BVwG L515 1308761-2

BVwGL515 1308761-211.3.2015

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:L515.1308761.2.00

 

Spruch:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. ARMENIEN, vertreten durch: RA Mag. AUNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.09.2014, Zl. 344337108-14503894, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.01.2015 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, §§ 55, 57 AsylG

2005, BGBl. I 100/2005 idgF, § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG BGBl I Nr. 87/2012 idgF und §§ 46, 52 Abs. 2 und 9, 55 FPG BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. ARMENIEN, vertreten durch: RA Mag. AUNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.09.2014, Zl. 385246207-14503908, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.01.2015 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, §§ 55, 57 AsylG

2005, BGBl. I 100/2005 idgF, § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG BGBl I Nr. 87/2012 idgF und §§ 46, 52 Abs. 2 und 9, 55 FPG BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP1" und "bP2" bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Armenien ("Armenien") und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 1.4.2014 bei der belangten Behörde ("bB") Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die männliche bP1 und weibliche bP2 sind Ehegatten.

I.1.2 Die bP stellten erstmals am 10.7.2005 Anträge auf internationalen Schutz, wurden jedoch nach rechtskräftig negativem Abschluss der Verfahren am 30.3.2010 nach Armenien abgeschoben.

I.2.3. Im nunmehrigen Verfahren berief sich bP2 auf die Gründe von bP1, welche vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorbrachte, sie hätte Armenien neuerlich verlassen, weil sie von Mitarbeitern der regierenden Republikanischen Partei bedroht und geschlagen worden wäre. Sie wäre gemeinsam mit P2 im September 2013 legal in die Russische Föderation ausgereist

Vor einem Organwalter der belangten Behörde brachte die bP1 Folgendes vor:

(EV vom 1.4.2014):

"...

F: Warum sind Sie wieder nach Österreich zurückgekehrt?

A: In Armenien wurde mir gedroht und ich wurde geschlagen. Wir wurden zur Flucht gezwungen. Meine Verfolger sind die Mitarbeiter der regierenden republikanischen Partei.

Im September 2013 sind meine Frau und ich legal aus Armenien ausgereist. Wir sind mit einem PKW nach Russland gefahren. Wir haben uns drei Monate lang legal in der Stadt K[...] aufgehalten. Danach mussten wir in ein abgelegenes Dorf fahren, weil wir uns länger als drei Monate nicht legal anmelden konnten. In diesem Dorf blieben wir bis zum 28.03.2014. Am 28.03.2014 sind wir schlepperunterstützt mit einem LKW - versteckt auf der Ladefläche - gegen 17:00 Uhr von K[...] in Richtung Österreich gefahren. Heute, den 01.04.2014 gegen 06:00 Uhr ließ uns der Fahrer an einer Tankstelle auf der Autobahn aussteigen. Er rief ein Taxi, mit welchem wir ca. 1/2 Stunde bis hier her fuhren. Wir bezahlten das Taxi selbst, nämlich 30,-- Euro.

Diese Reise hat ein armenischer Bekannter mit dem Vornamen "W[...]"

organisiert. ... Ich hatte einen armenischen Reisepass. Diesen Pass

und den Pass meiner Frau habe ich drei Tage vor der Abreise gemeinsam mit dem Schlepperlohn an "W[...]" übergeben.

F: Warum stellen Sie jetzt einen (neuerlichen) Asylantrag? Was hat sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber Ihrem bereits entschiedenen Verfahren (in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat) verändert?

A: Als ich nach Armenien zurückgekehrt bin, gingen meine Probleme weiter. Wieder die selbe Gruppe hat mich angefangen zu verfolgen und zu bedrohen. Es waren nicht die selben Personen, sondern andere Mitarbeiter, jedoch von der selben Partei.

F: Haben Sie neue Gründe? Welche?

A: Ja, ich wurde in meiner Heimat wieder geschlagen, bedroht und zur Ausreise gezwungen. Nachdem wir in die Heimat zurückgekehrt sind, erlitt ich im Mai 2012 einen Schlaganfall und im Jahr 2013 einen Zweiten. Diese Schlaganfälle erlitt ich, nachdem ich blutig geschlagen wurde.

..."

(EV vom 25.6.2014)

"...

Der anwesende Dolmetscher ist (vom Einvernahmeleiter) als Dolmetscher für die Sprache Armenisch bestellt und beeidet worden. Sind Sie dieser Sprache mächtig und damit einverstanden in dieser Sprache einvernommen zu werden?

A: Ja

F: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen aufgrund einer möglichen Befangenheit oder aus sonstigen Gründen irgendwelche Einwände?

A: Nein

Ich werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ich im Fall von Verständigungs-schwierigkeiten jederzeit rückfragen kann.

F: Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?

A: Ja.

F: Sind Sie gesund?

A: Nein.

F: Welche Krankheiten haben Sie?

A: Ich hatte zwei Schlaganfälle und bin Zuckerkrank. Die linke Körperseite ist teilweise gelähmt. Ich bin nicht immer konzentriert. Vielleich hat das mit den Schlaganfällen zu tun.

F: Nehmen Sie Medikamente?

A: Ja. Ich nehme vier verschiedene Pillen im Tag. Ich weiß aber nicht genau welche. Meine Frau weiß es.

...

F: Haben Sie persönliche Beziehungen in Österreich?

A: Ich bin gemeinsam mit meiner Ehefrau [...] hier in Österreich. Ansonsten ist niemand hier.

F: Haben Sie Kinder?

A: Ich habe eine Tochter. Diese wohnt in Armenien.

F: Wo wohnt Ihre Tochter?

A: Sie wohnt in [...]. Ich bin aber nicht sicher, wo sie sich befindet. Wir stehen ab und zu in telefonischen Kontakt.

F: Wie oft haben Sie Kontakt zu Ihrer Tochter?

A: Ein bis zwei Mal im Monat.

...

F: Wie waren Ihre Lebensumstände und Ihr persönliches Umfeld vor Ihrer Ausreise aus Armenien? Schildern Sie diese (Ausbildung, Arbeit, Verwandte, finanzielle Situation etc.).

A: Nachdem ich von Österreich nach Armenien ausgewiesen wurde, habe ich mit meiner Frau in meinem Haus gewohnt. Ich habe dort Äcker. Wir haben die Äcker bearbeitet und haben Obst und Gemüse angebaut. Bei uns wächst alles gut. Deshalb haben wir das Obst und das Gemüse verkauft. Einen Teil haben wir in die Fabrik geschickt. Den anderen Teil haben wir am Bauernmarkt verkauft. Finanziell ist es uns nicht schlecht gegangen.

F: Wo haben Sie Ihren Bauernhof?

A: In B[..].

F: Wie groß ist der Bauernhof?

A: Ich habe einen Hektar Land.

F: Wer wohnt jetzt dort?

A: Derzeit wohnt niemand dort.

...

F: Befindet sich der Hof noch in Ihrem Besitz?

A: Ja. Wir haben es jedoch einfach gelassen.

F: Warum haben Sie auf Ihrem Hof und nicht woanders in Armenien gewohnt?

A: Ich hatte keine Möglichkeit irgendwo anders zu wohnen.

F: Aus welchem Grund suchen Sie in Österreich um Asyl an? Schildern Sie möglichst ausführlich und konkret Ihre Flucht und Asylgründe! (Freie Erzählung)

A: Als ich im Mai 2010 wieder nach Armenien zurück geschickt wurde, habe ich mit meinen früheren Freunden aus meinem politischen Kreis Demonstrationen gegen die armenische Regierung organisiert. Am 06. Mai 2012 fanden in unserer Region die Parlamentswahlen statt. Es gab zwei Kandidaten in unserer Region. Ein Kandidat war von der Regierungspartei. Der andere Kandidat war von der Oppositionspartei. Ich arbeitete mit dem Kandidaten der Oppositionspartei zusammen. Bis zum Abend ist alles gut gegangen. Gegen 17:00 oder 18:00 Uhr sind mehr als 10 bewaffnete Leute zu uns ins Wahllokal gekommen. Wir befanden uns zu viert von unserer Partei im Lokal. Die bewaffneten Leute hatten gezogene Pistolen und bedrohten uns. Sie sagten, wir sollen für den anderen Kandidaten stimmen. Sie hatten sogar Stimmzettel mit. Sie warfen Stimmzettel in den Stimmkasten. Wir wollten es verhindern. Sie haben uns aus dem Wahllokal hinausgezogen. Auf dem Hof wurden wir mit den Füßen getreten und mit den Waffen geschlagen. Die Rippen auf meiner linken Seite waren gebrochen. Ich wurde auch auf meinem Rücken mit den Waffen geschlagen. Bis heute tut es weh. Es sahen auch einige Polizisten zu. Sie haben nichts unternommen, sondern nur zugesehen. Ich wurde auf dem Boden liegen gelassen. Zwei gute Bekannte haben mich nach Hause gebracht. Meine Frau hat dann die Rettung gerufen. Ich wurde versorgt. Drei Tage blieb ich zu Hause. Am 10. Mai 2012 bekam ich einen Schlaganfall. Ich machte zu Hause eine Therapie. Die Regierungsleute, die mich geschlagen haben, sind in der Nacht zu mir nach Hause gekommen und haben gesagt, dass ich den Vorfall nicht der Polizei erzählen solle. Ich wurde von den Leuten öfter bedroht. Sie sagten, ich könne sowieso nichts tun. Ich hatte zirka 9 Monate zu Hause Therapie. Im Feber 2013 sind diese Leute wieder zu mir nach Hause gekommen. Sie bedrohten mich. Im März sollte eine große Demonstration für die Opposition sein. Ich wollte die Demonstration mitorganisieren. Sie sagten, ich solle sie nicht organisieren, ansonsten würden sie mich umbringen. Im März 2013 hatte ich meinen zweiten Schlaganfall. Ich glaube es hat alles mit den Drohungen und der Angst zu tun. Bis September 2013 habe ich wieder zu Hause eine Therapie gemacht. Danach sind wir nach Russland ausgereist. In Armenien wollte niemand, dass ich im Krankenhaus liege. Am 26. September 2013 bin ich nach Russland geflüchtet. Ich habe Verwandte in K[...], Krasnodar. Die Leute in Armenien haben zu mir noch gesagt, dass ich verschwinden soll, da sie mich ansonsten erschießen würden. In Russland konnten wir legal nur drei Monate bleiben. Danach sind wir wieder nach Österreich geflüchtet. Ich kenne das Land. Ich war schon einmal hier.

F: Haben sie alle Fluchtgründe genannt?

A: Ja. Es kann aber sein, dass ich etwas vergessen habe zu erzählen. Wir sind geflüchtet, weil wir unser Leben retten wollten.

F: Haben Sie sonstige Fluchtgründe?

A: Nein. Ich fühle mich nicht gut.

F: Wie heißen die Kandidaten, die für die Wahl am 06. Mai 2012 kandidiert haben?

A: A[...] hat für die Regierungspartei kandidiert. S[...] hat für die Opposition kandidiert.

F: Wie heißt der Name der Oppositionspartei?

A: HHSH.

F: Welche Funktion hatten Sie in der Partei?

A: Wir haben für Menschenrechte gearbeitet. Ich habe die Demos organisiert. Während der Wahl am 06. Mai 2012 war ich Wahlbeobachter. Deshalb wurde ich geschlagen.

F: Wie wurden Sie Wahlbeobachter?

A: Ich wurde von unserer Partei ausgewählt.

F: Kennen Sie S[...] persönlich?

A: Ja, ich kenne ihn persönlich.

F: Wie ist die Wahl ausgegangen?

A: [A...] hat gewonnen. Die Wahl war gefälscht.

F: Wo befand sich das Wahllokal in dem Sie als Beobachter waren?

A: In H[...] Nr. [...]. Es befand sich in der Schule.

F: Wer befand sich mit Ihnen zum Zeitpunkt des Vorfalles im Wahllokal?

A: Wir waren vier Leute von der Partei anwesend. Von der anderen Partei waren auch einige Leute anwesend.

F: Können Sie den Ablauf des Vorfalles genauer schildern?

A: Die Leute der Regierungspartei haben sicher diese Leute angerufen. Es waren sicher mehr Stimmen für uns. Zehn oder mehr Leute sind auf einmal in das Wahllokal gestürmt. Sie hatten sogar Stimmzettel mit. Sie haben mich auf den Boden geworfen und in den Hof gezogen. Ich weiß nicht, was Sie im Wahllokal gemacht haben.

F: Was passierte mit den anderen Personen?

A: Ich weiß nicht. Sie haben mich zuerst heraus gezogen. Meine Freunde haben mir erzählt, dass sie auch geschlagen wurden.

F: Woher wussten die Leute wer zur Opposition gehört und wer zur Regierungspartei?

A: Jeder kennt jeden. Deshalb wurde ich als erster geschlagen.

F: Wurden Ihre drei Freunde auch verletzt?

A: Wir wurden alle geschlagen. Nachdem wir aus dem Lokal gezogen wurden, standen noch mehr Leute mit den Waffen dort.

F: Wurde über diesen Vorfall in der Zeitung berichtet?

A: Ja. Es ist alles in der Zeitung gestanden. Der Sohn von A[...] hatte alles organisiert. So hat es in der Zeitung gestanden.

F: Wurde über diesen Vorfall auch im Fernsehen berichtet?

A: In einem Privatsender wurde darüber berichtet.

F: Weiß S[...], dass Sie bei diesem Vorfall verletzt wurden?

A: Ja. [S...] ist noch am selben Tag zur Polizei gegangen. Deshalb sind in der Nacht zwei Polizisten zu mir gekommen. Zwei Personen, von denen ich geschlagen wurde, wurden sogar verhaftet aber zirka nach einem Monat wieder frei gelassen.

F: Hat es eine Gerichtsverhandlung gegeben?

A: Ja.

...

F: Wurden diese Personen verurteilt?

A: Ja. Sie wurden verurteilt. Die zwei Männer sind aber schnell wieder frei gekommen. Es lag sicher Bestechung vor, dass sie so schnell frei gekommen sind. Andere bekamen nur Geldstrafen.

F: Waren Sie bei der Gerichtsverhandlung anwesend?

A: Ich wurde über die Verhandlung nicht informiert.

F: Welche Demonstrationen haben Sie organisiert?

A: In Armenien leben die Menschen unter schlimmen Bedingungen. Es gibt Korruption. Unsere Partei wollte es ändern. Am 23. Juni 2014 gab es eine Demonstration in Jerewan. Sogar Kinder wurden geschlagen. Die Demo war von der Opposition organisiert. 26 Personen wurden verhaftet.

F: Wie viele Demonstrationen haben Sie seit Ihrer Rückkehr nach Armenien organisiert?

A: Ich habe drei Demonstrationen organisiert. Eine habe ich bei den Präsidentschaftswahlen organisiert, eine bei den Parlamentswahlen und eine bei den Bürgermeisterwahlen.

...

F: Sie gaben an, im Feber 2013 von Leuten bedroht worden zu sein. Was können Sie dazu angeben?

A: Sie wollten nicht, dass ich die Demonstration organisiere.

F: Wie fand die Bedrohung statt?

A: Sie haben eine Pistole gezogen und gesagt, entweder Demonstration oder der Tod. Daraufhin bekam ich einen zweiten Schlaganfall. Ich habe geschrien und bin umgefallen.

F: Wer hat den Arzt gerufen?

A: Meine Frau.

F: Wie oft wurden Sie nach Ihrer Rückkehr nach Armenien insgesamt geschlagen bzw. bedroht?

A: Im Wahllokal wurde ich geschlagen. In der Nacht bedroht. Die schlimmste Bedrohung war im Februar 2013. Im Februar 2013 wurde sogar meine Frau geschlagen und zu Boden gestoßen. Kleinere Drohungen gab es immer wieder zwischendurch.

F: Haben Sie die Drohungen bzw. die Körperverletzung an Ihrer Frau bei der Polizei angezeigt?

A: Ich war krank. Ich konnte den Sachverhalt nicht melden. Die Polizei gehört aber auch zur Regierung.

F: Warum haben Sie nach Ihrer Rückkehr nach Armenien mit dieser politischen Tätigkeit begonnen?

A: Ich habe geschworen für die Partei und die armenische Bevölkerung da zu sein. Ich will Gerechtigkeit. Die Menschen sollen frei leben.

F: Kann S[...] Ihre Angaben bestätigen?

A: Ja. Ich weiß aber nicht, ob er sich noch in Armenien befindet. Ich werde von ihm ein Schreiben vorlegen. Ich weiß nicht, ob er vom Parteichef Levon Ter-Petrosian das Schreiben unterschreibt. (Anm:

Antragsteller wird aufgefordert Scheiben bis spätestens 18.07.2014 vorzulegen.) Ich weiß aber nicht ob ich das Schreiben rechtzeitig bekomme. [S...] ist viel für die Partei unterwegs. Er fährt für die Partei in das Ausland. Er ist in Syrien, Russland und auch in Amerika unterwegs.

F: Warum ist er im Ausland unterwegs?

A: Er war zuerst Landeshauptmann. Er ist ein bekannter Mann. Deshalb beauftragt ihn die Partei mit Auslandsflügen. Normal arbeitet er aber lebt auch von der Politik. Früher war er im Parlament. Im Jahr 2012 wurde er nicht mehr gewählt.

F: Sie haben bei der österreichischen Botschaft in Moskau am 21.10.2013 um eine Ausstellung eines Reisevisums angesucht. Was können Sie dazu angeben?

A: In Jerewan gibt es keine österreichische Botschaft. Ich habe auf der deutschen Botschaft in Jerewan einen Antrag auf Ausstellung eines Schengen Visums gestellt. Ich bezahlte 60 Euro für den Antrag. Die deutsche Botschaft hat die ganzen Schriftstücke nach Moskau geschickt. Der Antrag wurde abgelehnt.

F: Was war der Grund für Ihren Antrag?

A: Ich wollte mich in einer Klinik untersuchen lassen. Ich hatte zwei Schlaganfälle. Ich wollte auf Rehabilitation.

F: Wo befindet sich Ihr Reisepass?

A: Der Schlepper hat die Pässe. Ich weiß nicht ob ich sie bekomme. Er hat versprochen Sie zu schicken.

F: Wann ließen Sie sich Ihren Reisepass ausstellen?

A: Ich ließ ihn mir kurz nach meiner Rückkehr nach Armenien im Jahr 2010 in [...] ausstellen.

F: Was befürchten Sie im Falle einer Rückkehr nach Armenien?

A: Ich würde umgebracht werden. Keine Minute würde ich dort am Leben bleiben. Ich kann nicht nach Armenien zurück. Ich bin nach meiner Rückkehr krank geworden. Ansonsten gehe ich woanders hin.

F: Von wem befürchten Sie umgebracht zu werden?

A: Von irgendwelchen Leuten der Regierungspartei. Genau die, die mich geschlagen und bedroht haben.

F: Was glauben Sie, warum wurden Sie nicht schon längst von diesen Personen getötet?

A: Es waren sehr viele Menschen beim Wahllokal. Ich glaube sie hatten Angst. Sie wollten mich alleine erwischen. Ohne Zeugen.

F: Hatten Sie jemals außer den erzählten Schwierigkeiten Probleme mit den Behörden Ihres Heimatlandes Armenien?

A: Nein.

Mit mir werden die Feststellungen zur Situation in meinem Heimatland erörtert. Ich gebe dazu an:

A: Insulin bekommt man nicht. Das steht nur geschrieben. Für das Insulin habe ich in Armenien sehr viel Geld bezahlt. In Jerewan habe ich Hundert Euro für fünf Stück Insulinspritzen Lantus bezahlt. Ich habe nach meinen Schlaganfällen die Behandlung nur zu Hause bekommen. Ich musste alles selbst bezahlen. Ich habe eine Bestätigung über meine Schlaganfälle. Ich sollte in Armenien Pension bekommen.

...

F: Haben Sie besondere Bindungen zu Österreich? Haben Sie hier Verwandte? Sind Sie erwerbstätig oder besuchen Sie einen Deutschkurs bzw. eine Schule? Sind Sie in anderer Form integriert, z.B. Vereinsmitgliedschaften, etc.?

A: Ich bin krank. Ich werde einen Deutschkurs machen. Ansonsten nichts.

...

Ich habe alles verstanden und möchte hinzufügen, dass sowohl im als auch außerhalb des Wahllokales geschlagen wurde. Sie haben mich liegen lassen. Ich war nicht bei Bewusstsein. Ich möchte auch hinzufügen, dass die Länderfeststellungen alles besser darstellen, als es in Wirklichkeit ist. Ansonsten habe ich nichts mehr hinzuzufügen.

..."

bP2 berief sich auch in der Einvernahme vor einem Organgwalter der belangten Behörde auf die Gründe von bP1.

I.2. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.).

Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II) (Spruchpunkt III.).

Ein Aufenthaltstitel aus Berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den bP gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gem. §§ 10 Abs. 1 Z3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gem. § 46 FPG nach Armenien zulässig sei.

Gem. § 55 Abs. 1 - 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der bP1 in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu -in Vermengung mit Elementen der rechtlichen Beurteilung- Folgendes aus:

" ...

Sie gaben bei Ihrer Einvernahme beim BFA in Villach am 25.06.2014 sinngemäß zusammengefasst an, dass Sie nach Ihrer Rückkehr nach Armenien im Mai 2010 mit früheren Freunden aus Ihrem politischen Kreis Demonstrationen gegen die armenische Regierung organisiert hätten. Am 06. Mai 2012 hätten Sie als Wahlbeobachter in Ihrem Wahlkreis fungiert. Am Abend des Wahltages wären mehr als 10 bewaffnete Leute zu ihnen ins Wahllokal gekommen, hätten sie bedroht, anschließend aus dem Wahllokal gezogen, getreten und bedroht. Am 10. Mai 2012 hätten Sie einen Schlaganfall bekommen. Nach zirka neun Monaten Therapie, wären Sie im Februar 2013 von diesen Leuten wieder bedroht worden, da Sie im März 2013 eine Demonstration organisieren hätten wollen. Im März 2013 hätten Sie jedoch erneut einen Schlaganfall und bis September 2013 erneut eine Therapie bekommen. Am 26. September 2013 wären Sie gemeinsam mit Ihrer Ehefrau nach Russland und später weiter bis nach Österreich gereist.

Ihr Vorbringen ist wie unten angeführt als nicht glaubhaft zu werten.

Wären tatsächlich Leute der armenischen Regierung hinter Ihnen her gewesen und hätten ihnen aufgrund ihrer politischen Einstellung nach dem Leben getrachtet, wäre davon auszugehen, dass diese, ihr Ziel, Sie zu töten, oder Sie in Haft zu nehmen, jedenfalls Ihr gegen die Regierung gesetztes Verhalten zu verhindern, wahr gemacht hätten und nicht zugelassen hätten, dass ihnen letztlich die Ausreise aus Armenien gelungen wäre.

Ebenso wäre es ihnen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gelungen, nach dem ersten angeblichen Vorfall im Mai 2012 weiterhin bis zum zweiten angeblichen Vorfall im März 2013 und schließlich bis zu Ihrer Ausreise im September 2013 ohne weitere Vorfälle bzw. ohne tatsächlich getötet oder mit anderen Konsequenzen konfrontiert zu werden unbehelligt an Ihrem Wohnsitz zu leben. Wären Sie tatsächlich verfolgt worden, hätten Ihre Verfolger die Drohungen während dieser Zeit auch in die Tat umgesetzt, zumindest hätte man mit anderen Maßnahmen zu verhindern versucht, dass Sie Ihre regierungsfeindlichen Tätigkeiten einstellen.

Die eklatanten Widersprüche zwischen Ihren Angaben und dem Vorbringen Ihrer Ehefrau sind ein weiteres Indiz für eine zurechtgelegte Fluchtgeschichte. Während Sie bei Ihrer Einvernahme beim BFA in [...] am 25.06.2014 angaben, dass im Februar 2013 sogar Ihre Ehefrau von den Männern geschlagen worden wäre (vgl: EV vom 25.06.2014: F: Wie oft wurden Sie nach Ihrer Rückkehr nach Armenien insgesamt geschlagen bzw. bedroht? A: Im Wahllokal wurde ich geschlagen. In der Nacht bedroht. Die schlimmste Bedrohung war im Februar 2013. Im Februar 2013 wurde sogar meine Frau geschlagen und zu Boden gestoßen. Kleinere Drohungen gab es immer wieder zwischendurch.) gab Ihre Frau bei Ihrer Einvernahme am 25.06.2014 im eklatanten Widerspruch dazu dezidiert an, dass sie am 06. Mai 2012 gestoßen worden und zu Boden gestürzt wäre (vgl. EV v. 25.06.2014:

F: Ist Ihnen bei den Vorfällen auch einmal etwas passiert? A: Am 06. Mai 2012 wurde ich gestoßen und stürzte auf den Boden. Ansonsten nicht.) Wäre Ihre Frau tatsächlich angegriffen worden, so wie Sie es schilderten, wären auch Ihre zeitlichen Angaben dazu übereinstimmend und würden nicht eklatant im Widerspruch stehen. Sie haben sich augenscheinlich gemeinsam eine Fluchtgeschichte zurechtgelegt, die zwar im Grundgerüst stimmig ist, jedoch nicht bis in alle Einzelheiten aber auch wichtigen Details durchdacht und abgesprochen wurde.

Weiters gaben Sie im Widerspruch zu Ihrer Ehefrau an, dass Sie am 06. Mai 2012 geschlagen worden wären und am 10 Mai 2012 einen Schlaganfall erlitten hätten. Ihre Ehefrau gab im Gegensatz dazu an, dass Sie bereits einen Tag nachdem Sie geschlagen worden wären einen Schlaganfall erlitten hätten. Auch in diesem Fall bestätigt sich die Annahme, dass Sie sich für Ihre Flucht wohl eine Rahmengeschichte zurechtgelegt haben, diese jedoch nicht bis in alle Einzelheiten abgesprochen haben. Wäre es tatsächlich zu diesem Vorfall gekommen, wären auch diesbezüglich Ihre Angaben übereinstimmend und nicht eklatant widersprüchlich. Gerade ein solch elementares Ereignis wie ein Schlaganfall hätte doch dazu geführt, dass man sich die Chronologie des Geschehenen unvergesslich einprägt.

Ein weiteres Indiz dafür, dass eine staatliche Verfolgung in Armenien nicht vorliegen kann, ist die Tatsache, dass Sie gemeinsam mit Ihrer Ehefrau legal aus Armenien ausgereist sind. Sie selbst gaben im Einklang mit Ihrer Ehefrau bei Ihrer Erstbefragung an, dass Sie legal mit einem PKW nach Russland ausgereist wären. Hätten Sie tatsächlich staatliche Verfolgung zu befürchten, wäre es ihnen nicht möglich gewesen auf legalem Wege Armenien zu verlassen bzw. hätten Sie sich nicht der Gefahr ausgesetzt bei einer Kontrolle erwischt zu werden.

Sie reichten als Beweis für Ihre Erkrankungen einen handgeschriebenen neurologischen Befund aus Armenien nach (Im Verwaltungsakt). Aus diesem geht hervor, dass Sie bereits im Jahr 2011 und nicht erst, wie von Ihnen angegeben, im Mai 2012 einen Schlaganfall erlitten hätten. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass Ihre Fluchtgeschichte nicht der Wahrheit entspricht, sondern frei erfunden ist. Auch weißt der Befund des Instituts für Radiologie in Jerewan (Im Verwaltungsakt) darauf hin, dass Sie an Arteriosklerose leiden.

...

Ihren Angaben zufolge haben Sie bei der Deutschen Botschaft in Jerewan einen Antrag auf Ausstellung eines Visums für Österreich angesucht. Dieser Antrag wurde von der österreichischen Botschaft in Moskau jedoch abgelehnt. Auf die Frage, was der Grund für Ihre Antragstellung für die Ausstellung eines Visums bei der Österreichischen Botschaft war, gaben Sie bei Ihrer Einvernahme in Villach ganz spontan an: "Ich wollte mich in einer Klinik untersuchen lassen. Ich hatte zwei Schlaganfälle. Ich wollte auf Rehabilitation."

Das Bundesamt geht, so wie Sie auch angaben, davon aus, dass der Grund für Ihre Ausreise und die Stellung eines Asylantrages einzig Ihr Gesundheitszustand und die damit verbundenen medizinischen Kosten war und Ihre gesundheitlichen Probleme nicht durch die von Ihnen geschilderten angeblichen Vorfälle hervorgerufen wurden. Wären Ihre Schlaganfälle aber auch nicht Folge des Lebenswandels und wirklich durch körperliche Einwirkung (z.B. Raufhandel) entstanden, wäre auch dies kein Nachweis für die Richtigkeit Ihrer Angaben, denn es könnte so auch einen kriminellen Hintergrund gehabt haben.

Weitere Beweismittel, sowie ein in Aussicht gestelltes Schreiben [...] legten Sie nicht vor.

Eine aktuell drohende individuelle Gefahr einer relevanten Verfolgung machten Sie somit nicht geltend.

...

Aus dem Inhalt der Länderfeststellungen ergibt sich zudem, dass die Grundversorgung mit Nahrungsmittel im Heimatland gewährleistet ist. Es besteht weiters ein Sozialhilfesystem auf niedrigem Niveau und kann humanitäre Hilfe bei den nach wie vor in Armenien tätigen internationalen und nationalen humanitären Organisationen gefunden werden. Sie waren bis zu Ihrer Ausreise wohnversorgt. Sie besitzen nach wie vor über Ihr Wohnhaus in Armenien. Ihre Tochter lebt in Armenien. Auch sind Ihren Angaben nicht zu entnehmen, dass Ihre Angehörigen wirtschaftliche Probleme hätten. Trotz schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse besteht somit im Herkunftsstaat keine Situation, wonach Sie lebensgefährdend in Ihrer Existenz bedroht wären. Ihre Angehörigen leben ohne Probleme in Armenien. Von einer finanziellen Notsituation haben Sie weder von sich, noch von Ihren Angehörigen berichtet. Sie haben zwei Schlaganfälle erlitten. Sie sind derzeit nicht lebensbedrohend erkrankt und es wäre Ihnen sicherlich möglich, auch mit Unterstützung Ihrer Tochter, sich wieder ein wenn auch nur geringes Einkommen zu erwirtschaften. Ebenfalls wäre es Ihrer Ehefrau möglich ein wenn auch nur geringes Einkommen zu erwirtschaften. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass Sie in keine existentielle Notlage in Ihrem Heimatland kommen könnten und Unterstützung durch das familiäre Netzwerk finden würden.

Wie bereits im vorigen Abschnitt ausgeführt wurde, konnte von Ihnen keine Verfolgungssituation, sei es von privater oder staatlicher Seite, glaubhaft gemacht werden. Schon aus den obigen Ausführungen ergibt sich daher, dass Sie im Falle einer Rückkehr keiner Bedrohungssituation ausgesetzt sind.

Soweit Sie vorbringen, aufgrund Ihrer Erkrankung nicht nach Armenien zurückkehren zu können, wird nachfolgend angeführt:

Der entscheidenden Behörde ist es aufgrund der Vorlage des medizinischen Schriftverkehrs bekannt, dass Sie Zuckerkrank sind und Insulin benötigen. Ebenfalls erlitten Sie zwei Schlaganfälle. Sie sind jedoch motorisch selbstständig, benötigen keine Pflege und haben keine sichtlichen Probleme. Ihnen wurde die Möglichkeit eingeräumt bis zum 18.07.2014 weitere Beweismittel vorzulegen. Sie übermittelten per Fax den medizinischen Schriftverkehr aus Österreich und aus Armenien. Weitere Befunde oder Schriftverkehr wurden danach nicht mehr vorgelegt und auch nicht in Aussicht gestellt. Sie wurden, wie aus Ihren Angaben hervor geht und aus dem medizinischen Schriftverkehr aus Armenien ersichtlich, zu Ihrem Krankheitsbild bereits auch im Heimatland im ausreichenden Maße versorgt.

Aus dem Inhalt der Länderfeststellungen ergibt sich, dass die Grundversorgung und die medizinische Versorgung in Armenien gewährleistet sind. Es besteht weiters ein Sozialhilfesystem. Trotz schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse besteht somit im Herkunftsstaat keine Situation, wonach Sie lebensgefährdend in Ihrer Existenz bedroht wären. Sie sind nicht akut lebensbedrohend erkrankt. Von einer finanziellen Notsituation haben Sie nichts berichtet. Ihre Ehefrau ist arbeitsfähig. Ihre Tochter wohnt in Armenien.

Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass Sie in keine existentielle Notlage in Ihrem Heimatland kommen würden.

..."

In Bezug auf bP2 wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde nachfolgende Feststellungen (lediglich auszugsweise Wiedergabe):

"Das Einkammer-Parlament (Nationalversammlung) hat 131 Mitglieder und wird alle fünf Jahre gewählt. Die Parlamentswahlen am 6.05.2012 ergaben folgende Stimmenverteilung: Republikanische Partei 44,1%, Partei „Blühendes Armenien" 30,0%, Armenian National Congress 7,1%, Rechtsstaatspartei 5,5%, Armenisch-Revolutionäre Föderation (Daschnaken) 5,7%, Partei "Erbe" 5,8%. Dank der zusätzlich errungenen Direktmandate verfügt die Republikanische Partei über die absolute Mehrheit der Parlamentssitze (69 von 131 Sitzen), bildet aber gleichwohl eine Koalition mit der Rechtsstaatspartei. Der bisherige Koalitionspartner "Blühendes Armenien" ist in die Opposition gegangen. Ministerpräsident bleibt der parteilose ehemalige Vorsitzende der Zentralbank, Tigran Sargsyan (AA 10.2013a).

Zwar blieben die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit und Freizügigkeit rund um die Wahlen weitgehend uneingeschränkt, doch berichteten Wahlbeobachter, es habe massive Stimmenkäufe gegeben und auf Wähler sei Druck ausgeübt worden (AI 23.5.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (10.2013a): Reise & Sicherheit, Armenien; http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Innenpolitik_node.html , Zugriff 14.1.2014

AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Armenia; http://www.ecoi.net/local_link/247902/374002_de.html , Zugriff 15.1.2014

CIA - Central Intelligence Agency (7.1.2014): The World Factbook, Armenia;

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html , Zugriff 14.1.2014

derStandard.at (11.12.2013): Ankara drückt "Reset"-Taste für Armenienpolitik;

http://derstandard.at/1385170713334/Ankara-drueckt-Reset-Taste-fuer-Armenienpolitik , Zugriff 15.1.2014

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Justiz ist zwar offiziell unabhängig, Gerichte unterliegen aber weiterhin politischem Druck der Exekutive, sowie der Erwartung, dass Richter einen Angeklagten in fast allen Fällen für schuldig befinden. Dies schränkt das Recht auf einen fairen Prozess teilweise ein. UNHCR berichtete 2011, dass der Kampf der Regierung gegen die Korruption auch negative Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der Richter habe, da diese aus Angst, als korrupt eingestuft zu werden, strengere Strafen verhängten. Ein Justizrat ist für die Ernennung und Entlassung von Richtern zuständig. Dieser kann Richter wegen des Delikts eines Justizirrtums auch dann anklagen, wenn gegen das Ersturteil kein Einspruch erhoben wurde. Verfahren erfüllten üblicherweise die meisten Standards für Fairness, jedoch waren sie der Sache nach oft unfair, da viele Richter sich veranlasst sehen, gemeinsam mit den Staatsanwälten Verurteilungen zu erwirken.

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

FH - Freedom House (18.6.2013): Nations in Transit 2013 - Armenia, http://www.ecoi.net/file_upload/3256_1371628253_nit13-armenia-3rdproof.pdf , Zugriff 17.1.2014

US DOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/245168/355092_en.html , Zugriff 17.1.2014

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist, ebenso wie der Nationale Sicherheitsdienst (NSD), direkt der Regierung unterstellt. Allein der Präsident hat die Befugnis, die Leiter beider Behörden zu ernennen. Die Aufgaben beider Organe sind voneinander abgegrenzt: so ist für die Wahrung der nationalen Sicherheit sowie für Nachrichtendienst und Grenzschutz der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch Verhaftungen durchführen dürfen. Hin und wieder treten aber Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird.

Der Polizeichef füllt in Personalunion die Funktion des Innenministers aus. Ein Innenministerium gibt es nicht mehr. Das Fehlen der politischen Instanz wird damit begründet, dass damit eine "Politisierung" der Sicherheitsorgane verhindert werden soll.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Angehörige der Sicherheitsbehörden in Einzelfällen ihre Machtposition in privaten Streitigkeiten ausnutzen (AA 25.1.2013).

Der Polizei und dem NSD mangelt es an Ausbildung, Ressourcen und an Strukturen zur Vorbeugung von Misshandlungsfällen. Straffreiheit bleibt weiterhin ein Problem und es gibt keinen unabhängigen Mechanismus für Untersuchungen von Übergriffen durch die Polizei. Bürger können die Polizei vor Gericht in eingeschränktem Ausmaß anklagen. Korruption bei der Polizei bleibt weiterhin ein Problem, es wurden jedoch Maßnahmen gegen einige Polizeibeamte gesetzt. Zum Beispiel wurde der ehemalige Chef der Generaldirektion für strafrechtliche Untersuchungen wegen Machtmissbrauch zu vier Jahren Haft verurteilt. Der ehemalige Chef der Verkehrspolizei wurde aufgrund von Machtmissbrauch, schwerem Diebstahl und Veruntreuung zu sechs Jahren Haft verurteilt (US DOS 19.4.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

US DOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/245168/355092_en.html , Zugriff 17.1.2014

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet die Anwendung von Folter. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass systematisch Folter praktiziert wird. Menschenrechtsorganisationen berichten aber immer wieder glaubwürdig von Fällen, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu Folterungen gekommen sein soll. (AA 25.1.2013) Die meisten Fälle von Misshandlungen kamen in den Polizeistationen vor, die nicht unter öffentlicher Beobachtung standen, und nicht in Gefängnissen oder Hafteinrichtungen der Polizei, die solcher Beobachtung unterliegen (US DOS 19.4.2013).

Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den EGMR zu wenden. Abgesehen davon gibt es allerdings keinen Mechanismus, Folterverdachtsfälle gegenüber Beamten zu untersuchen, da beispielsweise Dienstaufsichtsbeschwerden nicht vorgesehen sind. Betroffene beschweren sich nur selten, weil sie Repressalien befürchten (AA 25.1.2013).

Die armenische Gesetzgebung bezüglich der Kriminalisierung von Folter stellt insofern ein Problem dar, als sie nicht konform mit der Definition von Folter, festgelegt in der UN-Konvention gegen Folter, geht. Die armenischen Gesetze kennen diesbezüglich nur Bestimmungen, die auf Folterhandlungen ausschließlich begangen von Individuen im privaten Bereich reflektieren. Entsprechend wurde bisher kein öffentlich Bediensteter in Armenien wegen Folter angeklagt oder verurteilt (EC 20.3.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

EC - European Commission (20.3.2013): Implementation of the European Neighbourhood Policy in Armenia Progress in 2012 and recommendations for action,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1364315499_2013-progress-report-armenia-en.pdf , Zugriff 17.1.2014

US DOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/245168/355092_en.html , Zugriff 17.1.2014

Korruption

Korruption bis in die höchsten Instanzen ist weiterhin ein sehr verbreitetes Problem. So sind beispielsweise bei öffentlichen Ausschreibungen sogenannte "Kickback"-Zahlungen an die ausschreibenden Behörden üblich, um Aufträge zu erhalten. Präsident Sargsyan hat die eigene Regierung im September 2012 öffentlich für ihre Tatenlosigkeit gegenüber der Korruption scharf kritisiert, was ihm jedoch als Wahlkampftaktik ausgelegt wurde (AA 25.1.2013).

Die 2011 und 2012 eingeführten Antikorruptionsmaßnahmen haben zwar zu Verbesserungen geführt, ein Durchbruch war aber 2012 nicht ersichtlich. Die Korruption sinkt langsam, doch unterminieren Korruptionsanschuldigungen bei staatlichen Institutionen das öffentliche Vertrauen in den Staat. Die 2012 angenommenen Gesetze reduzieren das Risiko von Korruption, es mangelt jedoch an der Umsetzung. Der Bericht der Staatengruppe gegen Korruption (Council of Europe Group of States against Corruption - GRECO) vom Dezember 2012 fiel in Bezug auf Einführung von Empfehlungen positiv aus, da Armenien 16 von 19 Empfehlungen der Staatengruppe zufriedenstellend eingeführt hat. Positiv hervorzuheben ist die Einführung einer "e-payment" Homepage, um die Kosten der Serviceleistungen zu reduzieren und den Umgang mit Bargeld von öffentlich Bediensteten zu minimieren (FH 18.6.2013, vgl. auch: EC 20.3.2013).

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2013 verbesserte sich Armenien von Platz 105 im Jahre 2012 auf Platz 94 von insgesamt 175 untersuchten Staaten (TI 2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

EC - European Commission (20.3.2013): Implementation of the European Neighbourhood Policy in Armenia Progress in 2012 and recommendations for action,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1364315499_2013-progress-report-armenia-en.pdf , Zugriff 17.1.2014

FH - Freedom House (18.6.2013): Nations in Transit 2013 - Armenia, http://www.ecoi.net/file_upload/3256_1371628253_nit13-armenia-3rdproof.pdf , Zugriff 17.1.2014

TI - Transparency International (2013): Corruption Perceptions Index 2013, http://cpi.transparency.org/cpi2013/results/ , Zugriff 27.1.2014

Nichtregierungsorganisationen (NGOs)

Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen (wie Helsinki Committee, Yerevan Press Club, Transparency International) sind registriert. Es gibt keine Berichte darüber, dass die Registrierung einer Menschenrechts- oder einer politischen Organisation abgelehnt wurde. Die Menschenrechtsorganisationen haben Zugang zu Medien, Behörden und Vertretern internationaler Organisationen.

Die Arbeit der NGOs, die sich mit Themen wie Medien, Versammlungs- und Meinungsfreiheit oder Korruption beschäftigen, wird seitens der Exekutive nicht unterstützt. Gelegentlich werden Fälle bekannt, in denen NGOs behindert werden. So wird immer wieder berichtet, dass Menschenrechtsorganisationen der Zugang zu verwertbaren Informationen und Zahlen seitens der Behörden und Regierung erschwert wird (AA 25.1.2013, vgl. auch US DOS 19.4.2013).

Die Hilfeleistungen aller NGOs werden durch unterschiedlichste Projekte, aber auch direkte humanitäre Hilfe erbracht. Als Beispiele hierfür seien die Verteilung von Kleidung, Schuhen, Nahrungsmitteln, etc. angeführt. Weiter sind Fortbildungsmaßnahmen zu nennen, wie zum Beispiel Fremdsprachen- oder Computerkurse. Um die Nachhaltigkeit der Hilfe zu sichern gibt es auch spezielle Existenzaufbauprogramme, die den Menschen Möglichkeiten zur Einkommensgenerierung bieten und somit die Selbstständigkeit und das Selbstbewusstsein der Betroffenen wieder heben (siehe Kapitel 22 Grundversorgung/Wirtschaft) (BAA-Analysen 26.8.2010).

In Armenien gibt es eine Vielzahl von nationalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen, deren Tätigkeit offiziell keinen Einschränkungen durch staatliche Organe unterliegt. Nationale und ethnische Minderheiten sind integriert und im Rat der Nationalen Minderheiten organisiert (AA 10.2013a).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

AA - Auswärtiges Amt (10.2013a). Reise & Sicherheit, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Innenpolitik_node.html , Zugriff 16.1.2014

BAA-Analysen der Staatendokumentation (26.8.2010): Frauen in Armenien - Versorgungsmöglichkeiten nach Rückkehr

US DOS - US Department of State (19.4.2013): Country Report on Human Rights Practices 2012 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/245168/355092_en.html , Zugriff 17.1.2014

Ombudsmann

Jedes Individuum, ungeachtet seiner ethnischen Herkunft, Geschlecht, Staatsbürgerschaft, Wohnort, Rasse, Alter, politischer oder anderer Zugehörigkeit und Tätigkeiten, kann eine Beschwerde einbringen. Der Ombudsmann kann ohne Einschränkungen jegliche öffentliche Einrichtung oder Organisation besuchen (z.B. militärische Einheiten, Justizvollzugsanstalten, Untersuchungshafteinrichtungen und Strafanstalten) und er kann notwendigen Unterlagen, Dokumente und Erklärungen von jeglicher (staatlicher oder lokal verwalteter) Einrichtung, die mit einem Fall in Zusammenhang stehen, verlangen.

Der Ombudsmann kann auch selbstständig tätig werden, wenn ihm Informationen über massive Verletzungen der Grund- und/oder Menschenrechte vorliegen, Themen von herausragender sozialer Wichtigkeit, oder auch Verletzungen von Rechten von Personen, die nicht selbst tätig werden können (BAA-Analysen 31.5.2010).

Quellen:

BAA-Analysen der Staatendokumentation (31.5.2010): Justizsystem in Armenien

HRD - Human Rights Defender of the Republic of Armenia (o.D.):

offizielle Homepage, http://ombuds.am/en/guards/browse , Zugriff 17.1.2014

Allgemeine Menschenrechtslage

Auf der Grundlage von Empfehlungen des Europarats erarbeitete die armenische Regierung einige Gesetzesänderungen, um einen besseren Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. So wurden das Versammlungsrecht reformiert und Änderungen des Strafgesetzbuches verabschiedet. Das Versammlungsgesetz, das Medien- und das Wahlgesetz wurden neu formuliert, um den von der Venedig-Kommission (Europäische Kommission für Demokratie durch Recht) sowie Experten des Europarates und der OSZE ausgesprochenen Empfehlungen nachzukommen. Durch weitere Reformen im Justizsektor soll die Unabhängigkeit der Judikative gestärkt werden (AA 10.2013a).

Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts (Art. 8; 14-43), der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte einschließt. Durch die 2005 erfolgten Verfassungsänderungen wurden die Grundrechte weiter gestärkt. Eine wichtige Neuerung war Art. 3 Abs. 1, der bestimmt, dass der Mensch, seine Würde, die Grundrechte und Freiheiten die höchsten Werte sind. Allerdings bestehen erhebliche Einschränkungsmöglichkeiten (Art. 44 bis 46), insbesondere durch den Präsidenten, dem die Verfassung weitgehende Vollmachten (Notverordnungsrecht nach Art. 55 Abs. 14) einräumt. Armenien ist an zahlreiche internationale Übereinkommen auf dem Gebiet der Menschenrechte gebunden (AA 25.1.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

AA - Auswärtiges Amt (10.2013a). Reise & Sicherheit, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Innenpolitik_node.html , Zugriff 16.1.2014

Grundversorgung/Wirtschaft

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zur Verbesserung der Lebenssituation bei. Die Gas- und Stromversorgung ist grundsätzlich gewährleistet. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Angaben des nationalen Statistikamtes für das Jahr 2012 zufolge leben 35 % der Armenier unterhalb der Armutsgrenze (2009: 34,1 %). Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt. Die wirtschaftliche Lage führt nach wie vor dazu, dass der Migrationsdruck anhält. 2010 sollen nach Angaben der armenischen Migrationsbehörde 29.900 Armenier das Land verlassen haben, darunter auch viele Hochqualifizierte (AA 25.1.2013).

Die kriegerischen Auseinandersetzungen von 1988 bis 1994 mit Aserbaidschan und die andauernde Isolation durch geschlossene Grenzen zu Aserbaidschan und der Türkei belasten die armenische Wirtschaft bis heute. Nachdem die armenische Wirtschaftsleistung 2004 wieder den Stand von 1990 erreicht hatte, traf die internationale Finanzkrise Armenien hart. 2011 war eine Erholung mit einem Wirtschaftswachstum von 4,6% zu beobachten, die sich 2012 mit einem Wachstum von 7,2% fortgesetzt hat. Nach Angaben der Zentralbank hat das Volumen der Geldtransfers der armenischen Diaspora 2012 wieder zugenommen und betrug mehr als 1,5 Mrd. USD. Die Arbeitslosenquote lag 2012 offiziell unverändert bei 7%. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit ist jedoch erheblich höher. Sehr viele Menschen sind im informellen Sektor tätig, Einkommen werden oft nicht versteuert (AA 10.2013c).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

AA - Auswärtiges Amt (10.2013c): Reise & Sicherheit, Armenien, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Armenien/Wirtschaft_node.html , Zugriff 22.1.2014

Sozialbeihilfen

Das soziale Sicherungssystem Armeniens wird derzeit durch den Staatshaushalt (Familien-und andere Beihilfen, Pensionen für Militärbedienstete, soziale Unterstützungsprogramme sowie seit 2003 auch Sozialrenten) sowie durch die staatliche Sozialversicherung (Staatsrenten, Arbeitslosenunterstützung und Beihilfen bei vorübergehender Berufsunfähigkeit oder Schwangerschaft) finanziert. Eine Reihe von Sozialprogrammen wird wesentlich durch Spenden unterstützt. Dies gilt insbesondere für öffentliche Arbeiten und Sozialversicherungsprogramme (IOM 8.2013).

Familienbeihilfen

Als bedürftig registrierte Familien können Familiensozialhilfe erhalten, sofern die errechnete Bedürftigkeit einen von der Regierung der Republik Armenien im Jahr 2005 festgelegten (und noch immer gültigen) Schwellenwert von 34,00 Punkten überschreitet.

Einmalige Beihilfen

Können Familien gewährt werden, deren Bedürftigkeitspunktzahl unter dem Mindestschwellenwert von 34,00 (jedoch über 0) liegt. Die Entscheidung über die Bedürftigkeit einer Familie obliegt dem Sozialrat. Des Weiteren wird Familien verstorbener Soldaten eine Beihilfe in Höhe der Familiensozialhilfe gewährt. Die Anerkennung des Anspruchs der einmaligen Beihilfe wird alle drei Monate von dem Amt geprüft. Die Summe beträgt 6.000 AMD (entsprechend dem Leistungsgrundbetrag).

Senioren und Behinderte

Die sozialen Unterstützungsprogramme für Senioren und behinderte Mitbürger basieren auf den Anforderungen des Gesetzes über die soziale Absicherung behinderter Personen in Armenien. Hierzu zählen die Vorbeugung von Behinderungen, die medizinische und soziale Rehabilitation und Prothesen sowie insbesondere prothetische und orthopädische Unterstützung behinderter Personen, die Bereitstellung von Rehabilitationsmitteln und soziale Dienste für Senioren und behinderte Bürger.

Bereits personalisierte Pensionäre können einen Preisnachlass von den öffentlichen Versorgungseinrichtungen (einschließlich Preisnachlässe für Gas und Strom) fordern. Alleinstehende Pensionäre über 70 Jahre und alleinstehende behinderte Erwachsene können Pflegeleistungen beim "In-house Social Service Center for lonely old and disabled persons" (South-Western B-1 Quarter, Tel. 74-04-02) beantragen.

Renten

Personen, die 63 Jahre (bei Frauen beginnt der Grundrentenanspruch mit 59) und älter sind und mindestens 5 Jahre gearbeitet haben, erhalten Anspruch auf eine Altersrente. Darüber hinaus besteht für Frauen eine Alterstabelle, nach der sich das Alter bis zur Anspruchsberechtigung pro Jahr um 6 Monate erhöht, bis das 63. Lebensjahr erreicht wurde. Personen im Alter von 55 Jahre, die 25 Jahre gearbeitet und hiervon 15 Jahre besonders schwere Arbeit geleistet haben, können eine Vorzugsrente beanspruchen. Die armenische Regierung hat eine Liste der betreffenden Positionen und Tätigkeiten veröffentlicht. Bis zum Erreichen des Rentenalters besteht eine Alterstabelle. Personen, die mindestens 35 Jahre gearbeitet haben und aufgrund einer Initiative des Arbeitgebers gekündigt wurden (mit Ausnahme bei Austritten aufgrund von Verstößen gegen Arbeitsvorschriften) und innerhalb von 30 Tagen nach dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis bei dem zuständigen Arbeitsamt einen Antrag gestellt haben, erfüllen die Voraussetzungen um eine Rente zu erhalten. Im Fall einer Berufsunfähigkeitsrente für die Altersgruppe ab 30 Jahre muss die betreffende Person mindestens 5 Arbeitsjahre vorweisen können (IOM 8.2013).

Arbeitslosenunterstützung

Als arbeitssuchend gelten alle Personen ab 16 Jahren, die sich ungeachtet ihrer Beschäftigung bei den staatlichen Arbeitsämtern arbeitssuchend melden. Der Status des Arbeitssuchenden wird allen arbeitslosen Jobsuchern zuerkannt, die das arbeitsfähige Alter erreicht haben und keine gesetzlichen Leistungen beziehen, sofern sie mindestens 1 Jahr gearbeitet haben und sich bei dem Arbeitsamt anmelden.

Gemäß den von der armenischen Regierung vorgegebenen Verfahren kann Arbeitslosen, deren Zahlungsanspruchsfrist abgelaufen ist, sowie Arbeitssuchenden, die nicht als arbeitslos gelten und daher gemäß diesem Gesetz keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben, finanzielle Hilfe gewährt werden. Die armenische Regierung bestimmt den Grundbetrag der Arbeitslosenunterstützung (IOM 8.2013).

Quellen:

IOM - International Organization for Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Armenien

Medizinische Versorgung

Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet. Das Gesetz über die kostenlose medizinische Behandlung regelt den Umfang der kostenlosen ambulanten oder stationären Behandlung bei bestimmten Krankheiten und Medikamenten sowie zusätzlich für bestimmte sozial bedürftige Gruppen (z.B. Kinder, Flüchtlinge, Invaliden). Es hängt allerdings von der Durchsetzungsfähigkeit und Eigeninitiative der Patienten ab, ob es gelingt, ihr Recht auf kostenlose Behandlung durchzusetzen. Nichtsdestotrotz ist die Qualität der medizinischen Dienstleistung weiterhin häufig von "freiwilligen Zuzahlungen" bzw. "Zuwendungen" an den behandelnden Arzt abhängig, auch bei Abschluss einer privaten Krankenversicherung. In letzter Zeit erschienen in der Presse Artikel mit Informationen über die kostenlose Behandlung; immer mehr Patienten bestehen erfolgreich auf diesem Recht. Die Behandlung in der Poliklinik des jeweiligen Wohnbezirks ist grundsätzlich kostenlos. Problematisch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten:

Nicht immer sind alle Präparate vorhanden, obwohl viele Medikamente in Armenien in guter Qualität hergestellt und billig verkauft werden (AA 25.1.2013).

Die primäre medizinische Versorgung wird in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren/Feldsher-Stationen erbracht. Das Verhältnis der Ärzte zur Einwohnerzahl beträgt ein Arzt pro 1 200 bis 2 000 Einwohner und ein Kinderarzt für 700 bis 800 Kinder. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von 37 regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Yerewan vorbehalten ist. Darüber hinaus finden sich in der Hauptstadt sechs Kinder-und Mutterschaftskrankenhäuser. Die meisten Krankenhäuser sind staatlich. Derzeit bestehen vier private Krankenhäuser und ein teilweise privates Hospital. Des Weiteren gibt es ein privates Diagnosezentrum in Yerewan, das zu 80% im privaten Sektor aktiv ist. Ein fundamentales Problem der primären medizinischen Versorgung betrifft die Zugänglichkeit, die für einen großen Teil der Bevölkerung extrem schwierig geworden ist. Dieser Teil der Bevölkerung ist nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Es wird geschätzt, dass 25% der gesamten jährlichen Kosten des Gesundheitswesens vom Staat, 15% von humanitären Hilfsorganisationen und 60% von den Patienten getragen werden (IOM 8.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

IOM - International Organization for Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Armenien

Behandlungsmöglichkeiten von bestimmten Krankheiten

Insulinabgabe und Dialysebehandlung erfolgen im Prinzip kostenlos:

Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze ist zwar beschränkt, aber gegen Zahlung ist eine Behandlung jederzeit möglich. Die Dialysebehandlung kostet ca. USD 50 pro Sitzung. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Yerewan möglich, auch in den Städten Vanadzor und Gyumri sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet.

Die größeren Krankenhäuser sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos (AA 25.1.2013).

Die öffentlichen Sozialpflegedienste in Armenien sind sehr begrenzt. Der private Sektor ist an der Erbringung dieser Leistungen nicht beteiligt. Es gibt nur ein einziges Krankenhaus für geistig und körperlich behinderte Menschen und keine Pflegeheime für Patienten, die eine dauerhafte, langfristige Betreuung benötigen. Es gibt keine Vorkehrungen für eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen und keine Tagespflegeeinrichtungen für Patientengruppen mit speziellen Bedürfnissen und ebenfalls kein Sozialarbeiternetzwerk. Es gibt 7 regionale psychiatrische Kliniken, die lediglich eine langfristige Aufnahme von Patienten mit chronischen Erkrankungen bei nur geringer medizinischer Versorgung bieten.

Medizinisch-soziale Einrichtungen des Ministeriums für Arbeit und Soziales:

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

IOM - International Organization for Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Armenien

Behandlung nach Rückkehr

Rückkehrer werden nach Ankunft in die Gesellschaft integriert. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen, auch im Staatsdienst, und überdurchschnittlich gute Chancen, Arbeit zu finden. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt. Es gibt keine Berichte darüber, dass Personen, die im Ausland politisch aktiv waren, nach ihrer Rückkehr nach Armenien Repressionen erfahren haben (AA 25.1.2013).

Aufgrund fehlender finanzieller Mittel gibt es zurzeit kein staatliches Programm zur Vorbereitung auf die Unterbringung von Heimkehrern in Armenien. Eine vorübergehende Unterkunft (maximal 2 Monate) kann den Flüchtlingen, die einen Antrag auf Asyl gestellt haben, von der Migrationsbehörde der Republik Armenien zur Verfügung gestellt werden. Jeder Fall wird jedoch ausführlich geprüft und die endgültige Entscheidung über die Bereitstellung der Unterkunft erfolgt nach dem Kollegialprinzip (IOM 08.2013).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (25.1.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

IOM - International Organization for Migration (8.2013):

Länderinformationsblatt Armenien"

I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Ebenso stelle eine Rückkehrentscheidung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben der bP dar. Weiter Abschiebehindernisse wurden nicht festgestellt und die Frist zur freiwilligen Ausreise stelle sich als angemessen dar.

I.3. Gegen die genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsätzen innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde das bisherige Vorbringen wiederholt. Es wurde in Abrede gestellt, dass sich das Vorbringen der bP als nicht glaubhaft darstelle. Insbesondere sei das Erinnerungsvermögen der bP1 aufgrund der erlittenen Schlaganfälle beeinträchtigt.

Die Beiziehung eines länderkundigen Sachverständigen oder Vertrauensanwaltes hätte gezeigt, dass das Vorbringen der bP zum behaupteten Ausreisegrund den Tatsachen entsprechen würde, weshalb die Durchführung eines entsprechenden Verfahrensschrittes ausdrücklich beantragt wurde.

I.4.1. Nach der Vorlage der Beschwerdeakte forderte das ho. Gericht die belangte Behörde auf, ihre Begründung zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides, insbesondere im Hinblick auf den Gesundheitszustand der bP1 zu konkretisieren. Dieser Aufforderung wurde mit Schriftsatz vom 27.10.2014 entsprochen.

(Auszugsweise Wiedergabe der Stellungnahme: "Der Antragsteller gab bei seiner Befragung beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in Villach am 25.06.2014 an, dass er zwei Schlaganfälle erlitten hätte. Weiters leide er an Diabetes. Der Antragsteller gab weiters an, dass er auch diesbezüglich in seinem Heimatland behandelt worden wäre. Zuerst habe er im Jahr 2012 (lt. med. Schriftverkehr 2011) dann im Jahr 2013 einen weiteren Schlaganfall erlitten. Sein Gesundheitszustand sei stabil, er sei psychisch und physisch in der Lage Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Der Antragsteller kam Selbständig zur Einvernahme. Ein derzeitiger Pflege- bzw. Rehabilitationsbedarf wurde nicht geltend gemacht. Der Antragsteller wurde aufgefordert bis 18.07.2014 Befunde bzw. medizinischen Schriftverkehr nachzureichen. Aus dem medizinischen Schriftverkehr geht ein Pflege- bzw. Rehabilitationsbedarf nicht hervor.

Der Antragsteller leidet an Diabetes und erlitt bereits in seiner Heimat zwei Schlaganfälle.

Der Antragsteller besitzt in Armenien ein eigenes Haus und wäre wohnversorgt. Die Tochter des Antragstellers wohnt in [...], Armenien, und kann dieser auf die Hilfe seiner Familienangehörigen zurückgreifen.

Weiters wird auf die beiliegenden Informationen (Quelle Staatendokumentation) hinsichtlich Armenien verwiesen. Ebenso befinden sich in Anlage die Länderinformationen des BAMF (August 2013) zu Armenien und die Informationen der Universitätsklinik in Jerewan (Yerevan State Medical University - www.ysmu.am ) hinsichtlich Schlaganfallbehandlung.

Auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten Erkrankungen leidet der Antragsteller derzeit nicht an einer akut, lebensbedrohlichen Erkrankung, sodass auch seine gesundheitliche Verfassung einer Abschiebung nicht entgegen steht (zur Judikatur hinsichtlich der Abschiebung kranker Fremder vgl. VfSlg. 18.407/2008).

Dass die vom Antragsteller allenfalls in Zukunft benötigte medizinische Behandlung in Armenien nicht möglich wäre und insofern ein Abschiebungshindernis vorliegen würde, ist angesichts der Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung in Armenien, wonach die medizinische Versorgung in Armenien flächendeckend gewährleistet ist, nicht ersichtlich.

...

Schließlich sprach der EGMR in der Beschwerdesache NDANGOYA v Schweden, 22.06.2004, Nr. 17868/03, aus, dass in Tansania Behandlungsmöglichkeiten auch unter erheblichen Kosten für die in 1-2 Jahren ausbrechende AIDS-Erkrankung des Beschwerdeführers möglich ist; es sind auch familiäre Bezüge gegeben, weshalb die Abschiebung für zulässig erklärt wurde.

In einem anderen Fall einer an AIDS erkrankten aus Uganda stammenden Beschwerdeführerin hielt der EGMR an der hohen Schwelle bei Fällen, in denen der behauptete Schaden nicht aus den absichtlichen Handlungen oder Unterlassungen staatlicher Behörden oder nichtstaatlicher Akteure resultiert, fest. Der Zustand der Beschwerdeführerin war im Entscheidungszeitpunkt aufgrund der in Großbritannien erhaltenen medizinischen Versorgung stabil, jedoch würde ihre Lebenserwartung ohne antiretrovirale Therapie laut einem Gutachten weniger als ein Jahr betragen.

Der EGMR hielt in seinem Urteil fest, dass die Konvention trotz ihrer sozialen und wirtschaftlichen Implikationen im Wesentlichen bürgerliche und politische Rechte schützt. Es ist nicht Aufgabe eines Mitgliedstaates Ungleichheiten im medizinischen Fortschritt durch die Gewährung von kostenloser und unbeschränkter Gesundheitsversorgung für alle Fremden ohne Aufenthaltsrecht auszugleichen. Dies gilt auch, wenn die physische oder psychische Krankheit eine verringerte Lebenserwartung verursacht und eine spezielle Behandlung erfordert, die im Herkunftsland nicht ohne weiteres oder nur zu beträchtlichen Kosten erhältlich ist.

Obwohl in Uganda nur die Hälfte jener Personen, die antiretrovirale Medikamente benötigen, aufgrund mangelnder Ressourcen diese auch bekommen, fand der Gerichtshof keine Verletzung von Art. 3 EMRK im Fall einer Ausweisung, da die Beschwerdeführerin im Entscheidungszeitpunkt nicht todkrank war und offensichtlich Familienmitglieder in Uganda hatte (EGMR 25.08.2008, N v. UK, Nr. 26565/05).

Die drei letztgenannten Entscheidungen beinhalten somit, dass bei körperlichen Erkrankungen im allgemeinen (sofern grundsätzliche Behandlungsmöglichkeiten bestehen; bejaht z.B. für AIDS in Tansania, Togo und Uganda, für Down-Syndrom in Bosnien-Herzegowina und schwere psychische Krankheiten in Bangladesh) nur Krankheiten im lebensbedrohlichen Zustand relevant sind.

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Asylverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

Das Bundesamt geht im Einklang mit der Judikatur des EGMR davon aus, dass im Zusammenhang mit Krankheitsgründen eine Abschiebung grundsätzlich nur bei einer existenzbedrohenden Erkrankung und bei Fehlen jeglicher Behandlungsmöglichkeiten im Sinne des Art. 3 EMRK unzulässig wäre. Dies kann, wie oben dargelegt wurde, in Armenien auf Basis der aktenkundigen Beweislage im Allgemeinen nicht angenommen werden, besteht eine im Sinne der Judikatur des EGMR hinreichende medizinische Grundversorgung, ebenso wenig kann dies in Ihrem konkreten Fall angenommen werden.

vgl. auch VfGH: "... Zusammenfassend ergibt sich aus den erwähnten Entscheidungen, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielland bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (vgl. Fall Ndangoya gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom). ..." (VfGH 06.03.2008, Zahl B 2400/07-9).

Abschiebungsschutz als Realisierung der Rechte aus Art. 3 EMRK soll einem Fremden nicht eine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes des Aufenthaltsstaates sichern, sondern vor gravierender Beeinträchtigung der Rechtsgüter Leib und Leben bewahren (vgl. hiezu z.B. auch das Urteil des OVG NRW vom 20.9.2006, Zahl 13 A 1740/05.A). Diese Restriktion leuchtet nicht zuletzt aus der Absolutheit hervor, mit der Art. 3 EMRK das Recht eines jeden, nicht gefoltert oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, garantiert. Dadurch, dass der EGMR in seiner Judikatur zur Art. 3 EMRK regelmäßig auf den hohen Eingriffschwellenwert ("high threshold") dieser Bestimmung hinweist (und deshalb letztlich auch viele Beschwerden verwirft), bringt er unmissverständlich zum Ausdruck, dass Art. 3 EMRK lediglich einen - aber dafür absoluten und unverbrüchlichen - Mindestschutzstandard garantiert, den er trotz der Fortentwicklungen in den modernen Gesellschaften und sich ändernder sozialer Bedürfnisse offenkundig nicht erweitert (AsylGH 24.07.2008, E2 310892-1/2008).

Zusammenfassend ergibt sich aus den erwähnten Entscheidungen, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzliche Behandlungsmöglichkeiten im Zielland bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (vgl. Fall Ndangoya). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom). (VfGH 6.3.2008, Zl. B 2400/07).

Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso im h. Erk. vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E zitierte Auskunft des Bundesministeriums für Inneres Abt. II/3/C, Fremdenpolizeiliche Zwangsmaßnahmen, in welcher mitgeteilt wurde, dass, wenn im Voraus bekannt sei, dass eine Problemabschiebung bevorstehe, vom Zeitpunkt der Festnahme an ein Amtsarzt bei der Amtshandlung zugegen sei. Für solche Fälle habe sich auch der stellvertretende Chefarzt des Bundesministeriums für Inneres bereit erklärt, für die ärztliche Versorgung zu sorgen. Es könne also davon ausgegangen werden, dass in solchen Fällen (bei Charterabschiebungen, ..., sei dies Standard) von Beginn der Amtshandlung bis zur Übergabe der betreffenden Person an die Behörden des Heimatlandes eine ärztliche Versorgung gewährleistet sei. Auch sei es bei derartigen Charterabschiebungen gängige Praxis, dass Vertreter des Menschenrechtsbeirates sowohl bei den Kontaktgesprächen als auch im Rahmen der Flugabschiebung als Beobachter dabei seien. Transporte von Kindern würden auch von speziell ausgebildeten weiblichen Beamten begleitet. Auch könne die hauseigene Psychologin des Bundesministeriums für Inneres beigezogen werden und mitfliegen, wenn man von dem Abschiebungsvorgang rechtzeitig Kenntnis erlange.

Aufgrund der getroffenen Feststellungen ergeben sich keine Hinweise, dass die Erkrankung vor dem Hintergrund der in Armenien bestehenden Behandlungsmöglichkeiten mit unmittelbarer Lebensgefahr verbunden wäre. Ebenso ergaben sich keine Hinweise, dass der Antragsteller keinen Zugang zum armenischen Gesundheitssystem finden würde. Dass der Antragsteller die ärztliche Konsultation mit eigenen Mittel bestreiten muss, ist im Einklang mit Art. 3 EMRK.

Hinsichtlich der vom Antragsteller vorgebrachten gesundheitlichen Probleme wird ausgeführt, dass bei ihm derzeit keine existenzbedrohende Krankheit im Sinne der obigen Rechtssprechung vorliegt, welche ihm bei einer Rückkehr nach Armenien in eine "unmenschliche Lage" versetzen würden.

Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Antragsteller im Falle einer Rückkehr in seinem Herkunftsstaat, wo er über ein familiäreres Netzwerk (Tochter) verfügt, in der Lage sein wird, seine dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen und - auch unter Betrachtung seines Gesundheitszustandes - nicht über anfängliche Schwierigkeiten hinaus in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten wird. Eine Rückführung erfolgt gemeinsam mit seiner Ehefrau. Seine Ehefrau wird auch durch Arbeitsaufnahme dazu beitragen können ein gemeinsames Familieneinkommen zu erwirtschaften. Ebenso geht das Bundesamt davon aus, dass die Anragsteller in Ihrer Heimat wohnversorgt sind."

I.4.2. Weiters stellte das ho. Gericht eine Anfrage an die Staatendokumentation der belangten Behörde. Diese führte unter Heranziehung eines Vertrauensanwaltes Recherchen vor Ort durch, bei denen sich ergab, dass die Partei HHSch zwischenzeitig aufgrund eines Zusammenschlusses unter dem Namen ANC auftritt und weder der von der bP1 namhafte noch sonstige Proponenten des ANC die bP1 kannten bzw. ihr politisches Engagement bzw. die daraus resultierenden Probleme bestätigen könnten. Ebensowenig konnten Bewohner des Dorfes, aus dem die bP stammen, das politische Engagement der bP1 bestätigen, sie bestätigten jedoch ihre gesundheitlichen Probleme.

Der behauptete Überfall auf das Wahllokal fand laut Auskunft des Vertrauensanwaltes nicht statt und kann der Berichtslage keine Hinweise auf eine aktuelle Verfolgung der Mitglieder des ANC entnommen werden.

I.4. Für den 16.12.2014 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer Beschwerdeverhandlung.

Gemeinsam mit der Ladung wurden den bP Feststellungen zur asyl- und abschiebungs-relevanten Lage im Herkunftsstaat zugestellt. Ebenso wurden sie -in Ergänzung bzw. Wiederholung zu den bereits bei der belangten Behörde stattgefundenen Belehrungen- ua. hinsichtlich ihrer Obliegenheit zur Mitwirkung im Verfahren manuduziert und aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen.

Für den Fall, dass den bP gegenwärtig Bescheinigungsmittel nicht zugänglich sind, weil sie sich beispielsweise noch im Herkunftsstaat befinden, wurden die bP eingeladen, ehest-möglich die erforderlichen Schritte zu setzen, damit ihnen diese zugänglich werden und sie im Anschluss daran vorzulegen. In diesem Fall wurden sie auch ersucht, dem erkennenden Gericht bekannt zu geben, welche Bescheinigungsmittel sie beabsichtigen vorzulegen, wo sich diese gegenwärtig befinden und wann mit deren Vorlage gerechnet werden kann.

Sollte den bP die Existenz von Bescheinigungsmitteln bekannt sein, sie darauf aber keinen Zugriff haben, wurden sie aufgefordert innerhalb der oa. Frist bekannt zu geben, um welche Bescheinigungsmittel es sich handelt, wo sich diese befinden und warum sie hierauf keinen Zugriff hat.

Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung brachten die befragten bP vor, bisher im Asylverfahren wahrheitsgemäße Angaben gemacht zu haben.

Der Verlauf der Verhandlung wird wie Folg wieder gegeben:

"...

RI: Haben Sie bei Ihren bisherigen Aussagen vor der belangten Behörde immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen?

P1 und P2: Wir haben dort alles angegeben, wir haben nichts hinzuzufügen oder zu korrigieren. Unsere Fluchtgründe gelten noch, die Gefahr existiert immer noch.

P2: Mein Mann hat schwerwiegende gesundheitliche Probleme. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich täglich. Ich könnte mit ihm auf keinen Fall in seinem Zustand nach Armenien zurückkehren.

RI: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids etwas geändert?

P2: Es hat sich vieles hinsichtlich unserer Fluchtgründe geändert. Die Freunde meines Mannes, die sehr lange Zeit auf der Flucht waren, sind jetzt festgenommen worden und sind in Haft.

P1: Nickt zustimmend.

...

RI: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht [die Begriffe werden mit der P abgeklärt, sodass ihr diese geläufig sind]): Sind Sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie Medikamente ein?

P1: Ich habe Diabetes. Ich hatte zwei Schlaganfälle aufgrund meiner Probleme in der Heimat. Ich habe einen Operationstermin am 02.02.2015. Ich muss täglich Tabletten gegen Cholesterin und zu hohen Blutdruck einnehmen und drei Mal täglich muss ich mir Insulin spritzen.

P1 legt diverse ärztliche Schreiben vor.

RI: Welchen Operationstermin haben Sie am 02.02.2015?

P1: An der Blase werde ich operiert, ich kann nicht normal urinieren. Ich wurde zwar wegen meinem Blasenleiden behandelt, jetzt ist aber eine Operation notwendig.

RI: Wie sieht es bei Ihnen aus gesundheitlich, Fr. [P2]?

P2: Ich habe eine Schilddrüsenerkrankung und hohen Blutdruck, aber ich fühle mich grundsätzlich wohl. Ich muss wegen der Schilddrüse täglich Tabletten nehmen und gegen den hohen Blutdruck bei Bedarf.

RI: Welche Krankheiten bestanden bereits in Armenien?

P2: Die Schilddrüsenerkrankung wurde hier in Österreich diagnostiziert.

P1: Nach dem Vorfall in Armenien, nachdem ich geschlagen und misshandelt wurde erlitt ich zwei Schlaganfälle.

RI: Welche Krankheiten wurden bereits in Armenien behandelt?

P2: Ich wurde gar nicht behandelt in Armenien.

P1: Zwei bis drei Monate lang nach jedem Schlaganfall habe ich sowohl Infusionen als auch Medikamente einnehmen müssen, diese haben mir aber nicht geholfen. Nachgefragt gebe ich an, dass ich gegen Diabetes in Armenien Tabletten einnehmen musste und gegen den hohen Blutdruck habe ich nichts eingenommen. Erst nach dem Schlaganfall wusste ich, dass ich einen hohen Blutdruck habe, vorher wurde dies nicht behandelt. Nach dem ersten Schlaganfall wurde ich vier Monate und nach dem zweiten Schlaganfall zwei Monate lang medikamentös behandelt.

RI: Welche von den von Ihnen geschilderten Krankheiten ist in Armenien nicht behandelbar?

P1: Keiner meiner Krankheiten sind behandelbar. Die Ärzte betrügen nur, der Patient wird nicht behandelt. Das ist der Grund für meine Flucht, sie wollten mir nicht helfen, sie wollten mich umbringen.

P2: schweigt.

RI: Besitzen Sie außer den asylrechtlichen Aufenthaltstitel in Österreich noch ein weiteres Aufenthaltsrecht?

P1 und P2: Nein.

RI: Leben Sie in Österreich noch mit jemand anderen zusammen?

P1 und P2: Nein.

RI: Haben Sie in Österreich oder in anderen Staaten außerhalb Ihres Herkunftsstaates noch Verwandte?

P1: Unsere Tochter lebt mit ihrer Familie in Russland. Ich habe einen Bruder in Armenien.

P2: Ich habe einen Bruder, er lebt teilweise in Russland und teilweise in Armenien.

RI: Haben Sie seit Ihrer Asylantragstellung in Österreich das Bundesgebiet einmal verlassen?

P1 und P2: Nein.

RI: Wovon bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich?

P2: Wir bekommen soziale Unterstützung.

RI: Haben Sie versucht (sei es erfolgreich oder erfolglos) um Ihre Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen?

P2: Ich würde sehr gerne arbeiten, habe aber keine Papiere. Ich bin gesund und arbeitsfähig. Auch mein Mann ist ein arbeitsamer Mensch, aber leider ist er krank.

RI: Wie würden Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich bestreiten, wenn Sie ein Aufenthaltsrecht bekämen?

P2: Ich würde auf jeden Fall arbeiten gehen.

P1: Wenn ich behandelt werde und wenn es mir einigermaßen besser gehen würde, dann würde ich auch arbeiten gehen.

RI: Welche Ausbildungen haben Sie in Österreich absolviert?

P2: Ich habe drei Deutschkurse absolviert, die Bestätigungen habe ich bereits vorgelegt. Ich habe jetzt einen Intensivkurs in Klagenfurt abgeschlossen. Ich melde mich jetzt für B1 Kurse an.

RI: Wie nehmen Sie am sozialen Leben in Österreich teil (Mitgliedschaft bei Vereinen, Organisationen, ehrenamtliches Engagement, etc.)?

P1 und P2: Wir gehen sehr oft in die Kirche. Eine Mitgliedschaft in einem Verein haben wir nicht.

RI: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft in Österreich vor?

P1 und P2: Wir würden ein menschenwürdiges Leben führen. Wir würden arbeiten. Das Leben würde uns zeigen, wie es weitergeht.

(Beginn der Befragung von P1, P2 verlässt den Verhandlungssaal)

RI: Wollen Sie etwas vorbringen, was P2 nicht wissen soll?

P: Ich habe ein einziges Geheimnis. Es ist eine sehr alte Geschichte. Es hat mit der Ermordung von Demirdjan zu tun. Ich habe es bis jetzt niemanden verraten und werde es in Zukunft auch nicht machen. Das ist hauptsächlich der Grund, warum ich in Armenien verfolgt werde.

RI: Wollen Sie dieses Geheimnis heute sagen?

P: Nein. Ich habe geschworen, dass ich es niemanden sage.

RI: (ohne Dolmetscherin) Sprechen Sie Deutsch?

P: Nicht gut.

RI: (ohne Dolmetscherin) Wie sind Sie heute nach Linz gekommen?

P: Mit Zug gekommen, mit Bus [...], Zug nach Linz, Taxi sitzen.

RI: (ohne Dolmetscherin) Was haben Sie gestern gemacht?

P: Sitzen zu Hause.

RI: Haben Sie noch zu jemanden in Ihrem Herkunftsstaat Kontakt?

P: Ja. Mit meinen Freunden. Sie warnen mich manchmal oder teilen mir einiges mit, aber sie wissen nicht, wo ich mich aufhalte.

RI: Haben Sie in Armenien weitere Verwandte?

P: Zwei Cousins väterlicherseits und zwei Cousinen väterlicherseits.

RI: Wovon bestreiten diese den Lebensunterhalt?

P: Sie beschäftigen sich mit der Landwirtschaft, sie haben Tiere. Die wirtschaftliche Lage ist ziemlich schlecht.

RI: Sind Sie strafrechtlich verurteilt in Österreich?

P: Nein.

RI: Sind Sie auf andere Art und Weise mit der österreichischen Rechtsordnung in Konflikt geraten?

P: Nein.

RI: Ist Ihnen bekannt, dass Sie illegal nach Österreich einreisten?

P: Ja.

RI: Das ho. Gericht kann sich nunmehr ein Bild über Ihre privaten und familiären Bindungen in Österreich machen und erscheinen hierzu seitens des ho. Gerichts keine weiteren Fragen offen. Wollen Sie sich noch weitergehend zu Ihren privaten und familiären Bindungen in Österreich bzw. der Integration äußern?

P: Ich würde Sie bitten mir die gültigen Papiere zu geben, oder mir die Möglichkeit zu geben in ein anderes Land zu fahren, wo ich aufgenommen werde. Ich kann auf keinen Fall nach Armenien zurückkehren.

RI: Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde seitens der belangten Behörde abgewiesen und wurde im angefochtenen Bescheid die Entscheidung begründet. Wie treten Sie den Argumenten der belangten Behörde entgegen.

P: Ich kann mich nicht erinnern. Ich habe Gedächtnisprobleme.

RI: Unter welchen Verhältnissen lebten Sie in Armenien und wovon bestritten Sie Ihren Lebensunterhalt?

P: Wir lebten in meinem Eigentumshaus. Ich hatte einen Bauernhof und Tiere und arbeitete auch in der Landwirtschaft.

RI: Was wurde aus Ihrem Haus?

P: Ich weiß es nicht. Ich habe es zurückgelassen und bin geflüchtet. Meine Freunde haben mir gesagt, dass alle Fensterscheiben zerschlagen sind und nur die Mauern noch stehen würden. Das Grundstück haben sie auch weggenommen.

RI: Wer hat das Grundstück weggenommen?

P: Das weiß ich nicht. Ich war nicht dort.

RI: Welche Freunde haben Ihnen das berichtet?

P: Meine in Armenien lebenden Freunde. Das sind die Parteifreunde.

RI: Was würde Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat konkret erwarten?

P: Sie würden mich umbringen. Sie zwingen mich mein Geheimnis zu verraten, das mache ich aber nicht und aus diesem Grund werde ich ermordet.

RI: Bei welcher Partei waren Sie Mitglied?

P: Bei HHSch.

Bei Rückübersetzung: HJK armenische Volkspartei. (Dolmetscherin gibt an, dass dies bereits anfangs angegeben wurde)

RI: Ist das der aktuelle offizielle Name der Partei?

P: Nach wie vor gibt es diese Partei, aber jetzt hat sie sehr wenige Mitglieder, weil sie sich mit einer anderen Partei zusammengeschlossen hat. Nachgefragt gebe ich an, dass sie sich mit Blühendes Armenien, Erbe, und dem armenischen Nationalkongress zusammengeschlossen. Alle dieser Parteien sind in der Opposition.

RI: Stellten Sie sich vor, Sie wollen mich dazu bewegen, dieser Partei beizutreten. Wie würden Sie argumentieren?

P: In Armenien gibt es keine Gesetze, keine Regeln. In Armenien gibt es keine Menschenrechte. In Armenien herrscht Armut, die Bevölkerung leidet darunter und ist in wirtschaftlicher Not. Ich würde Sie dazu bewegen, dass Sie dieser Partei beitreten, damit wir eine neue Regierung bilden, die dem Volk Arbeitsmöglichkeiten schafft. Die Gesetze werden in Armenien nicht praktiziert. Wenn sich ein Oppositioneller sich an die Polizei wendet, wird ihm nicht geholfen, weil er in Opposition steht. Das sind unsere Argumente, die wir jedes Mal bringen.

RI: Warum legen Sie keine Bestätigung der HHSch (Nach Rückübersetzung: HJK) über ihre Mitgliedschaft, Aktivitäten und Schwierigkeiten vor?

P: Als ich den Asylantrag gestellt habe, habe ich eine Mitgliedskarte dieser Partei vorgelegt, das war im Erstverfahren bei Mag. Novak.

RI: P wird im Erstverfahren vorgelegte Karte gezeigt (OZ 308760/C1/6-VII/23/07). Meinen Sie diese Karte?

P: Ja.

Dolmetscherin: (Karte 1 weiß) Die P ist Vertrauensperson des Kandidaten[...]. Er ist Kandidat des nationalen Kongresses. Datum:

28.05.2003.

(Karte 2 rot): Bestätigt die Mitgliedschaft der regionalen Wahlkommission. Ausstellung: 02.05.1999.

(RI beginnt mit der Befragung der P2. P1 verlässt nach Aufforderung den Verhandlungssaal.)

RI: Wollen Sie etwas vorbringen, was P1 nicht wissen soll?

P: Nein. Er hat sicher ein Geheimnis vor mir, aber ich habe keines.

RI: Warum glauben Sie, dass Ihr Gatte ein Geheimnis hat?

P: Berufsbedingt hatte er immer wieder Probleme. Ich habe gemerkt, dass es ihm nicht gut geht, er hat mir aber nie etwas Näheres erzählt, bis sich die Lage so sehr zugespitzt hatte, dass mir alles klar war.

RI: Was meinen Sie mit "berufsbedingt"?

P: Man hat die Tiere gestohlen, das Heu hat man angezündet. Bis dort hin wusste ich von gar nichts, es war immer sein Geheimnis. Dann war alles klar für mich. Seine Kollegen, seine Mitarbeiter, seine Parteikollegen kamen teilweise zu uns und teilweise trafen sie sich bei der Parteizentrale. Mein Mann kam spät nach Hause. Jedes Mal wenn ich nach den Problemen fragte, wollte er mir nichts erzählen.

RI: (ohne Dolmetscherin) Sprechen Sie Deutsch?

P: Ein bisschen.

RI: (ohne Dolmetscherin) Was haben Sie gestern gemacht?

P: Ich gestern geputzt meine Wohnung. Waschen Kleidung, treffen meine Chefin, gesprochen zusammen. Sie wünscht mir alles Gute für das Interview.

RI: Haben Sie noch zu jemanden in Ihrem Herkunftsstaat Kontakt?

P: Ich habe manchmal über Skype Kontakt zu meinen Nachbarn.

RI: Was erzählen Ihnen die Nachbarn?

P: Dass die wirtschaftliche und politische Lage in Armenien sehr schlecht ist. Dass es ständig Versammlungen und Demonstrationen gibt. Wir sprechen über die Gesundheit meines Mannes.

RI: Sind Sie in Österreich strafrechtlich verurteilt?

P: Nein.

RI: Sind Sie auf andere Art und Weise mit der österreichischen Rechtsordnung in Konflikt geraten?

P: Nein.

RI: Ist Ihnen bekannt, dass Sie illegal nach Österreich einreisten?

P: Ja.

RI: Das ho. Gericht kann sich nunmehr ein Bild über Ihre privaten und familiären Bindungen in Österreich machen und erscheinen hierzu seitens des ho. Gerichts keine weiteren Fragen offen. Wollen Sie sich noch weitergehend zu Ihren privaten und familiären Bindungen in Österreich bzw. der Integration äußern?

P: Nein. Wir leben hier so wie Asylanten leben.

RI: Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde seitens der belangten Behörde abgewiesen und wurde im angefochtenen Bescheid die Entscheidung begründet. Wie treten Sie den Argumenten der belangten Behörde entgegen.

P: Ich kann mich nicht einmal an die Begründung erinnern, ich weiß nur, dass unser Antrag abgewiesen wurde. Seit 10 Jahren leben wir in einer unsicheren Situation. Zunächst haben wir in Armenien unser Hab und Gut verloren und dann hat mein Mann seine Gesundheit verloren.

RI: Wovon haben Sie in Armenien Ihren Lebensunterhalt bestritten?

P: Wir haben beide in der Landwirtschaft gearbeitet, wir hatten auch Tiere, wie z.B. Hühner.

RI: Was ist aus Ihrer Landwirtschaft geworden?

P: Ich weiß es nicht, wir haben alles zurückgelassen. Die Nachbarin hat mir erzählt, dass Leute in unser Haus eingebrochen sind und sie sagte auch, dass Leute sich immer wieder nach uns erkundigen. Ein Teil unseres Grundes hat man uns weggenommen, ich glaube andere Leute haben es bebaut. Wir hatten 3.000, 6.000 und 1.000 qm etwas weiter entfernt. Ich weiß nicht, welchen Teil sie uns weggenommen haben.

RI: Haben Sie noch Verwandte in Armenien?

P: Ich habe einen einzigen Bruder. Seine Familie lebt in Armenien, aber er pendelt immer zwischen Russland und Armenien, weil er in Russland arbeitet.

RI: Wovon bestreitet Ihre Tochter den Lebensunterhalt?

P: Ihr Mann arbeitet in Russland. Manchmal fährt sie mit, manchmal nicht und bleibt in Armenien zurück. Sie arbeitet nicht, ihr Mann versorgt die Familie. Nachgefragt gebe ich an, dass ihr Mann in einer Schnaps- und Weinfabrik Manager war, dieses Unternehmen hieß [...]. Jetzt arbeitet er aber in Russland auf Baustellen.

RI: Was würde Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat konkret erwarten?

P: Meinen Mann würde man sicher umbringen.

RI: Wer und weshalb?

P: Ich weiß nicht welches Geheimnis er hat in Bezug zu Demirdjan, aus politischen Gründen. Er möchte dieses Geheimnis niemanden verraten.

RI: Sprechen wir von diesem Demirdjan, der beim Anschlag auf das Parlament getötet wurde?

P: Ja. Zu diesem Zeitpunkt fingen die Probleme meines Mannes an.

Die VH wird für 10 Minuten unterbrochen.

(Wieder gemeinsame Befragung der P)

RI: Gemeinsam mit der Ladung wurden Ihnen Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Ihrem Herkunftssaat, sowie eine Stellungnahme der belangten Behörde vom 27.10.2014 (hinsichtlich der Betrachtung des Gesundheitszustandes von P1 im Lichte des Art. 3 EMRK) übermittelt. Bisher ging hierzu keine Stellungnahme ein. Wollen Sie sich nunmehr hierzu äußern?

P2: Ich habe sie zwar gelesen, aber nichts verstanden. Meinem Mann ging es auch gesundheitlich sehr schlecht.

P1: Nickt zustimmend.

RI: Ihnen werden die Kernaussagen zu den ho. Feststellungen zum Anschlag auf das armenische Parlament vom 27.10.1999, basierend auf das Erk. des AsylGH vom 16.3.2010, E10 239.526-0/2008-50E, welche aufgrund des Umstandes, dass aktuelleres Quellenmaterial keine abweichenden Aussagen hierzu enthält, nach wie vor als aktuell angesehen werden, zur Kenntnis gebracht (Kopie wird P ausgefolgt/Beilage2).

P1 und P2: Sie können im Internet nachschauen, was heute in Armenien alles passiert. Abgeordnete, wie z.B. Aram MANUKYAN werden geschlagen. Die Freiheitskämpfer werden genauso geschlagen, es gibt im Internet Fotos darüber, die diese Freiheitskämpfer mit roten Augen zeigen. Das sind Kämpfer, die in Karabach ihr Leben riskiert haben und für das Land gekämpft haben. Im letzten Monat wurden in Jerewan 7 Fahrzeuge in Brand gesetzt. Alle diese Straftaten bleiben ungeklärt. Es wird niemand festgenommen und jedes Verfahren eingestellt. Was soll ich Ihnen noch erzählen? Die Regierung lügt, deswegen wird uns im Ausland nicht geglaubt. Wenn jemand im eigenen Haus misshandelt und geschlagen wird, können die Leute nicht einmal die Polizei rufen. Anstatt dass die Polizei über die Täter ermittelt, wird das Opfer mitgenommen.

RI bringt den P die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.11.2014 zur Kenntnis (Wesentlicher Inhalt: die seitens der P1 genannte Partei hat sich mit der ANC vereinigt und tritt nur mehr unter dem Namen ANC auf; es existieren keine Berichte über eine aktuelle Verfolgung von Mitgliedern bzw. Funktionären der ANC; die P1 ist bei dem von ihr genannten Parteifunktionär unbekannt und kann seitens der Partei nichts zu Problemen der P1 berichtet werden; der Überfall auf das genannte Wahllokal fand nicht statt; Im Heimatdorf der P1 bestätigten die Bewohner die politischen Aktivitäten der P nicht, jedoch dessen gesundheitliche Probleme). Die Anfragebeantwortung stützt sich über wesentliche Strecken auf die Auskunft eines auch dem ho. Gericht bekannten Sachverständigen, dessen Qualifikationsprofil den P ebenfalls zur Kenntnis gebracht wird. (Kopie wird P ausgefolgt/Beilage1).

P1: Ich habe alles vorgelegt, wie ist es möglich, dass so etwas behauptet wird.

P2: Keine Antwort.

RI: Die Partei ANC betreibt auch eine Homepage, über die Sie jederzeit mit ihr in Kontakt treten und sich entsprechende Bestätigungen schicken lassen konnten (http://www.anc.am ), falls sie tatsächlich Mitglied und Aktivist wären.

P1: Ich möchte ja nicht, dass diese Leute wissen, wo ich bin. Wie soll ich dann schreiben, dass ich hier bin. Niemand weiß, wo ich mich aufhalte.

..."

I.1.5.1. Nach Beendigung der Verhandlung gab bP1 bekannt, dass sie beabsichtige, ein weiteres Bescheinigungsmittel vorzulegen, welche ihr parteipolitisches Engagement bestätige und legte in weiterer Folge die Kopie eines Schriftstückes vor, welches vom bereits genannten Parteifunktionär S[...] unterfertigt worden wäre, vor.

I.1.5.2. Seitens ho. Gerichts wurde eine weitere Anfrage an den genannten Vertrauensanwalt gerichtet. Im Antwortschreiben teilte dieser mit, dass er mit dem vermeintlichen Aussteller des Dokuments erneut sprach. Dieser bekräftigte, dass er die bP1 nicht kenne. Auch habe er das von der bP1 vorgelegte Dokument nicht unterfertigt, es handle sich um eine Fälschung. Der Vertrauensanwalt nahm auch Einsicht in die Aufzeichnungen der armenischen Wahlkommission, wo die bP1 nicht vorgefunden werden konnte, obwohl die Namen jener Personen, welche -wie von der bP1 vorgebracht- in entsprechenden Wahlkommissionen Mitglied sind, dort veröffentlicht werden.

Das Haus der bP ist nicht zerstört, sondern in einem guten Zustand (der Vertrauensanwalt übermittelte Fotos vom Haus).

Verwandte der bP gaben an, dass deren Grundstücke mit Einverständnis der bP von einem ihrer Cousins bearbeitet werden. Die bP haben in ihrem Lebensumfeld mehrere Cousins. Sie haben auch zwei Kinder. Ein Sohn ist Sportler und hält sich im Ausland auf. Die Tochter ist verheiratet und lebt in Armenien. Die Kinder haben ihre Eltern unterstützt.

bP1 ist nicht Mitglied der Partei HJK oder ANC. Dies wurde von beiden Parteien offiziell bestätigt. HJK arbeitete im Verband mit ANC, als ANC jedoch als offizielle politische Partei registriert wurde, ging HJK nicht im ANC auf, sondern blieb eine eigene politische Partei. Der Berichtslage können keine relevanten Probleme von Mitgliedern der HJK wegen derer Parteimitgliedschaft entnommen werden.

I.1.5.3. Am 17.2.2015 wurde den bP das ergänzende Ermittlungsergebnis schriftlich zur Kenntnis gebracht.

Mit Schriftsatz vom 5.3.2015 brachte die rechtsfreundliche Vertretung der bP vor, dass für sie die Auskunft des Vertrauensanwaltes nicht nachvollziehbar sei. Als Nachweis dafür, dass bP1 tatsächlich in der Wahlkommission war, machte sie zwei in Armenien wohnhafte Zeugen, sowie für den Nachweis der Parteimitgliedschaft einen in Armenien wohnhaften Zeugen namhaft.

Die Einholung dieser Beweise werde unter einem ausdrücklich beantragt. Zur Wahrung der Interessen des Beschwerdeführers und zur Überprüfung der Angaben dessen, wird die zeugenschaftliche Befragung der ob Genannte im Rechtmittelweg oder im Zuge der Einvernahme eines Vertrauensanwaltes ausdrücklich beantragt und unter einem um Zumittlung des bezüglichen Einvernahmeprotokolle samt Unterfertigung des beantragten Zeugen an die Kanzlei des ausgewiesenen Vertreters gebeten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

Bei den beschwerdeführenden Parteien handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Armenisch Apostolischen Christentums bekennen.

Die beschwerdeführende Partei bP2 ist ein arbeitsfähiger, nicht invalide Menschen mittleren Alters mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage. In Bezug auf bP1 ist aufgrund ihres Zustandes nach einem erlittenen Schlaganfalles von einer erheblich geminderten Erwerbsfähigkeit auszugehen.

Verwandte leben nach wie vor im Herkunftsstaat der bP.

Die bP haben über die im gegenständlichen Erkenntnis genannten Mitglieder der Kernfamilie hinausgehend keine relevanten familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.

Die privaten Anknüpfungspunkte ergeben sich aus der Verweildauer und in diesem Zeitraum entstandenen sozialen Anknüpfungspunkte.

Die Identität der bP steht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Armenien

II.1.2.1. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien werden wird auf die Ausführungen der belangten Behörde verwiesen.

II.1.2.2. Hierzu werden ergänzend folgende Feststellungen getroffen:

II.1.2.2.1. Politische Opposition

Die meisten politischen Parteien werden durch hohe Regierungsbeamte oder andere mächtige Persönlichkeiten beherrscht und sind nicht demokratisch aufgebaut. Zudem agieren die bekannteren Parteipolitiker gleichzeitig als Geschäftsleute. Die Parteien leiden an internen Unstimmigkeiten oder Teilungen und haben oft kein klares inhaltliches Profil, weswegen sie für weite Teile der Bevölkerung uninteressant sind.

Zu den Parteien der Regierungskoalition gehören seit den Parlamentswahlen im Mai die Republikanische Partei und die Orinats Yerkir ("Rechtsstaatpartei") - auf diese Regierungskoalition stützt sich Präsident Sargsyan (Vorsitzender der Republikanischen Partei). Die dritte bisher regierende Partei Bargavach Hayastan ("Blühendes Armenien") hat eine erneute Koalition abgelehnt und ging in die "konstruktive" Opposition.

Die Opposition besteht außerdem aus dem Bündnis Armenian National Congress, Daschnakzutiun (Armenische Revolutionäre Föderation, ARF) und der Erbe-Partei.

Es gibt immer wieder belastbare Berichte in der Presse und von NROs über Behinderungen und Ungleichbehandlungen der Oppositionsparteien durch die Behörden, z.B. bei Demonstrationen oder Wahlen. Im Vorfeld und während des Präsidentschaftswahlkampfes war regelmäßig zu beobachten, dass ihr Zugang zu den Medien, ebenso wie die Ausübung der Versammlungsfreiheit, stärker eingeschränkt war.

Im Mai 2012 nahm der Nationale Sicherheitsdienst Ermittlungen gegen den ehemaligen Außenminister Vardan Oskanyan (Mitglied der Partei "Blühendes Armenien") auf.

Seine Stiftung "Civilitas" betreibt unter anderem einen kritischen Internetfernsehkanal. Er wird der Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Unterschlagung beschuldigt. Der Fall wird von Beobachtern als politisch motiviert eingestuft, da die Ermittlungen einen Tag nach der von Oskanyan maßgeblich betriebenen Entscheidung von "Blühendes Armenien", in die Opposition zu gehen, aufgenommen wurden und die Partei damit liebäugelte, einen Gegenkandidaten zu dem amtierenden Präsidenten bei den Präsidentschaftswahlen im Februar 2013 aufzustellen, sich letztendlich jedoch dagegen entschied.

II.1.2.2.2. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit

Die Verfassung garantiert das Recht auf "friedliche, nicht bewaffnete, öffentliche Versammlungen".

Mitte März 2008 erfolgte eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes mit weitreichenden Verbotsmöglichkeiten, die jedoch auf Druck des Europarates mit der Novellierung des Versammlungsgesetzes 2011 teilweise zurückgenommen wurden. Zuletzt kam es am 31.05.2010 auf dem Platz der Freiheit zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizeikräften. Dabei wurden einige Personen leicht verletzt, zwei Demonstranten wurden in Untersuchungshaft genommen. Mittlerweile werden Demonstrationen auf dem Opernplatz ("Platz der Freiheit") in Eriwan wieder regelmäßig genehmigt.

Vertreter der Opposition haben teilweise mit Einschränkungen zu kämpfen.

In den vergangenen zwei Jahren haben sich mehrere Gruppen von Umweltaktivisten gegen diverse Bauvorhaben (z.B. Wasserkraftwerke) in Jerewan und für die Aufklärung von Korruptionsfällen im Umweltministerium eingesetzt. Die Behörden reagieren mit administrativem Druck. Vom Januar bis Mai 2012 kam es zu Spannungen zwischen der Polizei und Umweltaktivisten im Mashtots-Park. Die Polizei hinderte die Aktivisten daran, ein Zelt aufzustellen, um gegen Baumaßnahmen auf öffentlichen Flächen zu protestieren. Es kam zur Gewaltanwendung und zu Verhaftungen.

Auch die Vereinigungsfreiheit hat Verfassungsrang. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit und der ungünstigen Wirtschaftslage machen Arbeitnehmer von ihrem Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, nur in geringem Umfang Gebrauch.

Art. 27 der Verfassung schützt die Freiheit der Meinung, Information, Medien und anderer Informationsmittel. Es gibt offiziell keine Zensur; viele Journalistinnen und Journalisten neigen aber zur Selbstzensur. Üble Nachrede und Verleumdung werden nach einer Gesetzesänderung nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Damit wurde eine langjährige Forderung der internationalen Gemeinschaft umgesetzt. Betroffenen steht stattdessen der zivilrechtliche Klageweg offen. Die Zahl der zivilrechtlichen Klagen gegen Medien und Journalisten hat in der Folge stark zugenommen, und es ergingen eine Reihe unverhältnismäßig hoher Geldstrafen. Im November 2011 erklärte das durch den Ombudsmann angerufene Verfassungsgericht das Gesetz für verfassungskonform, wies gleichzeitig aber die unteren Instanzen an, künftig mit Verleumdungsklagen sorgsamer umzugehen und drakonische Strafen gegen Medien grundsätzlich zu vermeiden. Zudem betonte das Gericht, dass Medien nicht für eine kritische Beurteilung von Fakten und bewertende Einschätzungen haftbar gemacht werden könnten.

Die körperliche Unversehrtheit der Journalisten und die freie Ausübung ihres Berufes sind nicht immer gewährleistet, auch gibt es immer wieder Berichte von Presse, NROs und des Ombudsmannes über staatliche Schikanen gegen Journalisten. Dabei handelt es sich z.B. um tätliche Angriffe gegenüber Journalisten bzw. deren Arbeitsbehinderung vor Ort.

Das Fernsehen ist das am weitesten verbreitete Informationsmedium. Es wird durch Präsident und Regierung über den Nationalen Fernsehrat sowie v.a. über die Vergabe der (befristeten) Sendelizenzen kontrolliert. Kritiker haben Schwierigkeiten, die benötigte (befristete) Sendelizenz zu erhalten.

Positiv ist, dass der TV-Sender A1+, der bei Ausschreibungen bisher nicht zum Zuge gekommen war, nun zumindest eine Stunde täglich im Programm des regierungsnahen Nachrichtensenders "ARMNEWS" ein eigenes Programm ausstrahlen darf, zusätzlich zu seiner offen regierungskritischen Website.

Im Juni 2010 wurde ein neues Mediengesetz verabschiedet, das von der OSZE als fortschrittlich, aber stark verbesserungswürdig beurteilt wurde und zur Diversifizierung von Rundfunk- und Fernsehangeboten führen soll. Durch die Digitalisierung soll ein Zugang zu mehr Sendern ermöglicht werden. Aufgrund angeblicher technischer Einschränkungen und strikter Voraussetzungen - die u.a. Gegenstand der OSZE-Kritik waren - wurden im Dezember 2010 Lizenzen an vorerst nur 18 Sender erteilt (zuvor 22 Sender). Zudem üben staatliche wie private Sender in wesentlich stärkerem Maße Selbstzensur als die Schriftpresse.

Die Printmedien genießen größere Unabhängigkeit von der Regierung, haben jedoch - insbesondere außerhalb der Hauptstadt - ein wesentlich kleineres Publikum als die elektronischen Medien.

Internetseiten, auch solche mit regierungskritischem Inhalt, sind frei zugänglich. Bisher ist die Verbreitung von Internetzugängen gering, verzeichnet jedoch kontinuierliches Wachstum. Aufgrund der kontrollierten Informationsverbreitung durch das Fernsehen entwickeln sich die sozialen Medien zur bevorzugten alternativen Informationsquelle, v.a. für die jüngere, gut ausgebildete Bevölkerung.

Die internationalen Medienrepräsentanten arbeiten frei. Die erhältlichen ausländischen Zeitungen und Zeitschriften werden nicht zensiert. In den Tagen nach der Präsidentschaftswahl 2008 wurden jedoch ausländische Fernsehsender (z.B. CNN, Euronews), die auf terrestrischen Frequenzen ausgestrahlt bzw. ins Kabelfernsehnetz eingespeist werden, unterbrochen, wann immer Berichte über Armenien angekündigt worden waren

(Basis für II.1.2.2.1. und II.1.2.2.2.: Bericht des dt. Auswärtigen Amtes über die Asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 25.2.2013, nahezu wörtliche Wiederholung des objektiven Aussagekerns in der aktualisierten Auflage vom 7.2.2014).

II.1.2.2.3. Anschlag auf das armenische Parlament vom Oktober 1999

Aus den nachfolgenden Quellen ergeben sich folgende Feststellungen:

APA-Basisdienst vom 27.10.1999: "Armenischer Premier bei Massaker erschossen"

APA-Basisdienst vom 28.10.1999: "Geiselnahme im Armenischen Parlament beendet"

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29.10.1999: "Geiselnehmer in Eriwan ergeben sich"

Berichte über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien des Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland vom 19.9.2000 und vom 28.12.2004

BAA Staatendokumentation: Bericht FFM Armenien, Georgien, Aserbaidschan vom 1.11.2007

Amnesty international Jahresbericht 2004: Armenien

En.wikipedia.org: 1999 Armenian parliament shooting (Zugriff am 4.2.2009)

www.internews.am: Shooting in the Armenian Parliament: "The statement of Nairi Hunanyan, Head of the Armed Group of Terrorists" (Zugriff am 4.2.2004), ebenso die selbe Quelle: Chronologische Auflistung der Ereignisse in Bezug auf das Attentat (Zugriff ebenfalls am 4.2.2009)

Wiener Zeitung vom 29.10.1999: "Geiselnehmer geben nach 18 Stunden auf"

APA v. 2.12.2003 (APA0336 5 AA0125): "Lebenslange Haft in Armenien wegen Blutbades im Parlament 1999"

www.eurasianet.org: Armenia Daily Digest vom 26.6.2000: "Lawyer Believes Armenian Parliament Killer Acted On Orders"

findarticesl.com: IPR Strategic Business Information Database, June 2000: Armenia: Lawyer Denies Armenian Parliament Shooting Suspects Acted to Order

Schweizerische Flüchtlingshilfe (Dr. Tessa Hofmann) "Armenien: Zur sozialen und menschenrechtlichen Situation", Bern, Oktober 2002

Der ehemalige Journalist Nairi Hunanjan drang am 27.10.1999 in das Armenische Palrmament ein und erschoss gemeinsam mit fünf weiteren Mittätern während einer parlamentarischen Fragestunde den damaligen Regierungschef und vormaligen Verteidigungsminister Wasgen Sargsjan, den Parlamentspräsidenten Derenik Demirtschjan sowie sechs weitere Personen.

Laut SFH war es die Tat des offenkundig psychisch labilen, doch zurechnungsfähigen Hunanjan und seiner mit ihm blutsverwandten oder eng befreundeten Mittäter führte zum größten politischen Strafverfahren in der Geschichte der zweiten souveränen Republik Armenien; es begann am 15. Februar 2001. Die Ermittlungen waren von Anfang an hochgradig politisiert, denn sie erfolgten vor dem Hintergrund bereits bestehender, nun offen ausgetragener Spannungen zwischen dem Sicherheitsministerium und Präsident Kotscharjan auf der einen Seite, andererseits dem Verteidigungsministerium und dem bei den Parlamentswahlen von 1999 erfolgreichen Wahlbündnis "Miasnutjun", dem die prominentesten unter Hunanjans Opfern, Demirtschjan und Sargsjan, vorgestanden hatten. Dabei war es die Absicht des Verteidigungsministeriums und der Miasnutjun-Führung, zu "beweisen", dass Hunanjan nicht als Einzeltäter handelte und ein Zusammenhang zwischen ihm und Präsident Kotscharjan sowie seiner Mannschaft bestehe.

Die Ermittlungen eskalierten zum offenen Machtkampf. Das Verteidigungsministerium erzwang zunächst den Rücktritt von Innenminister Suren Abrahamjan am 28.10.1999, kurz darauf des damaligen Sicherheitsministers Serge Sargsjan (am 1.11.1999) und setzte die Ernennung des Obersten Militärstaatsanwalts1, Gagik Dschangirjan, als Leiter der Ermittlungsgruppe durch, der als enger Vertrauter des ermordeten Wasgen Sargsjan sowie als Gefolgsmann jener Wortführer des damals einflussreichen Veteranenverbandes Jerkrapah gilt, die zu jener Zeit die Amtsenthebung Kotscharjans forderten. Die Einberufung einer unabhängigen parlamentarischen Untersuchungskommission lehnte Dschangirjan ab.

Schon bis zum 6. Dezember 1999 ließ Dschangirjan über 250 Personen verhören. Es erfolgten Festnahmen von Verdächtigen, die von Nairi Hunanjan als angebliche Mittäter benannt worden sein sollen, darunter auch enge Vertraute und Gefolgsleute von Kotscharjan.

Am 25. April 2000 erklärte Präsident Kotscharjan, dass er die Politisierung der Ermittlungen durch den Militärstaatsanwalt nicht mehr länger hinnehmen werde und unterband Dschangirjans Aussage bei einer parlamentarischen Befragung, lehnte jedoch den von Dschangirjan daraufhin angebotenen Rücktritt ab. Inzwischen gelang es Kotscharjan, die Machtverhältnisse zu seinen Gunsten zu ändern und nach mehr als sechsmonatigem Machtkampf die Jerkrapah-Generäle personalpolitisch zu befriedigen oder zumindest zu neutralisieren, sowie Regierungschef Aram Sargsjan, den jüngeren Bruder des ermordeten Wasgen Sargsjan, abzusetzen. Mit Aram Sargsjan verlor Dschangirjan seine wichtigste Stütze. Zugleich befand er sich in einem Vakuum, da das Vertrauen Kotscharjans nie wirklich besessen und das seiner einstigen Patrone verloren hatte.

Im Prozessverlauf forderte laut Amnesty International die Öffentlichkeit und Politiker weithin die Verhängung der Todesstrafe in diesem Fall.

Laut dem dt. Auswärtigen Amt handelte es sich beim Terrorüberfall, soweit erkennbar, nicht um einen organisierten Staatsstreich. Die Terrorgruppe bestand aus sektiererischen Ultranationalisten, die sich an der aus ihrer Sicht unfähigen Staatsführung rächen wollte.

Ebenso sollt die Tat in Reaktion mit den zaghaften Absichten der Regierung, den Berg-Karabach-Konflikt mit Aserbaidschan zu lösen, gestanden sein. Einen Plan zur Machtübernahme oder auch nur einen Fluchtplan hatte sie offenbar nicht.

Auch im erst Ende 2003 abgeschlossenen Verfahren gegen die Täter, welche mit lebenslangen Freiheitsstrafen für die fünf Attentäter, sowie mit lebenslanger bzw. vierzehnjähriger Haftstrafe für zwei Helfe endete wurde nichts über weitere mögliche Drahtzieher im Hintergrund bekannt. Das Verfahren wurde von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen aufmerksam beobachtet. Gerüchte, das Hunanyan wäre zum Attentat beauftragt worden, wie etwa vom ehemaligen Präsidenten Kotscharjan, welcher damit unliebsame politische Konkurrenten aus den Weg hätte räumen lassen, konnten im Prozess nicht bestätigt werden und wurde von Hunanyan stets beteuert, er hätte nicht im Auftrag gehandelt.

Im Rahmen der im Quellenverzeichnis genannten FFM teilten die Gesprächspartner übereinstimmend mit, dass der Überfall auf das Parlament von der Politik und der Öffentlichkeit als bestrafungswürdiges Verbrechen angesehen wird, welches zwischenzeitig durch die Verurteilung der "Verbrecher" sowohl juristisch als auch politisch aufgearbeitet ist. Weitere Ermittlungen finden nicht statt, ebenso wird in diesem Zusammenhang nicht nach weiteren Personen gefahndet.

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP1 in Armenien in einer Art und Weise politisch engagiert hätte, dass sie hierdurch exponiert gewesen wäre. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass die bP1 aufgrund des von ihr behaupteten politischen Engagements in der Vergangenheit Repressalien ausgesetzt gewesen wäre, bzw. nach ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit solchen ausgesetzt wäre.

Weiters kann keine Verbindung zwischen den Anschlag auf das armenische Parlament und die bP1 hergestellt werden.

Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass die bP1 an einer Krankheit leidet, welche in Armenien nicht behandelbar wäre.

Weitere Ausreisegründe bzw. Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.

Beweiswürdigung

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und ein ergänzendes Ermittlungsverfahren sowie eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die Feststellungen zur Person der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie ihren Sprach- und Ortskenntnissen und den seitens der bP in den Asylverfahren vorgelegten Bescheinigungsmittel. Auch ergibt sich aus der bereits einmal vollzogenen Abschiebung, dass der armenische Staat die bP unter der von ihnen angegebenen Identität als dessen Staatsbürger anerkennt.

II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten - von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen - diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um Sachverhalte geht, für die ausländische Regierungen verantwortlich zeichnen, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteiennahme weder für den potentiellen Verfolgerstaat, noch für die behauptetermaßen Verfolgten unterstellt werden kann. Hingegen findet sich hinsichtlich der Überlegungen zur diplomatischen Zurückhaltung bei Menschenrechtsorganisationen im Allgemeinen das gegenteilige Verhalten wie bei den oa. Quellen nationalen Ursprunges. Der Organisationszweck dieser Erkenntnisquellen liegt gerade darin, vermeintliche Defizite in der Lage der Menschenrechtslage aufzudecken und falls laut dem Dafürhalten -immer vor dem Hintergrund der hier vorzunehmenden inneren Quellenanalyse- der Organisation ein solches Defizit vorliegt, dies unter der Heranziehung einer dem Organisationszweck entsprechenden Wortwahl ohne diplomatische Rücksichtnahme, sowie uU mit darin befindlichen Schlussfolgerungen und Wertungen -allenfalls unter teilweiser Außerachtlassung einer systematisch-analytischen wissenschaftlich fundierten Auswertung der Vorfälle, aus welchen gewisse Schlussfolgerungen und Wertungen abgeleitet werdenaufzuzeigen (vgl. Erk. des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010).

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle im Asylverfahren vgl. etwa Erk. d. VwGH v. 4.4.2001, Gz. 2000/01/0348).

Die bP trat auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen.

Speziell zu den genannten Quellen hinsichtlich des Anschlages auf das armenische Parlament im Jahr 1999 ist festzuhalten, dass dieser in den genannten, aktuellen Quellen keine weitere Erwähnung in dem Sinne findet, dass hieraus ein maßgeblich weitergehender, als der festgestellte Sachverhalt ableiten ließe. Die seitens des ho. Gerichts herangezogenen Quellen sind daher ausreichend aktuell, um Feststellungen zu diesem zurückliegenden Fall treffen zu können.

II.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen grundsätzlich im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze zwar über gewisse Strecken schlüssig und stimmig, aber in seiner Gesamtheit betrachtet unvollständig ist, weil seitens der belangten Behörde der maßgebliche Sachverhalt unvollständig ermittelt wurde.

II.2.5. In Ergänzung zu den Ausführungen der belangen Behörde wird auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens seitens des ho. Gerichts verwiesen, worauf sich ergibt, dass der Einschätzung der belangten Behörde, das Vorbringen zum behaupteten Ausreisegrund stelle sich als nicht glaubhaft dar, im Ergebnis beigetreten wird.

Weder das Ergebnis der Beschwerdeverhandlung, noch die Recherchen vor Ort und die sonstigen Angaben der bP waren geeignet, begründete Zweifel an der Einschätzung der belangten Behörde hervorzurufen, im Gegenteil, diese wurden hierdurch bestätigt.

Das ho. Gericht stützt seine Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens zu einem wesentlichen Teil auf die Ausführungen des bereits mehrmals genannten Vertrauensanwaltes (dessen Qualifikationsprofil wurde den Parteien zur Kenntnis gebracht) und geht das ho. Gericht davon aus, dass den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Vertrauensanwaltes erhöhte Beweiskraft zukommt. Obgleich es sich beim Rechercheergebnis und den entsprechenden Ausführungen nicht um ein Gutachten im eigentlichen Sinne handelt, wird ihm dennoch gewichtige Beweiskraft zugemessen. Einerseits ergibt sich aus dem Qualifikationsprofil des Anwalts, dass es sich hierbei um eine Person mir hoher fachlicher Reputation handelt, welche in einem Aufgabenfeld tätig ist und war, das eine hohe Fähigkeit zu analytischem Denken und Handeln, sowie die Fähigkeit verschiedene, auch sich widersprechende Informationen auszuwerten und hieraus Schlüsse zu ziehen, sowie verlässliche Personen und Quellen zur Informationsbeschaffung heranzuziehen.

Ebenso steht der Anwalt sichtlich weder in einer qualifiziert engen Verbindung, noch in einer Gegnerschaft zum armenischen Staat, sondern steht er diesem neutral gegenüber. Auch ist dem erkennenden Gericht kein Fall bekannt, in dem sich eine ho. in Auftrag gegebene Recherchen oder Einschätzungen im Nachhinein als nicht den Tatsachen entsprechend herausgesellt hätte und erstatteten die bP kein konkretes Vorbringen, welche Zweifel an der fachlichen Qualifikation des Sachverständigen im beschriebenen Umfang hervorkommen ließen.

Der im Verfahren herangezogene Rechtsanwalt wurde auch dem erkennenden Gericht von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Jerewan empfohlen und wird auch von der genannten Vertretungsbehörde, welche vor Ort tätig ist und sich so über die Arbeit des Anwaltes vor Ort ein unmittelbares Bild machen kann, zu deren Zufriedenheit herangezogen.

Beim Rechtsanwalt handelt es sich um gebürtigen Armenier.

Der Anwalt ist nach wie vor in Armenien ansässig und spricht sein Beruf ebenfalls für die Annahme, dass er mit der allgemeinen Lage im Land und der Beweiskraft aus Armenien stammender Quellen vertraut ist.

Der Anwalt hat kein Interesse am Ausgang des Asylverfahrens, ganz egal in welche Richtung auch immer. Gegenteiliges ist von Asylwerbern zu behaupten, welche ein vitales Interesse am Verfahrensausgang in ihrem Sinne haben.

Ebenso konnte sich der Vorsitzende des erkennenden Senats anlässlich eines Aufenthaltes des genannten Anwaltes in Österreich im Jänner und Juni 2013 von dessen hoher fachlichen Reputation überzeugen.

Aufgrund der oa. Ausführungen geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Anwalt befähigt ist, seine fallbezogenen Aussagen auf verlässliche Quellen zu stützen (er teilte in der Anfragebeantwortung nichts über eine allfällige Zweifelhaftigkeit der von ihm herangezogenen Quellen mit), sowie hieraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und wird das Rechercheergebnis deshalb nicht angezweifelt, selbst wenn es von der bP naturgemäß bestritten wird, zumal ihm nicht ausreichend konkret und substantiiert entgegen getreten wird.

Aufgrund des Ergebnisses seitens des Ländersachverständigen vorgenommenen Recherche vor Ort zeigt sich zweifelsfrei, dass sich das Vorbringen der bP zum behauptetermaßen ausreisekausalen Sachverhalt als nicht glaubhaft darstellt, da weder Personen aus dessen unmittelbaren Lebensumfeld, noch der behauptetermaßen existierende Parteifreund in gehobener Stellung die Tätigkeit der bP1 in der Partei bestätigen konnten. Ebenso fand der seitens der bP1 beschriebene Überfall auf das genannte Parteilokal sichtlich nicht statt, weshalb auch die seitens der bP1 beschriebenen, daran anknüpfenden Handlungen nicht stattfinden konnten.

Ergänzend sei auch auf die Berichtslage verwiesen, welcher keine aktuelle Verfolgungssituation von Mitgliedern der ehemaligen HHSch bzw. jetzigem ANC bzw. HJK entnommen werden kann.

Letztlich blieb das Vorbringen der bP zur Gänze unbescheinigt, obwohl die Vorlage von echten und unbedenklichen Bescheinigungsmitteln bei einem Minimum an Engagement -etwa durch eine Kontaktaufnahme mit der Partei, bei der die bP behauptet, Mitglied zu sein möglich gewesen wäre. Die unterlassene Vorlage von Bescheinigungsmitteln im Verfahren durch die selbst im Asylverfahren zwischenzeitig versierten und durch einen mit der Rechtsmaterie bestens vertrauten Anwalt vertretenen bP lässt sichtlich nur den Schluss zu, dass kein Sachverhalt existiert, welcher zu bescheinigen wäre. Diese Einschätzung wird auch dadurch belegt, dass die bP1 auf die bP1 auf die Vorlage einer Fälschung zurückgriff.

Wenn die bP1 nunmehr kryptisch vorbringt, ihre Probleme stünden mit dem Überfall auf das Parlament im Oktober 1999 in Verbindung, so können hierzu weder dem Vorbringen der bP mangels Konkretheit, noch der Berichtslage entsprechende Hinweise entnommen werden, weshalb dieser Teil des Vorbringens den Feststellungen mangels Glaubhaftigkeit nicht zu Grunde gelegt werden kann.

Aufgrund des Ergebnisses der Recherchen vor Ort können auch die Behauptungen der bP hinsichtlich des fehlenden Bestehens einer Existenzgrundlage, insbesondere in Bezug auf die beschriebenen verwandtschaftlichen Bindungen und dem Zustand des Eigentums der bP, nicht verifiziert werden.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass sich aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei ergibt, dass die bP bereit sind, aus Opportunitätserwägungen im Hinblick auf den erhofften Verfahrenshergang ihr Vorbringen nicht mit der Tatsachenwelt im Einklang stehend und situationselastisch zu schildern, wodurch die persönliche Glaubwürdigkeit der bP erheblich beeinträchtigt wird.

Zur persönlichen Existenzgrundlage zeigt sich, dass die bP sichtlich bemüht waren, ihre Situation weitaus schlechter zu schildern, als sich diese tatsächlich darstellt, indem sie etwa falsche Angaben zu von sie erwartenden persönlichen Umfeld im Falle einer Rückkehr nach Armenien macht. Dieser Umstand zeigt, dass die bP offensichtlich über eine Existenzgrundlage verfügen, weil sie ansonsten hierzu keine falschen Angaben machen müssten, wenn schon aus der Schilderung der tatsächlichen Umstände ableitbar wäre, dass sie über keine Existenzgrundlage mehr verfügen würden. Aber auch durch diese Verhaltensweise wird die persönliche Glaubwürdigkeit der bP erheblich erschüttert.

Letztlich kamen die bP, insbesondere bP1 auch ihrer Obliegenheit zur wahrheitsgemäßen Begründung und Bescheinigung ihrer Vorbringens nicht nach.

Zum Vorbringen der bP an sich ist in weiterer Folge auch festzuhalten, dass dieses bereits unter Suggestion erstattet wurde, zumal die bP bereits in der Vergangenheit Erfahrungen zum österreichischen Asyl- und Fremdenrecht sammelten und ihr Verhalten im gegenständlichen Verfahren sichtlich dementsprechend anpassten. Zum Verhalten im Beschwerdeverfahren ist weiters festzuhalten, dass den Ausführungen der bB im angefochtenen Bescheid ebenso ein gewisser suggestiver Charakter zukommt, welcher sich in der Formulierung der Beschwerde durch die bP bzw. ihrem Verhalten im Beschwerdeverfahren niederschlägt und somit jedenfalls nicht mehr von einer freien Schilderung des behauptetermaßen ausreisekausalen Sachverhalts ausgegangen werden kann. Die bP kennt ab dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides die Argumente der belangten Behörde und ist in der Formulierung des Rechtsmittels bestrebt, diese Argumente zu relativieren. Hierin liegt der suggestive Charakter und zeigen sich dessen negative Ausflüsse im gegenständlichen Verfahren offenkundig (zum geminderten Beweiswert von unter Suggestion getätigten Angaben siehe auch Erk. d. AsylGH 9.1.2012, E9420066-1/2011).

Soweit die bP vermeintliche Unvollständigkeiten in Bezug auf das Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorbringen, wird festgehalten, dass diese jedenfalls durch das ergänzende Ermittlungsverfahren durch das ho. Gericht beseitigt wurden und nunmehr jedenfalls der Sachverhalt als soweit ermittelt angenommen werden kann, dass sich das ho. Gericht ein abgerundetes Bild vom maßgeblichen Sachverhalt machen kann.

Letztlich ist im Rahmen einer Gesamtschau im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass sich die Behauptungen der bP in Bezug auf den behauptetermaßen ausreisekausalen Sachverhalt bzw. der Rückkehrhindernisse als nicht glaubhaft herausstellten.

Zur Stellungnahme vom 5.3.2015 und den darin gestellten Anträgen wird Folgendes angeführt:

Einleitend ist festzuhalten, dass in Jerewan keine ÖB existiert und die genannten Personen in der Gegenwart eines Vertrauensanwaltes nicht unter Wahrheitspflicht aussagen würden, sodass deren Ausführungen nicht der Beweiswert der Aussage eines Zeugen, sondern jener einer formlosen Befragung zukäme, welcher ein niedrigerer wäre und mit jenen Auskünften sonstiger Personen, welche nicht der Sphäre der bP1 zuzuzählen sind und am Ausgang des Verfahrens kein, auch kein ideelles Interesse haben, zu messen sind. Schon hieraus ergibt sich, dass den Aussagen der genannten Personen eine untergeordneter Beweiswert zukäme.

Grundsätzlich bringen die bP nicht schlüssig und konkret vor, aus welchen Gründen sich das Ermittlungsergebnis des Vertrauensanwaltes als nicht nachvollziehbar darstellt und werden in der Stellungnahme lediglich die Beweisthemen der Mitgliedschaft von bP1 in der Wahlkommission, sowie die nicht bestehende Parteimitgliedschaft ausdrücklich bestritten und hierzu weitere Beweismittel, namentlich 3 in Armenien aufhältige Zeugen, welche im Wege der Rechtshilfe bzw im Zuge der Einvernahme eines Vertrauensanwaltes befragt werden sollen. E Contrario bleiben die sonstigen relevanten Beweisthemen (insbesondere das Nichtstattfinden des Überfalls auf das Wahllokal, die Übergriffe und Bedrohung der bP1, die nicht feststellbare qualifiziert exponiert politische Stellung der bP1, sowie die ermittelten Umstände rund um die Existenz von Familienmitgliedern, Verwandten, Grund & Boden, die festgestellte Lage der Opposition, etc.).

Vor dem Hintergrund des durch den Antrag und die Stellungnahme vorgegebenen Beweisthemas ist letztlich festzuhalten, dass sich dieses Beweisthema nicht als sachverhaltserheblich darstellt und den gestellten Anträgen daher nicht zu entsprechen ist (VwGH 24.1.1996, 94/13/0152; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 174), zumal sich nicht einmal andeutungsweise ergibt, dass eine Mitgliedschaft in einer Wahlkommission oder die Mitgliedschaft bei einer der genannten Parteien in Armenien einen Sachverhalt darstellen würde, welcher zu nennenswerten Repressalien führen würde. Daher ergäbe sich auch bei Wahrstellung der genannten Beweisthemen kein im Spruch anderslautender Bescheid und fehlt es dem Antrag somit an der entsprechenden Relevanz ( Erkenntnis des VwGH vom 27. Februar 2003, Zl 2002/20/0492 mwN, VwGH 24. 4. 2003, 2000/20/0231). Auch brachte die bP1 nicht vor, schon wegen der Mitgliedschaft bei der Partei bzw. der Wahlkommission an sich veranlasst gewesen, Armenien zu verlassen.

Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

II.3.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

II.3.3. Prüfungsumfang, Übergangsbestimmungen

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gem. § 75 Abs. 19 AsylG sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 1. Jänner 2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.

Bestätigt das Bundesverwaltungsgericht in den Fällen des § 75 Abs. 19 AsylG in Bezug auf Anträge auf internationalen Schutz

1. den abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes,

2. jeden weiteren einer abweisenden Entscheidung folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

3. den zurückweisenden Bescheid gemäß § 4 des Bundesasylamtes,

4. jeden weiteren einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 4 folgenden zurückweisenden Bescheid gemäß § 68 Abs. 1 AVG des Bundesasylamtes,

5. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, oder

6. den Bescheid des Bundesasylamtes, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 aberkannt wird,

so hat das Bundesverwaltungsgericht gem. § 75 Ab. 20 AsylG in jedem Verfahren zu entscheiden, ob in diesem Verfahren die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist oder das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen wird. Wird das Verfahren zurückverwiesen, so sind die Abwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich des Nichtvorliegens der dauerhaften Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für das Bundesamt nicht bindend. In den Fällen der Z 5 und 6 darf kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegen.

Zu A) (Spruchpunkt I)

II.3.5. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:

"§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) ...

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

..."

Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag der bP inhaltlich zu prüfen ist.

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

Wie im gegenständlichen Fall bereits in der Beweiswürdigung ausführlich erörtert wurde, war dem Vorbringen der bP zum behaupteten Ausreisegrund insgesamt die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb die Glaubhaftmachung eines Asylgrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann. Es sei an dieser Stelle betont, dass die Glaubhaftigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung [nunmehr "Status eines Asylberechtigten"] einnimmt (vgl. VwGH v. 20.6.1990, Zl. 90/01/0041).

Im gegenständlichen Fall erachtet das erkennende Gericht in dem im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegten Umfang die Angaben als unwahr, sodass die von den bP behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können, und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohl begründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Soweit der Berichtslage vereinzelte Benachteiligungen und Behinderungen der Opposition in Armenien entnommen werden können, ist -ohne hierdurch feststellen zu wollen, dass die bP1 in Armenien als nach außen hin wahrnehmbarer Oppositioneller anzusehen istfestzuhalten, dass derartige Beeinträchtigungen nicht die zur Gewährung von Asyl erforderliche Intensität erreichen. So reichen etwa unspezifizierbare Verfolgungshandlungen von nur geringer Schwere nach ständiger Judikatur des VwGH nicht aus, solange sie nicht eine derartige Intensität erreichen, dass deshalb ein weiterer Aufenthalt der bP im Herkunftsstaat als unerträglich anzusehen wäre [(VwGH 7. 10. 1993, 93/01/0942; 7. 10. 1993, 93/01/0872; 7. 11. 1995, 95/20/0080; 25. 4. 1995, 94/20/0762). "(...) Benachteiligungen (allgemeine Geringschätzung, Benachteiligung und Schikanen)(erreichen) insgesamt noch nicht eine derartige Intensität (...), dass deshalb ein weiterer Aufenthalt der Erstbeschwerdeführerin in ihrem Heimatland als unerträglich oder unzumutbar anzusehen wäre" (VwGH 23. 5. 1995, 92/20/0808).].

Auch vor dem Hintergrund der Berichtslage nahe liegende wirtschaftlichen Erwägungen, welche zum Verlassen Armeniens führten, können nicht zu Gewährung von Asyl führen, zumal keinerlei Hinweise bestehen, dass die bP aufgrund eines in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grundes von der angespannten wirtschaftlichen Lage in Armenien nachteiliger betroffen wäre, als die sonstige pakistanische Bevölkerung (zur fehlenden asylrechtlichen Relevanz wirtschaftlich motivierter Ausreisegründe siehe auch Erk. d. VwGH vom 6.3.1996, Zi. 95/20/0110 oder vom 20.6. 1995, Zl. 95/19/0040).

Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorlieben der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.

II.3.6. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:

"§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. ...

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung

nach § 3 ... zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

..."

Bereits § 8 AsylG 1997 beschränkte den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies war dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen war, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300). Diese Grundsätze sind auf die hier anzuwendende Rechtsmaterie insoweit zu übertragen, als dass auch hier der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, sich auf den Herkunftsstaat beschränken.

Art. 2 EMRK lautet:

"(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden.

(2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:

a) um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen;

b) um eine ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person zu verhindern;

c) um im Rahmen der Gesetze einen Aufruhr oder einen Aufstand zu unterdrücken."

Während das 6. ZPEMRK die Todesstrafe weitestgehend abgeschafft wurde, erklärt das 13. ZPEMRK die Todesstrafe als vollständig abgeschafft.

Art. 3 EMRK lautet:

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden."

Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).

Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).

Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).

Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung [Rückkehrentscheidung] eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung [Rückkehrentscheidung] einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat der bP zu berücksichtigen, auch wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Schweden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gem. der Judikatur des EGMR muss die bP die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Auch nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, VwGH 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (zB ihre familiäre (VwGH 14.2.2002, 99/18/0199 ua), gesundheitliche (VwSlg 9721 A/1978; VwGH 17.10.2002, 2001/20/0601) oder finanzielle (vgl VwGH 15.11.1994, 94/07/0099) Situation), von dem sich die Behörde nicht amtswegig Kenntnis verschaffen kann (vgl auch VwGH 24.10.1980, 1230/78), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Heimatstaat des Asylwerbers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).

Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.

Umgelegt auf den gegenständlichen Fall werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der bP (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.

Da sich der Herkunftsstaat der bP nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet, kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die bP als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.

Auch wenn sich die Lage der Menschenrechte im Herkunftsstaat der bP in den beschriebenen Bereichen als nicht gänzlich unproblematisch darstellt, kann nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechts-verletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.

Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.

Weitere, in der Person der bP begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.

Zur individuellen Versorgungssituation der bP wird weiters festgestellt, dass diese im Herkunftsstaat über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen.

Bei bP2 handelt es sich jedenfalls um einen arbeitsfähigen Menschen. Die Arbeitsfähigkeit von bP1 ist sicher erheblich eingeschränkt, jedoch ist diese nicht gänzlich verloren gegangen und wäre es ihr etwa möglich, körperlich weniger anstrengende Tätigkeiten, wie etwa Unterstützungstätigkeiten oder gewisse Tätigkeiten im Haushalt zu übernehmen. Auch stammen die bP aus einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist und andererseits gehören die bP keinem dermaßen qualifiziert vulnerablen Personenkreis an, von welchem anzunehmen ist, dass sie sich in Bezug auf ihre individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellen als die übrige Bevölkerung, welche ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. So war es den bP auch vor dem Verlassen ihres Herkunftsstaates bzw. nach deren Abschiebung nach der erstmaligen Antragstellung möglich, in Armenien wieder Fuß zu fassen und dort ihr Leben zu meistern und kann der Berichtslage nicht entnommen werden, dass in Armenien Personen in einer vergleichbaren Lage wie die bP nicht für ihre dringendsten Lebensbedürfnisse sorgen können.

Auch steht es den bP1 und bP2 es auch frei, das -wenn auch nicht sonderlich leistungsfähige- Sozialsystem des Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen.

Ebenso kam hervor, dass die bP im Herkunftsstaat nach wie vor über familiäre bzw. verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfügen und in ihrem bisherigen Lebensbereich gesellschaftlich integriert sind. Sie stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird und kann die bP daher Unterstützung durch ihre Familie erwarten.

Darüber hinaus ist es der bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.

Ebenso verfügen die bP in Armenien über Eigentum. Entgegen ihrer eigenen Angaben ist deren Haus nicht zerstört und steht als Wohnmöglichkeit zur Verfügung. Weiters verfügen sie über landwirtschaftlich nutzbaren (aber auch verpacht- bzw. verwertbaren) Grund und Boden.

Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht über eine allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.

Die Zumutbarkeit der Annahme einer -ggf. auch unattraktiven-Erwerbsmöglichkeit durch die erwerbsfähige bP2 wurde bereits beispielsweise im Erk des AsylGH vom 1.8.2012, Gz. E10 414843-1/2010 mwN bejaht.

Soweit insbesondere die beschwerdeführenden Parteien ihren Gesundheitszustand thematisiert wird Folgendes erwogen:

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Armenien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngere diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung.

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab:

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

Gerade zur von der bP vorgebrachten Behandlungsbedürftigkeit wird Folgendes erwogen:

Wie bereits erwähnt, geht der EGMR weiters davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet und kann nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen {EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964 ("St. Kitts-Fall")}. Im Zusammenhang mit einer Erkrankung des Beschwerdeführers nahm der EGMR außerordentliche, ausnahmsweise vorliegende Umstände im "St. Kitts-Fall" an. Im Mai 1997 hatte der EGMR die Abschiebung eines HIV-infizierten Drogenhändlers, welcher laut medizinischen Erkenntnissen auch in Großbritannien bei entsprechender Behandlung nur mehr ca. 8 - 14 Monate zu leben gehabt hätte und sich somit im fortgeschrittenen Krankheitsstadium befand, aus Großbritannien auf seine Heimatinsel St. Kitts/kleine Antillen (Karibik) als "unmenschliche Behandlung" im Sinne des Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention angesehen. Die im zitierten Erkenntnis beschriebene außergewöhnliche, exzeptionale Notlage ( er hätte dort keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und Betreuung, nicht einmal zu einem Pflegebett gehabt hätte und wäre so qualvollst, einsam und in extremer Armut gestorben) die ihn dort erwarte, würde seine Lebenserwartung deutlich reduzieren und ihn psychischem und physischem Leiden aussetzen. Diese Abschiebung war daher in diesem Einzelfall unzulässig (EGMR 02.05.1997 -146/1996/767/964).

Ähnlich entschied die Europäische Kommission für Menschenrechte 1998 im Falle eines AIDS-Kranken aus der Demokratischen Republik Kongo (B.B. gegen Frankreich, 9.3.1998, Nr. 30930/96). Auch die Kommission stellte auf die fortgeschrittene Erkrankung, die fehlende Behandlungsmöglichkeit in der Heimat mit der großen Gefahr opportunistischer Erkrankungen, fehlende familiäre Bindungen und die Übernahme der (medizinischen) Verantwortung Frankreichs durch die Behandlung ab und bejahte ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK.

In der Entscheidung vom 15.2.2000 (S.C.C. gegen Schweden, Nr. 46553 /99) kam der EGMR zu einer entgegen gesetzten Auffassung. Die Antragstellerin stammte aus Sambia. Sie machte geltend, es sei im Jahr 1995 eine HIV-Infektion bei ihr festgestellt worden, mit einer Therapie habe man im Jahr 1999 begonnen. Der EGMR verneinte eine Verletzung von Art. 3 EMRK unter Berücksichtigung der Tatsachen, dass erst kürzlich mit einer Therapie begonnen worden sei, dass Verwandte in Sambia lebten und dass nach Vortrag der schwedischen Botschaft die Behandlung von AIDS in Sambia möglich sei.

Auch in seiner sonstigen, dem in die Literatur unter der "St. Kitts-Fall" bekannten Fall nachfolgenden Rechtsprechung hat der EGMR (unter Berücksichtigung der jeweils gegebenen konkreten Umstände) in keinem Fall eine derart außergewöhnliche - und damit vergleichbare - Situation angenommen (vgl. z.B. EGMR 10.11.2005, Paramsothy gegen die Niederlande [Erkrankung an Posttraumatischem Stresssyndrom], EGMR 10.11.2005, Ramadan gegen die Niederlande, Nr. 35989/03 [Erkrankung an Depression, teils mit psychotischer Charakteristik], EGMR 27.09.2005, Hukic gegen Schweden, Nr. 17416/05 [Erkrankung am Down-Syndrom], EGMR 22.09.2005, Kaldik gegen Deutschland, Nr. 28526 [Erkrankung an Posttraumatischem Stresssyndrom mit Selbstmordgefahr], EGMR 31.05.2005, Ovdienko gegen Finnland, Nr. 1383/04 [Erkrankung an schwerer Depression mit Selbstmordgefahr], EGMR 25.11.2004, Amegnigan gegen die Niederlande, Nr. 25629/04 [HIV-Infektion], EGMR 29.06.2004, Salkic gegen Schweden, Nr. 7702/04 [psychische Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen], EGMR 22.06.2004, Ndangoya gegen Schweden, Nr. 17868/03 [HIV-Infektion], EGMR 06.02.2001, Bensaid gegen Vereinigtes Königreich [Erkrankung an Schizophrenie]).

Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:

Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter wären als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress") ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".

Im vorliegenden Fall konnten somit seitens der bP keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Armenien belegt werden, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Bundesverwaltungsgerichts. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf das Vorliegen (schwerer) Erkrankungen ersichtlich.

In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass der EGMR es für eine Art. 3 EMRK-konforme Überstellung ausreicht, dass Behandlungsmöglichkeiten [für Traumatisierte, hier aufgrund der identischen Interessenslage jedoch analog anwendbar] im Land der Überstellung verfügbar sind (vgl. Paramasothy v. Netherlands 10.11.2005; Ramadan Ahjeredine v. Netherlands, 10.11.2005, Ovidienko

v. Finland 31.5.2005; Hukic v. Sweden, 27.9.2005), was im Herkunftsstaat hinsichtlich der von der bP vorgebrachten Erkrankung offensichtlich der Fall ist (vgl. die bereits erörterte Berichtslage zum Gesundheitswesen im Herkunftsstaat [in Bezug auf die Verfügbarkeit von Medikamenten siehe weiters http://pharm.am/files/juristdocs/20140909_155850_en_Himnakandexeri_cank_17-N_ENG Index.pdf ], woraus sich ergibt, dass grundsätzlich von der Behandelbarkeit auftretender Krankheiten auszugehen ist, soweit es sich nicht beispielsweise um qualifiziert komplizierte Eingriffe bzw. Transplantationen handelt [bestehende Krankheiten, welche die Annahme aufkommen lassen, sie zählen zu diesem qualifizierten Kreis, welche in Armenien nicht behandelbar sein könnte, wurden nicht beschrieben] und den Umstand, dass die bP bereits vor dem Verlassen Armeniens sichtlich in der Lage waren mit den von ihnen beschriebenen Krankheiten zu leben, bzw. sie Zugang zum armenischen Gesundheitswesen fanden und nie vorgebracht wurde, dass der Gesundheitszustand bzw. allfällig fehlende Behandlungsmöglichkeiten sich für die Ausreise als primär kausal darstellte). Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Behandlung nach einem Schlaganfall zu jenen Leistungen des armenischen Gesundheitssystems gehört, deren Kosten vom Staat getragen werden (vgl. z. B. IOM: Reurning to Armenia, Country Information Nor 2009 [in der Berichtslage finden sich keine Hinweise, dass der ensprechende Leistungsumfang inzwischen eingeschränkt worden wäre [Verordnung N 144 - A vom 31.01.2012 des Gesundheitsministers der Republik Armenien]).

Soweit die bP1 in der Beschwerdeverhandlung einen am 2.2.2015 (nunmehr sichtlich) stattgefundenen Operationstermin (Blasenoperation) nannte, ergeben sich keine Hinweise, dass sich die bP nach erfolgter Operation nunmehr in einem unter Art. 3 EMRK zu subusmierenden Zustand befindet und brachte die bP im ergänzenden Ermittlungsverfahren nicht vor, dass es hierbei zu Komplikationen gekommen wäre.

Im gegenständlichen Fall wird letztlich auch auf das jüngere Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05, hingewiesen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat seine Rechtsprechung in Bezug auf Krankheiten und Art 3 EMRK zusammengefasst und neben dem Urteil D. v. The United Kingdom auf die Entscheidungen B.B. v. France, Nr. 30.930/96, Karara

v. Finland, Nr. 40.900/98, S.C.C. v. Sweden, Nr. 46.553/99, Bensaid

v. The United Kingdom, Nr. 44.599/98, Arcila Henao v. The Netherlands, Nr. 13.669/03, Ndangoya v. Sweden, Nr. 17.868/03, sowie Amegnigan v. The Netherlands, Nr. 25.629/04 verwiesen (Randnrn. 35 bis 41 des Urteils N. v. The United Kingdom).

Im konkreten Fall N. v. The United Kingdom lag die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Abschiebung einer an Aids Erkrankten nach Uganda zugrunde. Nach Informationen der WHO ist antiretrovirale Medikamentation in Uganda erhältlich, auch wenn wegen mangelnder Ressourcen nur die Hälfte jener Personen, die sie benötigen, in den Genuss dieser Behandlung kommt. Die Bf. behauptete, sie könne sich die Behandlung nicht leisten und diese wäre in der ländlichen Gegend, aus der sie stamme, gar nicht erhältlich. Der Gerichtshof führte aus, dass es scheint, dass sie Familienmitglieder in Uganda hat, auch wenn sie behauptet, dass diese nicht gewillt oder nicht in der Lage wären, sich um sie zu kümmern.

Das Vereinigte Königreich hat der Bf. während des Asylverfahrens und der folgenden Verfahren über die Zulässigkeit ihrer Ausweisung neun Jahre lang auf öffentliche Kosten medizinische und soziale Unterstützung gewährt. Dies begründet jedoch keine Verpflichtung seitens des belangten Staates, weiterhin für sie zu sorgen.

Der GH anerkennt, dass die Lebensqualität der Bf. und ihre Lebenserwartung im Falle ihrer Abschiebung nach Uganda beeinträchtigt würde. Sie ist im Moment jedoch nicht todkrank. Wie rasch sich ihr Zustand verschlechtern würde und in welchem Ausmaß sie in der Lage wäre, Zugang zu medizinischer Behandlung, Unterstützung und Pflege, einschließlich der Hilfe durch Verwandte, zu erhalten, ist bis zu einem gewissen Grad spekulativ, insbesondere angesichts der sich stetig fortentwickelnden Situation was die Behandlung von AIDS und HIV weltweit betrifft. Der EGMR erkannte in diesem Fall, dass keine Verletzung des Art 3 EMRK vorlag.

Vergleicht man die seitens der bP in Armenien vorzufindenden Verhältnisse mit jenen, wie sie im Fall des EGMR Nr. 26.565/05 beschrieben wurden, stellt sich die Lage für die bP erheblich günstiger dar, als jener für die im oa. Fall beschriebene Rückkehrerin nach Uganda, weshalb sich aus der seitens des EGMR aufgestellten Kriterien kein aus Art. 3 EMRK ableitbares Bleiberecht für die bP ergibt.

Aus der genannten Quellenlage ergibt, sich dass die Behandlungsmöglichkeiten der bP bei Ausschöpfung der bereits beschriebenen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln über jenen, wie sie im Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05 beschrieben wurden, liegen, weshalb der Gesundheitszustand der bP letztlich kein Abschiebehindernis darstellt.

Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso Erk. des AsylGH vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E mwN).

Im gegenständlichen Fall sei auch auf das Erk. des AsylGH GZ E10 258.448-3/2009-9E (die Behandlung der dagegen eingebrachten Beschwerde an den VfGH wurde mit Beschluss vom 3.9.2009, U1302/09-10 mit Verweisen auf seine bisherige Judikatur abgelehnt) und die dort getroffenen Aussagen zur grundsätzlichen Unbeachtlichkeit von (psychischen) Erkrankungen vor dem Hintergrund der in Armenien bestehenden Behandlungsmöglichkeiten verwiesen. Aufgrund der vergleichbaren Interessenslage sind die dort getroffenen grundsätzlichen Überlegungen auch auf den gegenständlichen Fall übertragbar.

Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass die beschwerdeführende Partei nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in ihrem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.

II.3.7 Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung

II.3.7.1. Gesetzliche Grundlagen:

§ 10 AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer

Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

§ 57 AsylG 2005, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von

Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

der Grad der Integration,

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

§ 55 AsylG 2005, Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK:

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von

Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

§ 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln:

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels

gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben."

§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich

eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.

Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

II.3.7.2. Die gegenständlichen, nach nicht rechtmäßiger Einreise in Österreich gestellten Anträge auf internationalen Schutz waren abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel der drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fallen die bP nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Es liegen keine Umstände vor, dass den bP allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

II.3.7.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.

Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).

II.3.4.4. Die bP haben in Österreich über die im gegenständlichen Erkenntnis behandelten Mitglieder der Kernfamilie hinausgehend keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich nunmehr etwas weniger als 1 Jahr im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie leben von der Grundversorgung und verfügen über geringe Deutschkenntnisse. Sie sind strafrechtlich unbescholten.

Qualifizierte Bindungen, welche aus der Zeit des Aufenthaltes im Bundesgebiet während des ersten Asylverfahrens, welcher durch eine Abschiebung nach Armenien beendet wurde, die bis in die Gegenwart nachwirken, wurden weder seitens der bP vorgebracht, noch ergeben sich hierauf irgendwelche Hinweise.

Beide bP sind im gleichen Umfang potentiell von der Umsetzung aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen.

Die Rückkehrentscheidung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben, wenngleich dieser schon alleine durch den erst kurzen Aufenthalt und den niedrigen Integrationsgrad in Österreich, welcher darüber hinaus nur durch die unbegründete Stellung eines Asylantrages erreicht werden konnte, relativiert wird.

II.3.7.5. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.

Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.

Bereits vor Inkrafttreten der Vorgängerbestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-VG in der Form des AsylG 2005 idF BGBl 29/2009 entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Richtlinien (in den Medien der vielgenannte "Kriterienkatalog") im Rahmen der Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. EMRK, welche zu berücksichtigen sind:

Auch

Ebenso bereits vor Inkrafttreten des durch BGBl I 38/2011 in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG eingefügten lit. i, welcher der nunmehrigen Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, S. 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).

Ein mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden soll daher als zusätzliche Tatsache bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK berücksichtigt werden, andererseits stellte der VfGH in seinem Erkenntnis v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 unmissverständlich fest, dass die zeitliche Komponente dann in den Hintergrund tritt, wenn sich die Verweil- bzw. Verfahrensdauer aus dem Verhalten der beschwerdeführenden Partei ergibt (vgl. hierzu auch Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

II.3.7.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der oben genannten Determinanten im Lichte der soeben zitierten Judikatur Folgendes:

Die bP sind etwas weniger als 1 Jahr in Österreich aufhältig. Sie reisten rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und konnten ihren Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisieren. Hätten sie diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wären sie rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig bzw. wäre davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würden.

Die bP verfügen über die bereits beschriebenen privaten Anknüpfungspunkte

Die bP begründeten ihr Privat- bzw. Familienleben zu einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt der bP zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privat- und Familienlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt.

Ergänzend ist auch festzuhalten, dass die bP nicht gezwungen sind, nach einer Ausreise allfällig bestehenden private Bindungen zur Gänze abbrechen zu müssen. So stünde es ihnen frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: "Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK", ÖJZ 2007/74 mwN).

Die beschwerdeführenden Parteien sind erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig, haben hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und waren im Asylverfahren nicht in der Lage, ihren Antrag ohne die Beiziehung eines Dolmetschers zu begründen, wenngleich im Verfahren hervorkam, dass sie die deutsche Sprache so weit beherrscht, dass eine gewisse Verständigung im Alltag möglich ist.

Ebenso geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, dass die bP selbsterhaltungsfähig wären bzw. ernsthafte Bemühungen zur Herstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit unternommen hätten.

In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die -hier bei weitem nicht vorhandenen-Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

Die bP verbrachten den überwiegenden Teil ihres Lebens in Armenien, wurden dort sozialisiert, gehören der dortigen Mehrheits- und Titularethnie an, bekennen sich zum dortigen Mehrheitsglauben und sprechen die dortige Mehrheitssprache auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso ist davon auszugehen, dass in Armenien Bezugspersonen etwa im Sinne eines gewissen Freundes- bzw. Bekanntenkreises der bP existieren, da nichts darauf hindeutet, dass die bP vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat in völliger sozialer Isolation gelebt hätten. So konnte auch der Vertrauensanwalt Personen ausfindig machen, welchen die bP kannten bzw. mit ihnen verwandt sind. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es den bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Die bP sind strafrechtlich unbescholten.

Die Feststellung, wonach die bP strafrechtlich unbescholten sind, stellt laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten der bP ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).

Die bP reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge rechtswidrig in das Bundesgebiet ein.

Den bP musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist.

Auch musste ihnen der oa. Umstand aufgrund ihres fremdenrechtlichen Schicksals nach der erstmaligen Antragstellung bekannt sein.

Ebenso indiziert die rechtswidrige und schlepperunterstützte Einreise den Umstand, dass den genannten bP die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass sie in diesem Fall diese weitaus weniger beschwerliche und kostenintensive Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätten.

Ein derartiges Verschulden kann aus der Aktenlage nicht entnommen werden.

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva).

Der VwGH hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).

Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.

Gem. Art 8 Abs 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privatund/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs 2 leg cit genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich -abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Fremdenrechtspaket 2005 klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für den Beschwerdeführer grundsätzlich nicht mehr möglich seinen Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Wie aus dem 2. Hauptstück des NAG ersichtlich ist, sind auch Fremde, die Familienangehörige von in Österreich dauernd wohnhaften österreichischen Staatsbürgern sind, davon nicht ausgenommen. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem Beschwerdeführer gem. § 21 (2) und (3) NAG die Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus offen steht, sodass ihn mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Ausweisung des Fremden bedarf.

Bei rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ist der Beschwerdeführer somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.

Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.

Der Rechtsprechung des EGMR folgend (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.

Wenn man - wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

In seinem Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bewirkt.

Der GH führte weiters -wiederum auf seine Vorjudikatur verweisendaus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen. Im geschilderten Fall wurde letztlich dennoch eine Entscheidung zu Gunsten der Beschwerdeführer getroffen, weil es der Erstbeschwerdeführerin grundsätzlich möglich gewesen wäre, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren, weil sie mit dem Vater des Zweitbeschwerdeführers, einem Staatsbürger der Niederlande vom Juni 1994 bis Jänner 1997 eine dauerhafte Beziehung führte. Es war daher der Fall Erstbeschwerdeführerin trotz ihres vorwerfbaren sorglosen Umganges mit den niederländischen Einreisebestimmungen von jenen Fällen zu unterscheiden, in denen der EGMR befand, dass die betroffenen Personen zu keinem Zeitpunkt vernünftiger Weise erwarten konnten, ihr Familienleben im Gastland weiterzuführen. Ebenso wurde in diesem Fall der Umstand des besonderen Verhältnisses zwischen dem Kleinkind und der Mutter besonders gewürdigt.

Weiters wird hier auf das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06 verwiesen, wo dieser folgende Kernaussagen traf:

Im gegenständlichen Fall erachtete es der EGMR nicht erforderlich, sich mit der von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Frage auseinanderzusetzen, ob durch das Studium der Beschwerdeführerin im UK, ihr Engagement in der Kirche sowie ihre Beziehung unbekannter Dauer zu einem Mann während ihres fast 10-jährigen Aufenthalts ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist.

Dies wird damit begründet, dass im vorliegenden Fall auch das Bestehen eines Privatlebens ohne Bedeutung für die Zulässigkeit der Abschiebung wäre, da einerseits die beabsichtigte Abschiebung im Einklang mit dem Gesetz steht und das legitime Ziel der Aufrechterhaltung und Durchsetzung einer kontrollierten Zuwanderung verfolgt; und andererseits jegliches zwischenzeitlich etabliertes Privatleben im Rahmen einer Interessenabwägung gegen das legitime öffentliche Interesse an einer effektiven Einwanderungskontrolle nicht dazu führen könnte, dass ihre Abschiebung als unverhältnismäßiger Eingriff zu werten wäre.

Die zuständige Kammer merkt dazu an, dass es sich hier im Gegensatz zum Fall ÜNER gg. Niederlande (EGMR Urteil vom 05.07.2005, Nr. 46410/99) bei der Beschwerdeführerin um keinen niedergelassenen Zuwanderer handelt, sondern ihr niemals ein Aufenthaltsrecht erteilt wurde und ihr Aufenthalt im UK daher während der gesamten Dauer ihres Asylverfahrens und ihrer humanitären Anträge unsicher war.

Ihre Abschiebung in Folge der Abweisung dieser Anträge wird auch durch eine behauptete Verzögerung der Behörden bei der Entscheidung über diese Anträge nicht unverhältnismäßig.

II.3.7.7. Letztlich ist festzustellen, dass eine Gegenüberstellung der von den bP in ihrem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnissen mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen der bP am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes führen würde.

Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie die bP erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.

Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip ["no one can profit from his own wrongdoing"], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration der bP in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Sicht sind nicht erkennbar. Die bP halten erst einen kurzen Zeitraum in Österreich auf, sind auf die Grundversorgung angewiesen und eine relevante gesellschaftliche Integration im beachtlichen Ausmaß ist nicht erkennbar.

Verwandte der bP leben noch im Herkunftsstaat, wo die bP den Großteil des Lebens verbracht haben und sozialisiert wurden, und ist daher davon auszugehen, dass auf Grund dieser engen familiären und privaten Beziehungen im Herkunftsstaat im Vergleich mit dem bisherigen Leben in Österreich die Beziehungen zu Armenien eine - wenn überhaupt vorhanden - Integration in Österreich bei weitem überwiegen.

Insbesondere aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer der bP in Österreich sind zum Entscheidungszeitpunkt keine Aspekte einer außergewöhnlichen schützenswerten, dauernden Integration hervorgekommen, dass allein aus diesem Grunde die Rückkehrentscheidungen auf Dauer unzulässig zu erklären wären.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der bP im Bundesgebiet das persönliche Interesse der bP am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in den Beschwerden nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

II.3.7.8. Die belangte Behörde ist des Weiteren auch nach Abwägung aller dargelegten persönlichen Umstände der bP zu Recht davon ausgegangen, dass der bP ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen nicht zu erteilen ist. Es liegt im gegenständlichen Fall schon die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG (Aufrechterhaltung eines Privat- und Familienleben iSd Art. 8 EMRK) nicht vor.

II.3.7.9. Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Armenien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlichen Beschwerden nicht schlüssig dargelegt.

II.3.7.10. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen der bP und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die hier vorliegenden Umstände gehen letztlich nicht über jene Umstände in relevanter Weise hinaus, wie sie jeden Fremden, welcher zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet ist, betreffen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen in der Beschwerdeschrift getroffen.

Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste femdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien. Dies zeigt sich auch schon aus dem Umstand, dass seitens der belangten Behörde auf die Verhängung eines Einreiseverbotes verzichtet wurde.

II.3.7.11. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Rückkehrentscheidungen und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreisen vorliegen, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

II.3.8. Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau die Beschwerde in allen Spruchpunkten abzuweisen.

II.3.9. Über ein Einreiseverbot war mangels Vorliegens eines Beschwerdegegenstands nicht abzusprechen.

II.3.10 Familienverfahren

Da in Bezug auf bP1 und bP2 originär ein inhaltlich gleichlautender Spruch erging, kann sich auch aus dem Titel des im gegenständlichen Fall zu führenden Familienverfahrens (§ 34 AsylG) für die bP keine günstigere Entscheidung ergeben.

II.3.11. Absehen von einer weiteren Beschwerdeverhandlung

II.3.11.1. Das ho. Gericht führte eine Beschwerdeverhandlung durch, in dem das bis zu diesem Zeitpunkt vorliegende Beweisergebnis erörtert wurde. Ebenso konnte sich das Gericht in dieser Beschwerdeverhandlung einen persönlichen Eindruck von den bP machen.

II.3.11.2. Die nach der Durchführung der Beschwerdeverhandlung entstandenen Beweisthemen wurden mit den Verfahrensparteien im Rahmen einer schriftlichen Beweisaufnahme gem. § 45 Abs. 3 ACG erörtert. Das ho. Gericht erachtete die Notwendigkeit, hierzu eine weitere Beschwerdeverhandlung durchzuführen, aufgrund nachfolgender Erwägungen als nicht gegeben:

§ 24 VwGVG lautet:

"(1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Gemäß dem im gegenständlichen Fall anwendbaren § 21 Abs. 7 BFA-VG, BGBl I Nr. 68/2013 idgF kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn

oder

Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Im gegenständlichen Fall ließen die die Akten erkennen, dass die nochmalige mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt (§ 24 Abs. 4 VwGVG). Das ho. Gericht führte bereits eine mündliche Verhandlung durch, in der es sich einen persönlichen Eindruck von den Parteien verschaffte und stellte das ergänzende Beweisthema ein solches dar, welches für eine schriftliche Erörterung geeignet war und vor allem die neuerliche Verschaffung eines persönlichen Eindruckes der bP nicht mehr erforderlich war.

Eine Verletzung von Art. 6 EMRK stellt die unterlassene weitere Verhandlung ebenfalls nicht dar, zumal gem. ständiger Judikatur VwGHs (vgl. Erk. vom 5.9.2002, Zl 98/21/0124 mwN) und des VfGHs (vgl. etwa Erk. v. 15.10.2004, GZ G237/63 ua) Art. 6 EMRK im asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren nicht zur Anwendung kommt (vgl. auch EGMR 5.10.2000, Fall Maaouia, Appl. 39.652/98). Ungeachtet dessen wurden auch in Bezug auf das ergänzende Verfahren die Grundsätze eines fairen Verfahrens eingehalten, indem der den Parteien diese zur Kenntnis gebracht und ihnen eine ausreichende Frist eingeräumt wurde, sich hierzu zu äußern.

Ebenso ergibt sich auch aus dem auf Asylverfahren anwendbaren Art 47 der Grundre-chtecharta der Europäischen Union im gegenständlichen Fall keine Verhandlungspflicht (Erk. d. VfGH U 466/11-18, U 1836/11-13). In diesem Zusammenhang wird auch auf das Erk. des VwGH vom 27.9.2013, Zl. 2012/05/0213 verwiesen ("...Im Übrigen lassen die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die vorgelegten Verwaltungsakten erkennen, dass die Erörterung in einer Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht

erwarten lässt, zumal das Verfahren rechtliche ... Fragen betrifft,

zu deren Beantwortung auch im Sinne der Judikatur des EGMR (Hinweis E vom 28. Mai 2013, 2012/05/0120 bis 0122, mwH auf die Rechtsprechung des EGMR; ferner etwa das Urteil des EGMR vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09, Schädler-Eberle gegen Liechtenstein) eine öffentliche, mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint."), wo das genannte Höchstgericht zum Schluss kam, dass keine Verhandlung durchzuführen ist (zumal sich § 24 Abs. 4 VwGVG mit § 39 Abs. 2 Z 6 WvGG inhaltlich deckt, erscheinen die dort angeführten Überlegungen im gegenständlichen Fall sinngemäß anwendbar).

Zu einer allfälligen nochmaligen persönliche Einvernahme, wird festgestellt, dass nicht ersichtlich ist, was bei einer solchen - inzwischen schon wiederholt stattgefundenen persönlichen Einvernahme (das in diesen Einvernahmen erstattete Vorbringen, sowie der Verlauf der Einvernahmen wurde in entsprechenden Niederschriften, denen die Beweiskraft des § 15 AVG unwiderlegt zukommt, festgehalten) konkret an entscheidungsrelevantem und zu berücksichtigendem Sachverhalt noch hervorkommen hätte können. So argumentiert auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass schon in der Beschwerde (bzw. hier in einem Schriftsatz anlässlich der durchgeführten Beweisaufnahme) darzulegen ist, welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären (zB. VwGH 4.7.1994, 94/19/0337). Wird dies -so wie im gegenständlichen Fall- unterlassen, so besteht keine Verpflichtung zur neuerlichen Einvernahme iSe hier weiteren Beschwerdeverhandlung.

Aufgrund der oa. Ausführungen konnte die Durchführung einer Verhandlung unterbleiben.

Im Falle ergänzender Ermittlungen kann von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht zudem auch abgesehen und mit einer schriftlichen Stellungnahmemöglichkeit zur Wahrung des Parteiengehörs zum Ermittlungsergebnis das Auslangen gefunden werden, wenn dafür die persönliche Anhörung zur Gewinnung eines unmittelbaren persönlichen Eindruckes für die Entscheidungsfindung nicht erforderlich ist (zB VwGH 17.10.2006, 2005/20/0459; 11.11.2008, 2006/19/0359; 26.2.2009, 2006/20/0177-6; vgl. auch VfGH 10.12.2008, U 80/08-15).

Letztlich ist auch anzuführen, dass sich das Vorbringen der bP zum behaupteten Ausreisegrund zweifelsfrei als nicht den Tatsachen entsprechend darstellt, (§ 21 Abs. 7, 2. Alt. BFA-VG), weshalb auch schon aus diesem Grund das Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahren nicht in einer weiteren mündlichen Verhandlung zu erörtern war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, dem Refoulement-schutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.

Darüber hinaus stellen sich im gegenständlichen Fall primär Tatsachenfragen bzw. Fragen der Beweiswürdigung.

Aus dem Umstand, dass das ho. Gericht und die belangte Behörde mit 1.1.2014 eingerichtet wurde und dies im Fremden- und Asylrecht zu Zuständigkeitsänderungen führte, bzw. die fremden- und asylrechtliche Diktion partielle Änderungen erfuhr, kann ebenso kein Sachverhalt im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abgeleitet werden, zumal sich im Kernbereich der anzuwendenden Bestimmungen keine substantielle Änderung ergab.

Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.

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