Normen
ABGB §309
ABGB §309 erster Satz
AWG 2002 §15 Abs5b
AWG 2002 §2 Abs6 Z1
AWG 2002 §2 Abs6 Z1 litb
AWG 2002 §2 Abs6 Z2
AWG 2002 §2 Abs6 Z2 lita
AWG 2002 §2 Abs6 Z3
AWG 2002 §73 Abs1
EURallg
VwRallg
31975L0442 Abfallrahmen-RL
31991L0156 Nov-31975L0442
62003CJ0001 Paul Van de Walle VORAB
62007CJ0188 Commune de Mesquer VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018050019.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
I.
1 Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) vom 26. Juli 2017 wurde der erstmitbeteiligten Partei (im Folgenden: Erstmitbeteiligter) zur Last gelegt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der zweitmitbeteiligten Partei (im Folgenden: Zweitmitbeteiligte) zu verantworten, dass diese Gesellschaft, welche über Berechtigungen zum Sammeln von nicht gefährlichen Abfällen verfüge und damit gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig sei, im Zeitraum 17. November 2015 bis 31. März 2016 in Wien folgende gefährliche Abfälle und zwar
- 680 kg Asbestzementabfälle (Schlüsselnummer 31412) am 17.11.2015 von der Baustelle in ... P.‑Gasse ...,
- 4.080 kg Asbestzementabfälle (Schlüsselnummer 31412) am 30.3.2016 und 31.3.2016 von der Baustelle in ... G. ..., und
- 9.000 kg Holzabfälle, teerölimprägniert (Schlüsselnummer 17209) am 14.12.2015 von der Baustelle in ... M.‑Gasse ...,
durch die Abholung dieser Abfälle von dem jeweiligen Bauherrn bzw. deren Entgegennahme bzw. die rechtliche Verfügung über deren Abholung oder Entgegennahme im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 ‑ AWG 2002, gesammelt habe und sohin entgegen § 24a Abs. 1 AWG 2002, wonach, wer Abfälle sammle oder behandle, einer Erlaubnis durch den Landeshauptmann bedürfe, die Tätigkeit eines Sammlers von gefährlichen Abfällen ausgeübt habe, ohne im Besitz der gemäß § 24a Abs. 1 AWG 2002 erforderlichen Erlaubnis zu sein, zumal die Zweitmitbeteiligte über keine Erlaubnis zur Sammlung der oben genannten gefährlichen Abfälle verfügt habe.
Dadurch habe der Erstmitbeteiligte folgende Rechtsvorschriften verletzt:
„§ 24a Abs. 1 iVm § 79 Abs. 1 Z 7 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), BGBl. I Nr. 102/2002 in der geltenden Fassung, iVm Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II Nr. 570/2003 in der geltenden Fassung, in Verbindung mit der ÖNORM S 2100 ‚Abfallverzeichnis‘, ausgegeben am 1.10.2005, in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 in der geltenden Fassung“.
Über den Erstmitbeteiligten wurde unter Zugrundelegung des § 79 Abs. 1 Z 7 erster Fall zweiter Strafsatz AWG 2002 eine Geldstrafe von € 8.895,‑ ‑ (Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Woche, 4 Tagen und 4 Stunden) verhängt. Gemäß § 64 VStG wurde der Kostenbeitrag für das Strafverfahren mit € 889,50 festgelegt.
Ferner wurde nach § 9 Abs. 7 VStG die Haftung der Zweitmitbeteiligten ausgesprochen.
2 Begründend führte der Magistrat im Wesentlichen aus, dass der Erstmitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer gemäß § 9 Abs. 1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften, sohin auch jener des AWG 2002, durch die Zweitmitbeteiligte verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei. Laut der Niederschrift des Magistrates vom 13. Juni 2016 über die Überprüfung der Zweitmitbeteiligten gemäß § 75 Abs. 1 AWG 2002, welche der Anzeige beigelegt gewesen sei, gingen die abfallwirtschaftlichen Aufzeichnungen und buchhalterischen Unterlagen hinsichtlich der übernommenen Abfallarten über den Berechtigungsumfang des Unternehmens hinaus, weil vom 1. Jänner 2015 bis dato zweimal Asbestzement (Schlüsselnummer 31412) und einmal Holz (Schlüsselnummer 17209), teerölimprägniert, übernommen worden seien. Im Rahmen der Rechtfertigung des Erstmitbeteiligten habe dieser auch nicht bestritten, dass die Zweitmitbeteiligte während des verfahrensgegenständlichen Zeitraumes vom 17. November 2015 bis 31. März 2016 gefährliche Abfälle gesammelt habe, obwohl das Unternehmen lediglich über eine Berechtigung zum Sammeln von nicht gefährlichen Abfällen verfügt habe.
3 In Bezug auf die Sammlung von 680 kg Asbestzementabfällen am 17. November 2015 von der Baustelle P.‑Gasse gehe aus der Anzeige und den dieser zugrunde liegenden Unterlagen hervor, dass diese gefährlichen Abfälle von der Zweitmitbeteiligten gesammelt worden seien. Bezüglich der Sammlung von 4.080 kg Asbestzementabfällen am 30. März 2016 und 31. März 2016 von der Baustelle in G. ergebe sich aus dem Vorbringen des Erstmitbeteiligten, dem entsprechenden Begleitschein für gefährlichen Abfall gemäß Abfallnachweisverordnung 2012 und dem entsprechenden Lieferschein vom 31. März 2016, dass die Zweitmitbeteiligte diese Asbestzementabfälle vom Bauherrn abgeholt bzw. entgegengenommen bzw. über deren Abholung oder Entgegennahme rechtlich verfügt habe, weshalb diese Abfälle von der Zweitmitbeteiligten im Sinn des § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 gesammelt worden seien. Zur Sammlung von 9.000 kg Holzabfällen, teerölimprägniert, am 14. Dezember 2015 von der Baustelle M.‑Gasse lägen der Übernahmeschein/Wiegeschein vom 14. Dezember 2015 und die an die Zweitmitbeteiligte gerichtete Rechnung der H. A. vom 14. Jänner 2016 vor. Hinsichtlich der Sammlung dieser Abfälle mit der Schlüsselnummer 17209 sei auf die ausführliche und schlüssige Stellungnahme des Magistrates vom 28. November 2016 zu verweisen. Die dem Erstmitbeteiligten zur Last gelegte Übertretung sei somit in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen. Ein Vorbringen, das geeignet gewesen wäre, das mangelnde Verschulden des Erstmitbeteiligten glaubhaft zu machen, sei nicht erstattet worden. Demnach seien auch die subjektiven Voraussetzungen für die Strafbarkeit zweifelsfrei erwiesen.
4 Zur Bemessung der Strafhöhe führte der Magistrat aus, dass der objektive Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden im vorliegenden Fall durchschnittlich seien und Erschwerungs- und Milderungsgründe nicht hervorgekommen seien. Mangels Angaben hinsichtlich der Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie allfälliger Sorgfaltspflichten des Erstmitbeteiligten seien durchschnittliche Werte angenommen worden, da sich keine Anhaltspunkte für eine schlechte wirtschaftliche Lage ergeben hätten.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde (unter Spruchpunkt I.) der vom Erstmitbeteiligten und von der Zweitmitbeteiligten gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt, (unter Spruchpunkt II.) ausgesprochen, dass die Erst- und Zweitmitbeteiligten keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten hätten, und (unter Spruchpunkt III) eine ordentliche Revision für zulässig erklärt.
6 Dazu führte das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) im Wesentlichen aus, dass die Zweitmitbeteiligte, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Erstmitbeteiligte sei, über die Berechtigung u.a. zur Ausübung der Gewerbe „Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten während der Dauer der Geschäftsführerbestellung“ des Erstmitbeteiligten, und „Sammeln und Behandeln von Abfällen“ verfüge. Im gegenständlichen Tatzeitraum (17. November 2015 bis 31. März 2016) habe die Zweitmitbeteiligte über eine Berufsberechtigung gemäß § 24a AWG 2002 zum Sammeln und Behandeln von nicht gefährlichen Abfällen verfügt.
7 Die Zweitmitbeteiligte sei von H. beauftragt worden, auf der Liegenschaft P.‑Gasse den dort befindlichen Holzschuppen, welcher mit Eternit eingedeckt gewesen sei, abzubrechen und einen Kelleraushub herzustellen, weshalb die Zweitmitbeteiligte im Zeitraum 7. November 2014 bis 5. Februar 2015 auf dieser Baustelle mit Abbrucharbeiten und Erdarbeiten beschäftigt gewesen sei. Teil des Auftrages sei zudem die Entsorgung der im Rahmen dieser Tätigkeiten angefallenen Abfälle gewesen. Im Zuge der Abbrucharbeiten seien 680 kg Asbestzementabfälle von der Dacheindeckung (Schlüsselnummer 31412) angefallen, welche von der Zweitmitbeteiligten in eigene Container verbracht und am 17. November 2015 der A. GmbH zur Entsorgung überbracht worden seien.
8 Die Zweitmitbeteiligte sei von der H. B. GmbH beauftragt worden, auf der Liegenschaft in G. das dort befindliche Gebäude abzubrechen, einen Kelleraushub herzustellen und die dabei angefallenen Abfälle zu entsorgen. Die Zweitmitbeteiligte sei auf dieser Baustelle vom 30. März 2016 bis 4. April 2016 tätig gewesen. Im Zuge der Abbrucharbeiten seien 4.080 kg Asbestzementabfälle von der Dacheindeckung (Schlüsselnummer 31412) angefallen. Die Zweitmitbeteiligte habe die P. GmbH mit der Entsorgung dieser Abfälle beauftragt und mit dieser vereinbart, dass die Container, in welche die Asbestzementabfälle von der Zweitmitbeteiligten verfüllt worden seien, bereits von der P. GmbH auf der Baustelle zur Verfügung gestellt würden. Die P. GmbH habe am 31. März 2016 4.080 kg Asbestzement von der Baustelle in G. in ihr Unternehmen in Wien transportiert.
9 Die Zweitmitbeteiligte sei vom Unternehmen A. mit Erdarbeiten und dem Abbruch von Oberflächenbefestigungen wie etwa Pflastersteinen, Beton, und Asphalt auf der Baustelle M.‑Gasse beauftragt worden, wobei auch die Entsorgung der im Rahmen dieser Tätigkeiten angefallenen Abfälle Teil des Auftrages gewesen sei. Im Zuge der Aushubarbeiten sei ein Altbestand an Bahnschwellen zum Vorschein gekommen, nämlich 9.000 kg Holzabfälle, teerölimprägniert (Schlüsselnummer 17209), welche von der Zweitmitbeteiligten ausgesondert worden seien. Die Zweitmitbeteiligte habe entschieden, diese der H. A. GmbH zur Entsorgung zu übergeben, und diese Abfälle am 14. Dezember 2018 mit ihren eigenen Fahrzeugen zu dieser gebracht.
10 Alle drei Aufträge hätten sowohl die eigenständige Durchführung von Erd- und Abbrucharbeiten als auch die selbstständige Organisation der Entsorgung der dabei entstehenden Abfälle umfasst. Die jeweiligen Auftraggeber hätten der Zweitmitbeteiligten bei der Durchführung der Aufträge völlig freie Hand gelassen und keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der durchgeführten Arbeiten genommen.
11 Diese Feststellungen zur Zweitmitbeteiligten gründeten sich auf die unbedenkliche Aktenlage im Zusammenhalt mit der Einschau in öffentliche Register und seien von den Erst- und Zweitmitbeteiligten auch nicht bestritten worden. Die Feststellungen zu Art und Umfang der gegenständlichen Aufträge und durchgeführten Arbeiten durch die Zweitmitbeteiligte gründeten sich auf die glaubhaften Angaben des Erstmitbeteiligten im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Zusammenhalt mit den vorliegenden Dokumenten, welche nicht in Zweifel zu ziehen seien (wird näher ausgeführt).
12 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, es stehe aufgrund des durchgeführten Beschwerdeverfahrens als erwiesen fest, dass die Zweitmitbeteiligte auf den gegenständlichen Baustellen eigenständig Erd- und Abbrucharbeiten durchgeführt habe, wobei zudem jeweils Teil dieser Aufträge die eigenständige Entsorgung der im Rahmen dieser Tätigkeiten angefallenen Abfälle gewesen sei. In allen drei gegenständlichen Fällen habe die Zweitmitbeteiligte sohin Pauschalaufträge übernommen, wobei ihr jeweils keine Vorgaben über die Durchführung der Arbeiten oder die Organisation der Entsorgung der Abbruchmaterialien gemacht worden seien. Die verfahrensgegenständlichen Abfälle (680 kg Asbestzementabfälle, 4.080 kg Asbestzementabfälle und 9.000 kg Holzabfälle teerölimprägniert) seien durch die jeweiligen Abbrucharbeiten der Zweitmitbeteiligten angefallen. Unbestritten stehe zudem fest, dass die Zweitmitbeteiligte über die Berechtigung zur Ausübung des Gewerbes „Baugewerbetreibender, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten während der Geschäftsführerbestellung“ des Erstmitbeteiligten verfüge, weshalb sie gemäß § 99 Abs. 1 Z 3 Gewerbeordnung 1994 ‑ GewO 1994 auch zum Abbruch von Hochbauten, Tiefbauten und anderen verwandten Bauten berechtigt sei.
13 Abfallbesitzer im Sinne des AWG 2002 sei entweder der Abfallersterzeuger, der Abfallerzeuger oder der Abfallinhaber. Abfallbesitzer in der Variante Abfallinhaber sei jene Person, in deren tatsächlichen Sachherrschaft sich der Abfall befinde. Der faktische Inhaber des Abfalls sei Abfallbesitzer. Dabei genüge die bloße Innehabung (Hinweis auf VwGH 17.2.2011, 2007/07/0043, und VwGH 22.3.2012, 2008/07/0204). Dieses Begriffsverständnis entspreche der im Urteil EuGH 7.9.2004, Paul Van de Walle u.a., C‑1/03, Rn. 55, vorgegebenen Sichtweise.
14 Abfallersterzeuger sei gemäß § 2 Abs. 6 Z 1 lit. a AWG 2002 jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfielen. Der Begriff „anfallen“ beziehe sich dabei auf den Zeitpunkt, in dem die Merkmale des Abfallbegriffes erstmals erfüllt seien. Somit könne nach dem Gesetzeswortlaut nur derjenige Abfallersterzeuger sein, durch dessen Tätigkeit Abfall anfalle. Demzufolge sei in den verfahrensgegenständlichen Fällen die Zweitmitbeteiligte als Abfallersterzeuger auf den gegenständlichen drei Baustellen anzusehen, weil erst durch ihre Abbruchtätigkeiten die verfahrensgegenständlichen gefährlichen Abfälle angefallen seien. Darüber hinaus habe sie auch die tatsächliche Sachherrschaft über diese gefährlichen Abfälle faktisch innegehabt. Die jeweiligen Auftraggeber (Bauherrn) könnten nicht als Abfallersterzeuger angesehen werden, weil sie keinerlei Tätigkeiten gesetzt hätten, wodurch die verfahrensgegenständlichen gefährlichen Abfälle angefallen wären. Sie hätten nämlich jeweils nur die Durchführung von Abbruch-, Erd- und Entsorgungstätigkeiten in Auftrag gegeben.
15 Auch eine richtlinienkonforme Interpretation des Begriffes der „abfallbegründenden Tätigkeit“ komme zu keinem anderen Ergebnis. In den Rechtssachen EuGH 7.9.2004, Paul Van de Walle u.a, C‑1/03, und EuGH 24.6.2008, Commune de Mesquer, C‑188/07, habe sich der EuGH näher mit den Begriffen des „Abfallbesitzers“ bzw. „Abfallerzeugers“ befasst. Dabei sei er zu dem Ergebnis gelangt, dass grundsätzlich all jene Personen als Abfallersterzeuger (und somit als Abfallbesitzer) anzusehen seien, welche die betreffenden Stoffe „zum Zeitpunkt ihrer Verwandlung in Abfall in ihrem faktischen Besitz“ hätten und damit auch für sie verantwortlich seien. In Auslegung der ARRL ‑ damit gemeint: Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (im Folgenden: Abfallrahmenrichtlinie) ‑ gehe der EuGH somit davon aus, dass es bezüglich der Qualifikation einer natürlichen oder juristischen Person als Abfallbesitzer und Abfallerzeuger ausschließlich auf den faktischen Besitz - somit die faktische Innehabung - der Abfälle in ihrem Entstehungszeitpunkt ankomme (Hinweis auf EuGH 7.9.2004, Paul Van de Walle u.a, C‑1/03, Rn. 59 ff, und EuGH 24.6.2008, Commune de Mesquer, C‑188/07, Rn. 74). Der EuGH habe dazu weiters ausgeführt, dass die abfallbegründende „Tätigkeit“ bereits vor jenem Zeitpunkt gesetzt werden könne, in dem die Sache Abfall werde, zumal die die Abfallerzeugereigenschaft begründende Tätigkeit auch in der Unterzeichnung eines Vertrages oder in „anderen Machenschaften“ liegen könne, wenn diese für das abfallbegründende Element ausschlaggebend seien. Der EuGH gehe daher grundsätzlich davon aus, dass der unmittelbare Verursacher, dessen Verhalten eine Sache zu Abfall werden lasse, als Abfallerzeuger zu qualifizieren sei. Dann, wenn die Tätigkeit bzw. das Verhalten jedoch von einem Dritten derart fremdbestimmt werde, dass dieser Dritte das „faktische Abfallproduzieren“ des unmittelbaren Verursachers rechtlich und tatsächlich beherrsche, falle Abfall ausnahmsweise bereits durch die Tätigkeit des Dritten an und sei dieser daher als Abfallersterzeuger zu qualifizieren.
16 Nach dieser Rechtsprechung sei im gegenständlichen Fall die Zweitmitbeteiligte als Abfallersterzeuger zu qualifizieren, weil die Abfälle erst durch ihre tatsächliche Tätigkeit der Abbrucharbeiten angefallen seien und sie diese damit auch in ihrer unmittelbaren Sachherrschaft innegehabt habe. Darüber hinaus sei die Zweitmitbeteiligte mit der eigenständigen Durchführung dieser Arbeiten und der eigenständigen Organisation der Entsorgung der dabei entstehenden Abfälle beauftragt gewesen, womit in keiner Weise von einer Fremdbestimmung durch die jeweiligen Auftraggeber gesprochen werden könne, weil sie der Zweitmitbeteiligten bei der Durchführung der Aufträge völlig freie Hand gelassen und keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der durchgeführten Arbeiten genommen hätten. Von einem faktischen Einfluss der Auftraggeber auf die Zweitmitbeteiligte hinsichtlich der durchzuführenden Arbeiten könne sohin nicht gesprochen werden, weshalb die Auftraggeber in den gegenständlichen Fällen nicht als Abfallersterzeuger angesehen werden könnten.
17 Da die verfahrensgegenständlichen Abfälle im Zuge der Abbruchabreiten durch die Zweitmitbeteiligte von dieser selbst erzeugt, somit bei ihr angefallen, und in deren faktischen Sachherrschaft gewesen seien, sei die Zweitmitbeteiligte gegenständlich als Abfallbesitzer und Abfallersterzeuger zu qualifizieren, womit es ausgeschlossen sei, dass sie zugleich als Abfallsammler im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Abfälle auf den drei Baustellen anzusehen sei, weil dieser Norm entsprechend Abfallsammler sei, wer von Dritten erzeugte Abfälle selbst oder durch andere abhole, entgegennehme oder über deren Entgegennahme oder deren Abholung rechtlich verfüge. Gegenständlich seien die Abfälle aber gerade nicht von Dritten, sondern von der Zweitmitbeteiligten selbst durch ihre eigene Tätigkeit erzeugt und nach ihrer Wahl entsprechend § 15 Abs. 5 AWG 2002 entsorgt worden. Die Zweitmitbeteiligte habe somit die gefährlichen Abfälle nicht als Abfallsammler im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 abgeholt und gesammelt. Demgemäß sei auch keine gemäß § 24a Abs. 1 AWG 2002 erlaubnispflichtige Sammlung von Abfällen vorgelegen.
18 Die Zweitmitbeteiligte habe die ihr zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen sohin nicht begangen, bzw. die Tätigkeiten der Zweitmitbeteiligten auf den verfahrensgegenständlichen Baustellen bildeten keine der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen, weshalb das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen sei. In diesem Zusammenhang könne dahingestellt bleiben, ob die Zweitmitbeteiligte gegebenenfalls als Abfallbehandler zu qualifizieren gewesen wäre, weil dies weder vom Magistrat behauptet noch vorgeworfen worden und sohin nicht Gegenstand dieses Strafverfahrens gewesen sei.
19 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen gewesen sei, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukomme. Es fehle an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob im Rahmen eines Pauschalauftrages das ausführende (Abbruch-) Unternehmen oder der Bauherr als Abfallersterzeuger im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 zu qualifizieren sei.
20 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
21 Die mitbeteiligten Parteien einerseits und der Magistrat andererseits erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
22 Die Revision erweist sich in Anbetracht der im angefochtenen Erkenntnis zur Begründung der Zulassung einer Revision aufgeworfenen und in der Revision näher dargestellten Rechtsfrage, ob das ausführende Abbruchunternehmen oder der Bauherr (Auftraggeber) im Rahmen eines Pauschalauftrages (beinhaltend Abbrucharbeiten, Aushubarbeiten und die Entsorgung der anfallenden Abfälle) in Bezug auf die dabei anfallenden Abfälle als Abfallersterzeuger im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 anzusehen ist, als zulässig. Ihr kommt auch Berechtigung zu.
23 Das Verwaltungsgericht hatte seiner Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses zugrunde zu legen (vgl. etwa VwGH 30.10.2018, Ra 2017/05/0111, mwN).
24 Die §§ 2, 24a und 79 AWG 2002, BGBl. I Nr. 102, in der hier jeweils maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 70/2017 lauten auszugsweise wie folgt:
„Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes sind bewegliche Sachen,
1. deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder
2. deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.
...
(6) Im Sinne dieses Bundesgesetzes
1. ist ‚Abfallbesitzer‘
a) der Abfallerzeuger oder
b) jede Person, welche die Abfälle innehat;
2. ist ‚Abfallerzeuger‘
a) jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen (Abfallersterzeuger), oder
b) jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder andere Arten der Behandlung vornimmt, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken;
3. ist ‚Abfallsammler‘ jede Person, die von Dritten erzeugte Abfälle selbst oder durch andere
a) abholt,
b) entgegennimmt oder
c) über deren Abholung oder Entgegennahme rechtlich verfügt;
...“
„Erlaubnis für die Sammlung und Behandlung von Abfällen
§ 24a. (1) Wer Abfälle sammelt oder behandelt bedarf einer Erlaubnis durch den Landeshauptmann. Das Anbieten des Sammelns oder des Behandelns von Abfällen gegenüber einem größeren Kreis von Personen ist der Ausübung der jeweiligen Tätigkeit gleichzuhalten. Der Antrag kann, sofern dieser Teilbereich in einem Register gemäß § 22 Abs. 1 eingerichtet ist, über dieses Register erfolgen.
...“
„Strafhöhe
§ 79. (1) Wer
...
7. die Tätigkeit eines Sammlers oder Behandlers von gefährlichen Abfälle ausübt, ohne im Besitz der gemäß § 24a Abs. 1 erforderlichen Erlaubnis zu sein, oder entgegen § 25a Abs. 6 oder § 26 Abs. 5 die Tätigkeit nicht einstellt,
...
begeht ‑ sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist ‑ eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 € bis 41 200 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4 200 € bedroht.
...“
25 Die Revision bringt im Wesentlichen vor, dass es sich beim Abfallersterzeuger um diejenige Person handle, der die maßgebliche Rolle für die Entstehung des Abfalls zukomme. Gemäß § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 sei entsprechend der Abfallrahmenrichtline „Abfallersterzeuger“ die Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfielen. Der Begriff „Tätigkeit“ sei richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass damit nicht nur operative Maßnahmen, wie die tatsächliche Durchführung von Abbruchhandlungen, sondern auch ein Setzen einer Ursache für den Abfallanfall überhaupt gemeint sei. Aus abfallrechtlicher Sicht sei die Person als Abfallersterzeuger anzusehen, deren Entledigungsabsicht oder subjektives Entledigen-Wollen für die Entstehung des Abfalls (als Abfall im subjektiven Sinn gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 AWG 2002) ursächlich gewesen sei oder der das Entstehen von Abfall als Abfall im objektiven Sinn (§ 2 Abs. 1 Z 2 AWG 2002) durch bestimmte Aktivitäten zuzurechnen sei. Im konkreten Fall sei die Erteilung eines Auftrages zur Durchführung von Abbruch-, Erd- und Entsorgungstätigkeiten sohin als relevante „Tätigkeit“ im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 zu sehen.
26 Aus dem Erkenntnis VwGH 27.5.1997, 94/05/0087, ergebe sich schlüssig, dass in Bezug auf Abbruchmaterialien, die aus einem Bauvorhaben stammten, von einer Entledigungsabsicht des Bauherrn auszugehen sei. Bestehe a priori eine Entledigungsabsicht des Bauherrn, liege Abfalleigenschaft im subjektiven Sinn vor und sei diese auch relevant für die Qualifikation des Bauherrn als Abfallersterzeuger.
27 Die Ursache für die Entstehung der Abfälle bei Abbrucharbeiten setze der Bauherr durch die Erteilung des Abbruchauftrages. Er sei damit derjenige, durch dessen Aktivität die Abfälle überhaupt erst anfielen, weshalb er auch als Abfallersterzeuger zu qualifizieren sei. Dies führe in weiterer Folge dazu, dass das ausführende (Abbruch-) Unternehmen definitionsgemäß nicht Abfallersterzeuger im Sinne des AWG 2002 sein könne.
28 Sei jedoch der Bauherr Abfallerzeuger und beauftrage dieser ein Unternehmen einerseits mit der Durchführung der Abbrucharbeiten und andererseits mit der Entsorgung der dabei anfallenden Abfälle, verstehe sich von selbst, dass der Bauherr diesem Unternehmen, welches in diesem Fall als Sammler der Abfälle fungiere, die Abfälle übergebe, was dazu führe, dass das mit der Entsorgung beauftragte Unternehmen als Abfallsammler im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 zu qualifizieren sei. Im Falle der Übergabe durch den Bauherrn übernehme das Bauunternehmen als Abfallsammler sodann auch im eigenen Namen die eigenständige Organisation der weiteren Entsorgung der Abfälle und sei es für die ordnungsgemäße Behandlung der Abfälle im Sinne des § 15 Abs. 5 iVm Abs. 5a AWG 2002 verantwortlich. Gemäß § 24a AWG 2002 bedürfe der Unternehmer aber einer entsprechenden Berechtigung. Liege diese nicht vor, seien die Abfälle entgegen § 79 Abs. 1 Z 7 AWG 2002 entgegengenommen worden.
29 Des Weiteren sei festzuhalten, dass die Durchführung der Abbrucharbeiten, die durch ein Abbruchunternehmen erfolge, in allen Fällen durch den Bauherrn fremdbestimmt sei. Die relevante Sachherrschaft über die Abbrucharbeiten bzw. die betroffenen Gebäude sei auch im gegenständlichen Fall unzweifelhaft immer bei dem Auftraggeber der Abrissarbeiten, auf dessen Geheiß diese Tätigkeiten unverzüglich eingestellt worden seien, verblieben. Auch obliege es ausschließlich der Disposition des Auftraggebers (des Bauherrn), den Entsorgungsweg für die im Zuge der Abbrucharbeiten anfallenden Abfälle festzusetzen: Hätte der Bauherr das Bauunternehmen lediglich mit der Vornahme der Abbruch- oder Demontagearbeiten ohne Entsorgung beauftragt und selbst andere Verfügungen über den Abfall getroffen, so wäre das Bauunternehmen nach der allgemeinen Verkehrsauffassung nicht abfallrechtlich Verantwortlicher für die ordnungsgemäße Entsorgung bzw. Abfallersterzeuger. Gerade in einem solchen Fall werde deutlich, dass die Zurechnung des anfallenden Abfalls auch entsprechend der Verkehrsauffassung zum Bauherrn als Abfallersterzeuger zu erfolgen habe. Betreffend diese Sachlage trete auch dadurch keine Änderung ein, dass der Bauherr die Entsorgung der Abfälle dem Abbruchunternehmen überlasse und diesem die Wahl des weiteren Entsorgungsweges freistelle, weil der Bauherr diese Entscheidung jederzeit wieder an sich ziehen oder den Auftrag widerrufen könne bzw. es in seiner Disposition liege, eine verbindliche Vereinbarung mit dem Abbruchunternehmen über die Entsorgung der Abfälle zu treffen.
30 Auch aufgrund dieser Sachlage sei der Auftraggeber für die Arbeiten als Abfallerzeuger anzusehen und nicht, wie fälschlicherweise im angefochtenen Erkenntnis ausgeführt werde, der Abbruchunternehmer. Der Abbruchunternehmer sei zunächst nicht mehr als ein Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers für die Abbrucharbeiten. Die Durchführung der konkreten Abbrucharbeiten („Beweglich-Machen einer unbeweglichen Sache“) sei dabei aus abfallrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht als Abfallbehandlung zu qualifizieren. Abfallrechtliche Relevanz erlange die Tätigkeit des Bauunternehmers in dem Moment, in dem dieser die Abfälle des Bauherrn im Sinne des § 2 Abs. 5 Z 9 AWG 2002 übernehme. Für den Fall, dass das Bauunternehmen zugleich mit dem Abbruch auch mit der Entsorgung der dabei anfallenden Abfälle beauftragt sei, finde diese relevante Übernahme auch gleich an der Baustelle statt. Sei hingegen die Entsorgung der anfallenden Abfälle nicht beauftragt, so sei es die Pflicht des Bauherrn als Abfallersterzeuger, für die ordnungsgemäße Verwertung oder Beseitigung der Abfälle zu sorgen.
31 Diese Auslegung stehe auch nicht in Widerspruch zu den Ausführungen des EuGH in den Rechtssachen EuGH 7.9.2004, Van de Walle, C‑1/03, und EuGH 24.6.2008, Commune de Mesquer, C‑188/07. Beide Entscheidungen nähmen zur Auslegung der Begriffe des Abfallerzeugers und ‑besitzers zwar jeweils im Zusammenhang mit der Kostenpflicht nach Art. 15 Abfallrahmenrichtlinie Stellung, seien aber mit Blick auf die einheitliche Begriffsdefinition in Art. 1 Abfallrahmenrichtlinie in gleicher Weise für das Verständnis dieser Begriffe maßgeblich. Sie stützten das Auslegungsergebnis, dass Abfallerzeuger auch eine Person sein könne, die bei der Entstehung des Abfalls nicht unmittelbar anwesend sei bzw. nicht diejenige Tätigkeit operativ durchgeführt habe, die die (zeitlich) letzte Ursache für die Entstehung des Abfalls gewesen sei. In der Rechtssache EuGH 7.9.2004, Van de Walle, C‑1/03, stelle der EuGH nicht auf Kriterien wie die unmittelbare Sachherrschaft über eine zu Abfall gewordene Sache (Mineralöl bzw. mit Mineralöl verunreinigtes Erdreich) oder den Gesichtspunkt ab, welche Tätigkeit die letzte Ursache für die Abfallentstehung gewesen sei, sondern auf Zurechnungskriterien, die einen inneren Zusammenhang zwischen einer vorgelagerten Ursache und der Entstehung des Abfalls begründeten. Dies stütze die in der Entscheidung des Magistrates zu Recht vertretene Auffassung, dass der Bauherr aufgrund der der tatsächlichen Abfallentstehung vorgelagerten Auftragserteilung als Abfallersterzeuger zu qualifizieren sei. Der Bauherr setze mit dem in seiner freien Disposition liegenden Auftrag zum Abbruch die relevante, der Abfallentstehung vorgelagerte Ursache. Er sei damit derjenige, durch dessen Aktivität bzw. im Rahmen dessen Tätigkeit die Abfälle überhaupt erst anfielen, weshalb er auch als Abfallersterzeuger der anfallenden Abfälle zu qualifizieren sei. Der anfallende Abfall liege damit zunächst in der Sphäre des Bauherrn.
32 Das Urteil EuGH 24.6.2008, Commune de Mesquer, C‑188/07, setze die Rechtsprechung zum Abfallerzeugerbegriff fort und qualifiziere eine Person, die lediglich eine der Abfallentstehung zeitlich vorgelagerte Ursache gesetzt habe, ebenfalls als Abfallerzeuger im Sinne des Art. 1 lit. b Abfallrahmenrichtline. Dieses Verständnis des Abfallerzeugerbegriffes liege auch § 2 Abs. 6 Z 2 AWG 2002 zugrunde. Die Verantwortung für die umweltgerechte Behandlung der Abfälle solle denjenigen treffen, der für die Entstehung der Abfälle maßgeblich verantwortlich sei. Im konkreten Fall sei dies der Bauherr.
33 Ein vom Bauherrn erteilter Auftrag für die Durchführung von Abbrucharbeiten könne auch die Entsorgung der dabei anfallenden Abfälle, wie im gegenständlichen Fall der Asbestzementabfälle und der Holzabfälle (teerölimprägniert), umfassen, wobei dies jedoch selbstverständlich das Vorliegen der erforderlichen Berechtigung des Übernehmers gemäß § 24a Abs. 1 AWG 2002 für die Sammlung derartiger Abfälle bedinge, die die Zweitmitbeteiligte nicht innegehabt habe. Folglich habe diese im gegenständlichen Fall Abfälle ohne die erforderliche Berechtigung nach § 24a Abs. 1 AWG 2002 als Sammler übernommen.
34 Dazu ist Folgendes auszuführen:
Gemäß § 2 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 ist „Abfallbesitzer“ der Abfallerzeuger (lit. a) oder jede Person, welche die Abfälle innehat (lit. b). Der Begriff „Abfallbesitzer“ ist weit auszulegen; auf einen „Besitzwillen“ (des Inhabers) kommt es sohin nicht an. Gemäß § 309 erster Satz ABGB heißt, wer eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat, ihr Inhaber. Innehabung ist nicht bloß räumlich‑körperlich zu verstehen, sondern als äußere Erscheinung der Herrschaft über einen Gegenstand nach Maßgabe der Verkehrsauffassung. Vorausgesetzt ist somit nur, dass sich eine Sache in der Herrschaft einer Person befindet, wobei für die Gewahrsame die Nähe zur Sache und die Möglichkeit der Einflussnahme darauf erforderlich sind (vgl. etwa VwGH 24.4.2018, Ra 2016/05/0100, mwN).
35 Gemäß § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 ist „Abfallerzeuger“ (u.a.) jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle anfallen (Abfallersterzeuger). Für die Abfallersterzeugereigenschaft ist somit das Verhalten einer Person, durch welches die Abfalleigenschaft herbeigeführt wird, entscheidend (vgl. dazu auch Schlussanträge, 29.1.2004, Paul Van de Walle u.a., C‑1/03, Rn. 52).
36 Dementsprechend finden sich in den Erläuterungen zur AWG‑Novelle 2010, BGBl. I Nr. 9/2011, (1005 BlgNR 24. GP 14), mit der die Abfallrahmenrichtlinie umgesetzt wurde, zu den Begriffen des Abfallbesitzers und Abfallerzeugers (u.a.) folgende Ausführungen:
„Abfallbesitzer (Abfallerzeuger/Abfallsammler/Abfallbehandler):
Der Begriff des Abfallbesitzers in § 2 Abs. 6 Z 1 AWG 2002, der Begriff des Abfallerzeugers in § 2 Abs. 6 Z 2 AWG 2002 sowie der Begriff des Abfallsammlers in § 2 Abs. 6 Z 3 entsprechen jenen der neuen Abfallrahmenrichtlinie. Diese Definitionen werden daher im AWG 2002 nicht geändert. Zur Vorbeugung von Auslegungsschwierigkeiten ist grundsätzlich festzuhalten:
Der Abfallbesitzer wird in § 2 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 als jene Person definiert, welche die Abfälle innehat. Ein Besitzwille ist im Unterschied zum ABGB nicht erforderlich. Voraussetzung für die Innehabung (Sachherrschaft) und den Abfallbesitz einer Person an Abfällen ist, dass sich die Abfälle in ihrem Herrschaftsbereich befinden, wobei sich die Gewahrsame nach der Verkehrsauffassung bestimmt. Es geht hierbei keineswegs um die ständige körperliche Verfügung des Inhabers über die Sache, sondern lediglich um die Tatsache, dass Gegenstände, die sich in einem bestimmten Bereich einer Person befinden, von anderen erfahrungsgemäß als fremdes Gut geachtet werden. Derjenige, nach dessen Anweisungen bzw. Vorstellungen die Arbeiten durchgeführt werden und bestimmt welche Arbeiten wie durchgeführt werden, übt den faktischen Einfluss aus und hat nach der Verkehrsauffassung Gewahrsame an den Materialien und den daraus entstandenen Abfällen. Dem entspricht die Judikatur des OGH und VwGH (vergleiche OGH 23.2.1993, 1Ob516/93; 4.9.1998, 6Ob211/98t; 18.9.1991, 1Ob22/91; VwGH 20.2.1990, 90/01/0010).
...
Für die Beurteilung der Abfallerzeugereigenschaft sind ebenfalls die oben genannten Kriterien (insbesondere Sachherrschaft, allgemeine Verkehrsauffassung, Verfügungsgewalt) heranzuziehen.
...“
37 Diesen Gesetzesmaterialien ist sohin zu entnehmen, dass als Abfallersterzeuger nicht nur die Person in Betracht kommt, die rein körperlich zur Herbeiführung der Abfalleigenschaft beiträgt. Es geht vielmehr darum, wer faktischen Einfluss auf die in Rede stehenden Sachen ausübt und nach der Verkehrsauffassung Gewahrsame an diesen und den daraus entstehenden Abfällen hat.
38 Dieses Begriffsverständnis entspricht auch der Judikatur des EuGH, der sich in den Rechtssachen EuGH 7.9.2004, Paul Van de Walle u.a., C‑1/03, und EuGH 24.6.2008, Commune de Mesquer, C‑188/07, mit den Begriffen „Erzeuger“ und „Besitzer“ der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle in der durch die Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 geänderten Fassung ‑ hiebei handelt es sich um die Vorgängerrichtlinie zur Abfallrahmenrichtlinie, wobei die Begriffe „Erzeuger“ und „Besitzer“ dieser Richtlinien inhaltlich im Wesentlichen den Begriffen „Abfallerzeuger“ und „Abfallbesitzer“ der Abfallrahmenrichtlinie entsprechen ‑ befasst hat. In beiden Rechtssachen ging es um den unabsichtlich bewirkten Anfall von Abfällen und die Frage der Abfallerzeugereigenschaft früherer Besitzer, die die jeweils in Rede stehenden Materialien im Rahmen eines Verkaufsprozesses weitergegeben bzw. befördert hatten.
39 In der Rechtssache Paul Van de Walle u.a beschäftigte sich der EuGH mit der Verunreinigung des Erdreichs und des Grundwassers durch unabsichtlich ausgebrachte Kraftstoffe, die aus fehlerhaften Tanks einer Tankstelle ausgetreten waren. Er kam zu dem Ergebnis, dass grundsätzlich die Betreiberin der Tankstelle, die die Kraftstoffe im Rahmen ihrer Tätigkeit lagerte, als sie zu Abfällen wurden, und damit dafür verantwortlich war, dass die Abfälle „angefallen“ sind, als Erzeuger und Besitzer dieser Abfälle anzusehen ist. Er führte jedoch auch aus, dass das Mineralölunternehmen, welches die Tankstelle beliefert hat, als Erzeuger und Besitzer dieser Abfälle angesehen werden kann, sollte sich im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht herausstellen, dass der schlechte Zustand der Tanks der Tankstelle und das Austreten der Kraftstoffe auf einen Verstoß des diese Tankstelle beliefernden Mineralölunternehmens gegen seine vertraglichen Verpflichtungen oder auf andere Machenschaften zurückzuführen wären, die die Haftung dieses Unternehmens auslösen könnten, sodass durch die Tätigkeit des Mineralölunternehmens die „Abfälle angefallen sind“ (vgl. EuGH 7.9.2004, Paul Van de Walle u.a., C‑1/03, Rn. 59 f).
40 In der Rechtssache Commune de Mesquer ‑ einem Verfahren, in dem es darum ging, dass nach der Havarie eines Tankers unabsichtlich Kohlenwasserstoffe ins Meer ausgebracht worden waren, sich mit Wasser und Sedimenten vermischt hatten und an der Küste eines EU‑Mitgliedstaates an Land geschwemmt worden waren ‑ setzte der EuGH die von ihm in der Rechtssache Paul Van de Walle u.a entwickelte Rechtsprechung fort. Er legte dar, dass grundsätzlich der Eigentümer des Schiffes, das die Kohlenwasserstoffe beförderte, diese unmittelbar vor ihrer Verwandlung in Abfall in seinem Besitz hatte und somit als derjenige angesehen werden kann, durch den die Abfälle angefallen sind. Er ging allerdings auch hier wiederum davon aus, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass in bestimmten Fällen die Kosten für die Beseitigung der Abfälle von einem oder mehreren früheren Besitzern zu übernehmen sind. Das nationale Gericht kann den Verkäufer der Kohlenwasserstoffe und den Befrachter des Schiffes (der die Kohlenwasserstoffe kaufte und das Schiff charterte) als Erzeuger dieser Abfälle und damit als früheren Besitzer ansehen, wenn es aufgrund des Sachverhalts zu der Schlussfolgerung gelangt, dass dieser Verkäufer bzw. Befrachter zu der Gefahr einer Verschmutzung, wie sie durch die Havarie eingetreten ist, beigetragen hat, insbesondere wenn er es verabsäumt hat, Maßnahmen zur Verhütung eines solchen Ereignisses, beispielsweise durch die Auswahl des Schiffes, zu treffen (vgl. EuGH 24.6.2008, Commune de Mesquer, C‑188/07, Rn. 74 f und Rn. 89).
41 Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich daher, dass in der Regel jene Person Abfallerzeuger ist, die im Zeitpunkt der Abfallentstehung die Sachherrschaft über die zu Abfall gewordene Sache hat. Die Abfallerzeugereigenschaft kann jedoch auch durch ein vorgelagertes Verhalten eines früheren Besitzers der Sache - etwa durch ein Fehlverhalten, welches für die Abfallentstehung ursächlich war - begründet werden.
42 Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass als Abfallersterzeuger im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH sowie der genannten Materialien zur AWG‑Novelle 2010 jene Person zu qualifizieren ist, die die wesentliche Ursache („Tätigkeit“) für die Entstehung (den „Anfall“) von Abfall gesetzt hat. Wem die Abfallersterzeugereigenschaft zukommt, ist dabei anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.
43 Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage erweist sich die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, dass die Zweitmitbeteiligte Abfallersterzeuger sei, weil die Abfälle erst durch die tatsächliche Tätigkeit der Abbrucharbeiten angefallen seien und sie die Abfälle in ihrer unmittelbaren Sachherrschaft innegehabt habe, als nicht zutreffend. Wie sich aus den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes ergibt, wurde die Zweitmitbeteiligte vom jeweiligen Bauherrn (Auftraggeber) der verfahrensgegenständlichen Baustellen (Baustellen P.‑Gasse, G. und M.‑Gasse) beauftragt, Abbrucharbeiten bzw. Erdaushubarbeiten vorzunehmen und die dabei anfallenden Abfälle zu entsorgen. Infolge dessen wurden von der Zweitmitbeteiligten an den Baustellen P.‑Gasse und G. durch Abbrucharbeiten (u.a.) insgesamt 4.760 kg Asbestzement abgetragen und an der Baustelle M.‑Gasse durch Aushubarbeiten (u.a.) 9.000 kg Holzabfälle, teerölimprägniert, ausgehoben. Wesentliche Ursache für die Entstehung des Abfalls waren dabei jedoch nicht die Abbruch‑ und Aushubarbeiten der Zweitmitbeteiligten, sondern der entsprechende Auftrag des jeweiligen Bauherrn (Auftraggebers). Aufgrund des jeweiligen Auftrages der Bauherrn sind die verfahrensgegenständlichen Abfälle angefallen. Auch der Entledigungswille der Bauherrn (Auftraggeber) kann im Hinblick darauf, dass die von ihnen erteilten Aufträge die Entsorgung der anfallenden Abfälle umfassten, nicht in Zweifel gezogen werden (vgl. zur Entledigungsabsicht im Zusammenhang mit Aushubarbeiten etwa VwGH 31.3.2016, 2013/07/0284, mwN).
44 Als Abfallersterzeuger gemäß § 2 Abs. 6 Z 2 lit. a AWG 2002 ist daher im gegenständlichen Fall der jeweilige Bauherr (Auftraggeber) zu qualifizieren.
45 Daran können der Umstand, dass es sich verfahrensgegenständlich um einen Pauschalauftrag (Abbruch- und Aushubarbeiten mit anschließender Entsorgung der anfallenden Abfälle) des Bauherrn (Auftraggebers) an die Zweitmitbeteiligte handelt, und die weitere Argumentation des Verwaltungsgerichtes, dass der Bauherr in den vorliegenden Fällen keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der durchgeführten Arbeiten genommen habe und in keiner Weise von einer Fremdbestimmung durch den jeweiligen Auftraggeber gesprochen werden könne, nichts ändern.
46 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes ist die Zweitmitbeteiligte als Abfallsammler nach § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 zu qualifizieren:
47 Gemäß § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 ist Abfallsammler jede Person, die von Dritten erzeugte Abfälle selbst oder durch andere abholt, entgegennimmt oder aber über deren Abholung oder Entgegennahme rechtlich verfügt. Nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes lud die Zweitmitbeteiligte die Asbestzementabfälle der Baustelle P.‑Gasse in eigene Container und überbrachte diese der A. GmbH zur Entsorgung. Die Asbestzementabfälle der Baustelle G. lud sie auf der Baustelle in Container der P. GmbH und ließ diese von der P. GmbH zur Entsorgung abholen. Die Holzabfälle der Baustelle M.‑Gasse überbrachte sie mit eigenen Fahrzeugen der H. A. GmbH zur Entsorgung. In allen drei Fällen hatte die Zweitmitbeteiligte nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes bei der Entsorgung der verfahrensgegenständlichen Abfälle im Rahmen des jeweiligen Pauschalauftrages durch den Bauherrn (Auftraggeber) freie Hand und konnte selbst bestimmen, zu welchem Behandler die Abfälle gebracht werden (vgl. zur Differenzierung zwischen Abfallsammler und Transporteur etwa Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 [2015] § 2 Rz 156, mwH auf die Erläuterungen zur AWG‑Novelle 2010). Sie ist daher hinsichtlich der in Rede stehenden, aufgrund des Auftrages des jeweiligen Bauherrn angefallenen Abfälle als Abfallsammler gemäß § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002 zu qualifizieren.
48 Da das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 28. Mai 2019
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