - GardaWorld (11.6.2021): Somalia: Somalia: Authorities maintaining COVID-19 restrictions largely unchanged as of June 11 /update 13, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/489466/somalia-authorities-maintaining-covid-19-restrictions-largely-unchanged-as-of-june-11-update-13 , Zugriff 1.7.2021

 HIPS - The Heritage Institute for Policy Studies (2021): State of Somalia Report 2020, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2020-Final-2.pdf , Zugriff 12.2.2021

 IPC - Integrated Food Security Phase (3.2021): Somalia – IPC Acute Food Insecurity and Acute Malnutrition Analysis January-June 2021, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-ipc-acute-food-insecurity-and-acute-malnutrition-analysis-january-june , Zugriff 9.3.2021

 PGN - Political Geography Now (2.2021): Somalia Control Map & Timeline - February 2021, per e-Mail, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.polgeonow.com/2021/02/somalia-control-map-2021.html

 PGN - Political Geography Now (10.2020): Somalia Control Map & Timeline - October 2020, per e-Mail, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.polgeonow.com/2020/10/somalia-map-of-al-shabaab-control.html

 PTC - Pharmaceutical Technology.com (14.10.2021): Covid-19 Vaccination Tracker, Latest news, statistics, daily rates and updates, https://www.pharmaceutical-technology.com/covid-19-vaccination-tracker/ , Zugriff 15.10.2021

 RE - Radio Ergo (25.2.2021): No masks, gloves or oxygen in Mogadishu hospital, says grieving husband who lost pregnant wife to COVID19, https://radioergo.org/en/2021/02/25/no-masks-gloves-or-oxygen-in-mogadishu-hospital-says-grieving-husband-who-lost-pregnant-wife-to-covid19/ , Zugriff 10.3.2021

 Reuters (30.9.2021): Somalia opens first public oxygen plant to help treat COVID-19 amid severe shortage, https://www.reuters.com/world/the-great-reboot/somalia-opens-first-public-oxygen-plant-help-treat-covid-19-amid-severe-shortage-2021-09-30/ , Zugriff 11.10.2021

 Sahan - Sahan / Mogadishu Times (11.3.2021): The Somali Wire Issue No. 100, per e-Mail, Originallink auf Somali: http://mogtimes.com/articles/41259/Sawirro-Dahabshiil-Group-oo-ka-jawaabtay-baaqii-DF-kuna-wareejisay-Oxygen

 Sahan - Sahan / Somali Wire Team (25.2.2021c): Editor’s Pick – COVID-19 has not been prevented, it is used as a political weapon, in: The Somali Wire Issue No. 87, per e-Mail

 Sahan - Sahan / Hiiraan Online (16.2.2021b): The Somali Wire Issue No. 83, per e-Mail, Originallink auf Somali: https://www.hiiraan.com/news/2021/Feb/wararka_maanta15-176705.htm

 STC - Safe the Children (4.2.2021): 840,000 children going hungry as Somalia declares state of emergency over locust invasion, https://www.savethechildren.net/news/840000-children-going-hungry-somalia-declares-state-emergency-over-locust-invasion , Zugriff 3.3.2021

 UC - University of Cambridge (13.6.2021): Lockdowns, lives and livelihoods: the impact of COVID-19 and public health responses to conflict affected populations - a remote qualitative study in Baidoa and Mogadishu, Somalia, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/s13031-021-00382-5.pdf , Zugriff 30.6.2021

 UNFPA - UN Population Fund (12.2020): COVID-19 Socio-Economic Impact Assessment for Puntland, https://somalia.unfpa.org/en/publications/covid-19-socio-economic-impact-assessment-puntland , Zugriff 11.3.2021

 UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (7.2021): Somalia Humanitarian Bulletin, July 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2058109/Somalia_+Humanitarian+Bulletin_July+2021_Final.pdf , Zugriff 27.8.2021

 UNSC - UN Security Council (10.8.2021): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2021/723], https://www.ecoi.net/en/file/local/2058501/S_2021_723_E.pdf , Zugriff 27.8.2021

 UNSC - UN Security Council (19.5.2021): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2021/485], https://www.ecoi.net/en/file/local/2052226/S_2021_485_E.pdf , Zugriff 21.6.2021

 UNSC - UN Security Council (13.11.2020): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/1113], https://www.ecoi.net/en/file/local/2041334/S_2020_1113_E.pdf , Zugriff 2.12.2020

 UNSC - UN Security Council (13.8.2020): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/798], https://www.ecoi.net/en/file/local/2036555/S_2020_798_E.pdf , Zugriff 9.10.2020

 WB - Weltbank (6.2021): Somalia Economic Update. Investing in Health to Anchor Growth, http://documents1.worldbank.org/curated/en/926051631552941734/pdf/Somalia-Economic-Update-Investing-in-Health-to-Anchor-Growth.pdf , Zugriff 15.9.2021

2. Politische Lage in Somaliland

Die Republik Somaliland hat sich im Mai 1991 für unabhängig erklärt, wurde aber bis dato international nicht anerkannt (BS 2020, S. 4; vgl. AA 18.4.2021, S. 5). Die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten bemühen sich in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit (AA 18.4.2021, S. 5). Die somalische Bundesregierung erachtet Somaliland als einen somalischen Bundesstaat (PGN 10.2020, S. 4).

Somaliland ist politisch, wirtschaftlich und in Sicherheitsfragen größtenteils vom Rest des Landes entkoppelt (HIPS 2021, S. 19). Das Land verfügt über zahlreiche Zeichen der Eigenständigkeit: Es gibt eine eigene Zivilverwaltung, eigene Streitkräfte, eine eigene Währung (ICG 12.8.2021, S. 2; vgl. BBC 31.5.2021), eigene Polizei, ein eigenes – mehr oder weniger funktionierendes – Steuersystem (Spiegel 1.3.2021), eine Regierung, eine Verfassung und seit Jahren ökonomische Stabilität (DW 30.11.2018). Die demokratischen Standards sind im regionalen Vergleich als hoch zu bewerten (AA 18.4.2021, S. 6). Von Freedom House erhält Somaliland diesbezüglich 42 Punkte - fast doppelt soviele, wie das benachbarte Dschibuti (24); und sechs mal mehr als Somalia (7) (RUSI 4.6.2021).

Somaliland hat schrittweise staatliche Strukturen wieder aufgebaut und war auch bei demokratischen Reformen erfolgreich (BS 2020, S. 4/33). Das Land verfügt über eine funktionierende Regierung (HIPS 2021, S. 19), und mit internationaler Hilfe konnten Bezirksverwaltungen und Bezirksräte etabliert werden (BFA 8.2017, S. 94). Auf dem gesamten Gebiet wurden Behördenstrukturen geschaffen, auch wenn diese nicht überall voll funktionieren. Politische Entscheidungen können i.d.R. umgesetzt werden, allerdings muss diesbezüglich zuvor die Zustimmung einflussreicher Clanältester eingeholt werden (BS 2020, S.11). Seit 1997 herrschen Frieden und politische Stabilität (BS 2020, S. 32). Die Regierung bekennt sich zu Demokratie und Marktwirtschaft und hat dazu auch schon einiges beigetragen (BS 2020, S. 37). Regierungsausgaben erfolgen relativ klar und transparent (Spiegel 1.3.2021). Die Bindung bzw. das Commitment Somalilands zum demokratischen System ist groß (BS 2020, S. 20). Die meisten Somaliländer unterstützen die Regierung und vertrauen dieser (JF 14.8.2020). Die Demokratie in Somaliland wird als konsolidiert bezeichnet, das demokratische System ist allerdings anfällig für Einflussnahme und Clanpolitik (BS 2020, S. 13/20).

Somaliland hat angesichts der eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten bemerkenswerte Kapazitäten aufgebaut. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die bestehenden Institutionen ist gegeben (HO 12.9.2021). Das Land kämpft mit massiven strukturellen Restriktionen. Der Staatsapparat bleibt schwach und unterfinanziert und das Land ist von einem hohen Maß an Armut geprägt (BS 2020, S.33). Der Staat ist von Wirtschaftstreibenden abhängig. Auf allen Ebenen der Verwaltung kommt es zu Korruption und Clanpatronage (BS 2020, S. 5). Zudem sind staatliche Institutionen – wie erwähnt – hinsichtlich der Umsetzung ihrer Entscheidungen an das Einverständnis einflussreicher Clanältester gebunden (BS 2020, S. 13). Dabei hat Somaliland aber im Wesentlichen mit Verhandlungen zwischen und mit unterschiedlichen Akteuren gute Erfahrungen gemacht (BS 2020, S. 36). So sind Clanälteste bei der Erhaltung des Friedens wichtig; unzählige Male wurden sie eingebunden, um bei meist Ressourcen betreffenden Konflikten zu verhandeln und eine Versöhnung herbeizuführen (Sahan 1.10.2021).

Somaliland hat seit der Erklärung der Unabhängigkeit mehrere allgemeine Wahlen durchgeführt (AA 18.4.2021, S. 6; vgl. ICG 12.8.2021, S. 1f). Diese wurden durch internationale Beobachter regelmäßig als frei und fair beurteilt (BS 2020, S. 4f). Außerdem ist es schon mehrfach zur relativ friedlichen Machtübergabe an neugewählte Präsidenten gekommen (BS 2020, S. 37; vgl. Spiegel 1.3.2021; AA 18.4.2021, S. 6).

Es gibt ein Zwei-Kammern-Parlament. Das Ober- bzw. Ältestenhaus (Guurti) besteht aus 86 ernannten bzw. indirekt gewählten, das Unter- bzw. Repräsentantenhaus aus 82 gewählten Mitgliedern. Parlamentswahlen waren seit Jahren überfällig (USDOS 30.3.2021, S. 25; vgl. FH 3.3.2021b, A2) und wurden mehrfach verschoben. Das Unterhaus war bereits im fünfzehnten Amtsjahr, ohne neu gewählt worden zu sein (AA 18.4.2021, S. 6). Dies warf einen Schatten auf das vergleichsweise demokratische Somaliland (AA 18.4.2021, S. 4). Schließlich haben die Wahlen am 31.5.2021 stattgefunden. Mehr als eine Million Wähler waren registriert (BAMF 7.6.2021). Nur in manchen östlichen Landesteilen konnte die Wahl nicht durchgeführt werden – namentlich in Badhaan und in der Umgebung von Laasqooray, also dort, wo die Verwaltung von Puntland eine stärkere Präsenz zeigt (ICG 12.8.2021, S. 6).

Diese Wahlen waren ein Meilenstein auf dem Weg der Demokratisierung Somalilands (ICG 12.8.2021, S. 1). Mehrere europäische Staaten haben die erfolgreiche Wählerregistrierung gelobt (Sahan 10.2.2021), die mit einer biometrischen Identifizierung durchgeführt wurde (JF 18.6.2021). Die EU und andere europäische Staaten haben auch die Wahlen an sich gelobt (EEAS 8.6.2021). Die Wahlen verliefen zwar nicht perfekt, doch waren sie frei und fair (Sahan 1.10.2021) sowie friedlich und transparent. Die Oppositionsparteien UCID und Waddani gewannen die Wahl gegen die Kulmiye-Partei des Präsidenten (JF 18.6.2021) - und zwar sowohl im Parlament als auch auf kommunaler Ebene (BAMF 7.6.2021). Im Unterhaus konnte Waddani 31 Sitze gewinnen, die regierende Kulmiye 30 und UCID die übrigen 21. Die beiden Oppositionsparteien sind unmittelbar ein Bündnis eingegangen, und damit hat die Opposition nun die Kontrolle im Unterhaut (ICG 12.8.2021, S. 3). Außerdem stellt die Opposition nun in fünf der sieben größten Städte - darunter Hargeysa - den Bürgermeister (UNSC 10.8.2021, Abs. 9).

Das Guurti wurde 1993 gebildet und seither - aufgrund unklarer Rechtslage - nicht mehr neu besetzt (FH 3.3.2021b, A2; vgl. ICG 12.8.2021, S. 9). Im Mai 2022 soll das Guurti neu besetzt werden. Das Oberhaus setzt sich ausschließlich aus Ältesten zusammen (ICG 12.8.2021, S. 9). Über das Guurti - aber auch generell - verfügen Clanälteste über eine einflussreiche Rolle in der Politik (FH 4.3.2020, B3). Zudem sind beim Innenministerium 2.700 Sultane [traditionelle Älteste bzw. Clanführer] registriert. Diese erhalten für ihre Beteiligung an den Lokalverwaltungen auch ein Gehalt (UNHRC 6.9.2017, Abs. 74).

Auch die Präsidentschaftswahl hatte sich mehrfach verzögert, bevor sie Mitte November 2017 stattfand (AA 18.4.2021, S. 6; vgl. FH 3.3.2021b, A1). Zum Präsidenten gewählt wurde der Kandidat der regierenden Kulmiye-Partei, Muse Bihi Abdi. Seine Angelobung erfolgte im Dezember 2017 (USDOS 30.3.2021, S. 25; vgl. AA 18.4.2021, S. 6). Die Wahl wurde als weitgehend frei und fair eingeschätzt, auch wenn es einige Unregelmäßigkeiten gab (BS 2020, S. 13; vgl. FH 4.3.2020b, A1). Letztere haben den Ausgang der Wahl jedoch nicht signifikant beeinflusst (FH 3.3.2021b, A1). Die Wahl war effizient und ohne größere Störungen abgelaufen. Erstmals kam ein Augenscan zum Einsatz. Mit dieser biometrischen Technik konnten Mehrfachabstimmungen erfolgreich reduziert werden (BS 2020, S. 13). Für November 2022 sind die nächsten Präsidentschaftswahlen vorgesehen (ICG 12.8.2021, S. 8).

Eine Clan-bezogene Organisation politischer Parteien ist in der Verfassung verboten (BS 2020, S. 20f). Mit der Beschränkung auf drei Parteien soll eine Zersplitterung der Parteienlandschaft entlang von Clans verhindert werden. Lokalwahlen entscheiden darüber, welche drei Parteien für die nächsten Wahlen auf nationaler Ebene zugelassen werden (BS 2020, S. 21; vgl. AA 18.4.2021, S. 6). Bei den Gemeindewahlen im November 2012 entschied sich die Bevölkerung bei einer Auswahl von sieben Parteien für Kulmiye, Ucid und Waddani als nationale Parteien (BS 2020, S. 21), die Udub verlor die Zulassung. Politisches Engagement im Rahmen anderer Gruppen wird staatlicherseits beobachtet. Gegebenenfalls werden strafrechtliche Maßnahmen ergriffen (AA 18.4.2021, S. 6). Im Jahr 2022 laufen die Lizenzen der aktuell zugelassenen drei Parteien aus. Diese sollen dann in einer separaten Wahl neu bestimmt werden (ICG 12.8.2021, S. 9).

Somaliland definiert seine Grenzen gemäß der kolonialen Grenzziehung; Puntland hingegen definiert seine Grenzen genealogisch entlang der Siedlungsgebiete des Clans der Darod. Insgesamt ist die Ostgrenze Somalilands zu Puntland nicht demarkiert, und die Grenze bleibt umstritten (EASO 2.2016, S. 72).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (18.4.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050118/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Januar_2021%29%2C_18.04.2021.pdf , Zugriff 23.4.2021

 BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.6.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw23-2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3 , Zugriff 21.6.2021

 BBC - BBC News (31.5.2021): Somaliland elections: Could polls help gain recognition? https://www.bbc.co.uk/news/world-africa-57255602 , Zugriff 21.6.2021

 BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, https://www.ecoi.net/en/file/local/1406268/5209_1502195321_ffm-report-somalia-sicherheitslage-onlineversion-2017-08-ke.pdf , Zugriff 3.12.2020

 BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Somalia Country Report, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_SOM.pdf , Zugriff 4.5.2020

 DW - Deutsche Welle (30.11.2018): Somaliland: Return of the migrants, https://www.dw.com/en/world-in-progress-returning-to-somaliland/av-46699478 , Zugriff 21.1.2021

 EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/1158113/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf , Zugriff 14.12.2020

 EEAS - European External Action Service (8.6.2021): Statement by International Partners on Somaliland Parliamentary and Local Council Elections, https://eeas.europa.eu/delegations/somalia/99709/statement-international-partners_en#inbox/_blank , Zugriff 1.7.2021

 FH - Freedom House (3.3.2021b): Freedom in the World 2021 – Somaliland, https://freedomhouse.org/country/somaliland/freedom-world/2021 , Zugriff 30.6.2021

 HIPS - The Heritage Institute for Policy Studies (2021): State of Somalia Report 2020, Year in Review, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SOS-REPORT-2020-Final-2.pdf , Zugriff 12.2.2021

 HO - Hiiraan Online / Schwartz, Stephen (12.9.2021): Somalia’s Leaders Need to Seize Immediately the Lessons of Afghanistan, https://hiiraan.com/op4/2021/sept/183881/somalia_s_leaders_need_to_seize_immediately_the_lessons_of_afghanistan.aspx , Zugriff 15.9.2021

 ICG - International Crisis Group (12.8.2021): Building on Somaliland’s Successful Elections, https://www.crisisgroup.org/africa/horn-africa/somaliland/b174-building-somalilands-successful-elections , Zugriff 19.8.2021

 JF - Jamestown Foundation (18.6.2021): Somaliland Elections Disrupt al-Shabaab's Regional Expansion; Terrorism Monitor Volume: 19 Issue: 12, https://www.ecoi.net/en/document/2054590.html , Zugriff 1.7.2021

 JF - Jamestown Foundation (14.8.2020): No Foothold for al-Shabaab in Somaliland; Terrorism Monitor Volume: 18 Issue: 16, https://www.ecoi.net/de/dokument/2036810.html , Zugriff 9.10.2020

 PGN - Political Geography Now (10.2020): Somalia Control Map & Timeline - October 2020, per e-Mail, mit Zugriffsberechtigung verfügbar auf: https://www.polgeonow.com/2020/10/somalia-map-of-al-shabaab-control.html

 RUSI - Royal United Services Institute (4.6.2021): Somaliland: The Power of Democracy, https://rusi.org/explore-our-research/publications/commentary/somaliland-power-democracy#inbox/_blank , Zugriff 1.7.2021

 Sahan - Sahan / Somali Wire Team (1.10.2021): Editor’s Pick – The negative effects of Somali traditional clan elders’ involvement in the election process, in: The Somali Wire Issue No. 240, per e-Mail

 Sahan - Sahan / Radio Risaala (10.2.2021): The Somali Wire Issue No. 79, per e-Mail, Originallink auf Somali: https://radiorisaala.com/uk-oo-ku-dhawaaqday-in-taageero-ballaaran-ay-siin-doonto-somaliland/

 Spiegel - Spiegel International (1.3.2021): A Miracle on the Horn of Africa, https://www.spiegel.de/international/world/boom-in-somaliland-a-miracle-on-the-horn-of-africa-a-c7fb91cc-4b0a-4561-977d-dd985cf48256 , Zugriff 3.3.2021

 UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/1422745/1930_1516796959_g1726077.pdf , Zugriff 10.12.2020

 UNSC - UN Security Council (10.8.2021): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2021/723], https://www.ecoi.net/en/file/local/2058501/S_2021_723_E.pdf , Zugriff 27.8.2021

 UNSC - UN Security Council (13.11.2020): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/1113], https://www.ecoi.net/en/file/local/2041334/S_2020_1113_E.pdf , Zugriff 2.12.2020

 USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 – Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2021/03/SOMALIA-2020-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 6.4.2021

3. Sicherheitslage in Somaliland

Somaliland ist einer der sichersten und relativ stabilsten Orte - nicht nur am Horn von Afrika, sondern im gesamten Großraum Ostafrika (FDD 11.8.2021). Es gibt eine funktionierende Wirtschaft mit eigener Währung, eine eigene Regierung, eine Polizei und ein eigenes Rechtssystem (LIFOS 3.7.2019, S. 37). Es ist dort auch vergleichsweise friedlich (DW 30.11.2018). Friede und politische Stabilität wurden 1997 erlangt (BS 2020, S. 32). Die Regierung übt über das ihr unterstehende Gebiet Kontrolle und Souveränität aus (USDOS 30.3.2021, S. 1; vgl. BS 2020, S. 13) und kann dort regieren und Vorhaben umsetzen. Nur das Randgebiet zu Puntland und einige sehr entlegene ländliche Gebiete sind davon ausgenommen (BS 2020, S. 13).

Die Sicherheitskräfte können in einem vergleichsweise befriedeten Umfeld ein höheres Maß an Sicherheit im Hinblick auf terroristische Aktivitäten und allgemeine Kriminalität herstellen als in anderen Landesteilen. Dies gilt insbesondere für die Regionen Awdal und Woqooyi Galbeed mit den Städten Hargeysa, Berbera (AA 3.12.2020), Borama und Burco. Diese Gebiete sind relativ sicher (NLMBZ 3.2020, S.31). Somaliland ist damit das sicherste Gebiet Somalias, die Sicherheitslage ist dort deutlich stabiler (ÖB 3.2020, S. 16/20; vgl. AA 18.4.2021, S. 4; ACCORD 31.5.2021, S. 26).

Al Shabaab: Trotz der vergleichsweise geringen finanziellen Ressourcen ist Somaliland gelungen, was Somalia, Kenia, der Türkei, Äthiopien und den USA im Rest des Landes nicht gelungen ist: Al Shabaab konnte in Somaliland nicht Fuß fassen (JF 14.8.2020; vgl. ÖB 3.2020, S. 16; JF 18.6.2021). Die Terrorgruppe kontrolliert einerseits keine Gebiete in Somaliland (AA 18.4.2021, S.5/14), andererseits gibt es auch so gut wie keine Angriffe durch al Shabaab bzw. wurden Versuche erkannt und Anschläge verhindert (NLMBZ 3.2020, S. 31). Seit Oktober 2008 hat es keine relevanten terroristischen Angriffe gegeben (FDD 11.8.2021). Es wurden bemerkenswerte Kapazitäten aufgebaut. Durch die Glaubwürdigkeit der bestehenden Institutionen entstand Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung. Dies wiederum erschwert al Shabaab ihre Operationen (HO 12.9.2021).

Es gibt keine signifikanten Aktivitäten der al Shabaab in Somaliland, die Gruppe kann dort auch keine Steuern einheben (LIFOS 3.7.2019, S. 37f). Neben formellen nachrichtendienstlichen Netzen gibt es ein informelles Netz an Nachbarschaftswachen (NLMBZ 3.2020, S. 31; vgl. JF 14.8.2020). Die Regierung setzt auf Älteste, lokale Behördenvertreter und besorgte Bürger; und darauf, dass diese verdächtige Aktivitäten und Neuankömmlinge bei der Polizei oder beim Geheimdienst melden (JF 18.6.2021). Dementsprechend werden terroristische Pläne immer wieder durch Sicherheitskräfte vereitelt und Opperateure der al Shabaab verhaftet (FDD 11.8.2021). Und als etwa im November 2019 Kämpfer der al Shabaab aus Puntland in die Garof-Berge im Osten der Region Sanaag vordrangen, wurde dies rasch gemeldet. In der Folge gelang es einer Truppe aus lokaler Miliz sowie an ausgewählten Armee- und Polizeieinheiten al Shabaab zu vertreiben (JF 14.8.2020; vgl. BMLV 25.2.2021; FDD 11.8.2021).

Allerdings verfügt der Nachrichtendienst von al Shabaab (Amniyat) in Somaliland über ein Netzwerk an Informanten (JF 14.8.2020) bzw. unterhält die Gruppe in größeren Städten Schläferzellen. Demnach bleibt die Gruppe für Somaliland eine Bedrohung (FDD 11.8.2021). Die Grenzgebiete zu Puntland sind für eine Infiltration durch al Shabaab anfällig (NLMBZ 3.2020, S. 31f; vgl. FDD 11.8.2021). Dort versucht die Gruppe lokale Clans, die sich von der Regierung diskriminiert fühlen, für sich zu gewinnen (FDD 11.8.2021).

Es konnten in den konsultierten Quellen keine Informationen gefunden werden, wonach Deserteure der al Shabaab in Somaliland gefährdet wären.

Clankonflikte bestehen wie überall in Somalia auch in Somaliland, und es kann zu Auseinandersetzungen und Racheakten kommen, die zivile Opfern fordern. Clankonflikte stellen aber kein Sicherheitsproblem dar, das die politische Stabilität der Region gefährdet. Derartige Konflikte konzentrieren sich zudem in den Regionen Sanaag und Sool (ÖB 3.2020, S. 18). Clankonflikte werden v.a. im umstrittenen Grenzgebiet zu Puntland gewaltsam ausgetragen. Die Dürre und damit verbundene Ressourcenkonflikte haben die Gefahr dort noch größer werden lassen (LIFOS 3.7.2019, S. 38). Dort wurden lokale Konflikte aber immer wieder auch durch Älteste eingedämmt, damit es zu keiner Eskalation kommt (BS 2020, S. 8).

Mit internationaler Hilfe ist es gelungen, Bezirksverwaltungen und Bezirksräte zu etablieren (BFA 8.2017, S. 94f). Den Behörden ist es gelungen, einen relativ wirksamen Schutz gegen Banden und Milizen zu gewährleisten (AA 18.4.2021, S. 18). Hinsichtlich Hargeysa gibt es keine Sicherheitsprobleme. Die Kriminalitätsrate ist relativ niedrig. Wenn es zu einem Mord kommt, dann handelt es sich üblicherweise um einen gezielten Rachemord auf der Basis eines Clankonflikts. Hargeysa und Burco sind relativ ruhig (BFA 8.2017, S. 95).

Im Bezirk Xudun (Sool) ist es Mitte April 2021 zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Clans gekommen. Mindestens zehn Menschen wurden getötet und zahlreiche mehr verletzt (Sahan 16.4.2021c). Auslöser ist der Streit um die Nutzung einer Wasserstelle. Der somaliländische Präsident droht mit dem Eingreifen der Sicherheitskräfte (SLS 18.4.2021).

Im Juli 2019 brachen erneut Clankämpfe in Sanaag aus, dabei wurden 18 Zivilisten getötet (UNSC 15.8.2019, Abs. 10). Ältesten und Religionsführern ist es im Auftrag der somaliländischen Regierung gelungen, im langjährigen Konflikt zwischen Ba’ide und Sa’ad Yunis erfolgreich zu vermitteln. Die beiden Clans standen sich im Bezirk Ceel Afweyn feindlich gegenüber. Es kam zur gegenseitigen Zahlung von Kompensationsgeldern (UNSC 13.5.2020, Abs. 33). In den ersten Monaten des Jahres 2021 kam es an der somaliländisch-puntländischen Grenze im Bereich Shidan (Sanaag) zu Kämpfen zwischen zwei Clans; tausende Menschen waren betroffen (GO 1.4.2021).

Eigentlich steht der Osten der Region Sanaag nicht unter Kontrolle der somaliländischen Regierung. Teile dieser Gebiete werden von den dort lebenden Warsangeli de facto selbst verwaltet (BFA 8.2017, S. 25/102). Teile der Warsangeli haben sich im Mai 2019 gänzlich auf die Seite Puntlands geschlagen (UNSC 15.8.2019, Abs. 9). Anfang 2020 hat diese aus Deserteuren bestehende Miliz nach einer Amnestie durch Präsident Bihi die Waffen niedergelegt und wurde in die Armee integriert. Der Anführer des Aufstandes ging ins Exil (UNSC 13.2.2020, Abs. 24). Mit einer Clanmiliz namens Xaqdoon, die im April 2020 rebellierte, hat die Regierung bereits im Juni 2020 ein Friedensabkommen geschlossen (PGN 10.2020, S. 4).

Die Grenze zu Puntland ist umstritten (AA 18.4.2021, S. 5), es kommt im Grenzgebiet gelegentlich zu Schusswechseln (ÖB 3.2020, S. 16). Sowohl Somaliland als auch Puntland beanspruchen Sool, Sanaag und Cayn (BS 2020, S. 8). Die Grenzfrage ist das größte Sicherheitsproblem Somalilands (LIFOS 3.7.2019, S. 37). Im Jahr 2018 kam es zu teils heftigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen somaliländischen und puntländischen Truppen (AA 18.4.2021, S. 5), v.a. im Bereich der Ortschaft Tuko Raq (auch: Tukaraq) (BS 2020, S. 34). Noch im gleichen Jahr wurde durch Vermittlung von UN und IGAD ein Waffenstillstand vereinbart (UNSC 13.5.2020, Abs. 12). Allerdings kam es auch danach noch sporadisch zu Gefechten. - Etwa im November 2018 (ICG 12.7.2019, S. 3). Im April (UNSC 15.5.2019, Abs. 18) und im Juni 2019 kam es zu Kampfhandlungen zwischen der somaliländischen Armee und einer lokalen Miliz, die möglicherweise von Puntland unterstützt wurde (SLS 12.6.2019; vgl. UNSC 15.5.2019, Abs. 18; LIFOS 3.7.2019, S. 39). Zuletzt kam es im Feber (UNSC 13.5.2020, Abs. 12) bzw. Anfang März 2020 (HIPS 2021, S. 10) zu Scharmützeln zwischen Kräften, die zu Somaliland bzw. zu Puntland loyal stehen (UNSC 13.5.2020, Abs. 12). Für die Zeit nach Feber 2020 konnten in verwendeten Berichten der UN (z.B. UNSC 13.11.2020, UNSC 13.8.2020, UNOHCHR 2.10.2020) keine sicherheitsrelevanten Zwischenfälle für Somaliland gefunden werden.

Der Begriff "Khatumo" [ehemalige, separatistische Bewegung in Ost-Somaliland] findet in keiner der verwendeten Quellen eine relevante Verwendung. Bei einer Quelle wird erwähnt, dass "Khatumo" an Schwung verloren habe (BS 2020, S.8). Jedenfalls sind sowohl die Dhulbahante (v.a. Sool) als auch die Warsangeli (v.a. Sanaag) gespalten. Einige Führer wechseln zwischen Somaliland und Puntland – je nachdem, wo es mehr zu holen gibt (ISS 9.12.2019).

Vorfallzahlen: In den somaliländischen Regionen Awdal, Sanaag, Sool, Togdheer und Woqooyi Galbeed lebten einer Schätzung im Jahr 2014 zufolge ca. 3,5 Millionen Einwohner (UNFPA 10.2014, S. 31ff). Im Vergleich dazu meldete die ACLED-Datenbank im Jahr 2019 insgesamt 11 Zwischenfälle, bei welchen gezielt Zivilisten getötet wurden (Kategorie "Violence against Civilians"). Bei 8 dieser 11 Vorfälle wurde jeweils ein Zivilist oder eine Zivilistin getötet. Im Jahr 2020 waren es 10 derartige Vorfälle (davon 6 mit je einem Toten). Laut ACLED Datenbank entwickelte sich die Zahl an Zwischenfällen mit Todesopfern (meist ein Todesopfer) in Somaliland folgendermaßen (es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann; die Zahl der Todesopfer wird aufgrund der Schwankungsbreite bei ACLED nicht berücksichtigt):

(ACLED 2016) (ACLED 2017) (ACLED 2019) (ACLED 2020) (ACLED 2021)

Dabei handelte es sich laut ACLED Datenbank bei folgenden Fällen um "Violence against Civilians" (es handelt sich hierbei jedoch um keine exakten Zahlen, da ACLED zahlreiche Unschärfen aufweist; auch "normale" Morde sind inkludiert):

(ACLED 2016) (ACLED 2017) (ACLED 2019) (ACLED 2020) (ACLED 2021)

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (18.4.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050118/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Januar_2021%29%2C_18.04.2021.pdf , Zugriff 23.4.2021

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.12.2020): Somalia – Reise- und Sicherheitshinweise – Reisewarnung, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/somaliasicherheit/203132#content_6 , Zugriff 3.12.2020

 ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation / Höhne, Markus / Bakonyi, Jutta (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf , Zugriff 28.6.2021

 ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (2021): Curated Data - Africa (21 January 2021), https://acleddata.com/curated-data-files/ , Zugriff 26.1.2021

 ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2020): Africa (Data through 11 January 2020), http://www.acleddata.com/data/ , Zugriff 16.1.2020

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 ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), http://www.acleddata.com/data/ , Zugriff 10.1.2018

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4. Rechtsschutz und Justizwesen in Somaliland

Insgesamt ist es Somaliland gelungen, ein staatliches Gewaltmonopol zu etablieren. Dieses bleibt allerdings in den Grenzregionen zu Puntland umstritten (BS 2020, S. 8). Zudem mangelt es teils an der Durchsetzung von Gerichtsurteilen durch die Polizei (SDG 2.2019, S. 11). Es besteht ein einigermaßen funktionierendes Behördennetz (ÖB 3.2020, S. 18). Eine grundlegende Rechtsstaatlichkeit konnte etabliert werden. Polizei, Justiz und andere Regierungsinstitutionen arbeiten ausreichend gut. In entlegenen Gebieten vertreten lokale Behörden (meist Älteste) die Rechtsordnung. Dort sind Frauen- und Minderheitenrechte häufig nur unzureichend geschützt (BS 2020, S. 19).

In Somaliland wurde ein unabhängiges und in vier Ebenen hierarchisch strukturiertes Gerichtssystem aufgebaut. Dieses besteht aus dem Supreme Court, regionalen Berufungsgerichten, Regional- und Bezirksgerichten. Die rechtliche Infrastruktur und das Gerichtssystem decken fast alle urbanen Zentren ab (BS 2020, S. 17). Gerichte funktionieren, allerdings gibt es Kapazitätsprobleme. Es fehlt an ausgebildeten Richtern sowie an einer nachvollziehbaren Rechtsdokumentation (USDOS 30.3.2021, S. 10; vgl. BS 2020, S. 17; FH 3.3.2021b, F1; SDG 2.2019, S. 3f). UNODC und andere UN-Agenturen unterstützen Verbesserungen im Justizsystem und bei Haftbedingungen (ÖB 3.2020, S. 17). Internationale Hilfe ist auch in Gerichte investiert worden (BS 2020, S. 17; vgl. SDG 2.2019, S. 3f). Dadurch hat sich die Zahl an Richtern und Richterinnen im Zeitraum 2011-2018 auf 186 mehr als verdoppelt. Es gibt auch immer mehr adäquat ausgebildete Anwälte, NGOs bieten Rechtshilfe an. In jeder Region gibt es sogenannte Mobile Courts (SDG 2.2019, S. 3f). Mit diesen konnte der Zugang zur formellen Justiz weiter verbessert werden (BS 2020, S. 17). Bei der Reformierung des Justizsystems hat es zumindst einige Fortschritte gegeben (FH 3.3.2021b, F1).

Die Grundsätze der Gewaltenteilung sind in der Verfassung niedergeschrieben. Diese Gewaltenteilung wird auch weitgehend eingehalten (AA 18.4.2021, S. 7; vgl. BS 2020, S. 15). Allerdings werden Richter oft auf Basis ihrer politischen oder Clanzugehörigkeit ernannt. Der Justiz mangelt es folglich an Unabhängigkeit (BS 2020, S. 17; vgl. FH 3.3.2021b, F1). Speziell bei Verfahren gegen Journalisten ist politische Einflussnahme durch staatliche Amtsträger verbreitet. Es gibt Vorwürfe hinsichtlich Korruption im Justizsystem, und es kommt zu Einflussnahme (USDOS 30.3.2021, S. 10). Das UNDP hat diesbezüglich einige Probleme aufgezeigt. Verhaltensregeln und Fortbildung haben zu Verbesserungen geführt (LIFOS 9.4.2019, S. 35f).

Im Strafrecht sind rechtsstaatliche Grundsätze ansatzweise zu beobachten. Dazu gehört das Bemühen, eine diskriminierende Strafverfolgung und Strafzumessung möglichst zu vermeiden (AA 18.4.2021, S. 14). Vor somaliländischen Gerichten gilt generell die Unschuldsvermutung, das Recht auf ein öffentliches Verfahren und das Recht auf eine Rechtsvertretung. Verteidiger dürfen Zeugen befragen und einberufen sowie gegen Urteile Berufung einlegen. Für Angeklagte, die einer schweren Straftat bezichtigt werden, gibt es eine kostenlose Rechtsvertretung. Außerdem gibt es im Land eine funktionierende Legal Aid Clinic (USDOS 30.3.2021, S. 11). Diese ist an der Universität von Hargeysa angesiedelt und wird u.a. von der EU unterstützt. Menschen, die es sich sonst nicht leisten können, erhalten dort Rechtsberatung und Rechtsvertretung (OXFAM o.D.b).

Insgesamt werden die Verfahrensrechte in Somaliland eher eingehalten als in anderen Landesteilen (AA 18.4.2021, S. 14). Allerdings kommt es oft zu langen Verzögerungen (FH 3.3.2021b, F2). Außerdem gibt es auch in Somaliland Militärgerichte, deren Verfahren unzureichend sind, und wo grundlegende Standards eines fairen zivilrechtlichen Strafverfahrens ignoriert werden (AA 18.4.2021, S. 8).

Neben dem formellen Recht kommen in Somaliland auch traditionelles Recht (Xeer) und die Scharia zum Einsatz (USDOS 30.3.2021, S. 10; vgl. BS 2020, S. 9f/17; FH 3.3.2021b, F2). Die drei Rechtsformen sind nicht gut integriert (USDOS 30.3.2021, S. 10) und widersprechen sich manchmal gegenseitig (SDG 2.2019, S. 6). Die Scharia wird in erster Linie in Familienangelegenheiten herangezogen, islamische Gerichte werden aber aufgrund der schnellen Entscheidungen auch bei Wirtschaftstreibenden zunehmend populär (BS 2020, S. 9f).

Oft richtet sich der Bürger zuerst an seinen Clan. Selbst bei einem Mord wird vorerst im traditionellen Rechtssystem Blutgeld verhandelt; kommt es dort zu keiner Lösung, wendet man sich an Gerichte (BFA 8.2017, S. 100). Dabei hat Somaliland das Xeer und die damit verbundenen Kompensationszahlungen in sein Rechtssystem insofern integriert, um eine Eskalation bis hin zum Rachemord zu vermeiden. Clans beschließen weiterhin Xeer-Abkommen, der Staat übernimmt aber die Rolle der Bestrafung bei Nichteinhaltung der Vertragsbedingungen. Zum Beispiel werden Täter so lange eingesperrt, bis die Kompensationszahlung erfolgt ist. Bei zu lang andauernder Nichtzahlung kann es auch zur Vollstreckung von Exekutionen kommen (GIGA 3.7.2018). Gerichte anerkennen Xeer-Entscheide (SEM 31.5.2017, S. 34).

Die Macht des Staates reicht nicht bis an die beanspruchte Ostgrenze (BS 2020, S. 8). In den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten werden Urteile häufig nach traditionellem Recht von Clanältesten gesprochen. Bei Sachverhalten, die mehrere Clans betreffen, kommt es häufig zu außergerichtlichen Vereinbarungen (Friedensrichter), auch und gerade in Strafsachen. Repressionen gegenüber Familie und Nahestehenden („Sippenhaft“) spielen dabei eine wichtige Rolle (AA 18.4.2021, S. 14).

Quellen:

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 USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 – Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2021/03/SOMALIA-2020-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 6.4.2021

5. Sicherheitsbehörden in Somaliland

In Somaliland stellt sich der staatliche Schutz besser dar als in Süd-/Zentralsomalia (ÖB 3.2020, S.17). Das Land verfügt über eine eigene Armee und über eigene Polizeikräfte (ÖB 3.2020, S.17; vgl. ICG 12.7.2019, S.1). Die Sicherheitsorgane haben eine besonders starke Stellung. Die zivile Kontrolle ist zwar lückenhaft, aber stärker als im Rest des Landes (AA 18.4.2021, S.8). Insgesamt arbeiten die Polizei und andere Regierungsinstitutionen ausreichend gut (BS 2020, S.19) bzw. werden Polizei und Armee als fähig beschrieben (HO 12.9.2021).

Die letzte verlässliche Zahl zur somaliländischen Polizei wird mit 6.816 im Jahr 2011 angegeben (BFA 8.2017, S.97f). Schätzungen gehen jedenfalls von ca. 6.000 Mann aus (ÖB 3.2020, S.17). Bei der Polizei gibt es auch Frauen im Offiziersrang (Sahan 29.3.2021). Die Präsenz der Polizei reicht bis nach Ost-Somaliland. Die Menschen nehmen ihre Dienste auch in Anspruch, man kann sich bei Vergehen an die Polizei wenden. Die Polizei verhaftet Verdächtige. In diesem Sinne gibt es auch eine Form von Rechtsstaatlichkeit. Allerdings kann sich auch die Polizei der Clandynamik nicht entziehen (BFA 8.2017, S.97f).

Weitere Sicherheitsinstitutionen sind die Special Police Units (SPU, zuständig für den Schutz internationaler Organisationen und NGOs); die Rapid Reaction Unit und der nationale Geheimdienst. Daneben besteht eine National Coast Guard (BFA 8.2017, S.113). Die Einrichtung einer nachrichtendienstlich arbeitenden Innenbehörde ist nicht rechtlich geregelt. Allerdings gibt es offenbar eine Einheit mit vergleichbaren Aufgaben (AA 18.4.2021, S.9), den National Intelligence Service (JF 14.8.2020).

Die Streitkräfte umfassen schätzungsweise 13.000 Soldaten (ÖB 3.2020, S.17). Die somaliländische Armee wird von einem zentralen Kommando in Hargeysa geführt. Sie verfügt über Regionalkommanden und ist nach westlichem Vorbild in Groß- und Kleinverbänden organisiert. Die Mannschaften der Armee sind relativ diszipliniert, Vergehen werden i.d.R. verfolgt und bestraft (BFA 8.2017, S.99).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (18.4.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050118/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Januar_2021%29%2C_18.04.2021.pdf , Zugriff 23.4.2021

 BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, https://www.ecoi.net/en/file/local/1406268/5209_1502195321_ffm-report-somalia-sicherheitslage-onlineversion-2017-08-ke.pdf , Zugriff 3.12.2020

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 HO - Hiiraan Online / Schwartz, Stephen (12.9.2021): Somalia’s Leaders Need to Seize Immediately the Lessons of Afghanistan, https://hiiraan.com/op4/2021/sept/183881/somalia_s_leaders_need_to_seize_immediately_the_lessons_of_afghanistan.aspx , Zugriff 15.9.2021

 ICG - International Crisis Group (12.7.2019): Somalia-Somaliland: The Perils of Delaying New Talks - Africa Report N°280, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/280-somalia-somaliland.pdf , Zugriff 14.12.2020

 JF - Jamestown Foundation (14.8.2020): No Foothold for al-Shabaab in Somaliland; Terrorism Monitor Volume: 18 Issue: 16, https://www.ecoi.net/de/dokument/2036810.html , Zugriff 9.10.2020

 ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (3.2020): Asylländerbericht Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042214/%C3%96B+2020-03-00.pdf , Zugriff 21.1.2021

 Sahan - Sahan / Hargeysa Press (29.3.2021): The Somali Wire Issue No. 112, per e-Mail, Originallink auf Somali: https://hargeisapress.com/madaxweynaha-somaliland-oo-qaabilay-gabdho-kamid-ah-ciidamadda-booliska-oo-saraakiil-u-dallacay/

6. Minderheiten und Clans in Somaliland

Große Clans in Somaliland: In der Region Awdal wohnen v.a. Angehörige der Dir/Gadabursi und Dir/Issa. In den Regionen Woqooyi Galbeed und Togdheer wohnen v.a. Angehörige der Isaaq-Subclans Habr Jeclo, Habr Yunis, Idagala und Habr Awal. In der Region Sool wohnen v. a. Angehörige der Darod/Dulbahante (Taleex, Xudun, Laascaanood), Isaaq/Habr Yunis (Xudun, Laascaanood) und Isaaq/Habr Jeclo (Caynabo). In der Region Sanaag wohnen v.a. Angehörige der Darod/Warsangeli (Laasqoray, Ceerigaabo), Isaaq/Habr Yunis (Ceerigaabo) und Isaaq/Habr Jeclo (Ceel Afweyn) (EASO 2.2016, S. 72ff). Die einzelnen Clans der Minderheiten der Berufskasten in Somaliland werden unter dem Begriff „Gabooye“ zusammengefasst (Muse Dheriyo, Tumal, Madhiban, Yibir) (UNHRC 28.10.2015, Abs. 43; vgl. SEM 31.5.2017, S. 16).

Wie in den restlichen Landesteilen bekennt sich die Verfassung zum Gebot der Nichtdiskriminierung (AA 18.4.2021, S. 10). In Somaliland sind Mitbestimmung und Schutz von Minderheiten vergleichsweise gut ausgeprägt (GIGA 3.7.2018). Nach anderen Angaben besteht offiziell kein Minderheitenschutz (ÖB 3.2020, S. 19). Im Gegenteil: Die Regierung nährt die Ansicht, dass Somaliland zunehmend zentralisiert und im Sinne spezifischer Clans agiert, während andere Clans marginalisiert bleiben (BS 2020, S. 38).

In Somaliland sind die Clanältesten der Minderheiten gleich wie jene der Mehrheitsclans offiziell anerkannt, und die Minderheiten sind in den politischen Parteien vertreten. Einige Älteste (Suldaan) der Gabooye sind im Oberhaus des Parlaments (Guurti) vertreten (SEM 31.5.2017, S. 48). Bei den Wahlen im Mai 2021 wurden Minderheitenangehörige ins somaliländische Unterhaus gewählt (EEAS 8.6.2021) - darunter ein Abgeordneter der Gabooye. Der neue Sprecher des Unterhauses gehört – wie auch der vorige – zum Clan der Dulbahante (ICG 12.8.2021, S. 4/7). Der stellvertretende Vorsitzende der Somaliland Human Rights Commission gehört einer Minderheit an, außerdem hat der Präsident einen eigenen Berater für Minderheitenprobleme (USDOS 30.3.2021, S. 27). Hinsichtlich der Wahl im Jahr 2021 hat Präsident Bihi angekündigt, Kandidaten von Minderheiten einen Anteil entstehender Wahlkosten zu ersetzen (Sahan 2.3.2021a).

Im Alltag spielt die Clanzugehörigkeit eine große Rolle (AA 18.4.2021, S. 10). Große Clans dominieren Politik und Verwaltung, wodurch kleinere Gruppen marginalisiert, gesellschaftlich manchmal diskriminiert werden. Ihr Zugang zu öffentlichen Leistungen ist schlechter (FH 3.3.2021b, B4/F4). Dies trifft v.a. auf die Gabooye zu. Diese leiden unter sozialer und wirtschaftlicher Benachteiligung und werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Eine systematische Verfolgung findet allerdings nicht statt (ÖB 3.2020, S. 17). Im Justizsystem treffen Minderheitenangehörige allerdings auf Vorurteile (FH 3.3.2021b, F4), und es kann vorkommen, dass Vergehen gegenüber Minderheiten-Angehörigen seitens der Polizei nicht nachgegangen wird. Sie werden von den somaliländischen Gerichten in den letzten Jahren aber mehrheitlich fair behandelt, es kommt zu keiner systematischen Benachteiligung durch Polizei und Gerichte (SEM 31.5.2017, S. 40/42f).

Die offizielle Anerkennung von Gabooye-Suldaans hat zu einer Aufwertung der berufsständischen Gruppen geführt. Ihr gesellschaftlicher Ruf hat sich dadurch generell verbessert. Damit geht auch soziale Sicherheit einher. Im Xeer (traditionelles Recht) haben Gabooye zwar ihre Rechte (SEM 31.5.2017, S. 42f), es kann aber vorkommen, dass Mehrheitsclans aufgrund ihrer Machtstellung Kompensationszahlungen nicht tätigen (GIGA 3.7.2018).

Mischehen werden stigmatisiert (FH 3.3.2021b, G3), von den Clans Isaaq und Darod vehement abgelehnt, vom Clan der Dir eher akzeptiert (SEM 31.5.2017, S. 45).

Es gibt einige NGOs, die sich explizit um Minderheiten kümmern. Hinsichtlich berufsständischer Gruppen sind dies u.a.: Daami Youth Development Organization (DYDO), Somaliland National Youth Organization (SONYO Umbrella), Ubax Social and Welfare Organization (USWO), Voices of Somaliland Minority Women Organization (VOSOMWO) (SEM 31.5.2017, S. 43);

Es kommt nur sporadisch zum Aufflammen bewaffneter Clanauseinandersetzungen, welche über kleine Schusswechsel hinausgehen. In der Regel folgt ein Aufruf der Regierung an die betroffenen Ältesten, eine Konfliktlösung herbeizuführen. Bei einer weiteren Eskalation schreiten Sicherheitskräfte ein, und die Regierung versucht, das Problem eigenständig zu lösen. Dieser Ansatz ist nicht immer erfolgreich (BFA 8.2017, S. 101).

Relevanter und von größerer Auswirkung ist das System der Blutrache. Hier können selbst Personen betroffen sein, die nach Jahren in der Diaspora nach Hause zurückkehren. Während Sicherheitskräfte in größere Clankonflikte eingreifen, tun sie dies bei Blutfehden nur selten bzw. ist ein Eingreifen nicht möglich. Gleichzeitig sind Polizisten selbst Angehörige eines Clans, was die Sache erschwert (BFA 8.2017, S. 101).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (18.4.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050118/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Januar_2021%29%2C_18.04.2021.pdf , Zugriff 23.4.2021

 BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl / Staatendokumentation [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, https://www.ecoi.net/en/file/local/1406268/5209_1502195321_ffm-report-somalia-sicherheitslage-onlineversion-2017-08-ke.pdf , Zugriff 3.12.2020

 BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Somalia Country Report, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_SOM.pdf , Zugriff 4.5.2020

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 ICG - International Crisis Group (12.8.2021): Building on Somaliland’s Successful Elections, https://www.crisisgroup.org/africa/horn-africa/somaliland/b174-building-somalilands-successful-elections , Zugriff 19.8.2021

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 SEM - Staatssekretariat für Migration [Schweiz] (31.5.2017): Focus Somalia – Clans und Minderheiten, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf , Zugriff 10.12.2020

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7. Frauen in Somaliland

Vom Guurti/House of Elders sind Frauen ausgeschlossen; in der Regierung sind zwei von 24 Ministern weiblich. Die Somaliland Human Rights Commission hat eine Frau als Vorsitzende (USDOS 30.3.2021, S. 27). Nach anderen Angaben gibt es auch im Guurti eine weibliche Abgeordnete (CMI 7.2020, S. 3). Nach der Wahl vom Mai 2021 gibt es im Unter- bzw. Repräsentantenhaus jedenfalls keine Abgeordnete (ICG 12.8.2021, S. 1/5).

Wie auch in Somalia finden sich in Somaliland aus der Scharia interpretierte Regeln des Zivil- und Strafrechts, die Frauen tendenziell benachteiligen (AA 18.4.2021, S. 17). Nicht nur bei der Anwendung der Scharia, sondern auch hinsichtlich des traditionellen Rechts werden Frauen benachteiligt (FH 3.3.2021b, F4). Gleichwohl gibt es politische Ansätze, die mittel- bis langfristig eine Annäherung des Status von Mann und Frau anstreben (AA 18.4.2021, S. 17). In einer Stadt wie Hargeysa ist es üblich, Kleinhändlerinnen anzutreffen, die Khat, Gemüse oder Benzin verkaufen (TE 11.3.2019). Seit 2015 gibt es eine Wirtschaftskammer für Frauen mit 300 registrierten Unternehmen. Auch in der Bildung hat sich in den letzten 25 Jahren viel getan. Die Gesellschaft legt mehr Wert darauf, dass Frauen ihre Ausbildung abschließen, bevor sie eine Familie gründen. 50 % der Studierenden sind weiblich (SZ 13.2.2017).

Die Zahl an Alleinerzieherinnen ist in Somaliland gestiegen. Mitverantwortlich dafür ist die ebenfalls gestiegene Zahl an Scheidungen, die sich auch in einem Anstieg an Wiederverheirateten und Patchwork-Familien niederschlagen (FIS 5.10.2018, S. 27f).

Zwangsehen sind im Rahmen des Sexual Offences Act vom April 2018 verboten. Im März 2019 hat ein Gericht auf Basis des Gesetzes erstmals eine Scheidung genehmigt, betroffen war ein 14-jähriges, mit elf Jahren zwangsverheiratetes Mädchen in Laascaanood. Von den gesetzlich vorgesehenen Haftstrafen (5-10 Jahre) für Vater und Ehemann war zugunsten der „Familienharmonie“ abgesehen worden (HD 17.3.2019).

Häusliche Gewalt bleibt weiterhin ein Problem (FH 3.3.2021b, G3) und ist üblich. Prinzipiell können sich Frauen in solchen Fällen zwar an Behörden wenden, in der Praxis gestaltet sich dies allerdings schwierig (FIS 5.10.2018, S. 33). Die NGO Health Poverty Action unterstützt in Hargeysa ein Frauenhaus (HPA 2018).

Gruppenvergewaltigungen stellen in urbanen Gebieten weiterhin ein Problem dar. Täter sind oftmals Jugendliche oder Studenten. Diese Vergewaltigungen geschehen meist in ärmeren Stadtteilen, bei Migranten, zurückgekehrten Flüchtlingen oder IDPs im städtischen Raum (USDOS 30.3.2021, S. 31). Im Gegensatz zum Süden Somalias gibt es aus Somaliland so gut wie keine Berichte über Vergewaltigungen durch Uniformierte (FIS 5.10.2018, S. 32). Aufgrund sozialen Drucks werden Vergewaltigungen nur selten angezeigt (FH 3.3.2021b, G3).

Das Gesetz gegen Sexualdelikte ist nach Einwänden des Religionsministeriums durch den Präsidenten wieder außer Kraft gesetzt (FH 3.3.2021b, G3). Ursprünglich war das Gesetz im August 2018 vom Präsidenten unterzeichnet worden. In diesem Gesetz sind für Täter bis zu 20 Jahre Haft und Kompensationszahlungen für Opfer vorgesehen (ÖB 3.2020, S. 17; vgl. ICG 27.6.2019, S. 15). Nicht nur Vergewaltigung, sondern auch andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt werden in diesem Gesetz explizit unter Strafe gestellt (FH 3.3.2021b, G3; vgl. VOA 10.1.2018) – z.B. auch Zwangs- und Kinderehe (BS 2020, S. 19). Außerdem wurden die Mediation durch Clanälteste und andere Versuche, Vergewaltigungsfälle außergerichtlich zu klären, mit diesem Gesetz verboten (VOA 10.1.2018).

Ein neues Gesetz bezüglich Vergewaltigung und Sexualverbrechen wurde eingebracht und passierte im August 2020 das Repräsentantenhaus. Dieses Gesetz bricht einige internationale Menschenrechtsstandards (UNSC 13.11.2020, Abs. 42). Es gestattet u. a. Kinder- und Zwangsehe und kriminalisiert Hexerei und „falsche“ Anzeigen wegen Vergewaltigung. Das Gesetz liegt derzeit beim Guurti (HRW 13.1.2021).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (18.4.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050118/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Januar_2021%29%2C_18.04.2021.pdf , Zugriff 23.4.2021

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 CMI - Christian Michelsen Institute (7.2020): Excluding women: the clanization of Somali political institutions, https://www.cmi.no/publications/file/7277-excluding-women-the-clanization-of-somali-political-institutions.pdf , Zugriff 9.10.2020

 FH - Freedom House (3.3.2021b): Freedom in the World 2021 – Somaliland, https://freedomhouse.org/country/somaliland/freedom-world/2021 , Zugriff 30.6.2021

 FIS - Finnish Immigration Service [Finnland] (5.10.2018): Somalia: Fact-Finding Mission to Mogadishu and Nairobi, January 2018, https://migri.fi/documents/5202425/5914056/Somalia_Fact_Finding+Mission+to+Mogadishu+and+Nairobi+January+2018.pdf/2abe79e2-baf3-0a23-97d1-f6944b6d21a7/Somalia_Fact_Finding+Mission+to+Mogadishu+and+Nairobi+January+2018.pdf , Zugriff 17.3.2021

 HD - Horn Diplomat / Radio Ergo (17.3.2019): Court grants divorce to 14-year-old girl in historic ruling in Somaliland, https://www.horndiplomat.com/2019/03/17/court-grants-divorce-to-14-year-old-girl-in-historic-ruling-in-somaliland/ , Zugriff 21.1.2021

 HPA - Health Poverty Action (2018): Voices – Aamiina. Supporting the only shelter home for women in Somaliland, https://www.healthpovertyaction.org/change-is-happening/voices/aamiina-somaliland/ , Zugriff 21.1.2021

 HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Somalia, https://www.ecoi.net/en/document/2043509.html , Zugriff 28.1.2021

 ICG - International Crisis Group (12.8.2021): Building on Somaliland’s Successful Elections, https://www.crisisgroup.org/africa/horn-africa/somaliland/b174-building-somalilands-successful-elections , Zugriff 19.8.2021

 ICG - International Crisis Group (27.6.2019): Women and Al-Shabaab’s Insurgency, https://www.ecoi.net/en/file/local/2011897/b145-women-and-al-shabaab_0.pdf , Zugriff 9.12.2020

 ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (3.2020): Asylländerbericht Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042214/%C3%96B+2020-03-00.pdf , Zugriff 21.1.2021

 SZ - Süddeutsche Zeitung / von Eichhorn, Caroline (13.2.2017): Wo Mütter die Wirtschaft schmeißen, http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/somaliland-wo-muetter-die-wirtschaft-schmeissen-1.3377028 , Zugriff 21.1.2021

 TE - The Elephant / Rasna Warah (11.3.2019): The Invisible Clan: Is Somalia Ready for a Women’s Revolution?, https://www.theelephant.info/features/2019/03/11/the-invisible-clan-is-somalia-ready-for-a-womens-revolution/ , Zugriff 1.2.2021

 UNSC - UN Security Council (13.11.2020): Situation in Somalia; Report of the Secretary-General [S/2020/1113], https://www.ecoi.net/en/file/local/2041334/S_2020_1113_E.pdf , Zugriff 2.12.2020

 USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): Country Report on Human Rights Practices 2020 – Somalia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2021/03/SOMALIA-2020-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 6.4.2021

 VOA - Voice of America (10.1.2018): Somaliland Parliament Passes First Bill Criminalizing Rape, https://www.voanews.com/a/somaliland-parliament-bill-crimonalizing-rape/4201780.html , Zugriff 21.1.2021

8. Grundversorgung und humanitäre Lage in Somalia

Die humanitären Bedürfnisse bleiben weiter hoch, angetrieben vom anhaltenden Konflikt, von politischer und wirtschaftlicher Instabilität und regelmäßigen Klimakatastrophen sowie der dreifachen Belastung durch Covid-19, Heuschrecken und Überflutungen (UNSC 13.11.2020, Abs. 50; vgl. UNSC 17.2.2021, Abs. 54). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in weiten Landesteilen nicht gewährleistet. Periodisch wiederkehrende Dürreperioden mit Hungerkrisen wie auch Überflutungen, zuletzt auch die Heuschreckenplage, die äußerst mangelhafte Gesundheitsversorgung sowie der mangelhafte Zugang zu sauberem Trinkwasser und das Fehlen eines funktionierenden Abwassersystems machen Somalia zum Land mit dem viertgrößten Bedarf an internationaler Nothilfe weltweit (AA 18.4.2021, S. 4/22). Covid-19 hat die bereits bestehende Krise nur noch verschlimmert. Es fügt sich ein in die Krisen der schlimmsten Heuschreckenplage seit 25 Jahren, schweren Überflutungen mit zeitweise 650.000 Vertriebenen, dem mancherorts andauernden Konflikt und vorangehenden Jahren der Dürre. Insgesamt gelten rund 2,6 Millionen Menschen als im Land vertrieben, 3,5 Millionen können auch nur die grundlegendste Nahrungsversorgung nicht sicherstellen (DEVEX 13.8.2020) und stehen vor akuter Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung (WFP 6.10.2021).

Seit dem Jahr 2000 hat Somalia 19 schwere Überschwemmungen und 17 Dürren durchgemacht. Das ist dreimal so viel wie im Zeitraum 1970-1990. Im Jahr 2017 stand Somalia nach einer schweren Dürre am Rand einer Hungersnot. 2019 gab es nach einer ungewöhnlichen Gu-Regenzeit die schlechteste Ernte seit der Hungersnot im Jahr 2011 (UNSOM 31.1.2021).

Überschwemmungen: Schon im Zuge der überaus positiv ausgefallenen Deyr-Regenzeit (September-Dezember) 2019 kam es in HirShabelle, Jubaland und dem SWS zu Überschwemmungen. Besonders betroffen war Belet Weyne. 570.000 Menschen waren betroffen, 370.000 mussten ihre Häuser verlassen. Humanitäre Organisationen haben mehr als 350.000 Menschen Unterstützung geleistet (UNSC 13.2.2020, Abs. 60f). Doch auch die Gu-Regenzeit (April-Juni) 2020 sorgte für Überschwemmungen. Erneut waren in 39 Bezirken 1,3 Millionen Menschen betroffen, ca. 500.000 wurden vertrieben (UNSC 13.8.2020, Abs. 64). Bei saisonalen Überflutungen im September 2020 wurden erneut 630.000 Menschen vertrieben (UNSC 13.11.2020, Abs. 53). Dies betraf v. a. die Bezirke Merka, Afgooye, Balcad, Jowhar und Jalalaqsi (PGN 10.2020, S. 9). In der Gu-Regenzeit 2021 trafen Überschwemmungen vor allem die Bezirke Jowhar und Belet Weyne; rund 166.000 Menschen waren betroffen (UNOCHA 26.5.2021). Bei den Überschwemmungen im April-Juni 2020 wurden Felder zerstört (UNSC 13.8.2020, Abs. 64). Im September 2020 wurden bei Überschwemmungen mehr als 1.320 Quadratkilometer bewirtschaftetes Land verwüstet (UNSC 13.11.2020, Abs. 53). Insgesamt wurden 2020 alleine im Bundesstaat HirShabelle fast 1.500 Quadratkilometer Ackerland zerstört (HIPS 2021, S. 18).

Im November 2020 hat der Zyklon Gati Puntland getroffen und auch Teile Somalilands erreicht. Dies war der stärkste Zyklon in der Region, seit es Aufzeichnungen gibt. Der Zyklon brachte doppelt so starke Niederschläge wie in einem Jahr durchschnittlich üblich. Dutzende puntländische Ortschaften und auch ein Teil von Bossaso wurden überschwemmt (PGN 2.2021, S. 5f). Infrastruktur, Häuser und 120 Fischerboote wurden beschädigt oder zerstört, 7.500 Stück Vieh getötet (USAID 8.1.2021, S. 2). 120.000 Menschen waren betroffen, 42.000 wurden temporär vertrieben. 78.000 Betroffenen wurde von humanitären Organisationen Hilfe geleistet (UNSC 17.2.2021, Abs. 55).

Heuschrecken: Im Jahr 2020 war Somalia von der größten Heuschreckenplage seit 25 Jahren betroffen, die Bundesregierung rief den nationalen Notstand aus (BBC 2.2.2020; vgl. UNSC 13.2.2020, Abs. 65). Zumindest Anfang 2020 blieben die durch Heuschrecken verursachten Schäden begrenzt und lokal (FSNAU 3.2.2020c). Die damals am meisten betroffenen Gebiete waren Somaliland, Puntland und Galmudug (UNSC 13.2.2020, Abs. 65). Die Gu-Regenfälle 2020 haben dafür gesorgt, dass die Heuschrecken erneut ideale Brutbedingungen vorfinden. Die FAO und die Regierung hatten vorsorglich 437 Quadratkilometer mit Bio-Pestiziden besprühen lassen (UNSC 13.8.2020, Abs. 65). Später im Jahr wurden neuerlich 396 Quadratkilometer in Somaliland, Puntland und Galmudug besprüht. Damit wurden rund 90.000 Tonnen Nahrung gesichert. Luft- und Bodenoperationen gegen die Plage werden fortgesetzt (UNSC 13.11.2020, Abs. 55). Trotzdem hat sich die Plage auch in die zentralen und südlichen Landesteile verbreitet. Insgesamt sind rund 3.000 Quadratkilometer und 700.000 Menschen betroffen. Humanitäre Organisationen unterstützten 25.900 agro-pastorale Haushalte, davon rd. 7.500 mit Geld (UNSC 17.2.2021, Abs. 56). Vor allem in Puntland und Somaliland wachsen noch Schwärme heran. Klimatische Bedingungen werden aber aller Voraussicht nach die Ausbreitung in landwirtschaftliche Gebiete in Süd-/Zentralsomalia verhindern (FSNAU 17.5.2021, S. 5). Da im Norden Äthiopiens aber derzeit keine Daten erhoben werden und keine Heuschrecken bekämpft werden können, ist unklar, wie sich die Lage bis Ende 2021 weiter entwickeln wird (FAO 27.8.2021).

Regenfälle: Die Deyr-Regenzeit 2020 (Oktober-Dezember) setzte um drei bis vier Wochen zu spät ein. Insgesamt blieb Deyr unterdurchschnittlich – und dies v. a. in den meisten Gebieten Nordsomalias (IPC 3.2021, S. 2). Vor allem die Regionen Sanaag, Bari, Nugaal und Mudug waren von Wassermangel betroffen (FAO 1.3.2021). Nur in Zentralsomalia fiel mehr Regen als üblich (IPC 3.2021, S. 2). Damit herrschte vor den Gu-Regenfällen (April-Juni) in mehr als 80 % des Landes moderate bis schwere Dürre (UNOCHA 17.6.2021; vgl. FSNAU 17.5.2021, S. 1). Diese wurde von der Bundesregierung am 25.4.2021 schlussendlich auch ausgerufen. Angesichts der globalen La-Niña-Lage wird prognostiziert, dass sich die Situation mittelfristig nicht entspannen wird (UNSC 19.5.2021, Abs. 56/59). Die Gu-Regenfälle (April-Juni) 2021 verliefen gering, sie endeten bereits sehr früh - nämlich im Mai. Bis zur nächsten Regenzeit im Herbst werden milde bis moderate Dürrebedingungen vorherrschen (UNOCHA 17.6.2021, S. 1). Nach anderen Angaben steht Ostafrika 2021 und 2022 vor einer verheerenden Dürre, die eben durch La Niña ausgelöst wurde (Funk 4.10.2021). In Teilen Jubalands, in den Bezirken Afmadow, Dhobley und Kulbiyow in Lower Juba, herrscht bereits Dürre. Die Regierung von Jubaland hat zu sofortiger Hilfe aufgerufen, um Leben zu retten (GO 6.10.2021).

Ernte: In Südsomalia wird die Ernte nach der Deyr-Regenzeit um 20 % niedriger ausfallen, als üblich. Im Norden viel die Gu/Karan-Ernte im November 2020 um 58% niedriger aus als im langjährigen Durchschnitt. Die Heuschreckenplage hat signifikant zum Ernterückgang beigetragen (IPC 3.2021, S. 2; vgl. FEWS 4.2.2021). Die Gu-Ernte 2021 lag Schätzungen zufolge um 30-40 % unter dem langjährigen Durchschnitt (UNOCHA 7.2021). Nach anderen Angaben liegt die Ernte in Südsomalia um 60 % unter dem langjährigen Schnitt, in Nordwestsomalia um 63 % (FSNAU 9.9.2021a).

Armut: Rund 77 % der Bevölkerung müssen mit weniger als 1,9 US-Dollar pro Tag auskommen – insbesondere in ländlichen Gebieten und IDP-Lagern (ÖB 3.2020, S. 14; vgl. BS 2020, S. 22). Nach anderen Angaben leben 69 % der Bevölkerung in Armut (HIPS 2020, S. 14), nach wieder anderen Angaben sind es 73 %. 43 % werden als extrem arm eingestuft (SIDRA 6.2019a, S. 5). Es gibt viele IDPs und Kinder, die auf der Straße leben und arbeiten (USDOS 30.3.2021, S. 34). Generell sind somalische Haushalte aufgrund von Naturkatastrophen, Epidemien, Verletzung oder Tod für Notsituationen anfällig. Mangelnde Bildung, übermäßige Abhängigkeit von landwirtschaftlichem Einkommen, hohe Arbeitslosigkeit, geringer Wohlstand und große Haushaltsgrößen tragen weiter dazu bei (ÖB 3.2020, S. 14). 60 % der Somali sind zum größten Teil von der Viehzucht abhängig, 23 % sind Subsistenz-Landwirte (OXFAM 6.2018, S. 4). Zwei Drittel der Bevölkerung leben im ländlichen Raum. Sie sind absolut vom Regen abhängig. In den vergangenen Jahren haben Frequenz und Dauer von Dürren zugenommen. Deswegen wurde auch die Kapazität der Menschen, derartigen Katastrophen zu begegnen, reduziert. Mit jeder Dürre wurden ihre Vermögenswerte reduziert: Tiere starben oder wurden zu niedrigen Preisen verkauft, Ernten blieben aus; es fehlt das Geld, um neues Saatgut anzuschaffen (TG 8.7.2019).

Versorgungslage / IPC: [IPC = Integrated Phase Classification for Food Security; 1-moderat bis 5-Hungersnot] Die Zahl an Menschen, die in ganz Somalia stark oder sehr stark von Lücken in der Nahrungsmittelversorgung betroffen sind (IPC 3 und höher), ist von 1,3 Millionen Anfang 2020 (FSNAU 3.2.2020c) auf 1,6 Millionen Anfang 2021 angewachsen. Weitere 2,5 Millionen Menschen leiden ebenfalls an Problemen bei der Nahrungsmittelversorgung (IPC 2) (IPC 3.2021, S. 2). Im September 2021 wurden 2,2 Millionen Menschen in IPC 3-4 eingeordnet, weitere 5,6 Millionen in IPC 2; allerdings gilt nun eine neue Annahme von einer Gesamtbevölkerung von 15,7 Millionen Menschen. Die Prognose bis Jahresende besagt, dass sich dann 3,5 Millionen Menschen in IPC 3-4 und weitere 3,7 Millionen in IPC 2 befinden werden (FSNAU 9.9.2021a).

Die folgenden IPC-Food-Insecurity-Lagekarten zeigen die Situation im Zeitraum Juli 2019 bis September 2021:

FSNAU o.D.

FSNAU o.D.

Hunger ist v.a. bei Nomaden (42 %) und bei ländlichen Haushalten (37 %) prävalent (WB 6.2021, S. 24). Angesichts der IPC-Karten ist die Stadtbevölkerung i.d.R. von IPC 3 oder IPC 4 anteilig weit weniger betroffen als Menschen in ländlichen Gebieten; und letztere sind weit weniger betroffen als IDPs (FSNAU o.D.). Generell finden sich unter IDPs mehr Personen, die unter Mangel- oder Unterernährung leiden (USDOS 30.3.2021, S. 21). Die Mehrheit der IDPs in städtischen Gebieten sind arm und haben nur eingeschränkte Reserven und Einkommensmöglichkeiten. Sie sind stark von externer humanitärer Hilfe abhängig. Sie, sowie Teile der armen Stadtbevölkerung (urban poor) werden bis Ende 2021 vor moderaten bis großen Lücken bei der Nahrungsmittelversorgung stehen (FEWS 4.2.2021). Dies gilt aber auch für viele Haushalte in vielen nomadischen Gebieten sowie für arme Haushalte in agro-pastoralen Gebieten - etwa an den Flüssen (FSNAU 9.9.2021a).

IPC für den Zeitraum 1/2017-9/2021 in Zahlen gefasst:

FSNAU o.D.; FSNAU 3.2.2020c; IPC 3.2021, S.1/4

Verteilung nach Gebieten in Prozent der Bevölkerung für Jänner-März 2020 bzw. Jänner-März 2021:

FSNAU 3.2.2020c; IPC 3.2021, S.4

Eine weitere Kartensammlung, in welcher ausschließlich alarmierende Werte mehrere, für die Nahrungsmittelversorgung relevanter Werte zusammengefasst dargestellt werden, zeigt die Entwicklung der vergangenen Jahre (je dunkler das Rot, desto mehr Alarmwerte wurden überschritten):

FSNAU 22.9.2021

Ca. 838.800 Kinder unter fünf Jahren werden bis Dezember 2021 vor einer Situation der akuten Unter- oder Mangelernährung stehen, 143.200 vor schwerer akuter Unterernährung (FSNAU 9.9.2021a). Nach neueren Angaben ist die Zahl bereits im Juni auf eine Million Kinder angestiegen (UNOCHA 17.6.2021, S. 2). Die Prognose für Juli 2022 geht von ca. 1,2 Millionen unterernährten bzw. 213.400 schwer unterernährten Kindern aus (FSNAU 9.9.2021a). Die Daten unten zeigen, dass IDPs in manchen Städten besonders von Unterernährung betroffen sind, in anderen weniger stark [GAM = akute Unterernährung; SAM = schwere akute Unterernährung]:

FSNAU 9.9.2021a, FSNAU 4.2.2021, FSNAU 3.2.2020a

Durchschnittlich befinden sich 11,5% in akuter Unterernährung (2020: 10.9%). Weiterhin bleiben die Zahlen also hoch. Besonders angespannt ist die Situation im Shabelletal bei IDPs in Mogadischu. Prognosen zufolge wird sich die Situation auch in folgenden Gebieten zuspitzen: Baidoa IDPs, Bay Agro-pastoral, Hiiraan, Coastal Deeh Pastoral, Garoowe IDPs, Baidoa urban und Doolow urban (FSNAU 9.9.2021a). Die IPC-Stufen zur Unter- und Mangelernährung für August 2021 und die Prognose bis November 2021:

FSNAU 9.9.2021a

Humanitäre Hilfe: Monatlich werden durchschnittlich 1,8 Millionen Menschen mit Nahrungsmittelhilfe erreicht; geplant wären 4 Millionen (UNOCHA 7.2021; FSNAU 9.9.2021a). Diese Hilfe verhindert eine stärkere Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung und eine höhere Rate an Unterernährung (FEWS 4.2.2021). Für Mogadischu gibt es ein spezielles Sicherheitsnetz, das von der Regierung gemeinsam mit dem World Food Programme betrieben wird. Dieses erreicht seit Juli 2018 monatlich 125.000 Menschen (IPC 3.2021, S. 3). Dadurch werden 35 US-Dollar pro Monat und Haushalt ausbezahlt (FSNAU 9.9.2021a).

Die humanitäre Unterstützung für Somalia ist eine der am besten finanzierten humanitären Maßnahmen weltweit (RI 12.2019, S. 16). Alleine die USA geben in den Jahren 2020 und 2021 mehr als einen halbe Milliarde US-Dollar dafür aus (USAID 8.1.2021, S. 1). Hilfsprojekte von internationalen Organisationen oder NGOs erreichen in der Regel nicht alle Bedürftigen. Allerdings kann aufgrund großer internationaler humanitärer Kraftanstrengungen und einer zunehmenden Professionalisierung der humanitären Hilfe bei den regelmäßig wiederkehrenden Dürren sowie Überschwemmungen inzwischen weitgehend verhindert werden, dass es zu Hungertoten kommt (AA 18.4.2021, S. 22). Laut UN-Generalsekretär sind die Spitzen bei der Notwendigkeit humanitärer Hilfe in Somalia schon zur Routine geworden (UNSC 13.11.2020, Abs. 96). In der Regel erreichen humanitäre Organisationen die Menschen. Im November 2020 hatten Organisationen der Nahrungsmittelhilfe beispielsweise die Erreichung von 2,1 Millionen Menschen angestrebt; erreicht wurden schließlich 1,9 Millionen. Aufgrund von Behinderungen beim Zugang zu den Menschen konnten in diesem Monat etwa nur 3 % der Menschen in Middle Shabelle und niemand in Middle Juba erreicht werden. In Benadir konnten – aufgrund von Finanzierungsausfällen – nur 22 % erreicht werden. Im Kampf gegen Unterernährung stoßen die Organisationen auf Probleme bei der Erreichbarkeit von Menschen in Middle Juba, dem Bezirk Tayeeglow (Bakool), Sablaale (Lower Shabelle) und Adan Yabaal (Middle Shabelle) (UNOCHA 27.1.2021, S. 3ff).

Insgesamt nutzen rund 70 % der Bevölkerung mobile Bankdienste, ein Drittel der Menschen haben mobile Konten (BS 2020, S. 26). Aufgrund von Covid-19 hat z.B. die Hilfsorganisation CARE ihre work-for-cash-Programme ausgesetzt. Als Ersatz wird Hilfsbedürftigen das Geld auch ohne Arbeit auf ihr Mobiltelefon überwiesen. 84.000 Menschen nehmen dies in Anspruch. Die Europäische Kommission hat aufgrund der Heuschreckenplage weitere 5,8 Millionen Euro für Geldtransfers an Betroffene zur Verfügung gestellt (DEVEX 13.8.2020).

Folgende Organisationen sind beispielsweise in folgenden Städten in einem oder mehreren der genannten Bereiche tätig:

 Baidoa (Kinderschutz, Gesundheit, Rückkehr/Unterkunft, Lokalverwaltung, Katastrophenmanagement, Kommunikation): World Vision, Save the Children International, Médecins Sans Frontières, International Organization for Migration (IOM), IMC Worldwide, Somalia’s Ministry of Resettlement, Disaster Management and Disability Affairs, Ministry of Humanitarian Affairs, Ministry of Planning, Baidoa District Administration, Bay Regional Administration, Gargaar Relief and Development Organization (GREDO), Social-life and Agricultural Development Organization (SADO), Radio Baidoa, Baidoa Specialist Hospital;

 Belet Weyne (Bildung, Schutz, Ernährung und Gesundheit, Nahrungsversorgungssicherheit, humanitäre Hilfe, Geldtransfer-Programme): UNICEF, Danish Refugee Council (DRC), the International Committee of the Red Cross (ICRC), Relief International, World Food Programme (WFP), Merci, World Health Organisation (WHO), UNOCHA, WARDI, Green Hope, Global Guardian Somalia Security Services, Beledweyne Private School;

 Kismayo (handwerkliche Ausbildung, Unterstützung beim Lebensunterhalt mit Lebensmittelgutscheinen und anderen Aktivitäten, Unterkunft, Bildung): Jubaland Chamber of Commerce & Industry (JCCI), American Refugee Committee (ARC), IOM, CARE, Norwegian Refugee Council (NRC), Daallo Airlines, Kismayo University (DI 6.2019, S. 25f);

In Gedo beteiligt sich u.a. auch AMISOM an Hilfsmaßnahmen - etwa durch die Lieferung von Wasser in Tanklastwagen (RD 14.3.2021). Allerdings ist außerhalb urbaner Zentren der Zugang zu manchen Bezirken nur eingeschränkt möglich – v.a. wegen der Unsicherheit entlang von Versorgungsrouten (UNSC 17.2.2021, Abs. 58). Al Shabaab und andere nichtstaatliche Akteure behindern die Leistung humanitärer Hilfe und die Lieferung von Hilfsgütern an vulnerable Bevölkerungsteile – speziell in Süd-/Zentralsomalia (USDOS 30.3.2021, S. 15; vgl. UNSC 17.2.2021, Abs. 58). In Bakool hat sich die humanitäre Lage aufgrund von Unsicherheit, Drohungen und einer Blockade drastisch verschlechtert. Der Zugang für humanitäre Organisationen ist beschränkt (UNOCHA 1.2021, S. 3). Im Kampf gegen Unterernährung stoßen die Organisationen auf Probleme bei der Erreichbarkeit von Menschen in Middle Juba, dem Bezirk Tayeeglow (Bakool), Sablaale (Lower Shabelle) und Adan Yabaal (Middle Shabelle) (UNOCHA 27.1.2021, S.3ff). Zudem kam es alleine im Zeitraum August-November 2020 zu 44 gewaltsamen Zwischenfällen mit Auswirkungen auf humanitäre Organisationen. Dabei kamen zwei Mitarbeiter ums Leben, einer wurde verletzt (UNSC 13.11.2020, Abs. 57). Rund ein Drittel des Landes ist für humanitäre Kräfte nur schwer erreichbar (UNSC 13.5.2020, Abs. 64).

Öffentliche Hilfe - Programm "Baxnaano": Dieses im April 2020 vom Arbeits- und Sozialministerium eingeführte Sozialhilfeprogramm hat dabei geholfen, vulnerable ländliche Haushalte vor dem Fall in die Armut zu bewahren. Über das Programm werden rund 100.000 Haushalte mit Geldtransfers versorgt. Das Baxnaano soll Verluste durch Heuschrecken und Wetterschocks abfedern (WB 6.2021, S. 3/7). Nach jüngeren Angaben versorgte Baxnaano im Zeitraum Jänner-Juni 2021 440.900 Haushalte; es wurden 20 US-Dollar pro Monat ausbezahlt (FSNAU 9.9.2021a). Nach anderen Angaben werden mehr als 1,1 Millionen Menschen - in ländlichen Gebieten, aber auch arme Menschen und IDPs in Städten - über Programme mit vierteljährlichen Geldzahlungen bedacht (WFP 6.10.2021). Der Anteil des Sozialsektors am Staatsbudget soll 2021 auf 34 % anwachsen; der Großteil davon fließt über Baxnaano an arme und vulnerable Haushalte (WB 6.2021, S. 19).

Gesellschaftliche Unterstützung: Insgesamt gibt es aber kein öffentliches Wohlfahrtssystem (BS 2020, S. 29), keinen sozialen Wohnraum und keine Sozialhilfe (AA 18.4.2021, S. 22). Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor (BS 2020, S. 29). Das eigentliche soziale Sicherungsnetz ist die erweiterte Familie, der Subclan oder der Clan. Sie bieten oftmals für Personen, deren Unterhalt und Überleben in Gefahr ist, zumindest einen rudimentären Schutz (AA 18.4.2021, S. 22; vgl. OXFAM 6.2018, S. 11f; BS 2020, S. 29). Vorrangig stellen die patrilinearen (väterlichen) Abstammungsgemeinschaft die Solidaritäts- und Schutzgruppe. Aber daneben gibt es auch die Patri-(Vater)-Linie der Mutter und zusätzlich möglicherweise noch angeheiratete Verwandtschaft. Alle drei Linien bilden in der Regel - wie es ein Experte formuliert - "einen ganz beachtlichen Verwandtschaftskosmos". Und in diesem Netzwerk kann Hilfe und Solidarität gesucht werden, es besteht diesbezüglich eine moralische Pflicht. Allerdings müssen verwandtschaftliche Beziehungen auch gepflegt werden. Entscheidend ist also nicht unbedingt die Quantität an Verwandten, sondern die Qualität der Beziehungen. Wer als schwacher Akteur in diesem Netzwerk positioniert ist, der wird schlechter behandelt als die stark Positionierten (ACCORD 31.5.2021, S. 32f). In einer Dokumentation der Deutschen Welle wird ein junger Mann gezeigt, der im Sudan medizinisch versorgt und von dort zurückgeholt werden musste. Die Ältesten bzw. Sultans sammeln Geld im ganzen Clan, und dieser gab dafür schließlich 7.000 US-Dollar aus. Danach hat der Clan dem Mann um 3.000 US-Dollar ein Tuk-Tuk finanziert, damit er den gefährlichen Weg der Migration nicht noch einmal antritt (DW 3.2021). Diese Art des "Fundraising" (Qaraan) in Somalia und in der Diaspora wird also nicht nur gemacht, um sogenanntes Blutgeld im Fall eines Mordes zu sammeln, sondern auch, um andere Bedürfnisse eines Clanmitglieds abzudecken. Darunter fallen auch Probleme bei der Nahrungsmittelversorgung (Majid 2017, S. 18).

Eine weitere Hilfestellung bieten Remissen aus dem Ausland (BS 2020, S. 29). Remissen sind im Zuge der Covid-19-Pandemie zurückgegangen. Eine Erhebung im November und Dezember 2020 hat gezeigt, dass 22 % der städtischen, 12 % der ländlichen und 6 % der IDP-Haushalte Remissen beziehen. Die Mehrheit der Empfänger berichtete von Rückgängen von über 10 % (IPC 3.2021, S. 2). Nach anderen Angaben sind die Remissen an Privathaushalte während der Pandemie nicht zurückgegangen sondern von 1,3 Mrd. US-Dollar im Jahr 2019 auf 1,6 Mrd. im Jahr 2020 gestiegen (WB 6.2021, S. 11f). Dabei stellen Remissen einen bedeutenden Anteil des Budgets von Privathaushalten dar. Vor allem für die unteren 40 %, wo Remissen 54 % aller Haushaltsausgaben decken (WB 6.2021, S. 4).

In Krisenzeiten (etwa Hungersnot 2011 und Dürre 2016/17) stellt die Hilfe durch Freunde oder Verwandte die am meisten effiziente und verwendete Bewältigungsstrategie dar. Neben Familie und Clan helfen also auch andere soziale Verbindungen – seien es Freunde, geschlechtsspezifische oder Jugendgruppen, Bekannte, Berufsgruppen oder religiöse Bünde. Meist ist die Unterstützung wechselseitig. Über diese sozialen Netzwerke können auch Verbindungen zwischen Gemeinschaften und Instanzen aufgebaut werden, welche Nahrungsmittel, medizinische Versorgung oder andere Formen von Unterstützung bieten. Auch für IDPs stellen solche Netzwerke die Hauptinformationsquelle dar, wo sie z.B. Unterkunft und Nahrung finden können (DI 6.2019, S. 15ff). Generell ist es auch üblich, Kinder bei engen oder fernen Verwandten unterzubringen, wenn eine Familie diese selbst nicht erhalten kann (SIDRA 6.2019b, S. 4; vgl. Majid 2017, S. 24). 22 % der bei einer Studie befragten IDP-Familien haben Kinder bei Verwandten, 28 % bei institutionellen Pflegeeinrichtungen (7 %) untergebracht. Weitere 28 % schicken Kinder zum Essen zu Nachbarn (OXFAM 6.2018, S. 11f).

In der somalischen Gesellschaft – auch bei den Bantu – ist die Tradition des Austauschs von Geschenken tief verwurzelt. Mit dem traditionellen Teilen werden in dieser Kultur der Gegenseitigkeit bzw. Reziprozität Verbindungen gestärkt. Folglich wurden auch im Rahmen der Dürre 2016/17 die über Geldtransfers zur Verfügung gestellten Mittel und Remissen mit Nachbarn, Verwandten oder Freunden geteilt – wie es die Tradition des Teilens vorsah (DI 6.2019, S. 20f). Selbst Kleinhändlerinnen in IDP-Lagern, die ihre Ware selbst nur auf Kredit bei einem größeren Geschäft angeschafft haben, lassen anschreiben und streichen manchmal die Schulden von noch ärmeren Menschen (RE 19.2.2021). Menschen, die selbst wenig haben, teilen ihre wenigen Habseligkeiten und helfen anderen beim Überleben. Es herrscht eine starke Solidarität (ACCORD 31.5.2021, S. 19).

Die hohe Anzahl an IDPs zeigt aber, dass manche Clans nicht in der Lage sind, der Armut ihrer Mitglieder entsprechend zu begegnen. Vor allem, wenn Menschen in weit von ihrer eigentlichen Clanheimat entfernte Gebiete fliehen, verlieren sie zunehmend an Rückhalt und setzen sich größeren Risiken aus. Eine Ausnahme davon bilden Migranten, die ihren Familien und Freunden mit Remissen helfen können (DI 6.2019, S. 12).

Quellen:

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9. Grundversorgung in Somaliland

Die Regierung ist in der Lage, grundlegende Dienste bereitzustellen. Gerade im Bildungs- und Gesundheitsbereich wurden hier signifikante Verbesserungen erreicht (BS 2020, S. 11). Allerdings herrscht im Land noch immer ein hohes Maß an Armut (BS 2020, S. 33). Es gibt kein öffentliches Wohlfahrtssystem. Soziale Unterstützung erfolgt entweder über islamische Wohltätigkeitsorganisationen, NGOs oder den Clan. Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Armutsminderung liegen im privaten Sektor. Das eigentliche soziale Sicherungsnetz bilden die erweiterte Familie und der Clan. Auch Remissen aus dem Ausland tragen zu diesem Netz bei (BS 2020, S. 29). Alleine im Jahr 2020 wurden 1,3 Milliarden US-Dollar nach Somaliland überwiesen (SLP 7.4.2021). Viele Haushalte sind auf diese Gelder angewiesen (FH 3.3.2021, G4).

In Hargeisa, in Somaliland geht es den Menschen durchschnittlich besser als in Süd-/Zentralsomalia (ACCORD 31.5.2021, S.27). In vielen Teilen Somalilands gibt es nach wie vor Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung und Armut. In ländlichen Gebieten lebt mehr als eine von drei Personen in Armut, in urbanen Gebieten ist es mehr als eine von vier (HD 14.1.2021). Überdurchschnittlich viele der bei einer Studie befragten IDP-Familien haben Kinder bei Verwandten (76 %) oder aber auch in institutionellen Pflegeeinrichtungen (7 %) untergebracht. Weitere 54 % schicken Kinder zum Essen zu Nachbarn. Generell sind gesellschaftlicher Zusammenhalt und soziale Netze in Somaliland besser als in anderen Landesteilen (OXFAM 6.2018, S. 11f). Wenn Verwandten aber die Ressourcen zur Hilfe ausgehen, führt der Weg oft ins IDP-Lager (TG 8.7.2019).

In Somaliland ist es den Menschen aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfalle rascher möglich, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten (AA 18.4.2021, S. 22). Allerdings hat das Land in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren Dürre durchlebt. Vielen Menschen ist dadurch ihr Lebensunterhalt verloren gegangen. Auch früher hat es Dürren gegeben, aber nicht in dieser Frequenz (DEVEX 9.7.2019; vgl. TG 8.7.2019). Rund 725.000 Menschen sind akut von einer Unsicherheit in der Nahrungsmittelversorgung betroffen (ÖB 3.2020, S. 19). Aus Bari, Nugaal und Sanaag kommen Anfang 2021 Meldungen über Wassermangel; auch die Region Togdheer ist von der Krise betroffen (UNOCHA 27.1.2021, S. 1). Die National Disaster Agency (NADFOR) hat bestätigt, dass eine schwere Dürre Teile von Maroodi-Jeex, Togdheer, Sool und Sanaag getroffen hat. Anfangs wurde durch die Regierung Nahrung verteilt, doch war dies zu wenig, um die betroffenen ca. 55.000 Familien zu versorgen (SLS 7.3.2021).

Bereits seit der Hungersnot 2011 versuchen internationale Organisationen, eine Resilienz gegenüber den Klimabedingungen in der Region aufzubauen. Allerdings führen akute Notlagen immer wieder zu einer Umplanung der Ressourcen, damit nötige Soforthilfe bereitgestellt werden kann (ÖB 3.2020, S. 19). Es kommt in Somaliland hinsichtlich der Zurverfügungstellung humanitärer Hilfe zu keinen Problemen durch al Shabaab (LIFOS 3.7.2019, S. 38).

Aufgrund der vergleichsweise guten Sicherheitslage, verzeichnen die UN in Somaliland weniger Zwischenfälle im Zusammenhang mit humanitärem Zugang als anderswo im Land (ÖB 3.2020, S. 19). Alleine die UN führt für die somaliländischen Regionen folgende Zahlen an aktiven Partnern an: Awdal: 29; Woqooyi Galbeed: 42; Togdheer: 34; Sool: 36; Sanaag: 32 (UNOCHA 11.2020).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (18.4.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050118/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Januar_2021%29%2C_18.04.2021.pdf , Zugriff 23.4.2021

 ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation / Höhne, Markus / Bakonyi, Jutta (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf , Zugriff 28.6.2021

 BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Somalia Country Report, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_SOM.pdf , Zugriff 4.5.2020

 DEVEX / Sara Jerving (9.7.2019): Somali aid community faces up to a new reality of recurring drought, https://www.devex.com/news/somali-aid-community-faces-up-to-a-new-reality-of-recurring-drought-95229 , Zugriff 26.1.2021

 FH - Freedom House (3.3.2021b): Freedom in the World 2021 – Somaliland, https://freedomhouse.org/country/somaliland/freedom-world/2021 , Zugriff 30.6.2021

 HD - Horn Diplomat (14.1.2021): Somaliland Budget Analysis 2021, https://www.horndiplomat.com/2021/01/14/somaliland-budget-analysis-2021/ , Zugriff 26.1.2021

 LIFOS - Lifos/Migrationsverket [Schweden] (3.7.2019): Säkerhetssituationen i Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2015777/190827400.pdf , Zugriff 17.3.2021

 ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (3.2020): Asylländerbericht Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042214/%C3%96B+2020-03-00.pdf , Zugriff 21.1.2021

 OXFAM / REACH (6.2018): Drought, Displacement and Livelihoods in Somalia/Somaliland. Time for gender-sensitive and protection-focused approaches, http://regionaldss.org/wp-content/uploads/2018/07/bn-somalia-somaliland-drought-displacement-protection-280618-en-002.pdf , Zugriff 26.1.2021

 SLP - Somaliland Post (7.4.2021): Somaliland: WorldRemit founder launches Sahamiye Foundation to tackle the Country’s development challenges, https://somalilandpost.net/somaliland-worldremit-founder-launches-sahamiye-foundation-to-tackle-the-countrys-development-challenges/ , Zugriff 13.4.2021

 SLS - Somaliland Standard (7.3.2021): NADFOR chief confirms drought plight in Somaliland, https://somalilandstandard.com/nadfor-chief-confirms-drought-plight-in-somaliland/ , Zugriff 10.3.2021

 TG - The Guardian (8.7.2019): In Somalia, the climate emergency is already here. The world cannot ignore it, https://www.theguardian.com/commentisfree/2019/jul/08/somalia-climate-emergency-world-drought-somalis , Zugriff 26.1.2021

 UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (27.1.2021): Somalia – Humanitarian Dashboard – December 2020, https://reliefweb.int/report/somalia/somalia-humanitarian-dashboard-december-2020-27-january-2021 , Zugriff 9.3.2021

 UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.2020): Somalia Operational Presence (3W), October 2020, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/somalia_operational_presence_3ws_october.pdf , Zugriff 26.1.2021

10. Wirtschaft und Arbeit in Somlialand

In Somaliland hat es in den letzten 20 Jahren viele positive wirtschaftliche und soziale Entwicklungen gegeben (ACCORD 31.5.2021, S. 30). Hauptfaktoren der Wirtschaft und des BIP sind Viehzucht und Dienstleistungen (BS 2020, S. 30). Der informelle Sektor ist der Hauptpfeiler der Wirtschaft (FH 3.3.2021b, G4). Das jährliche Budget Somalilands ist in den letzten Jahren stark gewachsen. 2015 betrug es lediglich 156 Millionen US-Dollar, für 2021 sind bereits 339 Millionen budgetiert. 35% davon fließen in Sicherheit und Verteidigung, 9% in die Bildung und 5% ins Gesundheitswesen. Dabei hat Somaliland kaum – und nur inländische – Schulden, der Anteil der Schuldentilgung liegt im Budget bei nur rund 3%. Das BIP/Kopf betrug 2020 566 US-Dollar, der Großteil des BIP entstammt der Viehzucht (30 %), dem Handel (24 %), Remissen (22 %) und der Landwirtschaft (8 %) (HD 14.1.2021). Der somaliländische Shilling ist verhältnismäßig stabil (BS 2020, S. 27). Strom ist sehr teuer und kostet rund viermal soviel wie in Europa (ARTE 2021). Die zahlreichen Rückkehrer aus der Diaspora sind aufgrund ihrer Finanzkraft und ihres Wissens für die Wirtschaft von enormer Bedeutung (Spiegel 1.3.2021). Rund 382 Millionen US-Dollar werden aus dem Ausland jährlich an Remissen nach Somaliland überwiesen. Und die Diaspora ist der Idee hinsichtlich des Aufbaus der Heimat stark verpflichtet (Sahan 15.7.2021). Fast 80 % des Gründungskapitals von kleinen und mittleren Unternehmen kommt aus der Diaspora (Sahan 4.10.2021).

Gemäß verfügbaren Statistiken beträgt die (formelle) Jugendarbeitslosigkeit in Somaliland mindestens 60% (ÖB 3.2020, S. 19). Nach anderen Angaben beträgt die Arbeitslosigkeit insgesamt 47,4 % (RMMS 7.2016). Generell scheinen zu den Schätzungen unterschiedliche Berechnungsmethoden herangezogen zu werden.

Eine Studie der UN-Agentur UNFPA aus dem Jahr 2016 nennt folgende Zahlen, wonach zwar nur 29,9 % der erwerbsfähigen Bevölkerung arbeitet, jedoch auch nur 13,8 % als Arbeitssuchende gelten. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist ökonomisch inaktiv. Als arbeitend werden in der Studie folgende Personen bezeichnet: Jene die in den der Erhebung vorangegangenen zwölf Monaten bezahlter Arbeit nachgegangen sind oder selbstständig waren. Darunter fällt auch unbezahlte (aber produktive) Arbeit in der Familie, bei welcher direkt Einkommen produziert wird (etwa Viehhüten, Arbeit am eigenen Ackerland; Wirtschaftstreibende, Dienstleister im eigenen Betrieb). Als arbeitslos werden jene Personen bezeichnet, die in diesen zwölf Monaten nach Arbeit gesucht haben und bereit sind, eine Arbeit anzunehmen (UNFPA 2016, S. 29):

(UNFPA 2016, S.29)

In der gleichen Studie wurde der Status bzgl. Arbeit auch auf Geschlechter heruntergebrochen. Folglich sind in Somaliland 17,4% der Männer und 10% der Frauen im Alter von 15-64 Jahren auf der Arbeitssuche, wohingegen 35,2% der Männer und 22,2% der Frauen einer Arbeit nachgehen (UNFPA 2016, S. 31):

(UNFPA 2016, S.31)

Die große Masse der werktätigen Männer und Frauen arbeitet in Landwirtschaft, Viehzucht und Fischerei (63 %). Der nächstgrößere Anteil an Personen arbeitet als Dienstleister oder im Handel (15,2 %) (UNFPA 2016, S. 36):

(UNFPA 2016, S.36)

Trotzdem gehört die Suche nach Arbeitsmöglichkeiten zu den Hauptgründen für Migration (ÖB 3.2020, S. 19). Nur ein Fünftel der Universitätsabsolventen findet nach dem Abschluss eine Anstellung (ARTE 2021). Clanverbindungen spielen bei der Arbeitssuche eine kritische Rolle (FH 3.3.2021b, F4). Frauen tragen mittlerweile in 48 % der Haushalte den Hauptteil zum Familieneinkommen bei (OXFAM 6.2018, S. 10). Auf dem großen Viehmarkt von Hargeysa stellen Frauen rund 90 % aller Händler (ARTE 2021). In den städtischen Gebieten hat die beschleunigte Land-Stadt Migration zur Herausbildung peripherer Stadtgemeinden geführt, die von sozialen Dienstleistungen, dem formellen Arbeitsmarkt und politischer Mitsprache abgeschnitten sind (ÖB 3.2020, S. 19).

Der Ausbildungssektor in Somaliland hat sich ständig verbessert. Meist arbeiten hier staatliche Organe, lokale Gemeinden und externe Geber – darunter die Diaspora – zusammen. Private Bildungsanbieter boomen, und es gibt mehrere Universitäten und Colleges (BS 2020, S. 32). Die Sahamiye Foundation, welche u.a. vom Gründer des Finanzdienstleisters Worldremit betrieben wird, hat angekündigt, in den nächsten zehn Jahren 500 Millionen US-Dollar in Somaliland ausgeben zu wollen. Die Alphabetisierungsrate soll damit auf 90% gehoben werden. Außerdem will die Stiftung 100.000 Menschen eine adäquate Berufsausbildung zukommen lassen und ins Gesundheitswesen investieren. Die Stiftung war schon zuvor die größte Wohltätigkeitsstiftung in Somaliland und hat bereits zahlreiche Programme gestartet (SLP 7.4.2021).

Die Organisation Shaqadoon betreibt ein Programm, um Jugendliche auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Sie bietet technische und handwerkliche Ausbildung und hat schon 900 Jugendliche in Borama, Hargeysa, Burco und Berbera ausgebildet. Nach Angaben von Shaqadoon gibt es in Somaliland zwar Arbeitsplätze, doch haben viele Einheimische nicht die erforderlichen Fähigkeiten. Deswegen werden dafür oft ausländische Arbeitskräfte herangezogen (AMISOM 6.3.2019). Auch OXFAM betreibt u. a. in Zusammenarbeit mit Shaqadoon und deren Hargabits Academy ein Programm, um der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Das Programm bietet auf dem Arbeitsmarkt gesuchte Ausbildung (z.B. digitale und IT-Bildung) und eine bessere Vermittlung zu Arbeitsplätzen – speziell auch für marginalisierte Jugendliche (OXFAM o.D.a). Ein anderes, u.a. von der EU finanziertes, Projekt wird vom Africa Educational Trust geleitet. Mit diesem Programm erhalten 400 junge Menschen grundsätzliche (Alphabetisierung) und weitergehende (handwerkliche, unternehmerische) Ausbildung. Mindestens 250 jungen Menschen wird der Zugang zu Mikrokrediten ermöglicht, um sich eine Lebensgrundlage zu schaffen (AET 2020). Der Norwegian Refugee Counci (NRC) bietet ein ähnliches Programm (NRC 23.12.2020).

Quellen:

 ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation / Höhne, Markus / Bakonyi, Jutta (31.5.2021): Somalia - Al-Schabaab und Sicherheitslage; Lage von Binnenvertriebenen und Rückkehrer·innen [sic]; Schutz durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; Dokumentation zum COI-Webinar mit Markus Höhne und Jutta Bakonyi am 5. Mai 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052555/20210531_COI-Webinar+Somalia_ACCORD_Mai+2021.pdf , Zugriff 28.6.2021

 AET - Africa Educational Trust (2020): Inspiring Somaliland and Puntland Youth through skills training and creation of employment opportunities, https://www.vettoolbox.eu/en/actions/inspiring-somaliland-and-puntland-youth-through-skills-training-and-creation-employment , Zugriff 27.1.2021

 AMISOM (6.3.2019): 06 March 2019 - Daily Monitoring Report [Quelle: Radio Ergo], Newsletter per E-Mail

 ARTE / Unger, M. / Bergeron, E. (2021): Reportage – Somaliland: Der Staat, der nicht sein darf, filmische Dokumentation, https://www.arte.tv/de/videos/104232-000-A/somaliland-der-staat-der-nicht-sein-darf/ , Zugriff 13.10.2021

 BS - Bertelsmann Stiftung (2020): BTI 2020 - Somalia Country Report, https://www.bti-project.org/content/en/downloads/reports/country_report_2020_SOM.pdf , Zugriff 4.5.2020

 FH - Freedom House (3.3.2021b): Freedom in the World 2021 – Somaliland, https://freedomhouse.org/country/somaliland/freedom-world/2021 , Zugriff 30.6.2021

 HD - Horn Diplomat (14.1.2021): Somaliland Budget Analysis 2021, https://www.horndiplomat.com/2021/01/14/somaliland-budget-analysis-2021/ , Zugriff 26.1.2021

 NRC - Norwegian Refugee Council (23.12.2020): Tailoring careers for young people in Somaliland, https://www.nrc.no/perspectives/2020/tailoring-careers-for-young-people-in-somaliland/ , Zugriff 27.1.2021

 ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (3.2020): Asylländerbericht Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042214/%C3%96B+2020-03-00.pdf , Zugriff 21.1.2021

 OXFAM (o.D.a): Getting Somaliland's youth back to work through skills training, https://heca.oxfam.org/latest/stories/getting-somalilands-youth-back-work-through-skills-training , Zugriff 27.1.2021

 OXFAM / REACH (6.2018): Drought, Displacement and Livelihoods in Somalia/Somaliland. Time for gender-sensitive and protection-focused approaches, http://regionaldss.org/wp-content/uploads/2018/07/bn-somalia-somaliland-drought-displacement-protection-280618-en-002.pdf , Zugriff 26.1.2021

 RMMS - Regional Mixed Migration Secretariat (7.2016): Country Profile – Somalia/Somaliland, ursprüngliche URL http://www.regionalmms.org/index.php/country-profiles/somalia-somaliland , abrufbar nunmehr im Web.Archive unter: https://web.archive.org/web/20180923104742/http://www.regionalmms.org/index.php/country-profiles/somalia-somaliland#_edn2 , Zugriff 27.1.2021

 Sahan - Sahan / Somali Wire Team (4.10.2021): Editor’s Pick – Somalia: The pitfalls of diaspora-led state-building, in: The Somali Wire Issue No. 241, per e-Mail

 Sahan - Sahan / Rashid Abdi (15.7.2021): Editor’s Pick – Hargeisa: A Tale of Cats and Dogs, in: The Somali Wire Issue No. 185, per e-Mail

 SLP - Somaliland Post (7.4.2021): Somaliland: WorldRemit founder launches Sahamiye Foundation to tackle the Country’s development challenges, https://somalilandpost.net/somaliland-worldremit-founder-launches-sahamiye-foundation-to-tackle-the-countrys-development-challenges/ , Zugriff 13.4.2021

 Spiegel - Spiegel International (1.3.2021): A Miracle on the Horn of Africa, https://www.spiegel.de/international/world/boom-in-somaliland-a-miracle-on-the-horn-of-africa-a-c7fb91cc-4b0a-4561-977d-dd985cf48256 , Zugriff 3.3.2021

 UNFPA (2016): Economic Characteristics of the Somali People, https://www.nbs.gov.so/docs/Analytical_Report_Volume_4.pdf , Zugriff 27.1.2021

12. Rückkehr nach Somaliland

Zu möglichen staatlichen Repressionen gegenüber Rückgeführten liegen keine Erkenntnisse vor. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für unbegleitete Minderjährige. Großbritannien, Finnland, Dänemark und Norwegen führen grundsätzlich Abschiebungen nach Hargeysa durch. Die Niederlande und Belgien haben aufgrund von Covid-19 im Jahr 2020 keine Rückführungen durchgeführt. Nach Somaliland gibt es Linienflüge aus Dubai, Jeddah, Addis Abeba und Dschibuti. Rückführungen werden aber meist über Mogadischu mit Weiterreise nach Hargeysa durchgeführt. Nach Somalia rückgeführte Personen reisen teilweise nach Somaliland weiter, die dortigen Behörden werden aber von der Regierung in Mogadischu nicht über die Hintergründe in Kenntnis gesetzt, sodass eine weitere Betreuung der Rückkehrer durch somaliländische Behörden unwahrscheinlich scheint (AA 18.4.2021, S. 24f).

IOM Länderbüros unterhalten Rückkehrprogramme nach Somaliland. Die Rückkehr dorthin wird folglich als durchaus möglich beurteilt. Das Land akzeptiert nur aus Somaliland stammende Rückkehrer (ÖB 3.2020, S. 19). In das europäische Programm zur freiwilligen Rückkehr ERRIN (European Return and Reintegration Network) wurde mit November 2019 auch die Destination Somaliland aufgenommen. Umgesetzt wird das Programm vor Ort von der Organisation IRARA (International Return and Reintegration Assistance) mit Büro in Hargeysa. Das Programm umfasst – neben den direkt von Österreich zur Verfügung gestellten Mitteln – pro Rückkehrer 200 Euro Bargeld sowie 2.800 Euro Sachleistungen (BMI 8.11.2019). Letztere umfassen (je nach Wunsch des Rückkehrers) eine vorübergehende Unterbringung, medizinische und soziale Unterstützung, Beratung in administrativen und rechtlichen Belangen, Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens sowie schulische und berufliche Bildung (BMI 8.11.2019; vgl. IRARA O.D.b). Bei Ankunft bietet IRARA zudem Abholung vom Flughafen, Unterstützung bei der Weiterreise und Grundversorgung. Zur Reintegration wird ein maßgeschneiderter Plan erstellt, der folgende Maßnahmen enthalten kann: soziale, rechtliche und medizinische Unterstützung; langfristige Unterstützung bei der Unterkunft; Bildung; Hilfe bei der Arbeitssuche; Berufsausbildung; Unterstützung für ein Start-up; Unterstützung für vulnerable Personen. Neben Hargeysa hat IRARA Standorte in Burco und Borama. Laut IRARA werden nicht nur freiwillige Rückkehrer, sondern auch abgewiesene Asylwerber, irreguläre Migranten, unbegleitete Minderjährige und andere vulnerable Gruppen unterstützt und vom Programm abgedeckt (IRARA o.D.b).

Laut dem Ministry of Resettlement, Rehabilitation and Reconstruction (MRRR) ist jede somaliländische Person willkommen, die freiwillig zurückkehrt. Das MRRR versucht, vor der Rückkehr Familie und Verwandte ausfindig zu machen und führt ein Screening durch. Nur dann wird von Somaliland die Genehmigung zur Rückkehr erteilt (BFA 3./4. 2017).

Seit Frühjahr 2018 unterstützt die sogenannte EU-IOM Joint Initiative for Migrant Protection and Reintegration v.a. in Libyen und Äthiopien somalische Migranten, die in ihr Heimatland zurückzukehren wollen. Die Leistungen umfassen Beratung zu Möglichkeiten der Rückkehr sowie der Integration in den lokalen Arbeitsmarkt. Außerdem wird die Entwicklung von standardisierten Rückführungsverfahren nach Somaliland gefördert (AA 18.4.2021, S. 22). Dutzende Migranten sind über dieses Programm nach Somaliland zurückgekommen. Rückkehrer erhalten u.a. eine Ausbildung – etwa „start-your-business“-Kurse. Nicht nur aus Libyen kommen Migranten freiwillig nach Somaliland zurück, sondern auch aus Europa, dem Sudan und dem Jemen (DW 12.12.2018). Auch aus der Diaspora sind viele Menschen nach Somaliland zurückgekehrt, überall im Land kann man Rückkehrer finden. Ihr Geld und ihr Wissen ist für die Wirtschaft von enormer Bedeutung. Diese Menschen vertrauen ihrem Land, sie glauben an Somaliland – und deshalb investieren sie dort auch (Spiegel 1.3.2021).

Quellen:

 AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (18.4.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050118/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschieberelevante_Lage_in_der_Bundesrepublik_Somalia_%28Stand_Januar_2021%29%2C_18.04.2021.pdf , Zugriff 23.4.2021

 BFA - BFA/SEM Fact Finding Mission Somalia (3./4.2017): Informationen aus den Protokollen der FFM

 BMI - Bundesministerium für Inneres [Österreich] (8.11.2019): ERRIN Reintegrationsprojekt Somalia und Somaliland ab 8. November 2019, per e-Mail

 DW - Deutsche Welle (12.12.2018): World in Progress: Returning to Somaliland, https://www.dw.com/en/world-in-progress-returning-to-somaliland/av-46699478 , Zugriff 19.7.2019

 IRARA - International Return and Reintegration Assistance (o.D.b): Country Leaflets – Somaliland, https://www.irara.org/leaflets/ , Zugriff 11.3.2021

 ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi [Österreich] (3.2020): Asylländerbericht Somalia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2042214/%C3%96B+2020-03-00.pdf , Zugriff 21.1.2021

 Spiegel - Spiegel International (1.3.2021): A Miracle on the Horn of Africa, https://www.spiegel.de/international/world/boom-in-somaliland-a-miracle-on-the-horn-of-africa-a-c7fb91cc-4b0a-4561-977d-dd985cf48256 , Zugriff 3.3.2021

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Identität der Beschwerdeführerin konnte mangels Vorlage von glaubhaften Originaldokumenten nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich des Namens und des Geburtsdatums Verfahrensidentität vorliegt.

Die Feststellungen zur Staats-, Religions- und Clanzugehörigkeit der Beschwerdeführerin, zu ihrer Herkunft, ihrer Sprachkenntnis, Schulbildung, mangelnden Arbeitserfahrung und ihren Angehörigen ergeben sich aus dem insoweit glaubwürdigen und gleichlautenden Vorbringen im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 27.05.2020, der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 18.08.2020 und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.02.2022.

Die Beschwerdeführerin brachte zwar vor, die letzten rund fünfeinhalb Jahre vor ihrer Ausreise nicht mehr in Hargeysa, sondern in der Nähe von Wajaale gelebt zu haben, da sie mit ihrem Ehemann dorthin geflohen sei. Da dieses Fluchtvorbringen jedoch nicht glaubhaft ist, war demgemäß festzustellen, dass die Beschwerdeführerin bis zu ihrer Ausreise bei ihrer Familie in Hargeysa lebte.

Die Beschwerdeführerin erklärte zwar ebenso stets, keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie zu haben, begründete aber auch dies mit ihren unglaubhaften Fluchtgründen, weshalb wiederum in Konsequenz dessen dem Vorbringen des mangelnden Kontaktes die Glaubwürdigkeit zu versagen war. Einen anderen Grund, weshalb kein Kontakt bestehen sollte, nannte die Beschwerdeführerin nicht und kann auch in Hinblick auf die vergleichsweise stabile und sichere Lage in Hargeysa sowie den Umstand, dass die Beschwerdeführerin ihre Heimat nicht fluchtartig verließ, nicht angenommen werden. Auch machte die Beschwerdeführerin ihr gewährte Schleppungskosten in Höhe von EUR 5.000,- geltend und erscheint es lebensfremd, dass bei einem gerade für somalische Verhältnisse derart hohem Geldbetrag keine Vorsorge für den weiteren Kontakt nach der Ausreise aus dem Herkunftsstaat getragen worden wäre.

Ebenso war dem Vorbringen der Beschwerdeführerin über ihre Heirat und drei Kinder aufgrund des unglaubhaften Fluchtvorbringens nicht zu folgen, da auch insoweit ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Soweit in der Beschwerde insoweit die Einholung eines fachärztlichen Gutachtens zur Klärung der Frage, „ob“ die Beschwerdeführerin Kinder geboren habe, beantragt wurde (As 303), handelt es sich hierbei um einen unzulässigen Erkundungsbeweis. Im Übrigen wäre ein solches Gutachten aber auch nicht entscheidungsmaßgeblich, da der bloße Umstand, dass die Beschwerdeführerin eventuell Kinder geboren hat, keinen Rückschluss auf den Wahrheitsgehalt ihres Fluchtvorbringens erlauben würde, da schon nicht gesagt werden könnte, ob der Kindesvater ein Angehöriger der Gabooye wäre.

Die Beschwerdeführerin hat im Laufe des Verfahrens stets erklärt, gesund zu sein.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin strafgerichtlich unbescholten ist, beruht auf einer Einsichtnahme in das österreichische Strafregister.

In Hinblick auf das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin ist ihr zwar zuzugestehen, dass der Rahmen ihrer Erzählung in den Länderberichten durchaus eine Deckung findet, d.h. Vergewaltigungen, Zwangsehen und die Ablehnung von Mischehen durchaus ein Problem in Somaliland darstellen. Im Einzelnen gestaltete sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin jedoch als widersprüchlich, unplausibel und vage, sodass ihr dennoch die Glaubwürdigkeit zu versagen war.

So brachte die Beschwerdeführerin sowohl in ihrer Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vor, dass ihre Eltern sie aufgrund einer im Jahr 2012 erlittenen Vergewaltigung im Jahr 2013 zwangsverheiraten hätten wollen. Während sie aber in der Einvernahme durch das Bundesamt erklärte, dass dies im August 2013 geschehen hätte sollen (AS 77), datierte sie dies hingegen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auf Ende 2013 (Verhandlungsprotokoll S. 7). In der mündlichen Verhandlung begründete sie die geplante Zwangsverheiratung damit, dass sie nach dieser Vergewaltigung kein Mann mehr genommen habe, denn jedes Mal, wenn sie einen Mann kennengelernt habe, habe er sie verlassen, als er davon erfahren habe (Verhandlungsprotokoll S. 6). Es erscheint aber nicht gänzlich nachvollziehbar und gerade vor dem Hintergrund einer Vergewaltigung auch lebensfremd, dass die Beschwerdeführerin in dem kurzen Zeitraum zwischen der Vergewaltigung und der geplanten Zwangsverheiratung mit mehreren Männern eine Beziehung geführt hätte. Dies, zumal sich dieser Zeitraum anhand der Angaben der Beschwerdeführerin in der Einvernahme durch das Bundesamt noch weiter verkürzen würde, gab sie dort doch an, dass sie bereits vor der geplanten Zwangsverheiratung ihren Freund, den sie später geheiratet habe, kennengelernt und sich in ihn verliebt habe (AS 88). Es blieb dahingehend auch unplausibel, weshalb die Beschwerdeführerin ihren Eltern nicht von ihrem Freund erzählte, als diese ihr die geplante Zwangsverheiratung eröffnet hätten. Zwar meinte sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass dies darin begründet sei, dass dieser der Minderheit der Gabooye angehöre und ihre Eltern daher eine solche Beziehung nicht akzeptiert hätten (Verhandlungsprotokoll S. 6). Allerdings gab sie noch in der Einvernahme durch das Bundesamt zu Protokoll, dass er ihr diese Zugehörigkeit erst eröffnet habe, nachdem sie ihm von der geplanten Zwangsverheiratung erzählt habe (AS 88). Es hätte somit aber bis dahin kein Grund bestanden, dass die Beschwerdeführerin ihre Beziehung ihren Eltern verschweigen würde und diese nicht eingewendet hätte, als ihr die geplante Verheiratung an einen anderen Mann mitgeteilt worden sei. In diesem Zusammenhang widersprach sich die Beschwerdeführerin aber auch wieder, gab sie doch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, dass sie ihren Freund (erst) im August 2013 – somit also erst zum Zeitpunkt der geplanten Zwangsverheiratung – kennengelernt habe (Verhandlungsprotokoll S. 5), nicht also schon zuvor. Desweiteren erscheint das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung kaum nachvollziehbar, wonach der Mann, mit dem die Beschwerdeführerin zwangsverheiratet habe werden sollen, über mehrere Monate hinweg noch ein gemeinsames Wohnhaus suchen habe müssen, bevor die Heirat tatsächlich stattfinden habe können (Verhandlungsprotokoll S. 7), ist doch anzunehmen, dass jener Mann über eine Bleibe verfügte, in die die Beschwerdeführerin ziehen hätte können. Dies, zumal er offenkundig über Geld verfügte, hätte er andernfalls doch kein (neues) Wohnhaus kaufen können. Letztlich blieb das Vorbringen der Beschwerdeführerin über diese geplante Zwangsverheiratung wie auch über das Kennenlernen ihres Freundes oberflächlicher Natur. So gab sie zum Mann, den sie heiraten habe sollen, kaum mehr an als seinen Namen, seine Clanzugehörigkeit und, dass er älter gewesen sei, an. Zu ihrem Freund gab die Beschwerdeführerin wiederum nur an, dass sie sich in einem Bus kennengelernt hätten und danach oft am Markt getroffen hätten. Nähere Umstände gab die Beschwerdeführerin nicht bekannt.

Die Beschwerdeführerin brachte vor, in weiterer Folge Anfang 2014 mit ihrem Freund aus Hargeysa nach XXXX in der Nähe von Wajaale weggegangen zu sein und ihn geheiratet zu haben, wobei sie ihre Familie darüber im Dunkeln ließ. Diese habe sodann ihre Schwiegermutter in der Stadt aufgesucht, um nach ihrem Aufenthalt zu fragen. Während die Beschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung aber zunächst angab, dass ihre Familie schon zuvor von ihrer Heirat erfahren habe (Verhandlungsprotokoll S. 8), sagte sie kurz darauf aus, dass ihre Familie zu jenem Zeitpunkt doch noch nicht davon gewusst habe (Verhandlungsprotokoll S. 9). Überhaupt ist anhand der Angaben der Beschwerdeführerin kaum nachzuvollziehen, wie ihre Familie auf ihre Schwiegermutter kam, wenn diese doch nichts von ihrer Beziehung gewusst habe und somit auch die Schwiegermutter – geschweige ihre Wohnadresse – nicht kennen hätten können. Die Beschwerdeführerin gab dazu nur höchst vage an, dass ihre Familie das vielleicht von jener Freundin von ihr erfahren habe, die von der Beziehung gewusst habe (Verhandlungsprotokoll S. 8), wobei selbst dies voraussetzen würde, dass dieser Freundin genaue Identitätsdaten bekannt gewesen wären und sie die Beschwerdeführerin aus unklaren Gründen gewissermaßen verraten hätte. Die Beschwerdeführerin behauptete zudem in der Einvernahme durch das Bundesamt, dass ihre Schwiegermutter einen Monat nach dem Besuch durch ihre Familie aus Angst von Hargeysa nach XXXX nachgekommen sei (AS 88). In der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab sie jedoch dem widersprechend an, dass sie bereits eine Woche später umgezogen sei (Verhandlungsprotokoll S. 10).

Sodann hätten die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann für rund fünf Jahre gefahrlos an ihrem neuen Wohnort leben können. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr Ehemann „am Anfang“ aus Angst nicht gearbeitet habe und sein Onkel sie unterstützt habe. Erst im Jahr 2018 habe er drei Monate im Friseursalon seines Onkels mitgeholfen, wobei die Beschwerdeführerin nicht sagen könne, bis zu welchem Zeitpunkt er gearbeitet habe (Verhandlungsprotokoll S. 7 f). Es ist aber höchst unplausibel, dass ihr Ehemann rund fünf Jahre lang aus Angst keiner Arbeit nachgegangen und sein Onkel für den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin, ihres Ehemannes und den in dieser Zeit geborenen drei Kindern aufgekommen wäre. Es erscheint in diesem Zusammenhang auch merkwürdig, dass die Beschwerdeführerin einen Zeitraum von etwa fünf Jahren mit den Worten „am Anfang“ umschrieb. Ebenso ist nicht nachzuvollziehen, dass die Beschwerdeführerin nicht angeben konnte, bis wann ihr Ehemann dann im Friseursalon mitgeholfen habe, konnte sie doch an anderer Stelle darlegen, dass er im Dezember 2018 von ihrer Familie aus dem Friseursalon in Wajaale verschleppt worden sei (vgl. Verhandlungsprotokoll S. 10). Hierzu brachte die Beschwerdeführerin an jener Stelle vor, dass ihre Familie den Onkel ihres Mannes vor Ort erschossen habe und ihren Ehemann geschlagen und verschleppt habe, um von ihm den Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin zu erfahren. Unklar blieb dabei, weshalb ihre Familie den Onkel ihres Ehemannes offenkundig grundlos erschossen hätte. Dies zumal vor dem Hintergrund der Länderberichte, wonach Somaliland über ein durchaus funktionierendes Polizeiwesen verfügt, die Familie somit mit den entsprechenden Konsequenzen zu rechnen hätte. Es erscheint auch unlogisch, dass die Familie mit derartiger Gewalt vorgegangen wäre, um an die Beschwerdeführerin selbst zu gelangen, wäre es doch wesentlich einfacher gewesen, den Heimweg ihres Ehemannes zu beobachten. Ebenso erscheint es höchst unwahrscheinlich, dass dieser Vorfall, wenn schon nicht durch die Beschwerdeführerin selbst, nicht zumindest durch die Angehörigen des Onkels ihres Ehemannes zur Anzeige gebracht worden wäre, zumal die Identität der Täter bekannt gewesen wäre. Sodann gab die Beschwerdeführerin sowohl in der Einvernahme durch das Bundesamt als auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, dass zwei Angehörige der Gabooye, die den Vorfall beobachtet hätten, mit ihrem Ehemann aber nicht verwandt gewesen seien, zur Beschwerdeführerin nach XXXX gekommen seien, um ihr davon zu berichten (AS 85; Verhandlungsprotokoll S. 11). Wenn diese Zeugen aber den Ehemann der Beschwerdeführerin nicht näher gekannt hätten, so ist unverständlich, woher sie den Wohnort der Beschwerdeführerin gekannt hätten. Dies, zumal sie angab, dass sie bereits eine Stunde nach dem Vorfall bei ihr gewesen seien, wobei dies exakt der Fahrzeit von Wajaale nach XXXX entspreche. In weiterer Folge erklärte die Beschwerdeführerin in der Einvernahme durch das Bundesamt, dass ihre Schwiegermutter sie von XXXX „in die Stadt Wajaale selbst“ zu Verwandten gebracht habe. Die Entfernung betrage etwa zwei Stunden zu Fuß (AS 84). Wenn man aber mit dem Auto eine Stunde benötige, um vom Friseursalon in der Stadt Wajaale nach XXXX zu fahren (vgl. AS 83 f), so steht es damit im Widerspruch, dass man von XXXX zwei Stunden zu Fuß in die Stadt Wajaale benötige. Auch der Kartendienst Google Maps misst zwischen diesen Orten eine Entfernung von etwas mehr als 30 Kilometer in der Luftlinie, somit also eine Distanz, die nicht binnen zwei Stunden zu Fuß zu bewältigen wäre.

Letztlich sind auch die Umstände der Ausreise der Beschwerdeführerin nicht nachzuvollziehen. So verließ sie ihre Heimat nicht fluchtartig, sondern verblieb noch zweieinhalb Monate in der Stadt Wajaale. Obwohl sie, ihren Angaben in der Einvernahme durch das Bundesamt gemäß, dort aber auch ihre Kinder bei ihrer Schwiegermutter zurückgelassen habe und die Familie ihres Ehemannes für die beträchtlichen Schleppungskosten von EUR 5.000,- aufgekommen sei (AS 84), habe sie seit ihrer Ausreise keinen Kontakt mehr nach Somalia (AS 87). Einen spezifischen Grund dafür nannte die Beschwerdeführerin jedoch weder in der Einvernahme durch das Bundesamt noch – auch nach wiederholter Befragung – in der mündlichen Beschwerdeverhandlung (Verhandlungsprotokoll S. 13). Es erscheint völlig unplausibel, dass bei der Vorbereitung der Ausreise der Beschwerdeführerin keine derartigen Vorkehrungen getroffen worden wären. Wenn die Beschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung angab, dass sie ausgereist sei, damit ihre Kinder nicht auch ihre Mutter verlieren würden (ibid.), so konterkariert jenes Verhalten geradezu dieses Ziel. Bemerkt wird dabei, dass die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt im Verfahren den Wunsch zum Ausdruck brachte, ihre Kinder nachholen zu wollen (vgl. etwa auch Verhandlungsprotokoll S. 15). In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung gänzlich unplausibel behauptete, auch vor der Familie ihres Ehemannes Angst zu haben, da der geschilderte Vorfall wegen ihr passiert sei (Verhandlungsprotokoll S. 11). Diese Behauptung steht aber der erwähnten beträchtlichen Hilfeleistung durch die Familie ihres Ehemannes diametral entgegen und wäre wohl kaum davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ihre Kinder freiwillig bei einer Familie, vor der sie eigentlich Angst habe, zurücklassen würde. Es lässt sich im Übrigen auch nicht gänzlich erschließen, weshalb diese Familie der Beschwerdeführerin für einen derart hohen Geldbetrag, der erst unter Einspannung der Verwandtschaft eingesammelt werden habe können und der zudem mangels Kontaktmöglichkeiten nicht wieder einbringbar wäre, die Schleppung bis nach Österreich finanzieren würde, anstatt sie für wesentlich geringere Kosten an einem näher gelegenen Ort, etwa in Äthiopien, in Sicherheit zu bringen.

Vor diesem Hintergrund konnte das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin, das auch sonst eher vage ausfiel und durch stetiges Nachfragen erschlossen werden musste, nicht als glaubhaft betrachtet werden. Ob es sich bei der Vergewaltigung der Beschwerdeführerin im Jahr 2012 um einen wahren Sachverhalt handelt, konnte dabei dahingestellt bleiben, da diese nicht ausreisekausal war und die Beschwerdeführerin selbst angab, dass sie sich diesbezüglich an die örtliche Polizei wenden konnte. Dass die Beschwerdeführerin deswegen verstoßen worden wäre, hat sie nicht vorgebracht. Im Übrigen war ihr Vorbringen aber im Einzelnen widersprüchlich, unplausibel und oberflächlich, sodass nicht davon auszugehen war, dass sie in Somalia zwangsverheiratet hätte werden sollen bzw. wegen eine Mischehe bedroht wurde. Auf Basis des integralen Zusammenhangs mit diesem unglaubhaften Vorbringen war zudem festzustellen, dass die Beschwerdeführerin auch nicht verheiratet ist und keine Kinder hat, sondern vielmehr bis zu ihrer Ausreise bei ihrer Familie lebte, zu der Kontakt besteht.

Andere Fluchtgründe wurden von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht und sind auch vor dem Hintergrund der Länderberichte nicht hervorgekommen.

Vor dem Hintergrund der festgestellten und bereits gewürdigten persönlichen und familiären Verhältnisse der Beschwerdeführerin und der Unglaubwürdigkeit der Fluchtgründe ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Beschwerdeführerin nicht wieder in die durch internationale Flugverbindungen erreichbare Stadt Hargeysa zurückkehren könnte. Die Beschwerdeführerin könnte im Falle einer Rückkehr wieder im Elternhaus leben und würde somit über eine Unterkunft verfügen. Die Erwerbstätigkeit der Mutter der Beschwerdeführerin konnte schon vor ihrer Ausreise den Unterhalt der Familie sichern und ist zudem kein Grund ersichtlich, weshalb die junge, gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführerin, die über eine gewisse Bildung verfügt, nicht ebenso am Erwerbsleben teilnehmen könnte und so – etwa als Kleinhändlerin – zu ihrem Unterhalt bzw. dem ihrer Familie beitragen könnte. Anhand der Länderberichte ist zwar (auch) in Hargeysa die Versorgungslage angespannt (IPC-Phase 2), ein besonderes individuelles Risiko für die Beschwerdeführerin war jedoch angesichts ihrer familiären Anknüpfungspunkte und ihrer Stellung als Teil eines Mehrheitsclans nicht zu erblicken, zumal sie in der Einvernahme durch das Bundesamt in dieser Hinsicht selbst angab, dass das Leben bei ihrer Familie „normal“ gewesen sei (AS 79). Auch geht aus den Länderberichten hervor, dass die somaliländische Regierung durch die aufgebauten zivilen Strukturen und die wesentlich bessere Sicherheitslage besser auf Versorgungsengpässe reagieren kann, sodass sich insoweit die Situation von jener in Süd- und Zentralsomalia unterscheidet.

Dass im Falle einer Abschiebung in den Herkunftsstaat die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre, ist – zumal aufgrund des unglaubhaften Fluchtvorbringens – anhand der Länderberichte nicht objektivierbar.

Sonstige außergewöhnliche Gründe, die einer Rückkehr entgegenstehen, hat die Beschwerdeführerin nicht angegeben und sind auch vor dem Hintergrund der zitierten Länderberichte nicht hervorgekommen.

Dies gilt auch in Betrachtung einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten, allfälligen schwierigeren wirtschaftlichen Gesamtlage, da damit nicht derartige Einschränkungen einhergehen, dass einer Person in der Ausgangslage der Beschwerdeführerin jegliche Existenzgrundlage entzogen wäre. In medizinischer Hinsicht fällt die Beschwerdeführerin notorisch weder aufgrund ihres Alters noch ihres Gesundheitszustandes in die Risikogruppe, wodurch auch insoweit keine Gefährdung besteht.

Die Feststellungen zu den Lebensumständen der Beschwerdeführerin in Österreich folgen zur Gänze ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie einem Auszug aus dem Grundversorgungssystem.

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation in Somalia:

Die Feststellungen zur Situation in Somalia beruhen auf den angeführten Quellen. Bei den Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender Institutionen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Somalia ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Darstellung zu zweifeln, zumal ihnen nicht substantiiert entgegengetreten wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zum Spruchteil A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling i.S.d. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (i.d.F. des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann („innerstaatliche Fluchtalternative“). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer „inländischen Flucht- oder Schutzalternative“ (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal wirtschaftliche Benachteiligungen auch dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht „zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht“ (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law, 2. Auflage [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert wird. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat „nicht gewillt oder nicht in der Lage“ sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191).

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich nicht, dass der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht, zumal die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen – wie unter Punkt II.2.1. dargestellt – nicht glaubwürdig waren.

Auch aus der allgemeinen Lage in Somalia lässt sich für die Beschwerdeführerin eine Zuerkennung des Status der Asylberechtigten nicht herleiten. Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH 14.03.1995, 94/20/0798; 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzuges der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen wäre.

Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status der Asylberechtigten durch das Bundesamt im Ergebnis nicht zu beanstanden.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 AsylG 2005 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 leg.cit. zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.). Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Abs. 3 leg. cit. abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den „Herkunftsstaat“ des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).

Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürger-kriegspartei anzugehören - der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000; VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367; 25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 21.6.2001, 99/20/0460; 16.4.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun z.T. durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427).

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des „real risk“, wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).

Wie die Beweiswürdigung ergeben hat, ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich einer sie selbst betreffenden Verfolgungsgefahr zur Gänze unglaubwürdig, weshalb auf Grund des konkreten Vorbringens der Beschwerdeführerin auch keinerlei Bedrohung im Sinne des § 8 AsylG 2005 erkannt werden kann.

Aus der allgemeinen Situation allein ergeben sich aber auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Somalia – bzw. konkret nach Hargeysa – im Sinne des § 8 AsylG 2005 bedroht wäre. Die Beschwerdeführerin könnte in den elterlichen Haushalt zurückkehren und würde somit über eine Unterkunft verfügen. Ihre Mutter konnte schon vor ihrer Ausreise für den Unterhalt der Familie aufkommen und spricht nichts dagegen, dass die junge, gesunde, arbeitsfähige Beschwerdeführerin, die über eine gewisse Bildung verfügt, nicht ebenso durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu ihrem Unterhalt bzw. jenem ihrer Familie beitragen könnte. Die Beschwerdeführerin gehört zudem einem Mehrheitsclan an, sodass ihr allenfalls auch durch die Clanstrukturen Unterstützung zuteilwerden könnte. Die allgemeine Versorgungslage in Hargeysa gestaltet sich als hinreichend stabil und war aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführerin auch kein besonderes individuelles Risiko zu erblicken. Auf Basis der besseren Gesamtlage in Somaliland, insbesondere auch funktionierenden zivilen Behörden, besteht auch in weiterer prognostischer Sicht kein hinreichender Grund zur Annahme, dass die einem Mehrheitsclan angehörende Beschwerdeführerin gerade in der Hauptstadt von Somaliland aufgrund generell schwankender Versorgungssicherheit in eine lebensbedrohliche Notlage geraten könnte. Schwierige Lebensumstände genügen für eine Schutzgewährung im Sinne des § 8 AsylG 2005 nicht.

Auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie ergibt sich hierzu keine andere Beurteilung. Dass die Beschwerdeführerin aktuell an einer COVID-19-Infektion leiden würde, wurde nicht vorgebracht. Die Beschwerdeführerin gehört weder aufgrund ihres Alters noch durch das Vorliegen besonderer Immunschwäche-Erkrankungen oder sonstiger lebensbedrohlicher Erkrankungen einer Risikogruppe an. Es wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht vorgebracht, dass sie wegen der derzeitigen COVID-19-Pandemie besonders gefährdet oder einer Risikogruppe zugehörig wäre. Es bestand zudem in Österreich für sie die Möglichkeit einer Schutzimpfung.

Da sohin keine Gründe für die Annahme bestehen, dass die Beschwerdeführerin im Heimatland im Sinne des § 8 AsylG 2005 bedroht wäre, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

3.3. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

Die Beschwerdeführerin befindet sich seit Mai 2020 im Bundesgebiet und ihr Aufenthalt ist nicht geduldet. Sie ist nicht Zeugin oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die Beschwerdeführerin ist als Staatsangehörige von Somalia keine begünstigte Drittstaatsangehörige und es kommt ihr kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

Die Beschwerdeführerin hat keine Familienangehörigen in Österreich. Die Rückkehrentscheidung bildet somit keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführerin auf Schutz des Familienlebens.

Unter dem Privatleben sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.6.2005, Fall Sisojeva ua, Appl 60.654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

In der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend zu werten, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (zuletzt etwa VwGH 17.11.2020, Ra 2020/10/0139).

Freundschaftliche Beziehungen des Fremden zu österreichischen Staatsangehörigen und zu in Österreich lebenden Landsleuten bewirken keine ins Gewicht fallende Verstärkung seiner persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet (VwGH 15.11.2005, 2003/18/0263).

Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Fremder in Österreich über ein schützenswertes Privatleben verfügt, spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht bei einem dreieinhalbjährigen Aufenthalt im Allgemeinen von einer eher kürzeren Aufenthaltsdauer aus (vgl. Chvosta, ÖJZ 2007/74 unter Hinweis auf VwGH 08.03.2005, 2004/18/0354; 27.03.2007, 2005/21/0378). Im Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/10/0479, argumentierte er, „dass der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [..] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031).

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

Die Beschwerdeführerin ist seit weniger als zwei Jahren in Österreich aufhältig, sodass ihrer Aufenthaltsdauer noch keine maßgeblich zu ihren Gunsten mitabzuwägende Bedeutung zukommt. Sie hat bislang keine Deutschprüfung erfolgreich absolviert und verfügt über keine relevanten Deutschkenntnisse. Abgesehen von den Teilnehmern ihres Deutschkurses machte sie keine sozialen Anknüpfungspunkte geltend. Sie ist nicht Mitglied in einem Verein und geht auch keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Sie geht keiner Erwerbstätigkeit nach und lebt von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Die Beschwerdeführerin ist somit weder in sprachlicher noch sozialer noch beruflicher Hinsicht integriert.

Demgegenüber hat die Beschwerdeführerin ihr gesamtes bisheriges Leben in ihrem Herkunftsstaat verbracht, wo sie geboren wurde, aufgewachsen ist und sozialisiert wurde. Sie verfügt dort über familiäre Anknüpfungspunkte und ist – vor dem Hintergrund ihres unglaubhaften Fluchtvorbringens – kein Grund für die Annahme hervorgekommen, dass sie im Falle einer Rückkehr nicht wieder in ihrem Elternhaus unterkommen könnte, wo schon vor ihrer Ausreise für ihre Existenz gesorgt war. Es ist der jungen, gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführerin, die zumindest über eine geringe Schulbildung verfügt, auch möglich und zumutbar, durch eigene Erwerbstätigkeit – beispielsweise als Kleinhändlerin – zu ihrem Unterhalt bzw. dem ihrer Familie beizutragen. Letztlich ist sie mit den somalischen Sitten und Gebräuchen vertraut und spricht mit Somali die Landessprache, weshalb auch von daher nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie bei ihrer Wiedereingliederung mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen hätte.

Es kann in Gesamtschau ihrer Situation nicht davon die Rede sein, dass die Beschwerdeführerin aus ihrem Herkunftsstaat entwurzelt wäre und im Bundesgebiet neue Wurzeln geschlagen hätte, sodass ihr eine Rückkehr unzumutbar wäre und die erlassene Rückkehrentscheidung eine unzulässige Verletzung ihres Privatlebens im Sinne des Art. 8 EMRK darstellen würde.

Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, Zl. 2002/18/0112).

Im Gesamtbetrachtung ist daher unzweifelhaft davon auszugehen, dass die Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet kaum Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art 8 EMRK dar.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführerin in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

Auch eine Empfehlung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte liegt für Somalia nicht vor, weshalb die Abschiebung der Beschwerdeführerin in diesen Staat zulässig ist.

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

Es war daher die Beschwerde auch gegen die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt, sondern ausschließlich tatsachenlastig ist. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar.

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