VwGH Ro 2019/04/0226

VwGHRo 2019/04/022628.3.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz‑Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der Dipl. Ing. W S Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch die Heid und Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Kundmanngasse 21, gegen das am 3. Juli 2019 mündlich verkündete und am 22. Juli 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW‑123/046/7416/2019, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadt Wien, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Bartensteingasse 2; 2. BM Ing. D E.U. in W, vertreten durch Dr. Michael Schweda, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Hauptplatz 9‑13), zu Recht erkannt:

Normen

AWG 2002 §14
AWG 2002 §2 Abs6 Z2 lita
AWG 2002 §2 Abs6 Z3
AWG 2002 §2 Abs6 Z3 litb
AWG 2002 §24a Abs2 Z5
AWG 2002 §9 Z2
BVergG 2018 §127
BVergG 2018 §135
BVergG 2018 §141 Abs1
BVergG 2018 §2 Z3
BVergG 2018 §2 Z5
BVergG 2018 §2 Z6
BVergG 2018 §2 Z7
BVergG 2018 §88
BVergG 2018 §91
Recycling-BaustoffV 2015 §3 Z10
VwRallg
32011R0305 Bauprodukte Art2 Z19
62003CJ0001 Paul Van de Walle VORAB
62007CJ0188 Commune de Mesquer VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2019040226.J00

 

Spruch:

Die Revision wird abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die erstmitbeteiligte Partei (Auftraggeberin) führt gemäß § 31 Abs. 2 Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) ein offenes Verfahren im Unterschwellenbereich zur Vergabe von Bauleistungen betreffend einen näher genannten Bauauftrag nach dem Billigstbieterprinzip durch.

2 Nachdem das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) aufgrund des Nachprüfungsantrags der Revisionswerberin die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin vom 4. April 2019 zu Gunsten der zweitmitbeteiligten Partei (präsumtive Zuschlagsempfängerin) für nichtig erklärt hatte, traf die Auftraggeberin am 24. Mai 2019 neuerlich eine Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der präsumtiven Zuschlagsempfängerin.

3 Gegen diese Zuschlagsentscheidung erhob die Revisionswerberin fristgerecht einen Nachprüfungsantrag mit dem Begehren, diese Entscheidung für nichtig zu erklären. Der künftige Auftragnehmer werde ab physischer Übernahme der Abfälle nicht nur Abfallbesitzer gemäß § 2 Abs. 6 Z 1 lit. b AWG 2002, sondern auch Abfallsammler gemäß § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 und bedürfe dafür einer Erlaubnis gemäß § 24a AWG 2002, worüber die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht verfüge. Die Ausnahmen von dieser Erlaubnispflicht gemäß § 24a Abs. 2 AWG 2002 seien auf die Abfallsammlung im Zuge von Bauvorhaben nicht anwendbar.

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin hätte daher im Angebot für diese Leistungen einen Subunternehmer mit entsprechender Erlaubnis nennen müssen, zumal nach den Ausschreibungsbestimmungen im Angebot die Nennung von Subunternehmern für alle Teile, nicht nur für wesentliche Teile des Auftrags nach § 98 Abs. 2 BVergG 2018 erforderlich sei.

Die Nichtnennung eines solchen eignungsrelevanten Subunternehmers belaste das Angebot mit einem unbehebbaren Mangel. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wäre daher ebenso wie wegen einer näher dargelegten unplausiblen Zusammensetzung des Gesamtpreises bzw. der Ausschreibung widersprechender Angebotsinhalte auszuscheiden gewesen.

4 Diesen Nachprüfungsantrag wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis gemäß § 13 Abs. 1 Wiener Vergaberechtsschutzgesetz 2014 (WVRG 2014) ab (Spruchpunkt I.) und sprach aus, dass die Revisionswerberin gemäß den §§ 15 und 16 WVRG 2014 die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe (Spruchpunkt II.) und dass die Revision zulässig sei (Spruchpunkt III.).

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht ‑ soweit im Revisionsverfahren wesentlich ‑ aus, die vertiefte Prüfung des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei schlüssig, nachvollziehbar und plausibel.

Zum Vorwurf des Fehlens einer Erlaubnis zum Abfallsammeln iSd § 24a AWG 2002 stellte das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, es sei bei diesem Auftrag davon auszugehen, dass in etwa gleich viel Material neu verbaut werde, als in Form von Bauresten nach Abbruch der alten Teile zu entfernen sei. Dort wo Wände entfernt würden, sollten sie an anderer Stelle neu errichtet werden. Wo der Verputz abgeschlagen werde, sei er zu ersetzen. Auch schadhafte Fußböden seien entsprechend zu erneuern.

Gemäß letztem Gedankenstrich in Punkt „02 Abbruch“ des Leistungsverzeichnisses gehe das abgebrochene Material in das Eigentum des Auftragnehmers über, sofern eine Wiederverwertung durch die Auftraggeberin nicht Vertragsbestandteil sei. Für das „Verwerten, Deponieren bzw. Entsorgen der Baurestmassen“ gebe Punkt 02.91 des Leistungsverzeichnisses vor: „Geladenes Abbruchmaterial abtransportieren einschließlich Verwerten, Deponieren oder Entsorgen nach Wahl des Auftragnehmers.“

Die präsumtive Zuschlagsempfängerin verfüge über keine Erlaubnis als Abfallsammlerin oder Abfallbehandlerin nach § 24a Abs. 1 AWG 2002.

Nach dem, einen Teil der bestandfesten Ausschreibungsunterlagen bildenden Leistungsverzeichnis gehe bei Abbrucharbeiten das Abbruchmaterial, dem jedenfalls Abfalleigenschaft zukomme, in das Eigentum des Auftragnehmers über. Das Abbruchmaterial sei abzutransportieren und nach Wahl des Auftragnehmers zu verwerten, zu deponieren oder zu entsorgen. Die Ausschreibungsunterlagen stünden somit der Entsorgung des Abbruchmaterials durch Weitergabe an einen befugten Abfallsammler oder ‑behandler nicht entgegen. Zumal mit der Übergabe an einen solchen Sammler oder Behandler die ausgeschriebene Leistung vollständig erbracht werde, müsse der Sammler oder Behandler vom Bieter nicht als Subunternehmer benannt werden.

Vorliegend komme die Ausnahmebestimmung des § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002 zum Tragen, zumal die präsumtive Zuschlagsempfängerin nicht bloß mit Abbrucharbeiten betraut werde, sondern die ausgeschriebenen Leistungen sowohl die Beistellung und Verbauung von eigenen Produkten (Baumaterial) als auch die Entsorgung gleichartiger Produkte (Abbruchmaterial) in einem ausgewogenen Verhältnis umfasse. Möge auch der Wortlaut des § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002 auf ein engeres, auf den reinen Handel (Warenverkauf und Warenrücknahme) beschränktes Verständnis des Ausnahmetatbestands hinweisen, so werde bereits aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zur AWG‑Novelle 2010 deutlich, dass dieser Ausnahmetatbestand weiter reichen solle. Nicht anders als der darin genannte Dachdecker, der ebenfalls nicht als Handelsunternehmen einzustufen sei, und nicht bloß Produkte (Dachziegel, Schrauben und anderes Dachdeckermaterial) liefere, sondern ein altes Dach ganz oder teilweise abtrage, um ein neues Dach zu errichten, habe auch ein Baumeisterunternehmen im Zuge eines Renovierungsauftrags, wie vorliegend, Baumaterial zu verbauen und das beim Abbruch des Vorbestandes anfallende Abbruchmaterial zu entsorgen. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin falle somit im Bereich der ausgeschriebenen Bauarbeiten unter die Ausnahmebestimmung des § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002 und bedürfe daher keiner Erlaubnis gemäß § 24a Abs. 1 AWG 2002. Der Vorwurf der fehlenden Eignung gehe daher ins Leere.

Der Nachprüfungsantrag der Revisionswerberin sei somit abzuweisen. Die Revisionswerberin habe die von ihr entrichteten Pauschalgebühren in der Höhe von € 4.681,50 selbst zu tragen.

Die Revision sei zuzulassen, weil die Rechtsfrage, ob die präsumtive Zuschlagsempfängerin eine Abfallsammlererlaubnis nach § 24a Abs. 1 AWG 2002 brauche oder die Ausnahmebestimmung des § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002 zum Tragen komme, mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG sei.

6 Dagegen richtet sich die vorliegende ordentliche Revision. Die erstmitbeteiligte Auftraggeberin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurück- in eventu Abweisung der Revision gegen Aufwandersatz. Die zweitmitbeteiligte präsumtive Zuschlagsempfängerin erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

7 Die Revision ist aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen zur Eignung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtslage

8 Gemäß § 79 Z 1 BVergG 2018 muss die Eignung beim offenen Verfahren zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen.

9 Angebote von Bietern, deren Eignung nicht gegeben ist, sind gemäß § 141 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung auszuscheiden.

10 Die wesentliche Rechtsfrage, ob die Bieter in Bezug auf den Auftragsgegenstand eine Erlaubnis als Abfallsammler iSd § 24 Abs. 1 AWG 2002 benötigen und somit die Eignung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin mangels einer solchen Erlaubnis nicht gegeben ist, ist daher nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung (März 2019) zu beurteilen.

11 § 2 Abs. 6 Z 1 bis 4 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), in der Stammfassung BGBl. I Nr. 102/2002, sowie § 24a Abs. 1 erster Satz und Abs. 2 Z 5 AWG 2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 9/2011, lauten:

Begriffsbestimmungen

§ 2. ...

(6) Im Sinne dieses Bundesgesetzes

1. ist ‚Abfallbesitzer‘

a) der Abfallerzeuger oder

b) jede Person, welche die Abfälle innehat;

2. ist ‚Abfallerzeuger‘

a) jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen (Abfallersterzeuger), oder

b) jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder andere Arten der Behandlung vornimmt, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken;

3. ist ‚Abfallsammler‘ jede Person, die von Dritten erzeugte Abfälle selbst oder durch andere

a) abholt,

b) entgegennimmt oder

c) über deren Abholung oder Entgegennahme rechtlich verfügt;

4. ist ‚Abfallbehandler‘ jede Person, die Abfälle verwertet oder beseitigt;

...

4. Abschnitt

Abfallsammler und -behandler

Erlaubnis für die Sammlung und Behandlung von Abfällen

§ 24a. (1) Wer Abfälle sammelt oder behandelt bedarf einer Erlaubnis durch den Landeshauptmann. ...

(2) Der Erlaubnispflicht unterliegen nicht:

...

5. Personen, die erwerbsmäßig Produkte abgeben in Bezug auf die Rücknahme (im Sinne von § 2 Abs. 6 Z 3 lit. b) von Abfällen gleicher oder gleichwertiger Produkte, welche dieselbe Funktion erfüllen, zur Weitergabe an einen berechtigten Abfallsammler oder Abfallbehandler. Dies gilt nicht, sofern es sich bei den zurückgenommenen Abfällen um gefährliche Abfälle handelt und die Menge der zurückgenommenen gefährlichen Abfälle unverhältnismäßig größer ist als die Menge der abgegebenen Produkte; ein diesbezüglicher Nachweis ist zu führen und auf Verlangen der Behörde vorzulegen;“

Auftragnehmer von Baumeisterarbeiten einschließlich Abbrucharbeiten als Abfallsammler iSd § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002

12 Die erstmitbeteiligte Partei vertritt in ihrer Revisionsbeantwortung im Gegensatz zum Verwaltungsgericht und der Revisionswerberin die Rechtsansicht, der Auftragnehmer sei nicht als Abfallsammler iSd § 24a Abs. 1 iVm § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002, sondern als Abfallersterzeuger iSd § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 bzw. Abfallbesitzer iSd § 2 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 zu qualifizieren. Ausgehend von den bestandfesten Festlegungen des Leistungsverzeichnisses würden die Abfälle (Abbruchmaterial) in Ausführung des Auftrages vom Auftragnehmer selbst „erzeugt“. Demgegenüber setze § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 für die Qualifikation als „Abfallsammler“ voraus, dass „von Dritten erzeugte Abfälle selbst oder durch andere“ abgeholt, entgegengenommen oder über deren Abholung oder Entgegennahme rechtlich verfügt werde. Der Auftragnehmer könne daher schon aufgrund der Legaldefinition des § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 nicht Abfallsammler sein.

13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Abfallersterzeuger im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH 7.9.2004, Paul Vande Walle u. a., C‑1/03 , und EuGH 24.6.2008, Commune de Mesquer, C‑188/07 ) sowie der Materialien zur AWG‑Novelle 2010, BGBl. I Nr. 9/2011 (RV 1005 BlgNR 24. GP  14), jene Person zu qualifizieren, die die wesentliche Ursache („Tätigkeit“) für die Entstehung (den „Anfall“) von Abfall gesetzt hat, wobei die Frage, wem die Abfallersterzeugereigenschaft zukommt, anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist (vgl. VwGH 30.3.2020, Ro 2019/05/0015, Rn. 16, mit Verweis auf VwGH 28.5.2019, Ro 2018/05/0019).

14 Wird - wie vorliegend - ein Auftragnehmer vom Auftraggeber mit Abbrucharbeiten und der Entsorgung der dabei anfallenden Abfälle beauftragt, sind die wesentliche Ursache für die Entstehung des Abfalls nicht die Abbrucharbeiten, sondern der entsprechende Auftrag des Auftraggebers, aufgrund dessen die Abfälle anfallen. Im Hinblick darauf, dass der Auftrag auch die Entsorgung der anfallenden Abfälle umfasst, ist der Entledigungswille des Auftraggebers nicht in Zweifel zu ziehen. Als Abfallersterzeuger gemäß § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 ist daher der Auftraggeber zu qualifizieren (vgl. VwGH 28.5.2019, Ro 2018/05/0019, Rn. 43 und 44).

15 Nach den bestandfesten Ausschreibungsunterlagen geht das bei Abbrucharbeiten anfallende Abbruchmaterial in das Eigentum des Auftragnehmers über, der es abzutransportieren hat und es nach seiner Wahl zu verwerten, zu deponieren oder zu entsorgen hat. Der Auftragnehmer ist diesbezüglich als Abfallsammler iSd § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 zu qualifizieren (vgl. wiederum VwGH Ro 2018/05/0019, Rn. 47).

Erfordernis einer Abfallsammlererlaubnis nach § 24a Abs. 1 AWG 2002 für das Verwerten, Deponieren oder Entsorgen von Baurestmassen

16 Nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts verfügt die präsumtive Zuschlagsempfängerin über keine Erlaubnis des Landeshauptmannes zum Sammeln von Abfällen iSd § 24a Abs. 1 AWG 2002.

17 Für die bekämpfte Zuschlagsentscheidung ist somit entscheidend, ob die Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen von der Erlaubnispflicht nach § 24a Abs. 1 AWG 2002 gemäß § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002 ausgenommen ist und daher die dafür erforderliche Eignung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin gegeben ist.

18 Die Revisionswerberin brachte dazu vor, der Wortlaut des § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002 sei unklar und eng zu verstehen.

Die Abgabe und die Rücknahme von Produkten (bzw. die Zurücknahme der „verbrauchten“ Produkte, die dann Abfall iSd AWG 2002 darstellten) müssten in einem bestimmten „geplanten Austauschverhältnis“ stehen. Das Wort „Rücknahme“ sei nicht in einem rein sprachlich weiten Verständnis auszulegen, sondern nur im funktionalen Sinn einer systematischen Rücknahme der abgegebenen Produkte.

Abgesehen von gefährlichen Abfällen komme es weder auf das Mengenverhältnis von Abgabe und Rücknahme noch auf ein auftragsbezogenes oder sonst anlassbezogenes Austauschverhältnis an, sondern darauf, ob die gleiche Person (Unternehmen) sowohl erwerbsmäßig Produkte abgebe als auch diese (bzw. gleichwertige Produkte oder deren Abfall nach Verbrauch) in einer systematischen Art und Weise wieder zurücknehme.

Diese Systematik der Rücknahme liege dann vor, wenn ein entsprechendes Rücknahmesystem eingeführt sei. Umfasst seien nach Ansicht der Revisionswerberin daher nur Personen bzw. Unternehmer, die neben der Abgabe von Produkten auch entsprechende Rücknahmesysteme (siehe § 9 Z 2 AWG 2002) eingerichtet hätten oder die entsprechend einer Verordnung gemäß § 14 AWG 2002 sogar einer Rücknahmeverpflichtung unterlägen, wie etwa Supermärkte oder sonstige Handelsketten in Bezug auf Batterien.

Auf das Verhältnis der abgegebenen (eingebauten) und zurückgenommenen (abgebrochenen) Mengen komme es nicht an. Die Ausnahmebestimmung des § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002 stelle nicht auf den einzelnen Auftrag ab, sondern beziehe sich auf die gesamte Tätigkeit einer Person bzw. eines Unternehmens.

Der Wortlaut und die Systematik des AWG 2002 ließen es nicht zu, dass jeder Unternehmer, der sowohl irgendwelche Produkte abgebe (was auf fast jeden Unternehmer außer reine Dienstleister zutreffe; im Bau‑ und Handwerksbereich etwa auf jeden Unternehmer, der nicht ausschließlich Abbrucharbeiten durchführe), als auch gleiches oder gleichwertiges „Restmaterial“ zurücknehme (was ebenfalls auf fast jeden Bau‑ und Handwerksunternehmer zuträfe), als „erlaubnisfreier Rücknehmer“ gelte.

Dass im System des AWG 2002 Bauunternehmen hinsichtlich Abbruchtätigkeiten nicht unter diese „erlaubnisfreien Rücknehmer“ fallen, zeige auch § 17 Abs. 2 Z 3 AWG 2002, nach der „erlaubnisfreie Rücknehmer“ ausdrücklich von der Aufzeichnungspflicht für Abfallbesitzer ausgenommen seien. Allerdings würden Hersteller von Recycling‑Baustoffen ausdrücklich den Bestimmungen der (auch) auf Basis von § 17 AWG 2002 erlassenen Abfallbilanzverordnung unterliegen. Da Recycling‑Baustoffe im Wesentlichen aus Abbruchmaterial entstünden, müssten Bauunternehmer, die solches Material im Zuge von Abbruchtätigkeiten erwerben und dann recyceln, von diesen Aufzeichnungspflichten jedoch ausgenommen sein, wenn sie tatsächlich „erlaubnisfreie Rücknehmer“ wären.

19 Die erstmitbeteiligte Partei wendet dagegen ein, dass dieser Auslegung der Revisionswerberin sowohl der klare Gesetzeswortlaut als auch die Erläuternden Bemerkungen entgegenstünden. Das Erfordernis einer Rücknahme in „systematischer Art und Weise“ könne weder dem Gesetzeswortlaut noch den Materialien entnommen werden. Nicht umsonst sei der erlaubnisfreie Rücknehmer von den Aufzeichnungspflichten nach § 17 AWG 2002 und von dem Anwendungsbereich der Abfallbilanzverordnung (§ 3 Abs. 2 AbfallbilanzV) ausgenommen. Nach den bestandfesten Ausschreibungsunterlagen gebe die zweitmitbeteiligte Partei gewerbsmäßig Produkte ab bzw. verbaue Baumaterial und nehme das beim Abbruch des Vorbestandes anfallende Abbruchmaterial zurück, um es an einen berechtigten Abfallsammler oder Abfallbehandler weiterzugeben. Sie stelle jedoch keine Recycling-Baustoffe her. Die zweitmitbeteiligte Partei sei daher als „erlaubnisfreie Rücknehmerin“ zu qualifizieren.

20 Die Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002 ist vorliegend in Bezug auf die ausgeschriebenen Leistungen zu prüfen.

21 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts umfassen die ausgeschriebenen Leistungen das Verbauen von in etwa gleich viel Material, als Material in Form von Baurestmassen nach Abbruch der alten Teile zu entfernen ist. Das abgebrochene Material geht dabei in das Eigentum des Auftragnehmers über, sofern eine Wiederverwertung durch die Auftraggeberin nicht Vertragsbestandteil ist. Das Abbruchmaterial ist abzutransportieren und nach Wahl des Auftragnehmers zu verwerten, zu deponieren oder zu entsorgen.

22 Bei den Baurestmassen, die der Auftragnehmer im Zuge der vorzunehmenden Abbrucharbeiten iSd § 2 Abs. 6 Z 3 lit. b AWG 2002 entgegenzunehmen hat, handelt es sich um gleiche oder gleichwertige Produkte, welche dieselbe Funktion erfüllen, wie jene, die der Auftragnehmer neu zu verbauen hat.

23 Unabhängig davon, dass es nach § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002 ausgenommen bei gefährlichen Abfällen nicht auf das Austauschverhältnis ankommt, entspricht die Menge des vom Auftragnehmer zu verbauenden Materials in etwa der Menge der anfallenden Baurestmassen. Selbst wenn unter den vom Auftragnehmer entgegenzunehmenden Baurestmassen gefährliche Abfälle wären, würde dies gemäß § 24a Abs. 2 Z 5 zweiter Satz AWG 2002 die Anwendbarkeit dieser Ausnahmebestimmung von der Erlaubnispflicht nicht ausschließen.

24 Die ausgeschriebenen Leistungen entsprechen demnach dem Wortlaut der Ausnahmebestimmung des § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002, aus dem sich keine Einschränkung der Ausnahme auf den Handel ergibt. Vielmehr legen auch die Materialien an Hand des Beispiels eines Dachdeckers im Hinblick auf Abfälle von Dachziegeln dar, dass „Handwerker ... in der Regel erlaubnisfreie Rücknehmer und daher nicht bilanzpflichtig“ sind (vgl. RV 1005 BlgNR 24. GP 25).

25 Hersteller von Recycling-Baustoffen ist gemäß § 3 Z 10 Recycling‑Baustoffverordnung jede natürliche oder juristische Person, die ein Bauprodukt herstellt beziehungsweise entwickelt oder herstellen lässt und dieses Produkt unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke vermarktet, einschließlich jeder natürlichen oder juristischen Person oder sonstigen Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, die Recycling-Baustoffe auf der Baustelle zum Zweck des Einbaus in das jeweilige Bauwerk herstellt. Ein Auftragnehmer, der wie vorliegend in Bezug auf die ausgeschriebenen Leistungen durch beauftragte Abbrucharbeiten angefallenes Abbruchmaterial abzutransportieren und nach seiner Wahl zu verwerten, zu deponieren oder zu entsorgen hat, ist demnach kein Hersteller von Recycling‑Baustoffen iSd § 3 Z 10 Recycling‑Baustoffverordnung.

26 Dem Argument der Revisionswerberin, dass ein Bauunternehmer hinsichtlich Abbruchtätigkeiten kein „erlaubnisfreier Rücknehmer“, der gemäß § 17 Abs. 2 Z 3 AWG 2002 als solcher ausdrücklich von der Aufzeichnungspflicht für Abfallbesitzer ausgenommen sei, sein könne, weil gemäß § 12 Recycling‑Baustoffverordnung Hersteller von Recycling‑Baustoffen ausdrücklich der Abfallbilanzverordnung, die (auch) auf Basis von § 17 AWG 2002 erlassen worden sei, unterliegen würden, ist bereits deshalb nicht zu folgen.

27 Im Gegensatz zur Rechtsansicht der Revisionswerberin setzt § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002 auch nicht eine systematische Rücknahme, wonach die betreffende Person sowohl erwerbsmäßig Produkte abgibt, als auch gleiche oder gleichwertige Produkte in einer systematischen Art und Weise, etwa durch ein entsprechendes Rücknahmesystem (§ 9 Z 2 AWG 2002), wieder zurücknimmt oder die entsprechend einer Verordnung gemäß § 14 AWG 2002 einer Rücknahmeverpflichtung unterliegt, voraus.

28 Einer solch einschränkenden Auslegung steht bereits nach den objektiven, jedermann zugänglichen Kriterien des Verständnisses der klare und eindeutige Wortsinn der Bestimmung des § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002 entgegen. Vielmehr ist eine solche Auslegung selbst vom äußerst möglichen Wortsinn der Ausnahmebestimmung des § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002, der auch durch sonstige Auslegungsmethoden nicht überschritten werden darf (vgl. in diesem Sinn VwGH 18.6.2020, Ro 2020/01/0006, Rn. 15, mwN; zum äußerst möglichen Wortsinn des Gesetzes als Grenze jeder Auslegungsmethode VwGH 9.9.2015, Ro 2015/16/0028 und VwGH 7.7.2017, Ra 2016/03/0099, jeweils mwN), nicht gedeckt.

29 Das Verwaltungsgericht legte die bestandfesten Ausschreibungsunterlagen zum „Verwerten, Deponieren bzw. Entsorgen der Baurestmassen“, die vorgeben: „Geladenes Abbruchmaterial abtransportieren einschließlich Verwerten, Deponieren oder Entsorgen nach Wahl des Auftragnehmers“, dahin aus, dass es dem Bieter nicht verwehrt sei, das Abbruchmaterial zu entsorgen, indem er es an einen befugten Abfallsammler oder ‑behandler weitergebe und damit die ausgeschriebene Leistung vollständig erbracht werde, weshalb der befugte Abfallsammler oder ‑behandler nicht als Subunternehmer habe benannt werden müssen.

30 Ob ein Angebot einen zum Ausscheiden führenden Mangel aufweist, ist am Maßstab der Ausschreibungsbestimmungen zu messen. Die Überprüfung des Vorliegens des Ausscheidenstatbestandes erfordert somit die Auslegung der bestandfesten Ausschreibungsbestimmungen und der vom betreffenden Bieter erstatteten Angebotslegung (vgl. zu alldem zuletzt VwGH 14.12.2021, Ro 2021/04/0014, Rn. 49, mwN).

31 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Ausschreibungsbestimmungen nach dem objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt auszulegen (vgl. wiederum VwGH Ro 2021/04/0014, Rn. 50, mwN).

32 Die Auslegung von Erklärungen wie etwa Ausschreibungsbestimmungen oder Angebotsunterlagen kann nur dann erfolgreich mit Revision bekämpft werden, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. wiederum VwGH Ro 2021/04/0014, Rn. 51, mwN).

33 Eine derartige Unvertretbarkeit der fallbezogen vorgenommenen Auslegung der bestandfesten Ausschreibungsbestimmungen zeigt das Vorbringen der Revisionswerberin in Bezug auf die nachvollziehbare Argumentation des Verwaltungsgerichts, die ausgeschriebenen Leistungen betreffend das „Verwerten, Deponieren bzw. Entsorgen der Baurestmassen“ würden bereits durch Entsorgen des anfallenden Abbruchmaterials in Form der Übergabe an einen berechtigten Abfallsammler oder ‑behandler vollständig erbracht, nicht auf. Die zweitmitbeteiligte Partei hatte daher in ihrem Angebot trotz Fehlens einer Erlaubnis nach § 24a Abs. 1 AWG 2002 nicht zwingend einen berechtigten Abfallsammler oder ‑behandler als Subunternehmer zu benennen.

34 Die präsumtive Zuschlagsempfängerin bedarf somit als „erlaubnisfreie Rücknehmerin“ iSd § 24a Abs. 2 Z 5 AWG 2002 keiner Erlaubnis als Abfallsammlerin iSd § 24a Abs. 1 AWG 2002. Sie erfüllt insofern die Eignung für die Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen. Der von der Revisionswerberin gegen die Zuschlagsentscheidung geltend gemachte Ausscheidensgrund der mangelnden Eignung der Zuschlagsempfängerin iSd § 141 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 liegt daher nicht vor. Ebenso wenig bedurfte das Angebot der zweitmitbeteiligten Partei der Benennung eines Subunternehmers für das Verwerten, Deponieren bzw. Entsorgen der anfallenden Baurestmassen.

Ergebnis

35 Ausgehend davon war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

36 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 28. März 2022

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