AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §13 Abs4
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
StGB §105 Abs1
StGB §125
StGB §126 Abs1
StGB §223 Abs2
StGB §83 Abs1
StGB §84
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:W280.2119717.3.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX .1993, StA. Ukraine, vertreten durch RA Mag. Eva VELIBEYOGLU, Columbusgasse 65/22, 1100 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2021, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass sich in Spruchpunkt VII. die Aberkenung der aufschiebenden Wirkung auf § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012 (BFA-VG) stützt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) reiste am XXXX .08.2014 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA oder belangte Behörde) vom XXXX .02.2015 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung sowohl des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Das Bundesamt erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG sprach es aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom XXXX .05.2016 als unbegründet ab. Eine dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof (VwGH) am XXXX .09.2016 als unzulässig zurückgewiesen.
Am XXXX .01.2017 stellte der BF einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom XXXX .10.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abwies; unter einem erkannte es dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte diesem eine bis zum XXXX .10.2018 befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX .12.2018 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt, die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 erteilt.
Aufgrund eines Strafantrages, einer Anzeige sowie der Verständigung der Verhängung der Untersuchungshaft über den BF ab XXXX .07.2019 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein fremdenpolizeiliches Verfahren gegen diesen ein.
Im Rahmen dessen setzte es ihn mit Schreiben vom XXXX .07.2019 über die beabsichtigte Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots in Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme, insbesondere in Hinblick auf das gegen ihn geführte Strafverfahren, ein.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .08.2019 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, hiervon 12 Monate bedingt nachgesehen auf eine Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.
Nachdem in weiterer Folge keine Stellungnahme beim Bundesamt einlangte, erließ es mmit Bescheid vom XXXX .08.2019 gegen den BF gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung in die Ukraine fest (Spruchpunkt II.), erließ gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.), gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.).
Gegen diesen Bescheid erhob der BF über seinen Rechtsanwalt am XXXX .09.2019 vollinhaltlich Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass die Rückkehrentscheidung sowie das Einreiseverbot seinem Recht auf Achtung des privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK widerspräche. Dies unter Hinweis auf seine Aufenthaltsdauer, sein Alter zum Zeitpunkt der Einreise ins Bundesgebiet, sein soziales Umfeld. Sein Wohlverhalten bis zur einmaligen strafgerichtlichen Verurteilung und seinen psychischen Zustand. Darüber hinaus sei er wegen seiner Mitgliedschaft bei einer Organisation zur Korruptionsbekämpfung in der Ukraine an „Leib und Leben“ massiv gefährdet.
Am XXXX .11.2019, sohin zwei Tage vor dem festgelegten und dem BF bekanntgegebenen Abschiebetermin, stellte der BF sodann einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz und führte in der Erstbefragung zu seinen Fluchtgründen aus, dass er früher bei einem Antikorruptionskomitee gearbeitet habe und dem er noch immer angehöre. Wenn er in seine Heimat zurückgebracht werde, so bestehe für ihn Lebensgefahr, da jene Personen, die er während seiner Tätigkeit in diesem Komitee verfolgt hätte, nunmehr ihn verfolgen würden. Die Personen könnten ihn zu einem Krüppel machen oder umbringen. Bei diesen Personen handle es sich um solche, die er ins Gefängnis gebracht habe. Hochrangige Polizeibeamte und Menschen, die mit Korruption und Drogenhandel zu tun hätten und sohin eine massive Gefahr für sein Leben darstellen würden.
Außerdem habe er von seinem Arbeitgeber eine Arbeitsbestätigung die vom XXXX .10.2019 datiere. In dieser Bestätigung stünde, dass die ukrainischen Behörden den Staat Österreich ersucht hätten dem BF zu helfen und dass wegen dessen professionellen Tätigkeiten eine reelle Lebensgefahr für ihn nach einer Rückkehr in die Ukraine bestehe.
Wegen seiner professionellen Tätigkeit sei es ihm bisher nicht möglich gewesen darüber zu sprechen. Vor kurzem habe er jedoch seinen Arbeitgeber kontaktiert, diesem alles erzählt und habe ihm dieser folglich erlaubt darüber zu reden und habe ihm mehrere Beweise geschickt.
Mit Mandatsbescheid vom XXXX .11.2019 wurde seitens des BFA gemäß §12a Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 Zif 2 AsylG nicht vorliegen würden und ihm der faktische Abschiebeschutz nicht zuerkannt und der BF am XXXX .11.2019 in die Ukraine abgeschoben.
Mit Erkenntnis vom XXXX .12.2019, Zl. W237 2119717-2/10E, hob das BVwG den angefochtenen Bescheid vom XXXX .08.2019 betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot auf und führte begründend im Wesentlichen aus, dass im Rahmen eines Rückkehrentscheidungsverfahren keine abschließende Prüfung eines allfälligen Gefährdungsszenarios erfolge. Der BF habe im Verfahren über die Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung geltend gemacht, dass er in der Ukraine mit massiver physischer Gewalt bedroht sei, er deshalb einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe und über diesen bislang noch nicht rechtskräftig abgesprochen worden sei.
Die dagegen erhobene Amtsrevision wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.11.2020, Ra 2020/21/0041-5, zurückgewiesen.
Die belangte Behörde nahm folglich das Verfahren betreffend den am XXXX .11.2019 gestellten Antrag auf internationalen Schutz wiederum auf.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX .01.2020, wurde der BF zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren nachgesehen.
Am XXXX .04.2021 wurde der BF sodann im Rahmen des wiederaufgenommenen Asylverfahrens im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme im Beisein seiner rechtsfreundlichen Vertretung sowie einer Dolmetscherin der ukrainischen Sprache befragt.
Im Zuge der Befragung gab der BF zu den Gründen des Verlassens seines Heimatlandes und den Asylgründen befragt an, dass er erstmals im Jahre 2014 einen Asylantrag gestellt habe. Damals habe er nicht sagen können, dass er wegen seiner Arbeit hier in Österreich sei, sondern habe angegeben, dass er vom Militär geflüchtet sei. Beim zweiten Asylantrag habe er angegeben, wegen seiner Tätigkeit für Antikorruption in Österreich zu sein und habe seine beruflichen Unterlagen vorgelegt. Es sei für ihn gefährlich. Er habe in Österreich eine Firma und sei sein Lebensmittelpunkt in Österreich. Er sei hier integriert und habe viele Freunde in Österreich.
Bei seiner letzten Rückkehr sei er geschlagen worden und sei dies auf seinem Personalausweisfoto ersichtlich. Er habe einen Polizisten ins Gefängnis gebracht der korrupt gewesen sei, woraufhin ihn dessen Leute geschlagen hätten. Dies habe sich drei Tage nach seiner Rückkehr in die Ukraine zugetragen. Er befürchte in der Ukraine von diesen Leuten gefunden zu werden und dass sich der Polizist, für dessen Inhaftierung er verantwortlich sei, sich an ihm rächen werde. Die Inhaftierung habe sich zu einem ihm nicht mehr erinnerlichen Zeitpunkt jedoch vor 2014 zugetragen. Die Ukraine sei kein sicherer Herkunftsstaat und nicht willens Schutz zu gewähren.
Eine Unterkunftnahme in einem anderen Landesteil wäre vermutlich möglich gewesen, sofern er seine Identität getauscht hätte. Mit seiner richtigen Identität würden ihn diese Leute jedoch überall finden.
Er sei in seinem Herkunftsstaat weder vorbestraft, noch werde er von ukrainischen Behörden gesucht oder habe von staatlicher Seite wegen seiner politischen Gesinnung oder seiner Religion Verfolgung zu gewärtigen.
Zu seinen finanziellen Mitteln befragt, gab der BF an, dass er in Österreich auf einer Baustelle arbeite und auch eine Reinigungs- und Hausbetreuungsfirma betreibe. Er habe in Österreich einen A 2 Deutschkurs und einen Kurs beim BIFI sowie auf der Universität Salzburg einen Universitätslehrgang für zwei Semester besucht. Er engagiere sich beim Roten Kreuz und bei der Nachbarschaftshilfe, habe viele Freunde und Bekannte im Bundesgebiet. Eine Einsichtnahme in die Länderfeststellungen des BFA zur Ukraine lehnte der BF ab.
Von der dem BF eingeräumten Frist zu einer schriftlichen Stellungnahme machte dieser durch seine Rechtsvertretung am XXXX .05.2021 Gebrauch. In dieser führt der BF zu seinen Gründen betreffend das Verlassen seines Heimatstaates aus, dass sich sein Lebensmittelpunkt in Österreich befinde, weshalb ihn eine Rückkehr in sein Heimatland unbillig hart treffen würde. Des Weiteren drohe auch die Gefahr einer staatlichen Verfolgung. Es bestünde eine begründete Furcht vor Verfolgung, weil der BF im Rahmen seiner Tätigkeit als Korruptionsbekämpfer ein Exekutivorgan, nämlich einen korrupten Polizisten, verhaften habe lassen, weshalb er auch auf brutale Art und Weise von korrupten Polizisten verprügelt worden sei. Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat drohe dem BF ein ernsthafter Schaden, da er aufgrund seines Engagements gegen Korruption der akuten Gefahr der Verfolgung ausgesetzt sei. Insbesondere Angehörige der Polizei hätten den BF bereits bei seiner vorherigen Rückkehr auf brutale Art und Weise misshandelt. In dessen Heimat würden die Menschenrechte und die menschlichen Werte nicht respektiert und geachtet. Der BF habe eine uneingeschränkt bejahende Einstellung zur Republik Österreich, habe kein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung und stelle keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Er identifiziere sich voll und ganz mit den Grundwerten der Republik Österreich, ihrer Rechtsordnung und ihrer Gesellschaft.
Die belangte Behörde erließ sodann am XXXX .2021 den nunmehr angefochtenen Bescheid, mit dem der Antrag des BF auf Zuerkennung von internationalem Schutz vom XXXX .11.2019 hinsichtlich der Zuerkennung sowohl des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine abgewiesen und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 AsylG 2005 nicht erteilt wurde. Das Bundesamt erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1a sprach die belangte Behörde aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den beantragten internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG ab. Des Weiteren wurde festgestellt, dass der BF gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AsylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 14.08.2019 verloren habe.
Die belangte Behörde führte begründend im Wesentlichen an, dass der BF die Ukraine wegen Bedrohungen durch Privatpersonen verlassen habe. Insofern der BF angäbe, dass er drei Tage nach seiner Rückkehr in die Ukraine am XXXX .11.2019, von Leuten eines korrupten Polizisten, der aufgrund der Zusammenarbeit des BF mit der Exekutive bei der Antikorruptionsbekämpfung vor seiner Ausreise aus der Ukraine im Jahr 2014 ins Gefängnis gekommen sei und er sohin nicht in der Ukraine bleiben könne, so sei dies nicht nachvollziehbar. Dies deshalb, als der BF vor seiner Rückkehr am 28.11.2019, zuletzt 2014 in der Ukraine gewesen sei und es nicht schlüssig sei, dass Privatpersonen von dieser Rückkehr Kenntnis erlangt haben sollten.
Auch habe es der BF trotz seiner langjährigen Zusammenarbeit mit der ukrainischen Polizei und Behörden unterlassen sich an staatliche Stellen zu wenden.
Hinsichtlich seiner Rückkehrbefürchtungen habe der BF angeben, dass er Angst habe, dass diese „Leute“ (Bekannte des korrupten Polizisten) ihn erneut finden würden. An ein genaues Datum der Inhaftierung des besagten Polizisten könne sich der BF nicht mehr erinnern, was indiziere, dass dies sich bereits vor seiner Ausreise aus der Ukraine im Jahr 2014 ereignet habe.
Eine nach wie vor bestehende Bedrohung wegen dieses Vorfalles sei nicht nachvollziehbar. Nach den eigenen Angaben des BF sei es diesem möglich in einem anderen Landesteil der Ukraine Unterkunft zu nehmen, wobei damit wohl eine Änderung seiner Identität verbunden sein müsste.
Aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit mit den ukrainischen Behörden und er dortigen Polizei im Antikorruptionsbereich sei davon auszugehen, dass der BF bei seiner Rückkehr Hilfe von staatlichen Stellen erhalte und dieser sohin keiner staatlichen Verfolgung ausgesetzt sei. Andere Gründe für eine Verfolgung seien nicht geltend gemacht worden.
Mit dem am XXXX .07.2021 eingebrachten Schriftsatz wurde gegen den oben angeführten Bescheid der belangten Behörde seitens der gewillkürten Vertreterin des BF fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht. Der angeführte Bescheid wurde darin in seinem gesamten Umfang angefochten und dies mit einer inhaltlich falschen Entscheidung und mangelhafter Verfahrensführung durch die belangte Behörde begründet.
So habe der BF in seiner Einvernahme detailliert dargelegt, dass er im Falle seiner Rückkehr in die Ukraine von einem korrupten Polizisten, den er ins Gefängnis gebracht habe und dadurch dessen Leben zerstört hätte bzw. dessen Handlangern verfolgt und zumindest misshandelt werde.
Obwohl der BF sehr detailliert mit Einzelheiten die Gefährdung seines Lebens durch den Polizisten dargelegt habe, so habe das BFA lapidar festgestellt, dass es das Vorbringen des BF, wonach dieser die Ukraine wegen Bedrohungen von Privatpersonen verlassen habe, nicht für wahr erachte. Bei einem Polizeibeamten handle es sich um keine Privatperson. Das BFA sei der Meinung, dass der BF im Falle seiner Rückkehr Hilfe von staatlicher Seite erhalten würde und es dem BF jederzeit möglich gewesen wäre, die ukrainische Polizei heranzuziehen. Der BF habe jedoch bei seiner Einvernahme angegeben, dass es in der Ukraine keine Chance gäbe.
Das BFA spreche dem BF in seinem Vorbringen ganz allgemein die Glaubwürdigkeit zur Gänze ab und erscheine es der belangten Behörde nicht nachvollziehbar, dass der BF wegen dieses Vorfalls nach wie vor einer Bedrohung ausgesetzt sei. Wenn die belangte Behörde darauf verweise, dass der BF nach eigenen Angaben in einem anderen Landesteil der Ukraine Unterkunft finden könne, so habe der BF dies nie gesagt. Vielmehr sei er diese gefragt worden, ob der BF versucht habe in der Ukraine in einem anderen Landesteil Unterkunft zu nehmen. Dieser habe sodann geantwortet, dass dies nur gegangen wäre, wenn er seine Identität getauscht hätte.
Auch sei seitens der belangten Behörde nicht gewürdigt worden, dass der BF angegeben habe bei der Nachbarschaftshilfe tätig zu sein, die Behörde jedoch davon ausgehe, dass dieser kein Mitglied bei einem Verein oder einer Organisation sei. Ebenso sei die Behörde davon ausgegangen, dass der BF in Österreich keiner Beschäftigung nachgehe, obwohl dieser angegeben habe auf einer Baustelle zu arbeiten.
Die belangte Behörde habe es auch unterlassen von Amts wegen die Voraussetzungen wegen § 55 AsylG zu prüfen. Eine Prüfung der Voraussetzungen nach § 57 AsylG reiche keinesfalls aus. Da es sich nicht um eine reine Rechtsfrage handle, sondern um die richtige Beweiswürdigung und die Abwägung aller berührten Interessen sei eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unumgänglich.
Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht den den BF betreffenden Verwaltungsakt samt gegenständlicher Beschwerde am XXXX .07.2021, einlangend am XXXX .07.2021, vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF wurde am XXXX .1993 geboren, ist Ukrainischer Staatsangehöriger und der ukrainischen Volksgruppe zugehörig. Er gehört dem christlich-orthodoxen Glauben an. Seine Identität steht fest.
Festgestellt wird, dass der BF im August 2014 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet einreiste und sich seit diesem Zeitpunkt bis zu seiner Abschiebung am XXXX .11.2019 im Bundesgebiet aufgehalten hat.
Der BF stellte am XXXX .08.2014 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz der, nach Erhebung des Rechtsmittels der Beschwerde vom BVwG am XXXX .05.2016 abgewiesen wurde. Der VwGH hat folglich eine dagegen erhobene außerordentliche Revision mit Beschluss vom 14.09.2016, Ra 2016/18/0107-7, als unzulässig zurückgewiesen.
Ein vom BF am XXXX .01.2017 gestellter Folgeantrag wurde mit Bescheid des BFA vom XXXX .10.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen, diesem jedoch der Staus eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis XXXX .10.2018 erteilt.
Mit Bescheid des BFA vom XXXX .12.2018 wurde dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten aberkannt, diesem die befristet erteilte Aufenthaltsberechtigung entzogen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erklärt und dem BF eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 erteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .2019, XXXX , wurde der BF wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt gemäß §§ 15, 269 Abs. 1 StGB, wegen versuchter schwerer Körperverletzung gemäß §§ 15, 83 Abs. 1 84 Abs. 2 und 4 StGB und wegen schwerer Sachbeschädigung gemäß §§ 125, 126 Abs. 1 Zif 5 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, hiervon 12 Monate bedingt nachgesehen auf eine Probezeit von 3 Jahren, verurteilt.
Aufgrund der Delinquenz des BF wurde gegen diesen vom BFA mit Bescheid vom XXXX .08.2019 Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung in die Ukraine festgestellt und ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot ausgesprochen, keine Frist für eine freiwillige Ausreise zuerkannt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Am XXXX .11.2019, sohin zwei Tage vor dem festgelegten und dem BF bekanntgegebenen Abschiebetermin, stellte der BF den gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Mandatsbescheid vom XXXX .11.2019 stellte das BFA fest, dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 Zif 2 AsylG nicht vorliegen würden und erkannte diesem den faktischen Abschiebeschutz ab.
Am XXXX .11.2019 wurde der BF in die Ukraine abgeschoben.
Der Bescheid des BFA vom XXXX .08.2019 wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 13.12.2019, Zl. W237 2119717-2/10E, ersatzlos behoben.
Nach der ersatzlosen Behebung der Rechtsgrundlage für die Abschiebung des BF in die Ukraine durch das Erkenntnis des BVwG vom 13.12.2019 reiste der BF vermutlich am XXXX .12.2019 wiederum nach Österreich ein und ist seither wiederum im Bundegebiet aufhältig.
Das Verfahren betreffend den dritten Asylantrag wurde von der belangten Behörde nach Erhebung der Amtsrevision gegen das Erkenntnis des BVwG vom XXXX .12.2019 und die Zurückweisung durch den VwGH wiederum aufgenommen.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX .2020, XXXX rechtskräftig mit XXXX .01.2020, wurde der BF wegen des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach den §§ 15 Abs. 1, 83 Ans. 1 StGB, wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren nachgesehen.
Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der BF am XXXX .10.2018 eine männliche Person vorsätzlich durch das Versetzen von Faustschlägen gegen den Oberkörper sowie das Treten gegen die Beine am Körper verletzt hat, wobei es beim Versuch gebelieben ist, dieser am XXXX .02.2019 bei einer Verkehrskontrolle gegenüber den Polizeibeamten einen total gefälschten ukrainischen Führerschein, sohin eine falschen Urkunde, vorgelegt hat und am XXXX .12.2018 eine weitere männliche Person vorsätzlich durch das Versetzen von mehreren Faustschlägen am Körper verletzt hat, wodurch diese einen Bruch des Nasenbeins ohne Dislokation der Bruchenden und eine blutende Wunde am rechten Ohr erlitt.
Mit Rücksicht auf das Urteil zu XXXX des Landesgerichtes XXXX vom XXXX .2019 wurde bei den Strafzumessungsgründen mildern die reumütige, geständige Verantwortung sowie dass es bei den Taten teilweise beim Versuch geblieben war, erschwerend das Aufeinandertreffen dreier Vergehen sowie die Tatbegehung während der Probezeit gewertet.
Der BF besitzt einen am XXXX .12.2019 ausgestellten und bis 10.Dezember 2029 gültigen ukrainischen Reisepass, ist der Volksgruppe der Ukrainer zugehörig und christlich-orthodoxen Glaubens.
Er hat neben seiner ukrainischen Muttersprache Kenntnisse der Russischen, der Moldawische, Deutschen und Rumänischen Sprache.
Anlässlich seines letzten Aufenthaltes in der Ukraine hielt sich dieser an der Adresse XXXX in der ukrainischen Stadt XXXX auf.
Die Kernfamilie des BF, sohin dessen ca. 55jähriger Vater und seine zwei Schwestern im Alter von ca. 25 und 15 Jahren, sind ebenfalls in der ukrainischen Stadt XXXX wohnhaft. Seine ca. 47 Jahre alte Mutter arbeitet in XXXX . Die anderen Mitglieder der Kernfamilie sind ohne Beschäftigung, die jüngere Schwester besucht noch die Schule. Die Familie besitzt mehrere Häuser in der Ukraine.
Der BF selbst ist nicht verheiratet, hat ein gutes Verhältnis und Kontakt zu seinen Angehörigen in seinem Herkunftsstaat und verfügt über einen Freundes- und Bekanntenkreis in seinem Herkunftsstaat, zu welchem dieser ebenfalls Kontakt hat.
Im Bundesgebiet ist eine Tante des BF aufhältig, zu der jedoch kein Kontakt besteht.
Nach der 11-jährigem Schulbesuch absolvierte der BF 3 Jahre ein College und studierte Architektur ohne dieses Studium abzuschließen. Darüber hinaus absolvierte der BF einen Lehrgang betreffen Antikorruptionsmaßnahmen.
Festgestellt wird, dass der BF in XXXX und in XXXX mit den ukrainischen Behörden und der Exekutive im Bereich Antikorruption zusammengearbeitet hat.
Der BF ist in seinem Herkunftsstaat weder vorbestraft, noch wird er von ukrainischen Behörden gesucht oder habe von staatlicher Seite wegen seiner politischen Gesinnung oder seiner Religion Verfolgung zu gewärtigen.
In Österreich ist weist der BF seit November 2017 bis dato neun verschiedene Beschäftigungsverhältnisse auf. Seit XXXX .05.2019 hat der BF im Bundesgebiet ein freies Gewerbe (Hausbetreuung, bestehend in der Durchführung einfacher Reinigungstätigkeiten einschließlich objektbezogener einfacher Wartungstätigkeiten) angemeldet.
Der BF verfügt auch in Österreich über einen entsprechenden Freundeskreis, engagierte sich beim Roten Kreuz und betätigt sich in der Nachbarschaftshilfe.
Hinsichtlich seines Vorbringens, wonach er in Verfolg zu seiner Abschiebung in die Ukraine von einem korrupten Polizisten nahestehenden Leuten misshandelt worden sei, wird festgestellt, dass der BF sich nicht an staatliche Stellen betreffend die Erlangung von Hilfe gewendet hat.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in die Ukraine aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des BF in der Ukraine festgestellt werden.
Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der BF im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre.
In diesem Zusammenhang wird insbesondere auch hervorgehoben, dass der BF unter keinen schwerwiegenden Krankheiten leidet und arbeitsfähig ist.
Zur Lage im Herkunftsstaat:
Politische Lage
Letzte Änderung: 09.07.2020
Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist seit 20. Mai 2019 Präsident Wolodymyr Selenskyj (AA 6.3.2020). Beobachtern zufolge verlief die Präsidentschaftswahl am 21. April 2019 im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019).
Auf der russisch besetzten Halbinsel Krim und in den von Separatisten kontrollierten Gebieten im
Donbas fanden keine Wahlen statt (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
2019 war ein Superwahljahr in der Ukraine. Am 31. März fanden die Präsidentschaftswahlen statt; Parlamentswahlen waren ursprünglich für den 27. Oktober 2019 angesetzt. Nach der Inauguration des Präsidenten Selenskyj wurde das Parlamaent aufgelöst. Die vorgezogenen Parlamentswahlen fanden am 21. Juli 2019 statt (GIZ 3.2020a). Selenskyjs Partei „Sluha Narodu“ (Diener des Volkes) gewann 254 von 450 Sitzen. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 50% geringer als vor fünf Jahren. Die OSZE sprach trotz des klaren Ergebnisses von einer fairen Konkurrenz. Zwar bemängelte sie fehlende Transparenz bei der Finanzierung des Wahlkampfs, insgesamt registrierten die Wahlbeobachter bei der Abstimmung allerdings keine gröberen Verstöße (FH 4.3.2020; vgl. BAMF 22.7.2019, DS 22.7.2019). Es wurden sechs Fraktionen gebildet:
„Diener des Volkes“ mit 254 Sitzen, die Oppositionsplattform „Für das Leben“ mit 44 Sitzen, Europäische Solidarität (Ex-Block Poroschenko) mit 27 Sitzen, Batkivshchyna (Julia Timoschenkos Partei) mit 25 Sitzen, Holos (Stimme) mit 17 Sitzen und schließlich die aus unabhängigen Abgeordneten
bestehende Fraktion „Für die Zukunft“ mit 23 Sitzen (KP 29.8.2019). Auf der Krim und in den von Separatisten kontrollierten Teilen des Donbas konnten die Wahlen nicht stattfinden; folglich wurden nur 424 der 450 Sitze im Parlament besetzt. Darüber hinaus sind rund eine Million ukrainische Bürger nicht wahlberechtigt, weil sie keine registrierte Adresse haben (FH 4.3.2020).
Die nach der „Revolution der Würde“auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 und der Flucht von Wiktor Janukowytsch von Präsident Poroschenko verfolgte europafreundliche Reformpolitik wird durch Präsident Selenskyj verstärkt fortgesetzt. Grundlage bildet ein ambitioniertes Programm für fast alle Lebensbereiche. Schwerpunkte liegen u.a. auf Korruptionsbekämpfung, Digitalisierung, Bildung und Stimulierung des Wirtschaftswachstums. Selenskyj kann sich dabei auf eine absolute Mehrheit im Parlament stützen. Diese Politik, maßgeblich von der internationalen Gemeinschaft unterstützt, hat über eine Stabilisierung der Verhältnisse im Inneren zu einer Annäherung an europäische Verhältnisse geführt (AA 29.2.2020).
Während des ersten Jahres seiner Amtszeit war Präsident Selenskyj mit einigen Herausforderungen
konfrontiert (RFE/RL 20.4.2020; vgl. Brookings 20.5.2020). Zwar liegt seine Popularität nicht mehr bei den historischen 70% Unterstützung, die er einst genoss; Umfragen zeigen jedoch, dass seine Zustimmungswerte immer noch höher sind als die aller seiner Vorgänger (RFE/RL 25.4.2020). Im März 2020 gestaltete er die Regierung um, nachdem Ministerpräsident Hončaruk seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte (DW 3.3.2020; vgl. Brookings 20.5.2020).
Seit 4. März 2020 ist Denys Schmyhal neuer Ministerpräsident und somit Regierungschef (AA 6.3.2020). Dem neuen Kabinett fehlt jedoch die Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Reformen und Mitglieder der alten Eliten sind in Machtpositionen zurückgekehrt. Ob und wie stark das Kabinett Veränderungen durchsetzen wird, muss sich erst zeigen (Brookings 20.5.2020).
Das ukrainische Parlament (Verkhovna Rada) wurde bisher über ein Mischsystem zur Hälfte nach Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Direktwahlkreisen gewählt. Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Ukrainische Oligarchen üben durch ihre finanzielle Unterstützung für verschiedene politische Parteien einen bedeutenden Einfluss auf die Politik aus (FH 4.3.2020). Im Dezember 2019 wurde vom Parlament ein neues Wahlgesetz beschlossen. Es sieht teils ein Verhältniswahlsystem mit offenen Parteilisten sowohl für Parlaments- als auch für Kommunalwahlen vor (FH 4.3.2020).
Quellen:
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npolitik/laender/ukraine-node/steckbrief/201830 , Zugriff 25.5.2020
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• BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (22.7.2019): Briefing Notes, per E-Mail
• Brookings Institution (20.5.2020): Zelenskiy’s first year: New beginning or false dawn?, https:
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• DS – Der Standard (22.7.2019): Diener des Volkes werden Kiew regieren, https://www.derstandar
d.at/story/2000106566433/diener-des-volkes-werden-kiew-regieren , Zugriff 25.5.2020
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• Jamestown Foundation (24.2.2020): Looming Confrontation in President Zelenskyy’s Entourage Could Lead to Reset of Ukrainian Government, https://jamestown.org/program/looming-confront ation-in-president-zelenskyys-entourage-could-lead-to-reset-of-ukrainian-government/ , Zugriff 25.5.2020
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speaker, https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/ukraines-new-parliament-sworn-in.html?cn-re
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• RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (30.8.2019): Ukraine’s Zelenskiy Inducts Politically Untested Government, https://www.rferl.org/a/ukraine-zelenskiy-new-government-honcharuk/301
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Sweeping Changes. How’s He Doing?, https://www.rferl.org/a/zelenskiys-first-year-he-promisedsweeping - changes-how-s-he-doing-/30576329.html , Zugriff 25.5.2020
• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 -
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Sicherheitslage
Letzte Änderung: 09.07.2020
In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 29.2.2020).
Die Sicherheitslage außerhalb der besetzten Gebiete im Osten des Landes ist im Allgemeinen stabil. Allerdings gab es in den letzten Jahren eine Reihe von öffentlichkeitswirksamen Attentaten und Attentatsversuchen, von denen sich einige gegen politische Persönlichkeiten richteten (FH 4.3.2020). In den von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Gebiete Donezk und Luhansk wurde nach Wiederherstellung der staatlichen Ordnung der Neuaufbau begonnen. Die humanitäre Versorgung der Bevölkerung ist sichergestellt (AA 29.2.2020).
Russland hat im März 2014 die Krim annektiert und unterstützt seit Frühjahr 2014 die selbst erklärten separatistischen „Volksrepubliken“ im Osten der Ukraine. Seit Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen im Osten sind über 13.000 Menschen getötet und rund 30.000 Personen verletzt worden, davon laut OHCHR zwischen 7.000 und 9.000 Zivilisten. 1,5 Mio. Binnenflüchtlinge
sind innerhalb der Ukraine registriert; nach Schätzungen von UNHCR sind weitere 1,55 Mio. Ukrainer in Nachbarländer (Russland, Polen, Belarus) geflohen (AA 29.2.2020). Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt.
Die Sicherheitslage hat sich seither zwar deutlich verbessert, Waffenstillstandsverletzungen an der Kontaktlinie bleiben aber an der Tagesordnung und führen regelmäßig zu zivilen Opfern und Schäden an der dortigen zivilen Infrastruktur. Schäden ergeben sich auch durch Kampfmittelrückstände (v.a. Antipersonenminen). Mit der Präsidentschaft Selenskyjs hat der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland), insbesondere nach dem Pariser Gipfel im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland) am 9. Dezember 2019 wieder an Dynamik gewonnen. Fortschritte beschränken sich indes überwiegend auf humanitäre Aspekte (Gefangenenaustausch). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt die im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehene Autonomie für die gegenwärtig nicht kontrollierten Gebiete, die unter anderem aufgrund der Unmöglichkeit, dort Lokalwahlen nach internationalen Standards abzuhalten, noch nicht in Kraft gesetzt wurde. Gleichwohl hat das ukrainische Parlament zuletzt die Gültigkeit des sogenannten „Sonderstatusgesetzes“ bis Ende 2020 verlängert (AA 29.2.2020).
Ende November 2018 kam es im Konflikt um drei ukrainische Militärschiffe in der Straße von Kertsch erstmals zu einem offenen militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das als Reaktion auf diesen Vorfall für 30 Tage in zehn Regionen verhängte Kriegsrecht endete am 26.12.2018, ohne weitergehende Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung zu entfalten.
(AA 22.2.2019; vgl. FH 4.2.2019). Die Besatzung der involvierten ukrainischen Schiffe wurde im September 2019 freigelassen, ihre Festnahme bleibt indes Gegenstand eines von der Ukraine angestrengten Verfahrens vor dem Internationalen Seegerichtshof (AA 29.2.2020).
Der russische Präsident, Vladimir Putin, beschloss am 24.4.2019 ein Dekret, welches Bewohnern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft im Eilverfahren erleichtert ermöglicht. Demnach soll die Entscheidung der russischen Behörden über einen entsprechenden Antrag nicht länger als drei Monate dauern.
Internationale Reaktionen kritisieren dies als kontraproduktiven bzw. provokativen Schritt. Ukrainische Vertreter sehen darin die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den offiziellen Einsatz der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine.
Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall. Als im August 2008 russische Truppen in Georgien einmarschierten, begründete der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedjew das mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht, „das Leben und die Würde russischer Staatsbürger zu schützen, wo auch immer sie sein mögen“. In den Jahren zuvor hatte Russland massenhaft Pässe an die Bewohner der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien ausgegeben (FAZ 26.4.2019; vgl. SO 24.4.2019).
Frieden in der Ostukraine gehörte zu den zentralen Versprechen von Wolodymyr Selenskyj während seiner Wahlkampagne 2019. In der Tat gelangen ihm einige Durchbrüche innerhalb der ersten zehn Monate seiner Präsidentschaft. Es kam zu einem mehrmaligen Austausch von Gefangenen, zur Entflechtung der Streitkräfte beider Seiten an drei Abschnitten der Kontaktlinie, zu einer relativ erfolgreichen Waffenruhe im August 2019 und zum Normandie-Treffen unter Teilnahme des russischen, französischen und ukrainischen Präsidenten sowie der deutschen Bundeskanzlerin. An der Dynamik des Konfliktes hat sich jedoch wenig verändert. Im Donbas wird weiterhin geschossen und die gegenwärtigen Verluste des ukrainischen Militärs sind mit denen in den Jahren 2018 und 2019 vergleichbar. In den ersten drei Monaten 2020 starben 27 ukrainische Soldaten in den Kampfhandlungen (KAS 4.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2027985/Deutschland___Ausw% C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Ukraine_%28Stand_Januar_2020%29%2C_29.02.2020.pdf , Zugriff 19.5.2020
• FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.4.2019): Ein Signal an Selenskyj, https://www.faz.net/ak
tuell/politik/putin-verteidigt-russische-staatsbuergerschaft-fuer-ukrainer-16157482.html?printPage
dArticle=true#pageIndex_0 , Zugriff 25.5.2020
• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/
dokument/2025958.html , Zugriff 19.5.2020
• KAS – Konrad Adenauer Stiftung (4.2020): Ukrainische Politik im Schatten der Pandemie: Teil 1, https://www.ecoi.net/en/file/local/2028885/Ukrainische+Politik+im+Schatten+der+Pandemie.+T eil+1.pdf , Zugriff 25.5.2020
• SO – Spiegel Online (24.4.2019): Putins Provokation, https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukrai
ne-wladimir-putin-kuendigt-an-russische-paesse-im-besetzten-donbass-auszuteilen-a-1264280.ht
ml , Zugriff 25.5.2020
Ostukraine
Letzte Änderung: 09.07.2020
In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben. Seit Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen sind über 13.000 Menschen getötet und rund 30.000 Personen verletzt worden, davon laut OHCHR zwischen 7.000 und 9.000 Zivilisten. 1,5 Mio. IDPs sind innerhalb der Ukraine registriert; nach Schätzungen von UNHCR sind weitere 1,55 Mio. Ukrainer in Nachbarländer geflohen (AA 29.2.2020).
An der Dynamik des Konfliktes hat sich wenig verändert, obwohl 2019 einige Durchbrüche gelangen, wie der mehrmalige Austausch von Gefangenen, die Entflechtung der Streitkräfte beider Seiten an drei Abschnitten der Kontaktlinie, und eine relativ erfolgreiche Waffenruhe im August 2019 (KAS 4.2020). Auch im April 2020 kam es wieder zu einem Gefangenenaustausch (RFE/RL 16.4.2020).
In den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk kam es besonders 2014/15 zu schwersten Menschenrechtsverletzungen. Obwohl die Separatisten seither die öffentliche Ordnung und eine soziale Grundversorgung im Wesentlichen wiederhergestellt haben, werden zahlreiche Grundrechte (v.a. Meinungs- und Religionsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Eigentumsrechte) weiterhin systematisch missachtet (AA 29.2.2020).
In den selbsternannten Volksrepubliken Donezk (DPR) und Luhansk (LPR) gibt es seit 2014 keine unabhängige Justiz und das Recht auf ein faires Verfahren wird systematisch eingeschränkt. Es werden Inhaftierungen auf unbestimmte Zeit ohne gerichtliche Überprüfung und ohne Anklage oder Gerichtsverfahren berichtet. Bei Verdacht auf Spionage oder Verbindungen zur ukrainischen Regierung werden von Militärgerichten geheime Gerichtsverfahren abgehalten, gegen deren Urteile es nahezu keine Beschwerdemöglichkeit gibt und die Berichten zufolge lediglich dazu dienen, bei der Verfolgung von Personen einen Anschein von Legalität zu wahren.
Willkürliche Verhaftung sind in der DPR und der LPR weit verbreitet. 2018 wurde die Möglichkeit der Präventivhaft für 30 bis 60 Tage geschaffen, wenn eine Person an Verbrechen gegen die Sicherheit von DPR oder LPR beteiligt gewesen sein soll. Die Präventivhaft wird Angehörigen nicht mitgeteilt (incommunicado) und kein Kontakt zu einem Rechtsbeistand und Verwandten zugelassen. Der Zustand der Hafteinrichtungen in den separatistisch kontrollierten Gebieten verschlechtert sich weiter und wird als hart und teils lebensbedrohlich bezeichnet. Berichten zufolge existiert in den Gebieten Donezk und Luhansk in Kellern, Abwasserschächten, Garagen und Industrieunternehmen ein umfangreiches Netz inoffizieller Haftstätten. Es gibt Berichte über schweren Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser, sanitären Einrichtungen und angemessener medizinischer Versorgung. Es gibt Berichte über systematische Übergriffe gegen Gefangene, wie körperliche Misshandlung, Folter, Hunger, sexuelle Gewalt, öffentliche Demütigung, Verweigerung der medizinischen Versorgung und Einzelhaft sowie den umfangreichen Einsatz von Gefangenen als Zwangsarbeiter zur persönlichen Bereicherung der separatistischen Anführer (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 2020).
Im Donbas unterdrücken die Separatisten die Rede- und Pressefreiheit durch Belästigung, Einschüchterung, Entführungen und Übergriffe auf Journalisten und Medien (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 2020, ÖB 2.2019). Die Separatisten verhindern auch die Übertragung ukrainischer und unabhängiger Fernseh- und Radioprogramme in von ihnen kontrollierten Gebieten. In der LPR sollen die Websites von mehr als 50 ukrainischen Nachrichtenagenturen blockiert worden sein.
Journalisten werden in der DNR genau überwacht, müssen die „Behörden“ der Separatisten z.B. über ihre Aktivitäten informieren oder werden von Mitgliedern bewaffneter Gruppen begleitet, wenn sie sich in der Nähe der Kontaktlinie bewegen. Es sind nur Demonstrationen zulässig, welche von den lokalen „Behörden“ unterstützt oder organisiert werden; oft mit erzwungener Teilnahme. In der DNR/LNR können nationale und internationale zivilgesellschaftliche Organisationen nicht frei arbeiten. Es gibt eine steigende Zahl von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die von den Separatisten gegründet wurden (USDOS 11.3.2020).
Es gibt es eine massive Zerstörung von zivilem Eigentum und Infrastruktur in den Konfliktgebieten. Auch Schulen und medizinische Einrichtungen waren und bleiben weiterhin betroffen. Zuweilen ist vielerorts die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen oder nur zeitweise gesichert, ohne die im Winter auch nicht geheizt werden kann. Aufgrund der fehlenden Rechtsstaatlichkeit in den Separatistengebieten sind dort Frauen besonders gefährdet. Es gibt Berichte über Missbrauch, Sexsklaverei und Menschenhandel (ÖB 2.2019). Die meisten LGBTI-Personen sind aus den separatistischen Teilen der Oblaste Donezk und Luhansk geflohen oder verstecken ihre sexuelle Orientierung bzw. Geschlechtsidentität (USDOS 13.3.2019). 2019 soll sich laut Berichten das soziale Stigma und die Intoleranz aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität verschärft haben; v.a. aufgrund der Anwendung von Gesetzen, welche die „Propaganda gleichgeschlechtlicher Beziehungen“ kriminalisieren (USDOS 11.3.2020). Obwohl DNR und LNR in ihren Verfassungen Religionsfreiheit garantieren, sind Anhänger von Glaubensrichtungen, die nicht der russisch-orthodoxen Kirche angehören, Verfolgung ausgesetzt.
Am schlimmsten betroffen sind die Zeugen Jehovas, die 2018 als extremistische Organisation vollständig verboten wurden und deren Eigentum beschlagnahmt wurde (FH 2020). Die separatistischen Kräfte im Gebiet Donezk verboten die humanitäre Hilfe der ukrainischen Regierung und schränken die Hilfe internationaler humanitärer Organisationen ein. Infolgedessen sind Berichten zufolge die Preise für Grundnahrungsmittel für viele Personen, die auf dem von Russland kontrollierten Gebiet verblieben, zu hoch. Menschenrechtsgruppen berichten auch über einen ausgeprägten Mangel an Medikamenten, Kohle und medizinischen Hilfsgütern. Es kommen weiterhin Konvois der russischen „humanitären Hilfe“ an, die nach Ansicht der ukrainischen Regierungsbeamten aber Waffen und Lieferungen für die separatistischen Streitkräfte enthalten (USDOS 11.3.2020). Die laufende Handelsblockade zwischen den besetzten Gebieten in der Ostukraine und dem Rest der Ukraine dämpfte, kombiniert mit Korruption und anhaltenden Kampfhandlungen, die Bemühungen zur Wiederbelebung der lokalen Wirtschaft.
Viele Einwohner sind auf humanitäre Hilfe angewiesen (FH 2020). Durch die Kontaktlinie, welche die Konfliktparteien trennt, wird das Recht auf Bewegungsfreiheit beschnitten und Gemeinden getrennt. Jeden Tag warten bis zu 30.000 Menschen stundenlang unter erschwerten Bedingungen an den fünf Checkpoints auf das Überqueren der Kontaktlinie.
Unzureichend beschilderte Minen entlang der Straßen stellen eine Gefahr für die Wartenden dar (ÖB 2.2019; vgl. PCU 3.2019). Es gibt nur unzureichende sanitäre Einrichtungen, speziell auf separatistischer Seite (HRW 17.1.2019). Die Bewegungsfreiheit nach Russland ist weniger eingeschränkt (FH 2020).
Im Zuge der Kampfhandlungen zwischen der Ukraine und den Separatisten kam es 2014 in jenen Gebieten, in denen nicht die ukrainischen Streitkräfte selbst, sondern Freiwilligenbataillone eingesetzt waren, mitunter zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Diese Bataillone wurden in der Folgezeit sukzessive der Nationalgarde (Innenministerium) unterstellt, nur das Bataillon „Ajdar“ wurde in die Armee eingegliedert. Offiziell wurden Freiwilligenbataillone danach nicht mehr an der Kontaktlinie, sondern ausschließlich zur Sicherung rückwärtiger Gebiete eingesetzt. Die nicht immer klare hierarchische Einbindung dieser Einheiten hatte zur Folge, dass es auch in den von ihnen kontrollierten Gebieten zu Menschenrechtsverletzungen kam, namentlich zu Freiheitsberaubung, Erpressung, Diebstahl und Raub, evtl. auch zu extralegalen Tötungen.
Diese Menschenrechtsverletzungen sind Gegenstand von teilweise schleppend verlaufenden Strafverfahren. Infolge des Übergangs von der ATO (Anti-Terror-Operation in der Ostukraine, geführt vom SBU, Anm.) zu der nunmehr von der Armee koordinierten OVK (Operation der Vereinigten Kräfte) mit April 2018, wurden verbliebene Freiwilligenverbände endgültig in die regulären Streitkräfte eingegliedert oder haben die OVK-Zone verlassen (AA 29.2.2020).
Es gibt Berichte über Entführungen auf beiden Seiten der Kontaktlinie. Am häufigsten wurden Zivilisten von den von Russland geführten Streitkräften an Ein-/Ausreisekontrollpunkten entlang der Kontaktlinie festgenommen. Beide Konfliktparteien setzen Landminen ohne Umzäunung, Beschilderung oder andere Maßnahmen ein, wodurch Opfer unter der Zivilbevölkerung verhindert werden könnten. Besonders akut sind die Risiken für Personen, die in Städten und Siedlungen in der Nähe der Kontaktlinie leben, sowie für Personen, welche die Kontaktlinie täglich überqueren müssen (USDOS 11.3.2020). Von Jänner bis November 2019 dokumentierte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte 162 konfliktbezogene zivile Unfallopfer; davon kamen 26 zu Tode, 136 wurden verletzt. Dabei wurden 101 der Unfälle durch Handfeuerwaffen und 58 durch Minen und Sprengstoffe verursacht. Insgesamt war im Jahr 2019 gegenüber 2018 ein Rückgang konfliktbedingter Unfälle um fast 40% zu verzeichnen (AA 29.2.2020). Zu den fünf Gruppen, die am stärksten vom Konflikt betroffen sind, gehören ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, IDPs, Kinder und Familien von Alleinerzieherinnen (UN 1.2020).
Im Juni 2019 begann die Russische Föderation damit, in einem erleichterten Verfahren russische Pässe für ukrainische Staatsbürger, die in den besetzten Gebieten leben, auszustellen (FH 2020). Acht Monate nach der Vereinfachung des Verfahrens zum Erwerb eines russischen Passes für die Donbas-Bewohner gab Russland bekannt, dass es bereits über 196.000 Ukrainern die Staatsbürgerschaft verliehen hatte (TMT 3.1.2020).
Quellen:
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• HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Ukraine, https://www.ecoi.net/de/
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• KAS – Konrad Adenauer Stiftung (4.2020): Ukrainische Politik im Schatten der Pandemie: Teil 1,
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Another Prisoner Swap, https://www.rferl.org/a/ukraine-russia-backed-separatists-begin-new-roun
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Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html , Zugriff 26.5.2020
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 09.07.2020
Die ukrainische Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, die Gerichte sind aber trotz Reformmaßnahmen der Regierung weiterhin ineffizient und anfällig für politischen Druck und Korruption. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz ist gering. Trotz der Bemühungen um eine Reform der Justiz und der Generalstaatsanwaltschaft ist Korruption bei Richtern und Staatsanwälten weiterhin ein Problem. Zivilgesellschaftliche Gruppen bemängeln weiterhin die schwache Gewaltenteilung zwischen der Exekutive und der Judikative. Einige Richter behaupten Druckausübung durch hochrangige Politiker. Einige Richter und Staatsanwälte erhielten Berichten zufolge Bestechungsgelder. Andere Faktoren, welche das Recht auf ein faires Verfahren behindern, sind langwierige Gerichtsverfahren, insbesondere bei Verwaltungsgerichten, unterfinanzierte Gerichte und mangelnde Möglichkeiten Urteile durchzusetzen (USDOS 11.3.2020).
Die ukrainische Justizreform trat im September 2016 in Kraft, der langjährige Prozess der Implementierung der Reform dauert weiter an.
Bereits 2014 startete ein umfangreicher Erneuerungsprozess mit der Annahme eines Lustrationsgesetzes, das u.a. die Entlassung aller Gerichtspräsidenten sowie die Erneuerung der Selbstverwaltungsorgane der Richterschaft vorsah. Eine im Februar 2015 angenommene Gesetzesänderung zur „Sicherstellung des Rechtes auf ein faires Verfahren“ sieht auch eine Erneuerung der gesamten Richterschaft anhand einer individuellen qualitativen Überprüfung („re-attestation“) aller Richter vor, die jedoch von der Zivilgesellschaft als teils unzureichend kritisiert wurde.
Bislang wurden laut Informationen von ukrainischen Zivilgesellschaftsvertretern rund 2.000 der insgesamt 8.000 in der Ukraine tätigen Richter diesem Prozess unterzogen, wobei rund 10% entweder von selbst zurücktraten oder bei der Prozedur durchfielen.
Ein wesentliches Element der Justizreform ist auch der vollständig neu gegründete Oberste Gerichtshof, der am 15. Dezember 2017 seine Arbeit aufnahm. Allgemein ist der umfassende Erneuerungsprozess der Richterschaft jedoch weiterhin in Gange und schreitet nur langsam voran. Die daraus resultierende häufige Unterbesetzung der Gerichte führt teilweise zu Verfahrensverzögerungen. Von internationaler Seite wurde die Annahme der weitreichenden Justizreform weitgehend begrüßt (ÖB 2.2019).
2014 wurde auch eine umfassende Reform der Staatsanwaltschaft in Gang gesetzt. In erster Linie ging es dabei auch darum, das schwer angeschlagene Vertrauen in die Institution wiederherzustellen, weshalb ein großer Teil dieser Reform auch eine Erneuerung des Personals vorsieht.
Im Juli 2015 begann die vierstufige Aufnahmeprozedur für neue Mitarbeiter. Durchgesetzt haben sich in erster Linie jedoch Kandidaten, die bereits in der Generalstaatsanwaltschaft Erfahrung gesammelt hatten. Weiters wurde der Generalstaatsanwaltschaft ihre Funktion als allgemeine Aufsichtsbehörde mit der Justizreform 2016 auf Verfassungsebene entzogen, was jedoch noch nicht einfach gesetzlich umgesetzt wurde. Jedenfalls wurde in einer ersten Phase die Struktur der Staatsanwaltschaft verschlankt, indem über 600 Bezirksstaatsanwaltschaften auf 178 reduziert wurden. 2017 wurde mit dem Staatsanwaltschaftsrat („council of prosecutors“) ein neues Selbstverwaltungsorgan der Staatsanwaltschaft geschaffen. Es gab bereits erste Disziplinarstrafen und Entlassungen, Untersuchungen gegen die Führungsebene der Staatsanwaltschaft wurden jedoch vorerst vermieden. Auch eine spezialisierte Antikorruptions-Staatsanwaltschaft wurde geschaffen. Diese Reformen wurden vor allem wegen der mangelnden personellen Erneuerung der Staatsanwaltschaft kritisiert. Auch erhöhte die Reform die Belastung der Ankläger, die im Durchschnitt rund je 100 Strafverfahren gleichzeitig bearbeiten, was zu einer Senkung der Effektivität der Institution beiträgt. Allgemein bleibt aber, trotz einer signifikanten Reduktion der Zahl der Staatsanwälte, diese im europäischen Vergleich enorm hoch, jedoch ineffizient auf die zentrale, regionale und lokale Ebene verteilt (ÖB 2.2019).
Die jüngsten Reforminitiativen, die sich gegen korrupte und politisierte Gerichte wenden, sind ins Stocken geraten oder blieben hinter den Erwartungen zurück. Das neue Hohe Anti-Korruptionsgericht, das im September 2019 seine Arbeit aufgenommen hat, hat noch keine Ergebnisse erzielt. Obwohl es Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren gibt, können Personen mit finanziellen Mitteln und politischem Einfluss in der Praxis einer Strafverfolgung wegen Fehlverhaltens entgehen (FH 4.3.2020).
Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis orientieren sich an westeuropäischen Standards. Untersuchungshaft wird nach umfassender Reform des Strafverfahrensrechts erkennbar seltener angeordnet als früher (AA 29.2.2020). Nach den 2019 veröffentlichten Statistiken des World Prison Bureau sind etwa 36% der Gefangenen in der Ukraine Untersuchungshäftlinge (FH 4.3.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der
Ukraine (Stand: Januar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2027985/Deutschland___Ausw%
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• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/
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• ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file
/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc , Zugriff 20.5.2020
• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 -
Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026415.html , Zugriff 19.5.2020
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 09.07.2020
Das Innenministerium ist für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und Ordnung zuständig. Das Ministerium beaufsichtigt das Personal der Polizei und anderer Strafverfolgungsbehörden. Der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) ist für den Staatsschutz im weitesten Sinne, den nicht-militärischen Nachrichtendienst sowie für Fragen der Spionage- und Terrorismusbekämpfung zuständig. Das Innenministerium untersteht dem Ministerkabinett, der SBU ist direkt dem Präsidenten unterstellt. Das Verteidigungsministerium schützt das Land vor Angriffen aus dem In- und Ausland, gewährleistet die Souveränität und die Integrität der Landesgrenzen und übt die Kontrolle über die Aktivitäten der Streitkräfte im Einklang mit dem Gesetz aus. Der Präsident ist der oberste Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Das Verteidigungsministerium untersteht direkt dem Präsidenten. Der Staatliche Steuerfiskus übt über die Steuerpolizei Strafverfolgungsbefugnisse aus und untersteht dem Ministerkabinett. Der dem Innenministerium unterstellte Staatliche Migrationsdienst setzt die staatliche Politik in Bezug auf Grenzsicherheit, Migration, Staatsbürgerschaft und Registrierung von Flüchtlingen und anderen Migranten um (USDOS 11.3.2020).
Die Sicherheitsbehörden unterstehen generell effektiver ziviler Kontrolle. Die Regierung hat es jedoch im Allgemeinen versäumt, angemessene Schritte zu unternehmen, um Missbräuche durch Beamte strafrechtlich zu verfolgen oder zu bestrafen.
Menschenrechtsgruppen und die Vereinten Nationen stellten erhebliche Mängel bei den Ermittlungen zu mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Sicherheitskräfte fest. Zuweilen wenden die Sicherheitskräfte selbst übermäßige Gewalt an, um Proteste aufzulösen (USDOS 11.3.2020), oder verabsäumen es in einzelnen Fällen, Opfer vor Belästigung oder Gewalt zu schützen. Dies betrifft vor allem Hassverbrechen gegen ethnische Minderheiten, insbesondere Roma, LGBT-Personen, Feministinnen oder Personen, die von ihren Angreifern als „anti-ukrainisch“ wahrgenommen werden. Auch die Misshandlung von Festgenommenen durch die Polizei ist weiterhin ein Problem (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 16.4.2020).
Während der Maidan-Proteste 2013/2014 kam es zu Menschenrechtsverletzungen durch die gewaltsame Unterdrückung der Proteste durch Sicherheitskräfte, mehr als 100 Menschen wurden getötet, hunderte verletzt. Die laufende Untersuchung zu diesen Verbrechen ist langsam und ineffektiv (AI 16.4.2020). Es wurden dennoch einige Fortschritte erzielt, 422 Menschen wurden angeklagt, 52 verurteilt und 9 davon mit einer Gefängnisstrafe belegt. Die Gesellschaft fordert jedoch, dass auch diejenigen, die die Befehle zur Tötung gaben, zur Rechenschaft gezogen werden, und nicht nur jene, die diesen Befehlen folgten (BTI 2020).
In den letzten Jahren wurden u.a. Reformen im Bereich der Polizei durchgeführt (AA 29.2.2020). Das sichtbarste Ergebnis der ukrainischen Polizeireform ist die Gründung der Nationalen Polizei nach europäischen Standards, mit starker Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, als von der Politik grundsätzlich unabhängiges Exekutivorgan.
Mit November 2015 ersetzte die Nationale Polizei offiziell die bestehende und aufgrund von schweren Korruptionsproblemen in der Bevölkerung stark diskreditierte „Militsiya“. Alle Mitglieder der Militsiya hatten grundsätzlich die Möglichkeit, in die neue Truppe aufgenommen zu werden, mussten hierfür jedoch einen „Re-Attestierungsprozess“ samt umfangreichen Schulungsmaßnahmen und Integritätsprüfungen durchlaufen. Im Oktober 2016 verkündete die damalige Leiterin der Nationalen Polizei den erfolgreichen Abschluss dieses Prozesses, in dessen Zuge 26% der Polizeikommandanten im ganzen Land entlassen, 4.400 Polizisten befördert und im Gegenzug 4.400 herabgestuft wurden.
Zentrale Figur der Polizeireform war die ehemalige georgische Innenministerin Khatia Dekanoidze, die jedoch am 14. November 2016 aufgrund des von ihr bemängelnden Reformfortschrittes, zurücktrat. Zu ihrem Nachfolger wurde, nach einem laut Einschätzung der EU Advisory Mission (EUAM) offenen und transparenten Verfahren, im Februar 2017 Serhii Knyazev bestellt.
Das Gesetz „Über die Nationalpolizei“ sieht eine Gewaltenteilung zwischen dem Innenminister und dem Leiter der Nationalen Polizei vor. Der Innenminister ist ausschließlich für die staatliche Politik im Rechtswesen zuständig, der Leiter der Nationalen Polizei konkret für die Polizei. Dieses europäische Modell soll den Einfluss des Ministers auf die operative Arbeit der Polizei verringern.
Dem Innenministerium unterstehen seit der Reform auch der Staatliche Grenzdienst, der Katastrophendienst, die Nationalgarde und der Staatliche Migrationsdienst. Festzustellen ist, dass der Innenminister in der Praxis immer noch die Arbeit der Polizei beeinflusst und die Reform somit noch nicht vollständig umgesetzt ist. Das nach dem Abgang von Khatia Dekanoidze befürchtete Zurückrollen diverser erzielter Reformen, ist laut Einschätzung der EUAM, jedenfalls nicht eingetreten. Das im Juni 2017 gestartete Projekt „Detektive“ – Schaffung polizeilicher Ermittler/Zusammenlegung der Funktionen von Ermittlern und operativen Polizeieinsatzkräften, spielt in den Reformen ebenfalls eine wichtige Rolle.
Wie in westeuropäischen Staaten bereits seit langem praktiziert, soll damit ein- und derselbe Ermittler für die Erhebung einer Straftat, die Beweisaufnahme bis zur Vorlage an die Staatsanwaltschaft zuständig sein. Bislang sind in der Ukraine, wie zu Sowjetzeiten, immer noch die operative Polizei für die Beweisaufnahme und die Ermittler für die Einreichung bei Gericht zuständig. Etwas zögerlich wurde auch die Schaffung eines „Staatlichen Ermittlungsbüros (SBI)“ auf den Weg gebracht und mit November 2017 ein Direktor ernannt.
Das SBI hat die Aufgabe, vorgerichtliche Erhebungen gegen hochrangige Vertreter des Staates, Richter, Polizeikräfte und Militärangehörige durchzuführen, sofern diese nicht in die Zuständigkeit des Nationalen Antikorruptions-Büros (NABU) fallen. Die Auswahl der Mitarbeiter ist jedoch noch nicht abgeschlossen.
Mit Unterstützung der EU Advisory Mission (EUAM) wurde 2018 auch eine „Strategie des Innenministeriums bis 2020“ sowie ein Aktionsplan entwickelt (ÖB 2.2019). Kritiker bemängeln, dass bei den Reformen der Strafverfolgung ab 2015 systemische Fragen im Innenministerium und im Strafrechtssystem nicht behandelt wurden, und dass sich das weit verbreitete kriminelle Verhalten von Polizisten, Ermittlern und Staatsanwälten fortsetzt bzw. sich in einigen Fällen sogar verschlechtert hat (AC 30.6.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2027985/Deutschland___Ausw%
C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_d er_Ukraine_%28Stand_Januar_2020%29%2C_29.02.2020.pdf , Zugriff 19.5.2020
• AC – Atlantic Council (30.6.2020):Ukraine’s powerful Interior Minister Avakov under fire over police
reform failures, https://www.atlanticcouncil.org/blogs/ukrainealert/ukraines-powerful-interior-minist er-avakov-under-fire-over-police-reform-failures/ , Zugriff 6.7.2020
• AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Eastern Europe and Central Asia - Review
of 2019 - Ukraine [EUR 01/1355/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2028174.html , Zugriff
20.5.2020
• BTI – Bertelsmann Transformation Index (2020): Ukraine, Country Report 2020, https://www.bti-pr
oject.org/de/berichte/country-report-UKR.html , Zugriff 22.5.2020
• ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file
/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc , Zugriff 19.5.2020
• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 -
Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026415.html , Zugriff 19.5.2020
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 09.07.2020
Folter sowie grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Bestrafungen, die gegen die Menschenwürde verstoßen, sind gemäß Artikel 28 der ukrainischen Verfassung verboten. Die Ukraine ist seit 1987 Mitglied der UN-Anti-Folter-Konvention (CAT) und seit 1997 Teilnehmerstaat der Anti-Folter-Konvention des Europarats (AA 29.2.2020).
Trotzdem gibt es Berichte, dass Strafverfolgungsbehörden an solchen Misshandlungen beteiligt waren. Obwohl Gerichte keine unter Zwang zustande gekommene Geständnisse mehr als Beweismittel verwenden, gibt es Berichte über von Exekutivbeamten durch Folter erzwungene Geständnisse. Die Misshandlung von Gefangenen durch die Polizei blieb ein weit verbreitetes Problem. In einem Bericht des UN-Sonderberichterstatters über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von Jänner 2019 heißt es, dass der Sonderberichterstatter zahlreiche Vorwürfe von Folter und Misshandlung durch die Polizei erhalten habe, darunter auch gegen Jugendliche, fast immer während der Festnahme und des Verhörs. Die meisten Insassen berichteten, dass die Untersuchungsbeamten eine solche Behandlung einsetzten, um sie einzuschüchtern oder sie zu zwingen, ein angebliches Verbrechen zu gestehen. Der Sonderberichterstatter stellte ferner fest, dass es Rechtsanwälten, Polizeibeamten, Staatsanwälten und Richtern an grundlegenden Kenntnissen mangelte, um Anschuldigungen von Folter und Misshandlung angemessen zu untersuchen und zu dokumentieren. Folglich erhielten Opfer von Folter oder anderen Misshandlungen im Allgemeinen keine Hilfe von staatlichen Behörden.
Nach Angaben der Charkiwer Menschenrechtsgruppe berichteten diejenigen, die bei der Generalstaatsanwaltschaft Folterbeschwerden eingereicht hatten, dass Strafverfolgungsbeamte sie oder ihre Angehörigen eingeschüchtert und gezwungen hätten, ihre Beschwerden zurückzuziehen. Menschenrechtsorganisationen und Medien berichteten über Todesfälle aufgrund von Folter oder Vernachlässigung durch Polizei oder Gefängnispersonal (USDOS 11.3.2020).
Im von der Regierung kontrollierten Gebiet erhielt das Office of the UN High Commissioner for Human Rights Monitoring Mission in Ukraine (HRMMU) weiterhin Vorwürfe, dass der SBU Personen sowohl in offiziellen als auch in inoffiziellen Haftanstalten festhielt und missbrauchte, um Informationen zu erhalten und Verdächtige unter Druck zu setzen, damit sie gestehen oder kooperieren. Die Zahl der gemeldeten Fälle war erheblich geringer als in den vergangenen Jahren. HRMMU vermutete, dass solche Fälle zu wenig gemeldet wurden, weil die Opfer oft in Haft blieben oder aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen oder aus mangelndem Vertrauen in das Justizsystem Angst hatten, Missbrauch anzuzeigen. Dem HRMMU zufolge gibt der Mangel an wirksamen Ermittlungen in zuvor dokumentierten Fällen von Folter und körperlicher Misshandlung nach wie vor Anlass zur Sorge (USDOS 11.3.2020). Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU bestreitet, trotz anderslautender Erkenntnisse des HRMMU, einige wenige Personen in der Konfliktregion unbekannten Orts festzuhalten und verweist auf seine gesetzlichen Ermittlungszuständigkeiten.
In mindestens einem Fall haben die Strafverfolgungsbehörden bisher Ermittlungen wegen illegaler Haft gegen Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden aufgenommen. HRMMU, das sonst in regierungskontrollierten Gebieten problemlos Zugang zu Inhaftierten erhält, beklagte in der Vergangenheit gelegentlich erhebliche Verzögerungen beim Erhalt von Besuchsgenehmigungen für Personen, gegen die der SBU ermittelt. Ein im Mai 2017 bekannt gewordener Gesetzentwurf räumt die Existenz illegaler SBU-Gefängnisse ein und zielt darauf ab, diese auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen (AA 29.2.2020).
Aus den von Separatisten kontrollierten Gebieten im Osten der Ukraine (Donbas) gibt es Berichte über gewaltsame Unterdrückung aller Formen von Dissidenten, allgegenwärtige Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen (AI 16.4.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Nach Angaben internationaler Organisationen und NGOs gehören zu den Missbräuchen Schläge, Zwangsarbeit, psychische und physische Folter, öffentliche Erniedrigung und sexuelle Gewalt (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der
Ukraine (Stand: Januar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2027985/Deutschland___Ausw%
C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_d
er_Ukraine_%28Stand_Januar_2020%29%2C_29.02.2020.pdf , Zugriff 19.5.2020
• AI – Amnesty International (16.4.2020): Human Rights in Eastern Europe and Central Asia - Review
of 2019 - Ukraine [EUR 01/1355/2020], https://www.ecoi.net/de/dokument/2028174.html , Zugriff
19.5.2020
• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 -
Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026415.html , Zugriff 19.5.2020
Korruption
Letzte Änderung: 09.07.2020
Die Ukraine wird im 2019 Corruption Perceptions Index von Transparency International mit 30 (von 100) Punkten bewertet (0=highly corrupt, 100=very clean) (TI 2019). Die Gesetze sehen strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Behörden setzen diese nicht effektiv um, und viele Beamte sind ungestraft korrupt, weniger in der Regierung, aber auf allen Ebenen der Exekutive, Legislative und der Justizbehörden. Trotz Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption durch die Regierung, bleibt diese ein Problem für Bürger und Unternehmen (USDOS 13.3.2019).
Korruption ist in der Ukraine weit verbreitet und stellt seit vielen Jahren ein inhärentes Problem dar. Korruption war ein zentrales Thema während der Proteste in Kiew im Herbst/Winter 2013/2014, die im Februar 2014 mit einem Regimewechsel endeten. In den Jahren 2014 und 2015 wurden im Rahmen einer nationalen Antikorruptionsstrategie mehrere neue Gremien zur Bekämpfung der Korruption auf verschiedenen Ebenen des Regierungsapparats eingerichtet.
Darüber hinaus wurden Reformen in Polizei und Justiz eingeleitet, die beide stark von Korruption betroffen sind. Bis heute gibt es je nach Zuständigkeitsbereich eine Reihe von Stellen, die Korruptionsfälle untersuchen und strafrechtlich verfolgen. Es kam jedoch, wenn überhaupt, nur zu sehr wenigen Verurteilungen (Landinfo 2.3.2020). Bis vor kurzem gab es keine separaten Gesetze zum Schutz von Informanten, weshalb viele Bürger Korruption nicht anzeigen wollten.
Im Jänner 2020 trat ein neues bzw. geändertes Gesetz zum Schutz von Informanten bezüglich Korruption in Kraft (Landinfo 2.3.2020; vgl. RFE/RL 14.11.2019). Im Juni 2018 unterzeichnete der Präsident das Gesetz über das Hohe Antikorruptionsgericht (HACC) (USDOS 13.3.2019). Das HACC nahm im September 2019 seine Arbeit auf. Mit der Schaffung des HACC wurde das System der Organe des Landes zur Bekämpfung der Korruption auf hoher Ebene vervollständigt und zwei zuvor geschaffene Antikorruptionsbehörden, das Nationale Antikorruptionsbüro (NABU) und die Sonderstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung, ergänzt. Die neuen unabhängigen Antikorruptionsbehörden sehen sich politischem Druck ausgesetzt, der das Vertrauen der Öffentlichkeit untergräbt, Bedenken hinsichtlich des Engagements der Regierung im Kampf gegen die Korruption aufkommen ließ und die Zukunftsfähigkeit der Institutionen bedroht (USDOS 11.3.2020). Mit der Errichtung des Hohen Antikorruptionsgerichts wurde der Aufbau des institutionellen Rahmens für die Bekämpfung der endemischen Korruption abgeschlossen (AA 29.2.2020). Das HACC hat jedoch bisher noch keine Ergebnisse erzielt (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Ende Februar 2019 hat das ukrainische Verfassungsgericht Artikel 368-2 des ukrainischen Strafgesetzbuches, welcher illegale Bereicherung durch ukrainische Amtsträger kriminalisierte, aufgehoben, weil er gegen die Unschuldsvermutung verstoßen habe. In der Folge musste NABU 65 anhängige Ermittlungen gegen Parlamentarier, Richter, Staatsanwälte und andere Beamte einstellen, die teilweise schon vor Gericht gekommen waren. Die EU zeigte sich über diese Entscheidung besorgt (Hi 3.3.2019). Am 26. November 2019 unterzeichnete Präsident Selenskyj ein Gesetz, das die strafrechtliche Verantwortung für die unrechtmäßige Bereicherung von Regierungsbeamten wieder einführte (USDOS 11.3.2020).
Das Gesetz schreibt vor, dass hohe Amtsträger Einkommens- und Ausgabenerklärungen vorlegen müssen und diese durch die Nationale Agentur für Korruptionsprävention (NAPC) geprüft werden. Die NAPC überprüft neben diesen Finanzerklärungen auch die Parteienfinanzierung. Beobachter stellen jedoch zunehmend infrage, ob die NAPC die Fähigkeit und Unabhängigkeit besitzt, diese Funktion zu erfüllen (USDOS 11.5.2020; vgl. ÖB 2.2019).
Durch den Reformkurs der letzten Jahre wurden mehr Transparenz und gesellschaftliches Bewusstsein
für Korruption erreicht. Dennoch sind Korruption, Oligarchie und teilweise mafiöse Strukturen weiterhin Teil des Alltags der Menschen in der Ukraine, ob im Gesundheits- oder Bildungsbereich, in der Wirtschaft, im Zollwesen sowie in der Medienlandschaft (KAS 2019).
Korruption ist nach wie vor ein ernstes Problem und trotz des starken Drucks der Zivilgesellschaft ist der politische Wille gering, dagegen anzugehen. Antikorruptionsagenturen wurden wiederholt in politisch belastete Konflikte mit anderen staatlichen Stellen und gewählten Vertretern verwickelt (FH 4.3.2020). Im Mai 2020 wurde bekannt, dass die Spezialstaatsanwaltschaft für Korruptionsbekämpfung gegen den ehemaligen ukrainischen Generalstaatsanwalt Ruslan Ryaboshapka, der zwei Monate zuvor in einem parlamentarischen Misstrauensvotum aus dem Amt gezwungen wurde, ermittelt (RFE/RL 6.5.2020).
Die Ukraine hat einige Fortschritte bei der Förderung der Transparenz erzielt, zum Beispiel durch die Verpflichtung der Banken, die Identität ihrer Eigentümer zu veröffentlichen, und indem 2016 ein Gesetz verabschiedet wurde, das Politiker und Beamte dazu verpflichtet, elektronische Vermögenserklärungen abzugeben. Es ist jedoch möglich, einige Vorschriften zu umgehen, zum Teil, weil unterentwickelte Institutionen nicht in der Lage sind, Verstöße zu erkennen und zu bestrafen (FH 4.3.2020). Trotz der Bemühungen um eine Reform des Justizwesens und der Generalstaatsanwaltschaft bleibt Korruption unter Richtern und Staatsanwälten weit verbreitet (USDOS 11.3.2020).
Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, der seit 2019 im Amt ist, hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben (UA 27.2.2019; vgl. AA 29.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Januar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2027985/Deutschland___Ausw%
C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_d
er_Ukraine_%28Stand_Januar_2020%29%2C_29.02.2020.pdf , Zugriff 19.5.2020
• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/
dokument/2025958.html , Zugriff 19.5.2020
• Hi – Hromadske international (3.3.2019): You Can Now Get Rich Illegally in Ukraine. What Does
This Mean?, https://en.hromadske.ua/posts/ukraine-legalizes-illegal-enrichment , Zugriff 20.5.2020
• KAS – Konrad Adenauer Stiftung (2019): Die Ukraine – Transparent, aber korrupt?, KAS Auslandseinformationen
4/2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2026806/Die+Ukraine+%E2%80%
93++transparent%2C+aber++korrupt.pdf , Zugriff 20.5.2020
• Landinfo (2.3.2020): Ukraina, Korrupsjonsbekjempelse og beskyttelse for varslere av korrupsjon,
https://www.ecoi.net/en/file/local/2025536/Temanotat-Ukraina-Korrupsjonsbekjempelse-og-varsl
ere-02032020.pdf , Zugriff 20.5.2020
• RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (11.4.2019): Ukraine’s President Creates Anti-Corruption
Court, https://www.rferl.org/a/ukraine-s-president-poroshenko-creates-anti-corruption-cou
rt/29875480.html?ltflags=mailer , Zugriff 20.5.2020
• RFE/RL – Radio Free Europe, Radio Liberty (14.11.2019): Ukraine’s Zelenskiy Signs Law On
Corruption Whistle-Blowers, https://www.rferl.org/a/ukraine-s-zelenskiy-signs-into-force-law-on-co
rruption-whistle-blowers/30270529.html , Zugriff 20.5.2020
• RFE/RL – Radio Free Europe, Radio Liberty (6.5.2020): Ukrainian Ex-Prosecutor Ryaboshapka
Under Investigation, https://www.rferl.org/a/ukrainian-ex-prosecutor-ryaboshapka-under-investigat
ion/30597499.html , Zugriff 20.5.2020
• TI – Transparency International (2019): Corruption Perceptions Index 2019, Ukraine, https://www.
transparency.org/en/cpi , Zugriff 20.5.2020
• UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail
• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 -
Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026415.html , Zugriff 19.5.2020
• USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 -
Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html , Zugriff 20.5.2020
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 09.07.2020
Der Schutz der Menschenrechte durch die Verfassung ist gewährleistet (AA 29.2.2020; vgl. GIZ 3.2020a). Jedoch bestehen in der Ukraine gegenwärtig noch Unzulänglichkeiten in der Umsetzung und Gewährung der Menschenrechte, was insbesondere die Bereiche Folter, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Behandlung von Geflüchteten und sozialen (LGBTQ) bzw. ethnischen Minderheiten (Roma) betrifft. 2019 stufte Freedom House die Ukraine auf „partly free“ ab (GIZ 3.2020a). Zu den Menschenrechtsproblemen gehören darüber hinaus u.a. rechtswidrige oder willkürliche Tötungen; Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen durch Vollzugspersonal; schlechte Bedingungen in Gefängnissen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; Einschränkungen der Internetfreiheit und Korruption. Die Regierung hat es im Allgemeinen versäumt, angemessene Schritte zu unternehmen, um Fehlverhalten von Beamten strafrechtlich zu verfolgen oder zu bestrafen.
Menschenrechtsgruppen und die Vereinten Nationen stellten erhebliche Mängel bei den Ermittlungen
zu mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Sicherheitskräfte fest (USDOS 11.3.2020).
Die Möglichkeit von NGOs, sich im Bereich Menschenrechte zu betätigen, unterliegt keinen staatlichen Restriktionen (AA 29.2.2020). Die Verfassung sieht eine vom Parlament bestellte Ombudsperson vor, den parlamentarischen Menschenrechtsbeauftragten. Das Amt wird derzeit von Lyudmila Denisova bekleidet. Ihr Büro arbeitet bei verschiedenen Projekten zur Überwachung von Menschenrechtspraktiken in Gefängnissen und anderen staatlichen Institutionen häufig mit NGOs zusammen. Die Ombudsperson bemühte sich in der Vergangenheit speziell um Krimtataren, IDPs, Roma, Menschen mit Behinderungen, und von Russland inhaftierte politische Gefangene. Sie ist auch bei Problemen mit der Justiz jederzeit ansprechbar (USDOS 11.3.2020).
Die Verfassung schreibt die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ausdrücklich vor. Auch im Übrigen gibt es keine rechtlichen Benachteiligungen. Nach ukrainischem Arbeitsrecht genießen Frauen die gleichen Rechte wie Männer. Tatsächlich werden sie jedoch häufig schlechter bezahlt und sind in Spitzenpositionen unterrepräsentiert. Nach 2018 kam es auch am 8. März 2019 bei Veranstaltungen und Paraden zum Frauentag in mehreren Städten zu Zwischenfällen mit rechten Gruppierungen (AA 29.2.2020). Durch den bewaffneten Konflikt kommt es vermehrt zu häuslicher Gewalt und Gender Based Violence (GBV), von der vor allem Frauen betroffen sind.
Ein neues Gesetz, das häusliche Gewalt als Straftatbestand deklariert, wurde im Dezember 2017 angenommen. Es gibt jedoch kaum ausreichend psychosoziale und medizinische (Notfall-) Einrichtungen mit geschultem Personal (ÖB 2.2019). Frauen und Mitglieder von Minderheitengruppen
können am politischen Leben in der Ukraine teilnehmen (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Diese Rechte werden jedoch durch Faktoren wie Diskriminierung, den Konflikt im Osten, Analphabetismus und das Fehlen von Ausweisdokumenten (häufig bei Roma) geschmälert.
Das Gesetz über Kommunalwahlen schreibt eine 30%-Quote für Frauen auf Parteilisten vor, die jedoch nicht wirksam durchgesetzt wird (FH 4.3.2020). Nach den Parlamentswahlen vom Juli 2019 stieg der Anteil der Frauen im Parlament von 12 auf 20% (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Die gesellschaftliche Diskriminierung von sexuellen Minderheiten beeinträchtigt ihre Fähigkeit, sich an politischen Prozessen und Wahlprozessen zu beteiligen (FH 4.3.2020). Die Aktivitäten von Oppositionsparteien und -gruppen sowie die Versammlungs-, Meinungsund Pressefreiheit unterliegen keinen rechtsstaatlichen Restriktionen (AA 29.2.2020). Die Medienlandschaft zeichnet sich durch einen beträchtlichen Pluralismus sowie offene Kritik an der Regierung aus (FH 4.3.2020). Meinungs- und Pressefreiheit leiden jedoch weiter hinunter der wirtschaftlichen Schwäche des unabhängigen Mediensektors und dem Übergewicht von Medien, die Oligarchen gehören oder von ihnen finanziert werden. Repressionen und Angriffe gegenüber Journalisten sind insgesamt rückläufig; besorgniserregend bleiben aber die oftmals fehlenden Ermittlungserfolge und die daraus resultierende Straflosigkeit – selbst in schwerwiegenden Fällen.
Diverse russische soziale Medien und populäre Onlinedienste bleiben seit einem Dekret von Mai 2017 weiter verboten. Aus diesen Gründen verbleibt die Ukraine trotz großer Fortschritte gegenüber den Jahren vor dem Euromaidan im „Reporter ohne Grenzen“-Index auf Platz 102 von 180 Staaten (AA 29.2.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Im Jahr 2018 erneuerten die Behörden bestehende Maßnahmen gegen eine Reihe russischer Nachrichtenagenturen und ihre Journalisten. Verschiedene Sprachgesetze schreiben Nachrichtenagenturen vor, dass bestimmte Inhalte in ukrainischer Sprache verfasst sein müssen. Im Jahr 2019 bestätigte der Oberste Gerichtshof der Ukraine regionale Verbote für russischsprachige „Kulturprodukte“, darunter Bücher und Filme (FH 4.3.2020). Die Regierung setzte die Praxis fort, bestimmte Werke russischer Schauspieler, Filmregisseure und Sänger zu verbieten und Sanktionen gegen pro-russische Journalisten zu verhängen (USDOS 11.3.2020).
Von einigen Ausnahmen abgesehen, können Einzelpersonen im Allgemeinen öffentlich und privat Kritik an der Regierung üben und Angelegenheiten von öffentlichem Interesse diskutieren, ohne offizielle Repressalien befürchten zu müssen. Das Gesetz verbietet jedoch Aussagen, die die territoriale Integrität bzw. nationale Sicherheit des Landes bedrohen, den Krieg fördern, einen Rassen- oder Religionskonflikt befeuern oder die russische Aggression gegen das Land unterstützen, und die Regierung verfolgt Personen nach diesen Gesetzen (USDOS 11.3.2020).
Gewalt und Drohungen gegen Journalisten bleiben weiterhin ein Problem (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). Das unabhängige Institut für Masseninformation registrierte von Januar bis Anfang Dezember 2019 226 Verstöße gegen die Medienfreiheit, darunter die Ermordung eines Journalisten. Weitere Verstöße waren 20 Fälle von Schlägen, 16 Cyberangriffe, 93 Fälle von Einmischung, 34 Fälle von Bedrohung und 21 Fälle von Einschränkung des Zugangs zu 30 öffentlichen Informationen (FH 4.3.2020). Die Qualität des ukrainischen Journalismus leidet nicht nur unter russischer Propaganda, Verflechtungen zwischen Wirtschaft und Politik sowie der wirtschaftlichen Krise, sondern auch unter einer nicht zufriedenstellenden Ausbildung und Einhalten von journalistischen Standards (GIZ 3.2020a). Die Strafverfolgungsbehörden überwachen das Internet, zeitweise ohne entsprechende rechtliche Befugnisse, und unternahmen 2019 schwerwiegende Schritte, um den Zugang zu Websites aufgrund von „nationalen Sicherheitsbedenken“ zu blockieren. Gerichte sollen auch begonnen haben, den Zugang zu Websites aus anderen Gründen als der nationalen Sicherheit zu blockieren. Es gab Berichte darüber, dass die Regierung Einzelpersonen wegen ihrer Beiträge in sozialen Medien strafrechtlich verfolgte (USDOS 11.3.2020).
Die Verfassung sieht die Versammlungsfreiheit vor und die Regierung respektiert dieses Recht im Allgemeinen. Gelegentlich wird berichtet, dass die Polizei übermäßige Gewalt anwendet, um Proteste aufzulösen. In Kiew, Odessa und Charkiw fanden groß angelegte LGBT-Veranstaltungen weitgehend friedlich und unter dem Schutz tausender Polizeibeamter statt. Bisweilen schützte die Polizei die Teilnehmer vor oder nach diesen Veranstaltungen nicht ausreichend vor Angriffen, und auch kleinere Demonstrationen, insbesondere von Minderheiten oder oppositionellen politischen Bewegungen, wurden nicht ausreichend geschützt. Veranstaltungen von Frauenrechtsaktivisten oder der LGBT-Gemeinschaft wurden regelmäßig von Mitgliedern gewalttätiger radikaler Gruppen gestört (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). Zu den Pflichten des Veranstalters von friedlichen Versammlungen zählt unter anderem die Anmeldung der Veranstaltung im Vorfeld bei den örtlich zuständigen Behörden. Die Fristen, die in diesem Zusammenhang anzuwenden sind, sind jedoch nicht klar geregelt und variieren je nach vertretener Auffassung zwischen drei und zehn Tagen. Diese Unklarheit lässt den öffentlichen Behörden einen relativ großen Freiraum, Versammlungen zu untersagen (ÖB 2.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Tatsächlich wird die Abhaltung von friedlichen Versammlungen von den Behörden regelmäßig abgelehnt.
Als gängige Begründungen dienen die zu späte Ankündigung der Demonstration, der Mangel an verfügbaren Polizisten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, der gleichzeitige Besuch einer offiziellen ausländischen Delegation oder das gleichzeitige Stattfinden einer anderen Veranstaltung am gleichen Ort. Auch die Definition der „Friedlichkeit“ einer Versammlung ist nicht immer unstrittig (ÖB 2.2019).
Die Verfassung und das Gesetz sehen die Vereinigungsfreiheit vor und die Regierung respektiert dieses Recht im Allgemeinen. Menschenrechtsorganisationen berichten für 2019 über einen Rückgang der Angriffe auf Aktivisten, nachdem die Zahl der Angriffe 2018 sprunghaft angestiegen war (37 Angriffe 2019, gegenüber 66 im Jahr 2018). Einige zivilgesellschaftliche Organisationen geben jedoch an, dass dies aufgrund von mangelnder Berichterstattung sei, und dass sich Aktivisten gegen eine Beschwerde entscheiden würden, da sie Verfolgung fürchten.
Menschenrechts-NGOs sind nach wie vor besorgt über die mangelnde Rechenschaftspflicht bei Angriffen auf Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen (USDOS 11.3.2020). Angriffe auf Journalisten, Aktivisten der Zivilgesellschaft und Angehörige von Minderheitengruppen sind häufig, und die Reaktion der Polizei ist oft unzureichend (FH 4.3.2020). Sowohl natürliche als auch juristische Personen können einen Verein gründen. Die Vereinsgründung kann nur aus im Gesetz eng definierten Gründen untersagt werden (ÖB 2.2019). Mit Ausnahme eines Verbots der Kommunistischen Partei gibt es keine formellen Hindernisse für die Gründung und den Betrieb politischer Parteien. In den letzten Jahren entstanden mehrere politische Parteien. Ein Gesetz aus dem Jahr 2016 regelt die staatliche Finanzierung im Parlament vertretener Parteien; die Regelung begünstigt etablierte Parteien gegenüber neu entstandenen. Oppositionsgruppen sind im Parlament vertreten und ihre politischen Aktivitäten werden im Allgemeinen nicht durch administrative Beschränkungen behindert. Neue Kleinparteien haben Schwierigkeiten mit etablierten Parteien zu konkurrieren, welche die Unterstützung politisch vernetzter Oligarchen genießen (FH 4.3.2020).
Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und der ungestörten Religionsausübung wird von der Verfassung garantiert und von der Regierung in ihrer Politik gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften respektiert (AA 29.2.2020). Laut Befragungen sind 67,3% der Ukrainer christlich-orthodox. Davon gehören 28,7% zur ukrainisch-orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats (UOC-KP), 12,8% zur ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats (UOCMP), 0,3% zur ukrainisch-autokephalen Kirche (UAOC) und 23,4% bezeichnen sich als „schlicht orthodox“. 9,4% der Ukrainer sind griechisch-katholisch, 0,4% jüdisch, 0,8% römisch-katholisch, 2,2% protestantisch und 0,2% muslimisch. Weitere 7,7% identifizieren sich als „Christen“ und 11% geben an, dass sie keiner religiösen Gruppe angehören (USDOS 21.6.2019).
Kleinere
religiöse Gruppen berichten jedoch weiterhin von einer gewissen Diskriminierung. So werfen Gläubige der russisch-orthodoxen Kirche dem ukrainischen Staat vereinzelt Verletzungen der Religionsfreiheit vor. Im Oktober 2018 erhielten ukrainisch-orthodoxe Kleriker die Erlaubnis der religiösen Behörden in Istanbul, dem historischen Sitz der östlichen orthodoxen Kirche, zur Errichtung einer eigenen autokephalen Kirche außerhalb der kanonischen Gerichtsbarkeit der russisch-orthodoxen Kirche. Im Dezember 2018 wurde diese neue orthodoxe Kirche der Ukraine gegründet, um die bestehenden Denominationen zu vereinigen. Der Kreml und die Kirchenführer in Moskau lehnen diesen Schritt entschieden ab (FH 4.3.2020). Die Gründung der orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) hat zwar zu heftigen kircheninternen Auseinandersetzungen geführt, verlief insgesamt aber weitestgehend friedlich. Die OKU wurde inzwischen durch die Patriarchen von Konstantinopel und Alexandrien sowie durch die orthodoxe Kirche Griechenlands formal anerkannt (AA 29.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der
Ukraine (Stand: Januar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2027985/Deutschland___Ausw%
C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_d
er_Ukraine_%28Stand_Januar_2020%29%2C_29.02.2020.pdf , Zugriff 19.5.2020
• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/
dokument/2025958.html , Zugriff 19.5.2020
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020a): Länderinformationsportal, Ukraine, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/ukraine/geschichte-staat/#c4037 , Zugriff 22.5.2020
• ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file
/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc , Zugriff 20.5.2020
• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 -
Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026415.html , Zugriff 19.5.2020
• USDOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom:
Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011020.html , Zugriff 22.5.2020
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 09.07.2020
In Gebieten unter Regierungskontrolle ist die Bewegungsfreiheit im Allgemeinen nicht eingeschränkt.
Das komplizierte ukrainische System, das von Einzelpersonen verlangt, dass sie sich rechtmäßig an einer Adresse registrieren lassen müssen, um wählen und bestimmte Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können, stellt jedoch ein Hindernis für die volle Bewegungsfreiheit dar, insbesondere für Vertriebene und Personen ohne offizielle Adresse, wo sie für offizielle Zwecke registriert werden könnten (FH 4.3.2020).
Verfassung und Gesetz gewähren den Bürgern Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Rückkehr. Die Regierung schränkt diese Rechte jedoch ein, insbesondere im östlichen Teil des Landes in der Nähe der Konfliktzone. Die Regierung und die von Russland geführten Kräfte kontrollieren die Bewegungen zwischen den von der Regierung kontrollierten Gebieten und den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten in der Region Donbas streng.
Das Überschreiten der Kontaktlinie ist weiterhin mühsam. Am 17. Juli 2019 verabschiedete die Regierung neue Bestimmungen, die den Menschen mehr Flexibilität beim Transport von Gegenständen über die Kontaktlinie bieten sollten. Der öffentliche Personentransport über die Grenze bleibt verboten; private Beförderungsmittel sind zu hohen Preisen verfügbar und für die Mehrheit der Reisenden im Allgemeinen unbezahlbar. Obwohl es fünf Grenzübergänge gibt, waren während eines Großteils des Jahres 2019 nur vier in Betrieb. Nach Angaben des HRMMU überquerten zwischen Mai und August 2019 täglich durchschnittlich 39.000 Personen die Kontaktlinie. Das Pass-System, welches die ukrainische Regierung für den Übertritt vorsieht, bringt erhebliche Härten für Personen mit sich, die in das von der Regierung kontrollierte Gebiet einreisen, besonders für diejenigen, die Renten und staatliche Leistungen erhalten wollen (USDOS 11.3.2020). Rentner mit eingeschränkter Mobilität aufgrund von Krankheit, Behinderung oder fortschreitendem Alter, die in nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten im Osten der Ukraine leben, sehen sich überwältigenden Schwierigkeiten beim Zugang zu ihren Renten gegenüber oder erhalten diese überhaupt nicht (HRW 24.1.2020). Die Regierung versuchte, das Pass-System zu reformieren, und führte ein Online-Antragsverfahren zur Kontrolle der Einreise in das von der Regierung kontrollierte Gebiet ein, wobei die Maßnahme jedoch wenig Verbesserung brachte. Viele Personen in den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten haben keinen Zugang zum Internet, um solche Pässe zu erhalten (USDOS 11.3.2020).
Die Ausreisefreiheit wird (vorbehaltlich gesetzlicher Einschränkungen) von der Verfassung garantiert.
Ausreisewillige ukrainische Staatsangehörige müssen über einen Reisepass verfügen, der auf Antrag und gegen Gebühr ausgestellt wird. Bei Ausreise zur ständigen Wohnsitznahme im Ausland ist zudem zuvor ein gebührenpflichtiger Sichtvermerk des Staatlichen Migrationsdienstes einzuholen und dem Zoll eine Bestätigung des zuständigen Finanzamts vorzulegen, dass sämtliche steuerlichen Verpflichtungen erfüllt wurden. Weitergehende Verpflichtungen sind seit 1. Oktober 2016 entfallen. Die ukrainischen Grenzschutzbehörden kontrollieren an der Grenze, ob ein gültiger Reisepass und gegebenenfalls ein Visum des Ziellandes vorliegen, der Ausreisende in der Ukraine zur Fahndung ausgeschrieben ist oder andere Ausreisehindernisse bestehen. Ausgereist wird vornehmlich auf dem Landweg. Derzeit liegen keine Erkenntnisse vor, dass bei männlichen Reisenden an der Grenze der Status ihrer Wehrpflicht überprüft wird (AA 29.2.2020).
Die von Russland geführten Kräfte behindern weiterhin die Bewegungsfreiheit im östlichen Teil des Landes. An der Grenze zwischen der russisch besetzten Krim und dem Festland gibt es strenge Passkontrollen. Es gibt keinen Eisenbahn- und kommerziellen Busverkehr über die Verwaltungsgrenze; Menschen müssen die Verwaltungsgrenze entweder zu Fuß oder mit einem Privatfahrzeug überqueren (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der
Ukraine (Stand: Januar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2027985/Deutschland___Ausw%
C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_ Ukraine_%28Stand_Januar_2020%29%2C_29.02.2020.pdf , Zugriff 19.5.2020
• FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/
dokument/2025958.html , Zugriff 19.5.2020
• HRW – Human Rights Watch (24.1.2020): Ukraine: People with Limited Mobility Can’t Access
Pensions, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023448.html , Zugriff 19.5.2020
• USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 -
Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026415.html , Zugriff 19.5.2020
Grundversorgung
Letzte Änderung: 09.07.2020
Die makroökonomische Lage hat sich nach schweren Krisenjahren stabilisiert. Ungeachtet der durch den Konflikt in der Ostukraine hervorgerufenen Umstände wurde 2018 ein Wirtschaftswachstum von 3,3% erzielt, das 2019 auf geschätzte 3,6% angestiegen ist. Die Staatsverschuldung ist in den letzten Jahren stark angestiegen und belief sich 2018 auf ca. 62,7% des BIP (2013 noch ca. ein Drittel). Der gesetzliche Mindestlohn wurde zuletzt mehrfach erhöht und beträgt seit Jahresbeginn 4.173 UAH (ca. 130 EUR) (AA 29.2.2020).
Die EU avancierte zum größten Handelspartner der Ukraine. Der Außenhandel mit Russland nimmt weiterhin ab. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU regelt das Assoziierungsabkommen, das am 1. September 2017 vollständig in Kraft getreten ist (GIZ 3.2020b).
Die Existenzbedingungen sind im Landesdurchschnitt knapp ausreichend. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gesichert. Vor allem in ländlichen Gebieten stehen Strom, Gas und warmes Wasser zum Teil nicht immer ganztägig zur Verfügung (AA 29.2.2020; vgl. GIZ 12.2018). Die Situation, gerade von auf staatliche Versorgung angewiesenen älteren Menschen, Kranken, Behinderten und Kindern, bleibt daher karg. Die Ukraine gehört trotzt zuletzt deutlich steigender Reallöhne zu den ärmsten Ländern Europas. Das offizielle BIP pro Kopf gehört zu den niedrigsten im Regionalvergleich und beträgt lediglich ca. 3.221 USD p.a. Ein hoher Anteil von nicht erfasster Schattenwirtschaft muss in Rechnung gestellt werden (AA 29.2.2020). Die Mietpreise für Wohnungen haben sich in den letzten Jahren in den ukrainischen Großstädten deutlich erhöht. Wohnraum von guter Qualität ist knapp (GIZ 12.2018). Insbesondere alte bzw. schlecht qualifizierte und auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbare Menschen leben zum Teil weit unter der Armutsgrenze (GIZ 3.2020b). Ohne zusätzliche Einkommensquellen (in ländlichen Gebieten oft Selbstversorger, Schattenwirtschaft) bzw. private Netzwerke ist es insbesondere Rentnern und sonstigen Transferleistungsempfängern kaum möglich, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Sozialleistungen und Renten werden zwar regelmäßig gezahlt, sind aber trotz regelmäßiger Erhöhungen größtenteils sehr niedrig (Mindestrente zum 1. Dezember 2019: 1.638 UAH (ca. 63 EUR) (AA 29.2.2020).
Nachdem die durchschnittlichen Verdienstmöglichkeiten weit hinter den Möglichkeiten im EU-Raum, aber auch in Russland, zurückbleiben, spielt Arbeitsmigration am ukrainischen Arbeitsmarkt eine nicht unbedeutende Rolle (ÖB 2.2019).
Das ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eingeführte ukrainische Sozialversicherungssystem umfasst eine gesetzliche Pensionsversicherung, eine Arbeitslosenversicherung und eine Arbeitsunfallversicherung. Aufgrund der Sparpolitik der letzten Jahre wurde im Sozialsystem einiges verändert, darunter Anspruchsanforderungen, Finanzierung des Systems und beim Versicherungsfonds.
Die Ausgaben für das Sozialsystem im nicht-medizinischen Sektor sanken von 23% des BIP im Jahr 2013 auf 18,5% im Jahr 2015 und danach weiter auf 17,8%. Dies ist vor allem auf Reduktion von Sozialleistungen, besonders der Pensionen, zurückzuführen. Das Wirtschaftsministerium schätzte den Schattensektor der ukrainischen Wirtschaft 2017 auf 35%, andere Schätzungen gehen eher von 50% aus. Das Existenzminimum für eine alleinstehende Person wurde für Jänner 2019 mit 1.853 UAH beziffert (ca. 58 EUR), ab 1. Juli 2019 mit 1.936 UAH (ca. 62 EUR) und ab 1. Dezember 2019 mit 2.027 (ca. 64,5 EUR) festgelegt.
Alleinstehende Personen mit Kindern können in Form einer Beihilfe für Alleinerziehende staatlich unterstützt werden. Diese wird für Kinder unter 18 Jahren (bzw. StudentInnen unter 23 Jahren) ausbezahlt. Die Zulage orientiert sich am Existenzminimum für Kinder (entspricht 80% des Existenzminimums für alleinstehende Personen) und dem durchschnittlichen Familieneinkommen. Diese Form von Unterstützung ist mit einer maximalen Höhe von 1.626 UAH (ca. 50,8 EUR) für Kinder im Alter bis zu 6 Jahren, 2.027 UAH (ca. 63,3 EUR) für Kinder im Alter von 6 bis 18 Jahren bzw. 1.921 UAH (ca. 60 EUR) für Kinder im Alter von 18 bis 23 Jahren pro Monat gedeckelt. Außerdem ist eine Hinterbliebenenrente vorgesehen, die monatlich 50% der Rente des Verstorbenen für eine Person beträgt; bei zwei oder mehr Hinterbliebenen werden 100% ausgezahlt. Für Minderjährige gibt es staatliche Unterstützungen in Form von Familienbeihilfen, die an arme Familien vergeben werden. Hinzu kommt ein Zuschuss bei der Geburt oder bei der Adoption eines Kindes sowie die o.g. Beihilfe für Alleinerziehende. Der Geburtenzuschuss beträgt derzeit in Summe 41.280 UAH (ca. 1.288 EUR). Davon werden 10.320 UAH (ca. 322,15 EUR) in den zwei bis drei Monaten nach Geburt/Adoption ausgezahlt, die restliche Summe in gleichen Zahlungen von 860 UAH (ca. 26,85 EUR) monatlich im Laufe der folgenden drei Jahre.
Laut geltenden ukrainischen Gesetzen beträgt die Dauer des Mutterschutzes zwischen 126 Tagen (70 Tage vor und 56 Tage nach der Geburt) und 180 Tagen (jeweils 90 Tage vor und nach der Geburt). Für diese Periode bekommen die Mütter ihren Lohn hundertprozentig ausbezahlt.
In den nächsten drei Karenzjahren bekommen die Mütter keine weiteren Auszahlungen außer dem o.g. Geburtenzuschuss bzw. den finanziellen Zuschüssen für Alleinerziehende. Gesetzlich ist grundsätzlich ebenfalls die Möglichkeit einer Väterkarenz vorgesehen, wobei diese in der Prais weiterhin kaum in Anspruch genommen wird. Versicherte Erwerbslose erhalten mindestens 1.440 UAH (ca. 45 EUR) und maximal 7.684 UAH (240 EUR) Arbeitslosengeld pro Monat, was dem Vierfachen des gesetzlichen Mindesteinkommens entspricht. Nicht versicherte Arbeitslose erhalten mindestens 544 UAH (ca. 17 EUR). In den ersten 90 Kalendertagen werden 100% der Berechnungsgrundlage ausbezahlt, in den nächsten 90 Tagen sind es 80%, danach 70%. Die gesetzlich verpflichtende Pensionsversicherung wird durch den Pensionsfonds der Ukraine verwaltet, der sich aus Pflichtbeiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aus Budgetmitteln und diversen Sozialversicherungsfonds speist. Im Oktober 2017 nahm das ukrainische Parlament eine umfassende Pensionsreform an, die vor allem auch von internationalen Geldgebern zur Reduzierung des großen strukturellen Defizits gefordert wurde. Darin enthalten ist vor allem eine Anhebung der Mindestpension, welche von knapp zwei Drittel aller Pensionisten bezogen wird, um knapp 700 UAH (ca. 22 EUR). Ebenfalls vorgesehen ist eine automatische Indexierung der Mindestpension sowohl an die Inflationsrate, wie auch an die Entwicklung des Mindestlohns.
Weiters wurde für arbeitende Pensionisten der Beitrag zur staatlichen Pensionsversicherung von 15% zur Gänze gestrichen. Das Pensionsantrittsalter wurde bei 60 Jahren belassen, die Anzahl an Beitragsjahren zur Erlangung einer staatlichen Pension wurde jedoch von 15 auf 25 Jahre erhöht und soll sukzessive bis 2028 weiter auf 35 Jahre steigen. Ebenfalls abgeschafft wurden gewisse Privilegien z.B. für öffentliche Bedienstete, Richter, Staatsanwälte und Lehrer.
Im Jahr 2017 belief sich die Durchschnittspension auf 2.480,50 UAH (ca. 77 EUR), die durchschnittliche
Invaliditätsrente auf 1.996,20 UAH (ca. 62,31 EUR) und die Hinterbliebenenpension auf 2.259,99 UAH (ca. 70,55 EUR). Viele Pensionisten sind dementsprechend gezwungen, weiterzuarbeiten.
Private Pensionsvereinbarungen sind seit 2004 gesetzlich möglich. Die Ukraine hat mit 12 Millionen Pensionisten (knapp ein Drittel der Gesamtbevölkerung) europaweit eine der höchsten Quoten in diesem Bevölkerungssegment, was sich auch im öffentlichen Haushalt wiederspiegelt: 2014 wurden 17,2% des Bruttoinlandsprodukts der Ukraine für Pensionszahlungen aufgewendet (ÖB 2.2019; vgl. UA 27.4.2018).
Seit dem russisch-ukrainischen Krieg in der Ostukraine verschärfte sich die Lage der Bevölkerung in den Gebieten Donezk und Luhansk beträchtlich. Circa 3,5 Millionen Menschen sind auf die humanitäre Hilfe angewiesen. Die Infrastruktur in der Region ist zerstört, die Wirtschaft ist paralysiert, lediglich kleine und mittlere Unternehmen können überleben (GIZ 3.2020b). In den von Separatisten besetzten Gebieten in Donezk und Luhansk müssen die Bewohner die Kontaktlinie überqueren, um ihre Ansprüche bei den ukrainischen Behörden geltend zu machen (AA 29.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der
Ukraine (Stand: Januar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2027985/Deutschland___Ausw%
C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_d
er_Ukraine_%28Stand_Januar_2020%29%2C_29.02.2020.pdf , Zugriff 19.5.2020
• AA – Auswärtiges Amt (19.12.2019): Ukraine: Politisches Portrait, https://www.auswaertiges-amt.d
e/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/politisches-portrait/202780 , Zugriff 25.5.2020
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2020b): Länderinformationsportal, Ukraine, Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/ukraine/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 25.5.2020
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2018): Länderinformationsportal, Ukraine, Alltag, https://www.liportal.de/ukraine/alltag/ , Zugriff 25.5.2020
• ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file
/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc , Zugriff 11.4.2019
• UA – Ukraine Analysen (27.4.2018): Rentenreform, http://www.laender-analysen.de/ukraine/pdf/
UkraineAnalysen200.pdf , Zugriff 27.5.2019
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 09.07.2020
Das ukrainische Spitalswesen ist derzeit nach einem hierarchischen Dreistufenplan organisiert:
die Grundversorgung wird in Rayonskrankenhäusern bereitgestellt. Das Rückgrat des ukrainischen Spitalswesens stellen die Distriktkrankenhäuser dar, die sich durch Spezialisierung in den verschiedenen medizinischen Disziplinen auszeichnen. Die dritte Ebene wird durch überregionale Spezialeinrichtungen und spezialisierte klinische und diagnostische Einrichtungen an den nationalen Forschungsinstituten des ukrainischen Gesundheitsministeriums gebildet.
Ursprünglich als Speerspitze der Gesundheitsversorgung für komplizierte Fälle konzipiert, sind die Grenzen zwischen Einrichtungen der zweiten und dritten Ebene in letzter Zeit zunehmend verschwommen. Auch die laufende Dezentralisierungsreform dürfte in Zukunft Auswirkungen auf die Struktur des ukrainischen Gesundheitssystems haben. Aufgrund der dafür nötigen, jedoch noch nicht angenommenen Verfassungsänderung, bleibt diese Reform jedoch vorerst unvollendet, die Zusammenlegung von Gemeinden erfolgt bislang auf freiwilliger Basis. Von einigen Ausnahmen abgesehen, ist die technische Ausstattung ukrainischer Krankenhäuser als dürftig
zu bezeichnen. Während die medizinische Versorgung in Notsituationen in den Ballungsräumen
als befriedigend bezeichnet werden kann, bietet sich auf dem Land ein differenziertes Bild: jeder
zweite Haushalt am Land hat keinen Zugang zu medizinischen Notdiensten.
Die hygienischen Bedingungen, vor allem in den Gesundheitseinrichtungen am Land, sind oftmals schlecht. Aufgrund der niedrigen Gehälter und der starken Motivation gut ausgebildeter MedizinerInnen ins Ausland zu gehen, sieht sich das ukrainische Gesundheitssystem mit einer steigenden Überalterung seines Personals und mit einer beginnenden Ausdünnung der Personaldecke, vor allem auf dem Land und in Bereichen der medizinischen Grundversorgung, konfrontiert. Von Gesetzes wegen und dem ehemaligen sowjetischen Modell folgend sollte die Bereitstellung der jeweils
nötigen Medikation – mit der Ausnahme spezieller Verschreibungen im ambulanten Bereich – durch Budgetmittel gewährleistet sein. In der Realität sind einer Studie zufolge in 97% der Fälle die Medikamente von den Patienten selbst zu bezahlen, was die jüngst in Angriff genommene Reform zu reduzieren versucht. Dies trifft vor allem auf Verschreibungen nach stationärer Aufnahme in Spitälern zu. 50% der PatientInnen würden demnach aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten eine Behandlung hinauszögern oder diese gänzlich nicht in Anspruch nehmen.
In 43% der Fälle mussten die PatientInnen entweder Eigentum verkaufen oder sich Geld ausleihen, um eine Behandlung bezahlen zu können. In der Theorie sollten sozial Benachteiligte und Patienten mit schweren Erkrankungen (Tbc, Krebs, etc.) von jeglichen Medikamentenkosten, auch im ambulanten Bereich, befreit sein. Aufgrund der chronischen Unterdotierung des Gesundheitsetats und der grassierenden Korruption wird das in der Praxis jedoch selten umgesetzt (ÖB 2.2019).
Ende 2017 wurde eine umfassende Reform des ukrainischen Gesundheitssystems auf die Wege gebracht. Eingeführt wird unter anderem das System der „Familienärzte“. Patienten können in dem neuen System direkt mit einem frei gewählten Arzt, unabhängig von Melde- oder Wohnort, eine Vereinbarung abschließen und diesen als Hauptansprechpartner für alle gesundheitlichen Belange nutzen. Ebenfalls ist eine dringend nötige Modernisierung der medizinischen Infrastruktur in ländlichen Regionen vorgesehen und ein allgemeiner neuer Zertifizierungsprozess inklusive strikterer und transparenterer Ausbildungsanforderungen für Ärzte vorgesehen.
Weiters sind ukrainische Ärzte nunmehr verpflichtet, internationale Behandlungsprotokolle zu befolgen. Die Umsetzung der Reform schreitet nur schrittweise voran und wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Im März 2018 wurde ein Nationaler Gesundheitsdienst gegründet, der in Zukunft auch als zentrales Finanzierungsorgan für alle (öffentlichen und privaten) ukrainischen Gesundheitsdienstleister dienen und die Implementierung der Gesundheitsreform vorantreiben soll (ÖB 2.2019).
Im Rahmen der seit 2018 eingeleiteten Reform des Gesundheitswesens wird das sowjetische Finanzierungsmodell pauschaler Vorhaltfinanzierung medizinischer Einrichtungen schrittweise abgeschafft und stattdessen ein System der Vergütung konkret erbrachter medizinischer Leistungen eingeführt. Der neu geschaffene Nationale Gesundheitsdienst (NGD) hat dabei die Funktion einer staatlichen, budgetfinanzierten Einheitskrankenversicherung übernommen.
2018/2019 wurde in einer ersten Phase der Gesundheitsreform die primärmedizinische/ hausärztliche
Versorgung auf Finanzierung über den NGD umgestellt. Der NGD übernimmt auch die Kostenerstattung für rezeptpflichtige staatlich garantierte Arzneien (ca. 300 gelistete Arzneien gegen Herz-/Gefäßkrankheiten, Asthma und Diabetes II). Die Datenbank des NGD umfasst zurzeit 1.464 primärmedizinische Einrichtungen (davon 167 Privatambulanzen und 248 private Ärztepraxen) sowie ca. 29 Millionen individuelle Patientenverträge mit Hausärzten, d.h. das neue System staatlich garantierter medizinischer Dienstleistungen und Arzneien erreicht mittlerweile knapp 70% der Einwohner. Ab April 2020 soll die Reform auf die fachmedizinische Versorgung (Krankenhäuser) erweitert werden. Soweit die Gesundheitsreform noch nicht vollständig umgesetzt ist, ist der Beginn einer Behandlung in der Regel auch weiterhin davon abhängig, dass der Patient einen Betrag im Voraus bezahlt oder Medikamente und Pflegemittel auf eigene Rechnung beschafft. Neben dem öffentlichen Gesundheitswesen sind in den letzten Jahren auch private Krankenhäuser bzw. gewerblich geführte Abteilungen staatlicher Krankenhäuser gegründet worden. Die Dienstleistungen der privaten Krankenhäuser sind außerhalb des NGD jedoch für die meisten Ukrainer nicht bezahlbar. Gebräuchliche Medikamente werden im Land selbst hergestellt. Die Apotheken halten teilweise auch importierte Arzneien vor (AA 29.2.2020). Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebenswichtige Maßnahmen durchgeführt und chronische, auch innere und psychische Krankheiten behandelt werden können, existieren sowohl in der Hauptstadt Kiew als auch in vielen Gebietszentren des Landes. Landesweit gibt es ausgebildetes und sachkundiges medizinisches Personal (AA 29.2.2020). Die medizinische Versorgung entspricht jedoch nicht immer westeuropäischem Standard. Außerhalb der großen Städte, insbesondere in den Konfliktregionen im Osten, ist sie häufig unzureichend (AA 25.5.2020). Die medizinische Versorgung ist nur beschränkt gewährleistet. Krankenhäuser verlangen eine finanzielle Garantie, bevor sie Patienten behandeln (Kreditkarte oder Vorschusszahlung).
Die Verfassung der Ukraine sichert zwar jedem Bürger eine kostenlose gesundheitliche Versorgung zu (GIZ 12.2019; vgl. AA 29.2.2020), doch sieht die Realität anders aus. Fast alle Dienstleistungen der medizinischen Versorgung müssen privat bezahlt werden (GIZ 12.2019).
Patienten müssen in der Praxis also die meisten medizinischen Leistungen und Medikamente informell aus eigener Tasche bezahlen (BDA 21.3.2018); die Kosten für Medikamente müssen also auch in staatlichen Krankenhäusern vom Patienten selbst getragen werden (EDA 25.5.2020).
Ein System der Krankenversicherungen existiert nur auf lokaler Ebene als Pilotprojekte. Durch die politische und wirtschaftliche Instabilität ist das Gesundheitswesen in der Ukraine chronisch unterfinanziert. Auch wenn die elementare Versorgung für Patienten gewährleistet werden kann, fehlt es vielen Krankenhäusern und Polikliniken an modernen technischen Geräten und speziellen Medikamenten. Die Löhne im Gesundheitsbereich sind besonders niedrig und die Korruption ist in diesem Sektor daher hoch (GIZ 12.2019).
Im Gesundheitsbereich bestehen nach Feststellungen der UN sowie des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) insbesondere entlang der Kontaktlinie zu den von Separatisten besetzten Teilen der Gebiete Luhansk und Donezk sowie in den besetzten Gebieten substantielle (z.T. gravierende) Defizite. Diese betreffen sowohl den zumutbaren Zugang zu Gesundheitseinrichtungen bzw. -dienstleistungen (auch Notfallmedizin, Erstversorgung und Diagnose) als auch die Versorgung mit Medikamenten. Zahlreiche medizinische Versorgungseinrichtungen wurden durch Kampfhandlungen beschädigt oder zerstört. In der „Grauen Zone“ entlang der Kontaktlinie sind knapp 60% der Haushalte (überwiegend alte, chronisch kranke Menschen, darunter überproportional viele mit Behinderungen und Mobilitätseinschränkungen) von solchen Zugangsbeschränkungen betroffen. Die mit Konfliktbeginn einsetzende Abwanderung von medizinischem Personal kommt erschwerend hinzu. Mit Fortdauer des Konflikts steigt die Zahl der traumatherapie- und behandlungsbedürftigen Menschen rasant. Darunter sind neben den direkten Konfliktopfern die zahlreichen Veteranen, Binnenvertriebene, Opfer von Minen, Sprengfallen und nicht explodierten Kampfmitteln sowie Opfer von häuslicher Gewalt (AA 29.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (25.5.2020): Ukraine: Reise- und Sicherheitshinweise
(Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/ukra
inesicherheit/201946#content_5 , Zugriff 25.5.2020
• AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der
Ukraine (Stand: Januar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2027985/Deutschland___Ausw%
C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_d
er_Ukraine_%28Stand_Januar_2020%29%2C_29.02.2020.pdf , Zugriff 19.5.2020
• BDA - Belgian Immigration Office via MedCOI (21.3.2018): Question & Answer, BDA-6768
• EDA – Eidgenössisches Department für auswärtige Angelegenheiten (25.5.2020): Reisehinweise
Ukraine, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/ukraine/reisehinweise-fuerdieukraine.html , Zugriff 25.5.2020
• GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2019): Länderinformationsportal, Ukraine, Gesellschaft, https://www.liportal.de/ukraine/gesellschaft/#c4535 , Zugriff 25.5.2020
• ÖB - Österreichische Botschaften (2.2019): Asylländerbericht Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file
/local/2003113/UKRA_%C3%96B-Bericht_2018.doc , Zugriff 20.5.2020
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Letzte Änderung: 09.07.2020
Es sind keine Berichte bekannt, wonach in die Ukraine abgeschobene oder freiwillig zurückgekehrte ukrainische Asylbewerber wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland behelligt worden wären. Neue Dokumente können landesweit in den Servicezentren des Staatlichen Migrationsdiensts beantragt werden. Ohne ordnungsgemäße Dokumente können sich – wie bei anderen Personengruppen auch – Schwierigkeiten bei der Wohnungs- und Arbeitssuche oder der Inanspruchnahme des staatlichen Gesundheitswesens ergeben (AA 29.2.2020).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt (29.2.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der
Ukraine (Stand: Januar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2027985/Deutschland___Ausw% C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Ukraine_%28Stand_Januar_2020%29%2C_29.02.2020.pdf , Zugriff 19.5.2020
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde, insbesondere in die niederschriftlichen Einvernahmen des BF sowie die Einsichtnahme in die, dem BF von der belangten Behörde in der Einvernahme vom XXXX .2021 zur Kenntnis gebrachten, Länderberichte zur aktuellen, im Hinblick auf das gegenständliche Verfahren relevante Situation in der Ukraine. Die in den Länderberichten getroffenen Feststellungen beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen und bilden dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, sodass vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles und auch unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen kein Anlass besteht, an der Richtigkeit der Länderfeststellungen zu zweifeln. Der BF ist diesen Feststellungen weder in der Einvernahme durch die belangte Behörde noch in seiner Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid substantiiert entgegengetreten.
Des Weiteren wurde Einsicht in die beim BVwG aufliegenden Gerichtsakten betreffend die vom BF angestrengten vorangegangenen Verfahren genommen. Amtlicherseits wurden Abfragen zu den über den BF gespeicherten Sozialversicherungsdaten, der Grundversorgung, des Fremden – und des Melderegisters eingeholt sowie die gegen den BF ergangenen Strafurteile des Bezirks- und Landesgerichtes Salzburg angefordert.
Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang gründet in den im angefochtenen Bescheid ausgeführten Darlegungen desselben, denen seitens des BF nicht entgegengetreten wurde sowie in der Einsichtnahme in die beim BVwG aufliegenden Gerichtsakten und den in diesen zu den vorangegangenen Verfahren enthaltenen, Entscheidungen des BFA, des BVwG sowie des VwGH.
Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf der Vorlage unbedenklicher Personenstandsdokumente, welche in Kopie im Verwaltungsakt des BF einliegen, jene zur Volksgruppenzugehörigkeit und dessen Glaubensrichtung auf den Angaben des BF in seiner Befragung durch das BFA.
Die Feststellungen betreffend die Delinquenz des BF und die strafgerichtlichen Verurteilungen gründen in den jeweiligen, von den erkennenden Gerichten angeforderten, Urteilen bzw. dem Strafregisterauszug.
Dass der BF im November 2019 in die Ukraine abgeschoben wurde, sich an der bezeichneten Adresse in XXXX aufgehalten hat und Ende Dezember 2019 wiederum in das Bundesgebiet zurückkehrte ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid und den diesbezüglich korrelierenden Angaben des BF in dessen niederschriftlichen Einvernahme vom XXXX .04.2021.
Soweit Feststellungen zu den Sprachkenntnissen des BF, seinen familiären und sozialen Kontakten im Herkunftsland als auch in Österreich, seine schulische und weitergehende Ausbildung seinen Familienstand und die Vermögensverhältnisse seiner Familie getroffen werden, so gründen diese in dessen Angaben gegenüber der belangten Behörde die als glaubhaft und wahr angesehen werden.
Dass der BF mit ukrainischen Behörden und der ukrainischen Exekutive bei der Setzung von Antikorruptionsmaßnahmen zusammengearbeitet hat ergibt sich aus seinem Vorbringen gegenüber der belangten Behörde, dem im Verfahrensakt einliegenden Mitgliedsausweis Antikorruption sowie eines Dankbarkeitszertifikates Anti-Korruption.
Auch sind weder aus dem vorgelegten Verfahrensakt der belangten Behörde noch aus den Gerichtsakten betreffend den BF Anhaltspunkte ersichtlich, die dessen Aussagen, wonach dieser in seinem Herkunftsstaat weder vorbestraft ist noch staatlichen Stellen wegen seiner politischen Gesinnung oder seiner Religion verfolgt wird, in Zweifel ziehen würden, weshalb auch diesen der entsprechende Wahrheitsgehalt zugemessen wird.
Die Feststellungen zu den Erwerbstätigkeiten des BF gründen in den vom Gericht eingeholten Daten aus der Sozialversicherung sowie dem im Verfahrensakt einliegenden Auszug der Wirtschaftskammer Salzburg betreffend dessen Gewerbeberechtigung, jene zum Engagement in der Nachbarschaftshilfe und einer früheren Tätigkeit beim Roten Kreuz in dessen Angaben bei seiner niederschriftlichen Einvernahme.
Dass der BF gesund ist und an keinen gravierenden Krankheiten leidet gründet in dessen diesbezüglich glaubhaften Angaben bei seiner Einvernahme und korrelieren diese mit dem Umstand, dass der BF arbeitsfähig ist.
Die negativen Feststellungen des erkennenden Gerichts zu potentieller Verfolgungsgefahr respektive einer aktuell drohenden menschenrechtswidrigen Behandlung des BF in seinem Herkunftsstaat beruhen auf dem nicht schlüssigen und daher unglaubwürdigen, aber auch nicht asylrelevanten, Vorbringen des BF. Das Gericht folgt im Ergebnis der nachvollziehbaren und unbedenklichen Beweiswürdigung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, wenn diese insgesamt von der Unglaubwürdigkeit bzw. der mangelnden Asylrelevanz des vom BF dargestellten Sachverhaltes ausgeht, auf welchem dieser seinen zweiten Folgeantrag gründet.
Aufgabe eines Asylwerbers ist es, durch ein stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls untermauert durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (s. VwGH 25.03.1999, 98/20/0559; VwGH 19.10.2000, 98/20/0504 ua.)
„Glaubhaftmachung“ im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht.
Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zu Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.05.1996, 95/20/0380).
Im Sinne dieser Judikatur ist es dem BF nicht gelungen ein asylrelevantes Vorbringen glaubhaft und in sich schlüssig darzulegen.
Der BF brachte als den Grund seiner Flucht zusammenfassend vor, aus Angst vor drohender Misshandlung und Furcht um sein Leben durch einen korrupten Polizisten, an dessen Inhaftierung der BF im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit den ukrainischen Behörden und der Exekutive im Bereich Antikorruption mitgewirkt habe, und den diesem nahestehenden Leuten, die ihn nach seiner Abschiebung in die Ukraine im November 2019 folglich auch geschlagen hätten, geflohen zu sein.
Im gesamten Verfahrensablauf hat der BF keine substantiierten Hinweise dargetan, welche geeignet sind die Feststellung der belangten Behörde in der niederschriftlichen Einvernahme, wonach es sich beim Herkunftsstaat des BF um einen sicheren Herkunftsstaat im Sinne der Herkunftsstaatenverordnung handelt und dieser gegenüber seinen Staatsbürgern schutzwürdig und auch schutzwillig ist, in Zweifel zu ziehen. Wenn der BF diese Feststellung schlichtweg in Abrede stellt, ohne diese Aussage durch nachvollziehbare und verifizierbare Argumente zu belegen, so sieht das erkennende Gericht fallgegenständlich keinen Anlass von der Feststellung der belangten Behörde in Zweifel zu ziehen.
Dies trifft auch auf die der Entscheidung zu Grunde liegenden Feststellungen in den Länderinformationen zu, hinsichtlich derer der BF durch seine Weigerung sich inhaltlich mit den darin getroffenen Feststellungen auseinanderzusetzen, verschwiegen hat.
Wenn der BF vorbringt, von Privatpersonen, die einem korrupten Polizisten nahestehen, anlässlich seines Aufenthaltes in der Ukraine im November 2019 misshandelt worden zu sein, so ist der belangten Behörde beizutreten, wenn diese dieses Vorbringen als nicht glaubhaft gewertet hat. Zumal der BF weder eine detaillierte Schilderung dieses angeblichen Vorfalles betreffend die Begleitumstände dartun konnte, noch Angaben zum Ort des Geschehens, etwaigen Zeugen oder den zeitlichen Verlauf desselben machen konnte.
Auch erscheint es – ohne weitere Anhaltspunkte hierfür zu liefern – nicht nachvollziehbar, dass der besagte Polizist von der Rückkehr jener Person, die für seine Inhaftierung verantwortlich war (und die zeitlich zumindest vor 2014 erfolgt sein hätte müssen) so schnell Kenntnis erlangt haben sollte, dass „seine Leute“ diesen binnen drei Tagen aufspüren und an einem Ort, Abseits von Personen, die diesem zu Hilfe eilen hätten können, misshandeln hätten können.
Dass der BF nach dieser angeblichen Misshandlung sich nicht hilfesuchend an die Sicherheitsbehörden gewandt hat, erscheint vor dem Hintergrund, dass dieser selbst jahrelang im Bereich Antikorruption mit staatlichen Behörden und der Polizei zusammengearbeitet haben will, nicht glaubhaft. Wäre es doch gerade in seinem Fall schlüssig gewesen sich schutzsuchend an jene Exekutivbeamte zu wenden, mit denen dieser in der Vergangenheit zusammengearbeitet hat respektive auf das Netzwerk des Antikorruptions-komitees, dem der BF angehört, zurückzugreifen.
Nicht zuletzt der Umstand, dass der Kampf gegen Korruption in der Ukraine, wie durch die Inhaftierung des vom BF genannten Polizeibeamten wegen Korruption offensichtlich, erfolgreich ist, lässt die Behauptung des BF, wonach der ukrainische Staat nicht schutzwillig sei, nicht glaubhaft erscheinen.
Wenn der BF zudem in seiner Stellungnahme vom XXXX .2021 davon spricht, von korrupten Polizeibeamten verprügelt worden zu sein, so muss jedenfalls von einer unglaubwürdigen Steigerung seiner Angaben gegenüber der Befragung am XXXX .2021 ausgegangen werden.
Auch hat der BF keine näheren Ausführungen und Konkretisierungen, weder in seiner Befragung, noch in seiner Stellungnahme hierzu und auch nicht in der Beschwerde getätigt, etwa warum anzunehmen ist, dass er nach wie vor verfolgt wird.
Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass der BF zu keinem Zeitpunkt, auch nicht im Beschwerdeverfahren, Beweise für sein Vorbringen – wie zum Beispiel einen medizinischen Befund über etwaige Verletzungen die dieser durch die angebliche Misshandlung erlitten hätte etc. - vorzulegen vermochte. Obliegt es doch grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (siehe u.a. VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0436; 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11; 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN).
Insoweit ist es dem BF mit seinen pauschal und allgemein gehaltenen Ausführungen nicht gelungen, nachvollziehbar darzulegen, warum er immer noch eine Gefährdung zu befürchten hätte.
Aus den Länderberichten ergibt sich, dass – unbeschadet von nach wie vor bestehenden Defiziten und des nach wie vor verbreiteten Problems der Korruption – in den letzten Jahren Reformen im Bereich der Polizei durchgeführt wurden.
In den Jahren 2014 und 2015 wurden im Rahmen einer nationalen Antikorruptionsstrategie mehrere neue Gremien zur Bekämpfung der Korruption auf verschiedenen Ebenen des Regierungsapparats eingerichtet.
Das sichtbarste Ergebnis war die Gründung der Nationalen Polizei nach europäischen Standards, mit mit starker Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, als eines von der Politik grundsätzlich unabhängiges Exekutivorgan.
Mit November 2015 ersetzte die Nationale Polizei offiziell die bestehende und aufgrund von schweren Korruptionsproblemen in der Bevölkerung stark diskreditierte „Militsiya“. Zwar hatten alle Mitglieder der Militsiya grundsätzlich die Möglichkeit, in die neue Truppe aufgenommen zu werden, mussten hierfür jedoch einen „Re-Attestierungsprozess“ samt umfangreichen Schulungsmaßnahmen und Integritätsprüfungen durchlaufen. Im Oktober 2016 verkündete die damalige Leiterin der Nationalen Polizei den erfolgreichen Abschluss dieses Prozesses, in dessen Zuge 26% der Polizeikommandanten im ganzen Land entlassen, 4.400 Polizisten befördert und im Gegenzug 4.400 herabgestuft wurden.
Des Weiteren wurde ein „Staatliches Ermittlungsbüro (SBI)“ geschaffen und 2017 mit einem Direktor besetzt, welches die Aufgabe hat, vorgerichtliche Erhebungen gegen hochrangige Vertreter des Staates, Richter, Polizeikräfte und Militärangehörige durchzuführen, sofern diese nicht in die Zuständigkeit des Nationalen Antikorruptions-Büros (NABU) fallen.
Da sich auch die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis an westeuropäischen Standards orientieren ist es daher evident, dass die Ukraine nicht nur gewillt ist gegen Korruption im Allgemeinen vorzugehen, sondern auch gegenüber deren Staatsangehörigen fähig und willens ist, diesen Rechtsschutz zu gewähren, bzw. Personen die gegen die Rechtsordnung verstoßen mit entsprechenden Sanktionen zu rechnen haben. Eine mangelnde Schutzwilligkeit und -fähigkeit des Staates in Bezug auf Gewaltdelikte ergibt sich aus den Länderberichten nicht.
In Anbetracht dessen ist nicht verständlich, warum der BF nicht zumindest versucht hat, Schutz durch seinen Herkunftsstaat zu erlangen. An dieser Stelle ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Ukraine, wie oben festgestellt, als sicherer Herkunftsstaat gilt.
Selbst wenn man dem Vorbringen des BF den notwendigen Wahrheitsgehalt unterstellen würde, so wäre dieses vor dem Hintergrund der oa. Darlegungen betreffen die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates der Ukraine nicht geeignet eine asylrechtliche Relevanz nach sich zu ziehen, da dem beschwerdegegenständlichen Fall keine staatliche Verfolgung zugrunde liegt, sondern eine Furcht vor Übergriffen durch Private.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
Anzuwendendes Verfahrensrecht:
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit .). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. 51/1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gemäß §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A)
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz in Bezug auf den Status des Asylberechtigten):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH v. 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH v. 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH v. 25.01.2001, Zl. 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH v. 26.02.1997, Zl. 95/01/0454; VwGH v. 09.04.1997, Zl. 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH v. 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; vgl. auch VwGH v. 16.02.2000, Zl. 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.
Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH v. 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH v. 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH v. 16.06.1994, Zl. 94/19/0183; VwGH v. 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH v. 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; VwGH v. 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen – mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates – im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 9.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).
Eine Verfolgung, dh. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH vom 27.01.2000, 99/20/0519, VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256, VwGH vom 04.05.2000, 99/20/0177, VwGH vom 08.06.2000, 99/20/0203, VwGH vom 21.09.2000, 2000/20/0291, VwGH vom 07.09.2000, 2000/01/0153, u.a.).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).
Um eine asylrelevante Verfolgung geltend zu machen bedarf es daher der Glaubhaftmachung durch den BF, dass dieser aus seinem Herkunftsstaat wegen Ereignisse geflüchtet ist, die als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und er nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaates zu bedienen.
Aus den unglaubhaften Gesamtangaben des BF ist nicht ableitbar, dass dieser zum gegenwärtigen Zeitpunkt bzw. in Zukunft im Herkunftsstaat Ukraine konkrete Verfolgungsmaßnahmen von gewisser Intensität zu befürchten hat. Eine an asylrelevanten Merkmalen anknüpfende Verfolgung hat der BF nicht vorgetragen und kann eine individuelle Verfolgung aus seinen Angaben nicht abgeleitet werden.
Dem BF ist es sohin nicht gelungen, eine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannt sind, darzulegen.
Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz in Bezug auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten):
Wird einem Fremden der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt, hat die Behörde von Amts wegen zu prüfen, ob dem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist.
§ 8 Abs. 3 iVm. § 11 Abs. 1 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den Teil des Herkunftsstaates des Antragstellers, in dem für den Antragsteller keine begründete Furcht vor Verfolgung und keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht. Gemäß § 1 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter dem Herkunftsstaat der Staat zu verstehen, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.
Wird der Antrag auf internationalen Schutz eines Fremden in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, ordnet § 8 Abs. 1 AsylG 2005 an, dass dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen ist, wenn eine mögliche Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat für ihn eine reale Gefahr einer Verletzung in seinem Recht auf Leben (Art. 2 EMRK iVm den Protokollen Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe) oder eine Verletzung in seinem Recht auf Schutz vor Folter oder unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) oder für den Fremden als Zivilperson eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes mit sich bringen würde.
Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, Zl. 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.
Nach der Judikatur des EGMR obliegt es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behauptet, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gerichtshof eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (vgl. EGMR vom 05.07.2005 in Said gg. die Niederlande). Bezüglich der Berufung auf eine allgemeine Gefahrensituation im Heimatstaat, hat die betroffene Person auch darzulegen, dass ihre Situation schlechter sei, als jene der übrigen Bewohner des Staates (vgl. EGMR vom 26.07.2005 N. gg. Finnland).
Das Vorliegen eines tatsächlichen Risikos ist von der Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung zu prüfen (vgl. EGMR vom 15.11.1996 in Chahal gg. Vereinigtes Königsreich).
Gemäß der Judikatur des VwGH erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des „real risk“, wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, Zl. 2005/20/0095). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Ob die Verwirklichung der im Zielstaat drohenden Gefahren eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch den Zielstaat bedeuten würde, ist nach der Rechtsprechung des EGMR nicht entscheidend.
Das Bundesverwaltungsgericht hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Asylwerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (vgl. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/18/1291). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.
Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen, die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen.
Den Fremden trifft somit eine Mitwirkungspflicht, von sich aus das für eine Beurteilung der allfälligen Unzulässigkeit der Abschiebung wesentliche Tatsachenvorbringen zu erstatten und dieses zumindest glaubhaft zu machen. Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer derartigen Gefahr ist es erforderlich, dass der Fremde die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert und, dass diese Gründe objektivierbar sind.
Im gegenständlichen Fall haben sich ausgehend von der Unglaubwürdigkeit des BF behaupteten Verfolgungssachverhaltes vor dem Hintergrund der diversen Länderberichte und den darauf basierenden Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für den BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung in die Ukraine entgegenstehen würde.
Der BF ist gesund, benötigt keine medizinische Behandlung und ist prinzipiell arbeitsfähig und sohin in der Lage seinen Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten. Der BF verbrachte den überwiegenden Teil seines Lebens in der Ukraine, wo auch sein Vater und seine beiden Schwestern leben und dieser über einen entsprechenden Freundeskreis verfügt.
Er ist dort aufgewachsen, hat dort eine schulische Ausbildung erhalten und hat dort auch ein Studium begonnen. Er verfügt des Weiteren aufgrund seiner Erwerbstätigkeiten im Bundesgebiet über entsprechende Berufserfahrung.
Seine Kernfamilie besitzt mehrere Häuser in der Ukraine und geht dessen Mutter einer Arbeit in Italien nach. Nach seiner Abschiebung im November 2019 verfügte der BF über eine Wohnadresse in jener Stadt in der auch seine Kernfamilie aufhältig ist und kann daher davon ausgegangen werden, dass sowohl Wohnmöglichkeit gegeben als auch die Sicherung des Lebensunterhaltes durch Arbeit möglich ist, zumal der BF auch nichts Gegenteiliges vorgebracht hat.
Aufgrund seines langen Aufenthaltes in seinem Herkunftsstaat sind dem BF die dortigen Gepflogenheiten bekannt, sodass dieser problemlos wiederum im Herkunftsstaat Fuß fassen kann.
Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden. Weder droht dem BF im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die beschwerdeführenden Parteien als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides in Bezug auf die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Da der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG nicht seit mindestens einem Jahr geduldet ist, nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen erforderlich ist und der BF nicht Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können sowie der BF nicht glaubhaft gemacht hat, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist, ist eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 nicht von Amts wegen zu erteilen.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ist somit als unbegründet abzuweisen.
Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides in Bezug auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn die Rückkehrentscheidung aufgrund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wird.
Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.
Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – insbesondere zu berücksichtigen: 1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, 2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, 3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, 4. der Grad der Integration, 5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, 6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit, 7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, 8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, 9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (vgl. auch VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).
Das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben ist nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Beziehungen beschränkt, sondern erfasst auch faktische Familienbindungen, bei welchen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben. Auch eine aufrechte Lebensgemeinschaft fällt unter das von Art. 8 EMRK geschützte Familienleben (VwGH 09.09.2013, 2013/22/0220 mit Hinweis auf E vom 19.03.2013, 2012/21/0178, E vom 30.08.2011, 2009/21/0197, und E vom 21.04.2011, 2011/01/0131). Vom Prüfungsumfang des Begriffes des „Familienlebens“ in Artikel 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern beispielsweise auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des „Familienlebens“ in Artikel 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammengelebt haben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellte, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).
Der BF verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.
Eine Rückkehrentscheidung stellt demnach keinen Eingriff in das nach Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Familienlebens des BF dar.
Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als – abseits familiärer Umstände – eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass „der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte“. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187; vgl. auch VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwN). Es kann jedoch auch nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen „kann“ und somit schon allein aufgrund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen wäre (vgl. etwa VwGH 28.01.2016, Ra 2015/21/0191, mwN).
Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216, mwH).
Der BF hält sich seit 2014, sohin über einen Zeitraum von sieben Jahren – lediglich unterbrochen durch einen circa einmonatigen Aufenthalt im Jahr 2019 - in Österreich auf. Die Aufenthaltsdauer entspricht sohin einer Dauer der grundsätzlich eine Wesentlichkeit für die Beurteilung der privaten Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich zukommt.
Vor dem Hintergrund der Besonderheit der aufenthaltsrechtlichen Stellung des BF als Asylwerber, und des unter I. dargestellten Verfahrensganges wird die Aufenthaltsdauer und deren Berücksichtigung beim Interesse des BF an der Aufrechterhaltung seiner privaten Interessen maßgeblich gemindert, weil er sich bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein musste.
Der BF hat die Zeit in Österreich benutzt um sich Kenntnisse der Deutschen Sprache anzueignen und weist einen Deutschkurs der Qualifikationsstufe A 2 auf.
Durch seine Beschäftigungsverhältnisse und das Betreiben eines freien Gewerbes im Reinigungsbereich hat der BF gezeigt, dass er bemüht ist seinen Lebensunterhalt selbst zu finanzieren und weist sohin eine wirtschaftliche Verfestigung auf.
Der BF verfügt auch in Österreich über einen entsprechenden Freundeskreis, engagierte sich beim Roten Kreuz und betätigt sich in der Nachbarschaftshilfe.
Dieses Privatleben erfährt durch die zweifache Delinquenz des BF in einem relativ kurzen Zeitraum eine weitere Einschränkung, die bei der Gewichtung der gegenläufigen Interessen hinsichtlich der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung nicht nur als gering zu werten ist. Zeigt der BF durch die von ihm begangenen und den Verurteilungen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen doch auf, dass eine – entgegen seinem Vorbringen in seiner Stellungnahme zur niederschriftlichen Befragung – Identifikation mit den Grundwerten der Republik Österreich, ihrer Rechtsordnung und ihrer Gesellschaft nicht stattgefunden hat.
Der BF verfügt nach wie vor über starke Bindungen zum Herkunftsstaat: Er ist in der Ukraine geboren und aufgewachsen, absolvierte dort Schulbildung im Umfang von elf Jahren, beherrscht neben seiner ukrainischen Muttersprache auch Russisch, Moldawisch und Rumänisch. Er hat 3 Jahre in der Ukraine ein College und ein Jahr die Universität besucht und hat in seinem Herkunftsstaat bis 2014 gearbeitet.
Seine Kernfamilie lebt in der Ukraine, verfügt dort über mehrere Häuser und hat der BF ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern und seinen Schwestern Er verfügt dort über einen Freundes- und Bekanntenkreis und hält Kontakt zu diesen.
Es ist daher davon auszugehen, dass sich der BF im Fall seiner Rückkehr in die Ukraine in die dortige Gesellschaft problemlos wieder eingliedern können wird.
Den privaten Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (z.B. VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).
Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich.
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des BF im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und demnach durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist daher im vorliegenden Fall geboten und verhältnismäßig und stellt sohin keine Verletzung des BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides ist somit als unbegründet abzuweisen.
Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides in Bezug auf die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung:
Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 leg.cit. in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seiner Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wären, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative.
Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat die belangte Behörde zu Recht festgestellt, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in die Ukraine gegeben ist. Wie festgestellt bzw. beweiswürdigend dargelegt sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass der BF einer wie immer gearteten Verfolgung, Gefährdung oder existenzbedrohenden Notlage im Herkunftsstaat ausgesetzt wäre. Es liegen keine Gründe vor, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würden; insbesondere werden dadurch die Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. Beziehungsweise 13. ZPEMRK nicht verletzt und ist damit für den BF keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden und steht der Abschiebung keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegen.
Die Abschiebung des BF in die Ukraine ist daher zulässig.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides ist somit abzuweisen.
Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. und VII. des angefochtenen Bescheides in Bezug auf den Ausspruch des Nichtbestehens einer Frist für die freiwillige Ausreise und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde:
Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG kann das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt.
Die Ukraine gilt gemäß § 1 Z 14 der Herkunftsstaaten-Verordnung – HStV, BGBl. II Nr. 177/2009, als sicherer Herkunftsstaat.
Gemäß § 55 Abs. 1a FPG besteht eine Frist für die freiwillige Ausreise unter anderem dann nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
Da die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht erfolgte, sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl daher auch zu Recht aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht.
Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte VI. und VII. des angefochtenen Bescheides ist sohin mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen, als sich die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf § 18 Abs. 1 Z 1 stützt.
Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides in Bezug auf den Ausspruch betreffend den Verlust des Aufenthaltsrechtes:
Aufgrund der Straffälligkeit des asylwerbenden BF wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen gemäß § 15 StGB sowie 269 Abs. 1, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 und 4, §§ 83 Abs. 1 und 84 Abs. 4, 105 Abs. 1, §§ 125 und 126 Abs. 1 Z 5 StGB bzw. §§ 15 und 83 Abs. 1, sowie §§ 83 Abs. 1 und 223 Abs. 2 StGB hat dieser einen in § 13 Abs. 2 Zif. 1 AsylG umschriebenen Tatbestand verwirklicht.
Aus diesem Umstand ergibt sich die Rechtsfolge, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat und die belangte Behörde sohin zu Recht gemäß Abs. 4 leg.cit. den Verlust des Aufenthaltsrechtes festgestellt hat.
Die dagegen erhobene Beschwerde war sohin als unbegründet abzuweisen.
Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) – folgend: GRC – hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge Abs. 2 leg. cit. hat jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.
Nach Art. 52 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.
Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, u.a. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich grundlegend mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 (vgl. zur seitdem ständigen Rechtsprechung zuletzt etwa VwGH vom 01.03.2018, Ra 2017/19/0410; 20.09.2018, Ra 2018/20/0173), mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst, wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wird. Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Auf den vorliegenden Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, dass die belangte Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt vollständig ermittelt und ein durchwegs mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Aufgrund des kurzen Zeitraumes von einem Monat zwischen Erlassung des angefochtenen Bescheides und der Entscheidung des BVwG ist davon auszugehen, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt die gebotene Aktualität aufweist. Weiters hat die belangte Behörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und teilt das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung. Der Beschwerde ist kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender Sachverhalt zu entnehmen. Den Feststellungen der belangten Behörde widersprechende Ausführungen haben sich als unsubstantiiert erwiesen.
Der gegenständliche Sachverhalt ist sohin im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt und konnte trotz des diesbezüglich in der Beschwerde gestellten Antrages eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Entziehung des Konventionsreisepasses nach Asylaberkennung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, vielmehr ergibt sich die Entscheidung aus den eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen.
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