Normen
31992L0043 FFH-RL;
32011L0092 UVP-RL Anh3 idF 32014L0052;
32011L0092 UVP-RL Anh3;
32011L0092 UVP-RL Art4 Abs3 idF 32014L0052;
32011L0092 UVP-RL Art4 Abs3;
AufwandersatzV VwGH 2014;
AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs8;
EURallg;
NatSchG Tir 2005 §14;
NatSchG Tir 2005;
UVPG 2000 §2 Abs2;
UVPG 2000 §3 Abs2;
UVPG 2000 §3 Abs3;
UVPG 2000 §3 Abs4;
UVPG 2000 §3 Abs7;
UVPG 2000 §3;
UVPG 2000 Anh1 Spalte3;
UVPG 2000 Anh1 Z30;
VwGG §21 Abs1 Z4;
VwGG §48 Abs3 Z2;
VwGG §48;
VwGG §53;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016070034.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat der belangten Behörde Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Parteien wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Schreiben vom 12. August 2014 beantragten die mitbeteiligten Parteien die Erteilung der wasser-, forst-, starkstromwege- und naturschutzrechtlichen Bewilligungen für das Vorhaben "Ökostromkraftwerk D" an der S im Gemeindegebiet der Gemeinde H. mit einer Engpassleistung von 5,8 MW. Mit Schreiben vom 3. November 2015 erfolgte eine Projektsadaption.
2 Die belangte Behörde führte von Amts wegen ein Feststellungsverfahren über die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 durch.
Das eingeholte naturschutzfachliche Gutachten stellte fest, dass es bei der Realisierung des geplanten Projektes in einer Zusammenschau mit den bereits bestehenden oder zur Genehmigung eingereichten Wassernutzungen, wie dem Ausbau des unterliegenden Kraftwerks S, zur Überlagerung der Wirkungsebenen der Eingriffe im Sinne kumulativer und additiver Effekte kommen könne. Der räumliche Zusammenhang (dh die Überlagerung der Wirkungsebene) zeige sich am deutlichsten am Beispiel der Pflanzenart Deutsche Tamariske (Myricaria germanica) und ihres entsprechenden Lebensraumes Weiden-Tamarisken-Gebüsch (FFH-LRT 3230 Alpine Flüsse mit Ufergehölzen von Myricaria germanica) aufgrund ihrer Funktionsweise als Metapopulation.
Wegen der Bejahung des räumlichen Zusammenhangs und der Überlagerung der Wirkungsebene führte die Behörde eine Einzelfallprüfung nach § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 durch; dabei gelangte die naturschutzfachliche Sachverständige (mit ausführlicher Begründung) unter Hinweis auf die geplanten Ausgleichmaßnahmen "X" (des vorliegenden Projektes) und "G" (des Erweiterungsprojekts des unterliegenden Kraftwerks S), die die Eingriffserheblichkeit des Projektes abminderten, zur Ansicht, dass es - im Rahmen der vorzunehmenden Grobprüfung - nicht zu erwarten sei, dass die kumulierenden belastenden Umweltauswirkungen erheblich wären.
3 Die belangte Behörde stellte mit Bescheid vom 30. November 2015 fest, dass das Vorhaben nicht den Tatbestand des Anhangs 1 Z 30 des UVP-G 2000 erfülle und keine UVP durchzuführen sei, da die geprüften kumulierenden Umweltauswirkungen nicht das Maß der Erheblichkeit erreichten.
4 Dagegen wandte sich (unter anderem) der Revisionswerber gemäß § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 mit Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
5 Darin wurde darauf verwiesen, dass eine genauere Untersuchung der aus den naturschutzfachlichen Gutachten hervorgekommenen Überlagerung der Wirkungsebenen der Eingriffe im Sinne kumulativer und additiver Effekte nicht erfolgt sei, da unrichtigerweise die Ausgleichsmaßnahmen "X" (des vorliegenden Projekts) und "G" (des Ausbauvorhabens Kraftwerk S) berücksichtigt worden seien. Maßnahmen eines anderen Projektes könnten aber nicht kompensierend für das gegenständliche Vorhaben sein. Werde das andere Projekt nicht realisiert, hätte auch die Ausgleichsmaßnahme keine Wirkung. Die Einbeziehung von Ausgleichsmaßnahmen sei auch nur möglich, wenn diese ihre Funktion voll erfüllten. Dies sei aber unsicher und könne erst durch ein Monitoring festgestellt werden.
Weiters sei der Natura 2000-Ausweisungsprozess auch in Osttirol noch nicht abgeschlossen. Es sei stark anzuzweifeln, dass der aktuelle Gebietsvorschlag als ausreichend betrachtet werde. Aus der Einstufung des Erhaltungszustandes des FFH-Lebensraumtyps (FFH-LRT) 3230 als "ungünstig-schlecht" resultiere die Verpflichtung zur Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes (wird näher dargestellt). Die geplanten Kraftwerke hätten, jeweils für sich betrachtet, erhebliche ökologische Auswirkungen und beeinträchtigten insgesamt die Vitalität des Tamariskenbestandes. Selbst wenn die Ausgleichsmaßnahmen wirksam seien, blieben die funktionalen Störungen und eine ständige Abnahme des Tamariskenbestandes an der S dauerhaft bestehen. Das Ausgleichspotential für diesen FFH-LRT in den Alpen werde darüber hinaus als gering eingestuft. Aufgrund der naturkundlichen Sensibilität des Betrachtungszeitraums und des Vorsorgeprinzips sei für das vorliegende Projekt UVP-Pflicht anzunehmen.
6 Auch die Tiroler Umweltanwaltschaft und die mitbeteiligten Parteien erstatteten Stellungnahmen.
7 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 23. Februar 2016 wurde (unter anderem) die Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.
8 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass das Vorhaben in der Errichtung und dem Betrieb eines Wasserkraftwerkes an der S bestehe, wozu auch die Ausgleichsmaßnahme "X" zähle, wo die S flussabwärts in einer Länge von 600 m aufgeweitet werde. Das unterliegende Ausbauvorhaben Kraftwerk S beinhalte die Ausgleichsmaßnahme "G". Dabei werde ein Grauerlenauwald in Pionierstandorte und Auwaldbereiche umgewandelt. Die Maßnahme erstrecke sich über eine Länge von 150 m.
Nach Ausführungen dazu, dass weder aus wasserbautechnischer noch aus wasserökologischer Sicht mit Beeinträchtigungen zu rechnen sei, befasste sich das BVwG mit den naturschutzfachlichen Aspekten und verwies darauf, dass durch die Realisierung des Vorhabens in Zusammenschau mit anderen Vorhaben unbestritten Überlagerungen der Wirkungsebene der Eingriffe erfolgen könnten. Aufgrund der Längsvernetzung eines Fließgewässerökosystems stellten Fließgewässerstrecken keine isolierten Lebensraumabschnitte dar, sondern stünden wechselseitig im Austausch zueinander. Unbestritten sei das Vorkommen der Deutschen Tamariske und der entsprechenden Biotoptype in mehreren Beständen. Durch das Vorhaben würden Teile davon in unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigt, wobei sich die negativen Auswirkungen nicht auf die jeweilige Projektstrecke beschränkten, sondern weitreichender seien und aufgrund der Funktionsweise der Art und des Lebensraums als Metapopulation auch andere Tamariskenbestände an den Gewässern Osttirols beträfen. Auch die anderen geplanten Vorhaben (im räumlichen Zusammenhang: Kraftwerk S und dessen Ausbau, Kraftwerk K, Kraftwerk D, Kraftwerk S-A, Kraftwerk O, Kraftwerk H und Kraftwerk T) verursachten Beeinträchtigungen; diese Auswirkungen seien erheblich schädlich, belästigend oder belastend. Zu beachten sei aber auch die mit dem Vorhaben geplante Ausgleichsmaßnahme "X". Damit werde ein Lebensraum für Pionierarten wie die Deutsche Tamariske geschaffen. Dabei könne ein entsprechender Ausgleich zu der vom Vorhaben beeinträchtigten Fläche geschaffen werden, sofern die Maßnahme fachgerecht umgesetzt und durch ein begleitetes Monitoring und allfällige Adaptierungen die Wirksamkeit sichergestellt werde. Bei der Umsetzung der Maßnahme "G" und Etablierung eines neuen Tamariskenbestandes könne die durch das Vorhaben reduzierte Vernetzung abgemindert werden. Unter Berücksichtigung beider Ausgleichsmaßnahmen und unter der Voraussetzung der tatsächlichen Etablierung der Deutschen Tamariske im prognostizierten Ausmaß könne die Eingriffserheblichkeit der kumulierenden Auswirkungen abgemindert werden. In einer Grobprüfung sei unter diesen Voraussetzungen nicht mehr zu erwarten, dass die kumulierenden Umweltauswirkungen erheblich seien. Es verbleibe ein nicht ausschließbares Restrisiko.
Zum Einwand, die Ausgleichsmaßnahmen könnten einem Hochwasserereignis zum Opfer fallen und wären dann wirkungslos, sei zu bemerken, dass durch ein solches Hochwasser auch ein Tamariskenbestand, der sich nicht durch die Ausgleichsmaßnahmen entwickelt habe, vernichtet würde. Maßgeblicher sei die Möglichkeit für die Pflanze, sich wiederanzusiedeln, was durch einen erhöhten Sameneintrag gerade durch die Ausgleichsmaßnahme gewährleistet werde. Darüber hinaus hätten die Revisionswerber keine fachlichen Argumente gebracht, warum die kumulativen Auswirkungen auf den Tamariskenbestand dennoch erheblich sein sollten.
Schließlich ergebe sich, - so die Feststellungen des BVwG weiter - aus dem Projekt und dem Gutachten der naturkundefachlichen Amtssachverständigen, dass das Projektgebiet nicht in einem ausgewiesenen Natura 2000-Gebiet liege und auch nicht von den von der Tiroler Landesregierung nachnominierten Gebieten, insbesondere dem Gebiet Osttiroler Gletscherflüsse I, S und K, umfasst sei. Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung führte das BVwG aus, es sei seitens der belangten Behörde richtig erkannt worden, dass das Vorhaben nicht unter den Tatbestand der Z 30 lit. c des Anhanges 1 des UVP-G 2000 (Kraftwerkskette) falle. Nach Darstellung der Voraussetzungen für die Anwendung des Kumulationstatbestandes des § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 heißt es, Beurteilungsgegenstand der demnach durchzuführenden Einzelfallprüfung sei nicht, ob das Vorhaben an sich wesentliche Auswirkungen auf die Umwelt erwarten lasse, sondern ob aufgrund der Kumulierung der Auswirkungen mit solchen Auswirkungen zu rechnen sei. Aus den Feststellungen zum Fachbereich Naturkunde ergebe sich zunächst, dass durch das gegenständliche Vorhaben in Verbindung mit anderen Vorhaben von erheblichen kumulativen Umweltauswirkungen auszugehen sei. Unter Berücksichtigung der Ausgleichsmaßnahmen "X" und "G" könnten diese Auswirkungen aber abgemildert werden. Unter der Voraussetzung der Erreichung der prognostizierten Ziele sei aber nicht mehr zu erwarten, dass die kumulierenden belastenden Umweltauswirkungen erheblich seien. Daher sei der Kumulationstatbestand des § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 nicht erfüllt und es sei keine UVP durchzuführen. Zum Beschwerdevorbringen führte das BVwG aus, dass Ausgleichsmaßnahmen bei der Beurteilung über die zu erwartenden Umweltauswirkungen jedenfalls miteinzubeziehen seien (VwGH Ro 2014/03/0066), sofern sie Projektsbestandteil seien. Auch die Ausgleichsmaßnahme "G" als Bestandteil des Erweiterungsvorhabens des Kraftwerks S sei zu berücksichtigen, da auch geplante Vorhaben (und damit auch deren projektimmanente Ausgleichsmaßnahmen) im Feststellungsverfahren zu berücksichtigen seien.
Dass die naturkundefachliche Amtssachverständige auf ein bestehendes Restrisiko bei Nichtfunktionieren der Ausgleichsmaßnahmen hingewiesen habe, bewirke nicht, dass daraus erhebliche kumulierende Umweltauswirkungen abgeleitet werden könnten. Es sei davon auszugehen, dass eine fachgerechte Umsetzung der Projekte erfolgen werde, was im Rahmen eines begleitenden Monitorings und einer Kollaudierung (etwa nach § 121 WRG 1959) sicherzustellen sei. Gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 führe die Einzelfallprüfung nur dann zur UVP-Pflicht, wenn mit erheblichen kumulierenden Umweltauswirkungen zu rechnen sei. Genau dies treffe nach dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der naturkundefachlichen Amtssachverständigen unter Einbeziehung der Ausgleichsmaßnahmen nicht mehr zu.
Das BVwG hielt auch fest, dass es sich beim Projektsgebiet nicht um ein ausgewiesenes Natura 2000-Gebiet handle. Allerdings sei ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission (EK) gegen Österreich anhängig, im Rahmen dessen ein Nachnominierungsbedarf erklärt worden sei. Die EK habe unter anderem die Nachnominierung zusätzlicher Gebiete für den prioritären FFH-LRT 3230 für das Natura 2000-Netzwerk und dabei das Gebiet "Öffentliches Wassergut der I und ihrer Zubringer S, T und K" gefordert. Die Tiroler Landesregierung habe mittlerweile ein Natura 2000-Gebiet "Osttiroler Gletscherflüsse I, S und K" an die EK gemeldet, welches das Projektsgebiet aber nicht mitumfasse. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes würden potentielle FFH-Gebiete, die noch nicht in die von der EK festgelegte Liste der Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden seien, noch nicht direkt der Anwendung der FFH-Richtlinie bzw. der dort angeführten Schutzmaßnahmen unterliegen. Sie seien aber trotzdem besonders geschützt.
Nun sei einerseits der Ausweisungsprozess abgeschlossen, aber andererseits ein Nachnominierungsbedarf seitens der EK nachhaltig dargelegt worden. Unabhängig davon, ob die EK nun mit der erfolgten Nachnominierung einverstanden sei, sehe das BVwG keinen Anlass, nicht an der Rechtsprechung des EuGH festzuhalten, wonach angemessene Schutzregelungen nur für jene Gebiete zu ergreifen seien, die vom Mitgliedstaat im Sinne der Phase 1 des Anhanges III der FFH-Richtlinie in die nationale Liste aufgenommen worden seien oder bezüglich derer der Mitgliedstaat nicht bestreite, dass ein Gebiet in die nationale Liste aufgenommen hätte werden müssen. Mit dem Einwand, das Projektsgebiet hätte im nachnominierten FFH-Gebiet enthalten sein müssen, sei daher also nichts gewonnen. Die ordentliche Revision gegen das Erkenntnis wurde nicht zugelassen. Dies wurde damit begründet, dass Tatsachenfragen zu beurteilen gewesen seien (etwa, dass keine kumulierenden erheblichen Umweltauswirkungen durch die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens gemeinsam mit anderen Vorhaben im Sinne des § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 zu erwarten seien) und dass die zugrunde gelegte Rechtsprechung nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche. Zur Rechtsfrage, ob das Vorhabensgebiet ein potentielles Natura 2000-Gebiet darstelle und daher einem besonderen Schutz unterliege, sei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu verweisen, wonach angemessene Schutzregeln nur für jene Gebiete zu ergreifen seien, die vom Mitgliedstaat im Sinne der Phase 1 des Anhanges III der FFH-Richtlinie in die nationale Liste aufgenommen worden seien bzw. wo der Mitgliedstaat nicht bestreite, dass das Gebiet in die nationale Liste hätte aufgenommen werden müssen. Es lägen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
Im Rahmen der Darstellung ihrer Zulässigkeit macht der Revisionswerber Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung unter zwei rechtlichen Aspekten geltend.
10 Er vertritt die Ansicht, die entscheidungsrelevante Rechtsfrage im gegenständlichen Fall sei zunächst, ob die Ausgleichsmaßnahmen "X" (als Projektsbestandteil) und "G" (als Ausgleichsmaßnahme des geplanten Ausbauprojekts Kraftwerk S) rechtmäßigerweise im Rahmen der Einzelfallprüfung zur Feststellung der UVP-Pflicht als erheblichkeitsmindernd berücksichtigt werden hätten dürfen. Zu dieser Rechtsfrage existiere teils Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, zu der das vorliegende Erkenntnis aber im Widerspruch stehe; teils seien Teilaspekte dieser Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht explizit gelöst. So sei aus dem seitens des BVwG zitierten Erkenntnis Ro 2014/03/0066 im Gegenteil die Rechtsauffassung zu gewinnen, dass Ausgleichsmaßnahmen gerade nicht im Rahmen der Einzelfallprüfung sondern im Rahmen des ordentlichen UVP-Bewilligungsverfahrens zu prüfen seien. Unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs 2008/03/0089 meint der Revisionswerber unter diesem Aspekt weiter, die Behörde habe im Falle einer Einzelfallprüfung nur zu klären, ob mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen sei. Wie derartige Auswirkungen zu beurteilen seien und ihnen entgegenzutreten wäre, sei dem späteren Bewilligungsverfahren vorbehalten.
Weiters heißt es, zur Frage, ob Ausgleichsmaßnahmen, die nicht Projektbestandteil des entscheidungsgegenständlichen Vorhabens sondern eines von einem anderen Projektwerber geplanten Projektes seien, aber im räumlichen Zusammenhang mit dem gegenständlichen Projekt stünden, zulässigerweise als eingriffsmindernd herangezogen werden dürften, bestehe keine explizite Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs. Das BVwG verweise dazu bloß auf eigene Rechtsprechung.
11 Als weitere zentrale Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nennt der Revisionswerber die Frage, ob das Vorhabensgebiet als potentielles Natura 2000-Gebiet einem besonderen (unions-)rechtlichen Schutz unterliege, obwohl es weder vom Land Tirol im Laufe des nach wie vor anhängigen Natura 2000-EU-Vertragsverletzungsverfahrens nachnominiert noch in die Liste von Gebieten gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden sei. Es stelle sich also die Frage der faktischen Schutzwirkung für nichtgemeldete potentielle Natura 2000-Gebiete. Auch dazu liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor. Die einschlägige Rechtsprechung des EuGH (Urteil Kommission gegen Zypern vom 15. März 2012, C-340/10 ), die bereits faktische Schutzwirkungen für rechtswidrig nicht gemeldete Gebiete nahelege, sei vom BVwG nicht in die richterliche Abwägung miteinbezogen worden.
12 Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung vom 23. Mai 2016, in der sie den Antrag stellten, die Revision mangels Zulässigkeit kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen.
13 Auch die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung vom 24. Mai 2016 mit einem gleichlautenden Antrag.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
15 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den VwGH erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. dazu ua den hg. Beschluss vom 10. Februar 2015, Ra 2015/02/0016, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen (vgl. den hg. Beschluss vom 25. März 2014, Ra 2014/04/0001, mwN), noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. den hg. Beschluss vom 24. September 2014, Ra 2014/03/0025, 0026).
16 2. Die vorliegende außerordentliche Revision richtet sich gegen eine Feststellung des Nichtvorliegens der UVP-Pflicht nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000, die nach Durchführung einer Einzelfallprüfung nach § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 getroffen wurde.
17 Diese Bestimmungen des UVP-G 2000 haben folgenden Wortlaut:
"§ 3. (1) ...
(2) Bei Vorhaben des Anhanges 1, die die dort festgelegten Schwellenwerte nicht erreichen oder Kriterien nicht erfüllen, die aber mit anderen Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang stehen und mit diesen gemeinsam den jeweiligen Schwellenwert erreichen oder das Kriterium erfüllen, hat die Behörde im Einzelfall festzustellen, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das geplante Vorhaben durchzuführen ist. Eine Einzelfallprüfung ist nicht durchzuführen, wenn das beantragte Vorhaben eine Kapazität von weniger als 25% des Schwellenwertes aufweist. Bei der Entscheidung im Einzelfall sind die Kriterien des Abs. 4 Z 1 bis 3 zu berücksichtigen, Abs. 7 ist anzuwenden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist im vereinfachten Verfahren durchzuführen. Die Einzelfallprüfung entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.
(3) ...
(4) Bei Vorhaben, für die in Spalte 3 des Anhanges 1 ein Schwellenwert in bestimmten schutzwürdigen Gebieten festgelegt ist, hat die Behörde bei Zutreffen dieses Tatbestandes im Einzelfall zu entscheiden, ob zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der schützenswerte Lebensraum (Kategorie B des Anhanges 2) oder der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet (Kategorien A, C, D und E des Anhanges 2) festgelegt wurde, wesentlich beeinträchtigt wird. Bei dieser Prüfung sind schutzwürdige Gebiete der Kategorien A, C, D oder E des Anhanges 2 nur zu berücksichtigen, wenn sie am Tag der Einleitung des Verfahrens ausgewiesen oder in die Liste der Gebiete mit gemeinschaftlicher Bedeutung (Kategorie A des Anhanges 2) aufgenommen sind. Ist mit einer solchen Beeinträchtigung zu rechnen, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Abs. 7 (Feststellungsverfahren) ist anzuwenden. Bei der Entscheidung im Einzelfall hat die Behörde folgende Kriterien zu berücksichtigen:
1. Merkmale des Vorhabens (Größe des Vorhabens, Kumulierung mit anderen Vorhaben, Nutzung der natürlichen Ressourcen, Abfallerzeugung, Umweltverschmutzung und Belästigungen, Unfallrisiko),
2. Standort des Vorhabens (ökologische Empfindlichkeit unter Berücksichtigung bestehender Landnutzung, Reichtum, Qualität und Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ressourcen des Gebietes, Belastbarkeit der Natur, historisch, kulturell oder architektonisch bedeutsame Landschaften),
3. Merkmale der potentiellen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt (Ausmaß der Auswirkungen, grenzüberschreitender Charakter der Auswirkungen, Schwere und Komplexität der Auswirkungen, Wahrscheinlichkeit von Auswirkungen, Dauer, Häufigkeit und Reversibilität der Auswirkungen) sowie Veränderung der Auswirkungen auf die Umwelt bei Verwirklichung des Vorhabens im Vergleich zu der Situation ohne Verwirklichung des Vorhabens. Bei Vorhaben der Spalte 3 des Anhanges 1 ist die Veränderung der Auswirkungen im Hinblick auf das schutzwürdige Gebiet maßgeblich.
Die Einzelfallprüfung entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.
(5) ...
(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat der Behörde Unterlagen vorzulegen, die zur Identifikation des Vorhabens und zur Abschätzung seiner Umweltauswirkungen ausreichen. Hat die Behörde eine Einzelfallprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen, so hat sie sich dabei hinsichtlich Prüftiefe und Prüfumfang auf eine Grobprüfung zu beschränken. Die Entscheidung ist innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung sind die mitwirkenden Behörden und das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Die Entscheidung ist von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen und der Bescheid jedenfalls zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs. 4 erfolgen, zu veröffentlichen; der Bescheid ist als Download für sechs Wochen bereitzustellen. Die Standortgemeinde kann gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Der Umweltanwalt und die mitwirkenden Behörden sind von der Verpflichtung zum Ersatz von Barauslagen befreit."
18 3. Es ist unstrittig, dass im vorliegenden Fall der Tatbestand des Anhangs 1 Z 30 UVP-G 2000 nicht erfüllt wurde, hingegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 für die Durchführung einer Einzelfallprüfung vorlagen.
19 Die Behörde hat im Fall einer Einzelfallprüfung nach § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 nur zu klären, ob mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. September 2009, 2007/03/0170, vom 26. April 2011, 2008/03/0089, und vom 30. Juni 2006, 2005/04/0195). Wie derartige Auswirkungen zu beurteilen sind und ihnen entgegenzutreten ist, ist dem späteren Bewilligungsverfahren vorbehalten. Insofern stellt die Einzelfallprüfung also nur eine Grobbeurteilung eines Vorhabens dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, 2006/04/0144, und vom gleichen Tag, 2007/04/0112). Dies entspricht auch den Vorgaben des § 3 Abs. 7 UVP-G 2000, wonach sich die Behörde, dann, wenn sie eine Einzelfallprüfung durchzuführen hat, hinsichtlich Prüftiefe und Prüfumfang auf eine Grobprüfung zu beschränken hat.
20 Bei der Frage, ob mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, ist nach § 3 Abs. 2 leg. cit. im Rahmen der Einzelfallprüfung zu klären, ob nach den Kriterien des § 3 Abs. 4 Z 1 bis 3 UVP-G 2000 (vgl. zu diesen Kriterien auch Art. 4 Abs. 3 und Anhang III der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der Fassung der Richtlinie 2014/52/EU vom 16. April 2014 - UVP-RL) mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist (vgl. dazu auch das zu einer Einzelfallprüfung gemäß § 3a Abs. 6 UVP-G 2000 ergangene hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, 2006/04/0144).
21 Durch die Abweisung der Beschwerden (ua des Revisionswerbers) hat das BVwG die Einschätzung der belangte Behörde übernommen, wonach wegen der Ausgleichsmaßnahmen "X" und "G" nicht mehr zu erwarten sei, dass die kumulierenden belastenden Umweltauswirkungen erheblich seien; darauf gründete sich letztlich die Feststellung, dass für das gegenständliche Projekt keine UVP durchzuführen sei.
22 4. Dem tritt die außerordentliche Revision unter mehreren Aspekten entgegen. So meint der Revisionswerber, die genannten Ausgleichsmaßnahmen hätten rechtmäßigerweise nicht erheblichkeitsmindernd berücksichtigt werden dürfen.
4.1. Die Ausgleichsmaßnahme "X" ist ein Projektsbestandteil des verfahrensgegenständlichen Kraftwerksprojektes.
Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung ist die Prüfung der Umweltverträglichkeit des zur Bewilligung eingereichten Vorhabens. Der Umfang des Vorhabens wird grundsätzlich durch den Antragsteller im Genehmigungsantrag definiert.
Was unter einem Vorhaben im Sinne des UVP-G 2000 zu verstehen ist, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 erster Satz UVP-G 2000. Demnach ist darunter die Errichtung einer Anlage oder ein sonstiger Eingriff in Natur und Landschaft unter Einschluss sämtlicher damit in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehender Maßnahmen zu verstehen. Bereits daraus ergibt sich ein weiter Vorhabensbegriff.
Ist eine Ausgleichsmaßnahme Teil des zur Bewilligung eingereichten Projektes, dann steht sie mit diesem in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang; sie ist daher auch Teil des Vorhabens. Daraus folgt, dass auch auf diesen Projektsbestandteil und die damit verbundenen Effekte bei der Prüfung der UVP-Pflicht Rücksicht zu nehmen ist. Die angenommene Verwirklichung der Ausgleichsmaßnahmen ist daher bei der fachlichen Bewertung der Projektauswirkungen im Rahmen der Einzelfallprüfung mit zu berücksichtigen. Eine allfällige Bewilligung des Projektes umfasst auch die Ausgleichsmaßnahmen; diese werden nicht gesondert vorgeschrieben oder aufgetragen.
23 Es trifft zwar zu, dass dem vom BVwG in diesem Zusammenhang zitierten hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, ein etwas anderer Sachverhalt als der hier gegebene zu Grunde lag. Damals wurden - im Verfahren erst später entwickelte - Ausgleichsmaßnahmen zwar der Behörde übermittelt, der Antragsteller machte sie aber nicht zum Gegenstand eines Abänderungsantrages des ohne diese Maßnahmen eingereichten Projektes. Diese Ausgleichsmaßnahmen waren daher nicht Gegenstand des zu beurteilenden Vorhabens.
Im Gegenschluss kann aber aus diesem Erkenntnis abgeleitet werden, dass Ausgleichsmaßnahmen, die - wie im vorliegenden Fall - Projektgegenstand sind oder die während des Verfahrens im Zuge eines Abänderungsantrages zu einem Teil des Projektes werden, bei der Prüfung der umweltrelevanten Auswirkungen des Vorhabens zu berücksichtigen sind. Insofern erweist sich der Hinweis des BVwG auf die genannte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs durchaus als zutreffend; eine - wie vom Revisionswerber angenommen - gegenteilige Aussage ist diesem Erkenntnis nicht zu entnehmen.
24 Auch der Verweis des Revisionswerbers auf das Urteil des EuGH vom 15. Mai 2014, Rs C-521/12 , Briels, ua, und auf das hg. Erkenntnis vom 21. März 2013, 2012/10/0076, führt zu keinem anderen Ergebnis.
In diesen Fällen ging es um die Durchführung einer Naturverträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie bzw. um Ausgleichsmaßnahmen gemäß § 13b Abs. 5 des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976 (Stmk NSchG). Die Nichtberücksichtigung der Einrechenbarkeit von Ausgleichsmaßnahmen nach dieser Richtlinie bzw. nach den Bestimmungen des in ihrer Ausführung ergangenen Naturschutzgesetzes hat mit dem hier vorliegenden Feststellungsverfahren nach dem UVP-G 2000 nichts zu tun.
Abgesehen davon handelte es sich bei den nach § 13b Abs. 5 Stmk NSchG "zur Sicherung des Zusammenhanges des europäischen ökologischen Netzes Natura 2000 notwendigen Ausgleichsmaßnahmen", die in Form von Auflagen oder Bedingungen vorzuschreiben sind, schon von vornherein nicht um Bestandteile des Projekts im vorhin dargestellten Sinn, sodass auch deshalb die Vergleichbarkeit mit dem hier vorliegenden Sachverhalt fehlt.
25 Ein Widerspruch zur insofern klaren Rechtslage liegt der Annahme des BVwG, die projektgegenständlichen Ausgleichsmaßnahmen seien bei der Einzelfallprüfung der UVP-Pflicht zu berücksichtigen, daher nicht zu Grunde.
26 4.2. Die Ausgleichmaßnahme "G" betrifft den geplanten Ausbau des unterliegenden KW S; dieser Ausbau war in die Einzelfallprüfung mit einzubeziehen, befand sich doch (ua) dieses Kraftwerk in einem räumlichen Zusammenhang zum vorliegenden Projekt.
27 Die Feststellungen des BVwG, wonach das KW S (in einer nähere genannten Größenordnung) ausgebaut werden soll und die genannte Ausgleichsmaßnahme einen Teil des geplanten Erweiterungsvorhabens darstellt, wurde vom Revisionswerber ebenso wenig bestritten wie der Umstand, dass das diesbezügliche Genehmigungsverfahren anhängig ist. Damit gilt aber auch hier, dass diese Ausgleichsmaßnahme bei der Beurteilung der kumulativen Auswirkungen des geplanten Erweiterungsbaus am KW S mit zu berücksichtigen war, stellt sie doch einen Teil des Ausbauprojektes dar.
28 Dass bei der Beurteilung umweltrelevanter Auswirkungen bei einer Einzelfallprüfung nicht nur bestehende, sondern auch geplante Projekte (inklusive geplanter Ausgleichsmaßnahmen) berücksichtigt werden müssen, ergibt sich bereits aus § 3 Abs. 2 UVP-G 2000.
§ 3 Abs. 2 UVP-G 2000 wurde deshalb geschaffen, um es den Behörden zu ermöglichen, einer Umgehung der UVP durch Aufsplitterung von Vorhaben auf mehrere Betreiber im Einzelfall entgegen zu treten, aber auch, um unabhängig vom Zeitpunkt der Genehmigung oder Errichtung einzelner Vorhaben die kumulative Wirkung gleichartiger Vorhaben zu erfassen. Das Hauptziel dieser Bestimmung lag und liegt darin, mehrere projektierte, unter dem Schwellenwert liegende Vorhaben gemeinsam bewerten zu können und so eine Umgehung der UVP-Pflicht zu verhindern. Dies setzt aber notwendigerweise eine Beurteilung nicht nur bereits bestehender Anlagen, sondern auch solcher Anlagen voraus, die zwar noch nicht errichtet sind, aber bei denen zumindest ein Projekt vorliegt.
29 In die Prüfung der Kumulation sind gleichzeitig geplante oder beantragte Vorhaben in einem räumlichen Zusammenhang zu berücksichtigen und in die Berechnung kumulativer Wirkungen einzubeziehen, da die kumulative Wirkung gleichartiger Vorhaben unabhängig vom Zeitpunkt der Genehmigung oder Errichtung erfasst werden muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 2005, 2004/06/0030, und vom 15. Dezember 2009, 2009/05/0303). Eine Grundlage für die Annahme des Revisionswerbers, zu den zu berücksichtigenden kumulativen Wirkungen zählten nur für die Umwelt negative Wirkungen, nicht aber auch - wie hier - positive Effekte, findet sich im Gesetz nicht.
30 Auf beabsichtigte Vorhaben kommt es daher nur dann nicht an, wenn und solange noch gar kein konkretes Projekt vorliegt (vgl. in diese Richtung gehend die hg. Erkenntnisse vom 20. Dezember 2005, 2004/05/0317, vom 1. Juli 2009, 2005/04/0269, und vom 10. Dezember 2009, 2006/04/0142). Das Erweiterungsprojekt KW S (inklusive der genannten Ausgleichsmaßnahme) ist aber unstrittig bereits Gegenstand eines anhängigen Genehmigungsverfahrens.
31 Die Berücksichtigung auch dieser Ausgleichsmaßnahme als Projektbestandteil eines konkret geplanten Erweiterungsprojektes steht daher ebenfalls nicht im Widerspruch zur bestehenden Rechtsprechung. Auch mit diesem Vorbringen wird somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
32 5. Als weitere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung macht der Revisionswerber geltend, es sei der Umstand nicht richtig gewürdigt worden, dass es sich beim verfahrensgegenständlichen Gebiet um ein potentielles Natura 2000-Gebiet handle und es daher einem besonderen Schutz unterliege. Es sei zu Unrecht jegliche aus dem laufenden Natura 2000-Nachnominierungsprozess resultierende Schutzwirkung für das Vorhabensgebiet verneint worden. Die Folge dieser besonderen Schutzwirkung als potentielles FFH-Gebiet, die unmittelbar aus dem Unionsrecht abgeleitet werden müsse, liege darin, dass keine Eingriffe zugelassen werden dürften, die die ökologischen Merkmale ernsthaft beeinträchtigen könnten. Dies sei aber bei Realisierung des verfahrensgegenständlichen Vorhabens zu befürchten - ein Umstand, der bei der Einschätzung der Erheblichkeit des Umwelteingriffs im Rahmen der Einzelfallprüfung hätte Berücksichtigung finden müssen. Auch unter diesem Aspekt hätten die Ausgleichsmaßnahmen nicht einbezogen werden dürfen.
33 5.1. Das hier gegenständliche Verfahren befasst sich mit der Frage, ob als Ergebnis einer Einzelfallprüfung eine UVP für das vorgelegte Projekt durchzuführen ist und ist vom eigentlichen Genehmigungsverfahren zu unterscheiden.
§ 3 UVP-G 2000 unterscheidet nun zwischen einer Einzelfallprüfung nach § 3 Abs. 2 UVP-G 2000, die unbestritten hier vorzunehmen war, und einer Einzelfallprüfung von Vorhaben in schutzwürdigen Gebieten nach § 3 Abs. 4 leg. cit., deren Voraussetzung die Festlegung eines Schwellenwerts in Spalte 3 des Anhanges 1 des UVP-G 2000 ist. Zu solchen schutzwürdigen Gebieten zählen in der Kategorie A auch die Natura 2000-Gebiete nach der FFH-RL. Mit der Sonderregelung des § 3 Abs. 4 UVP-G 2000 wird die Sensibilität des besonderen Standortes im Sinne des Art. 4 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang III der UVP-RL berücksichtigt.
Bei dem für das vorliegende Vorhaben theoretisch möglichen (und inhaltlich seitens des Revisionswerbers unter rechtlichen Aspekten nicht in Frage gestellten) Tatbestand des Anhangs 1 Z 30 UVP-G 2000 findet sich keine Spalte 3 (für Vorhaben in schutzwürdigen Gebieten); nur in solchen Fällen wäre aber nach § 3 Abs. 4 UVP-G 2000 ebenfalls nach einer Einzelfallprüfung zu entscheiden, ob zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet festgelegt wurde, wesentlich beeinträchtigt wird.
Es kann dahin stehen, ob auch lediglich potentielle FFH-Gebiete, die in einer Aufforderung zur Nachnominierung an die EK zwar genannt, aber trotz erfolgter Nachnominierung anderer Gebiete nicht nachnominiert wurden, unter Gebiete der Kategorie A fallen. Eine Prüfung dieser Frage wäre nur für den Fall relevant, in dem die Einzelfallprüfung nach § 3 Abs. 4 UVP-G 2000 vorzunehmen gewesen wäre. Dass diese Bestimmung aber hier anzuwenden gewesen wäre, wird seitens des Revisionswerbers nicht behauptet.
5.2. Das Vorbringen des Revisionswerbers kann aber auch dahin verstanden werden, dass er sich gegen den Inhalt des Gutachtens der naturschutzfachlichen Sachverständigen wendet, weil dort richtigerweise ein anderes (höheres) Schutzniveau ("ernsthafte Beeinträchtigung der ökologischen Merkmale") zu berücksichtigen gewesen wäre.
Dieser Überlegung kann aber nicht gefolgt werden. § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 legt den Maßstab der dort anzustellenden Grobprüfung insofern fest, als im Einzelfall zu prognostizieren ist, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist. Dabei sind die Kriterien des § 3 Abs. 4 Z 1 bis Z 3 UVP-G 2000 zu berücksichtigen; bei den (hier nicht gegebenen) Vorhaben der Spalte 3 des Anhanges 1 ist bei der Einzelfallprüfung hingegen die Erwartung einer wesentlichen Beeinträchtigung der Schutzzwecke des schutzwürdigen Gebiets maßgeblich.
Dass es im Zuge des hier vorliegenden Feststellungsverfahrens notwendig wäre, wie der Revisionswerber meint, zu prüfen, ob die Eingriffe "die ökologischen Merkmale ernsthaft beeinträchtigen könnten" (der Revisionswerber übernimmt hier die Worte des Urteils des EuGH vom 15. März 2012, C-340/10 , Europäische Kommission gegen Zypern), ergibt sich nicht aus den hier anzuwendenden gesetzlichen Grundlagen.
Dass sich ein solcher Prüfungsmaßstab im hier verfahrensgegenständlichen Feststellungsverfahren der UVP-Pflicht unmittelbar aus Unionsrecht ergäbe, ist ebenfalls nicht zu erkennen; Art. 2 Abs. 1 der UVP-RL stellt ebenfalls darauf ab, ob "mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist". Das diesbezügliche Vorbringen in der Revision macht nicht klar, aus welchen Vorschriften der UVP-RL sich - im Zusammenhang mit einem Feststellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung aufgrund eines Kumulationstatbestandes - ein solcher strengerer Prüfungsmaßstab ergäbe.
5.3. Das diesbezügliche Revisionsvorbringen geht daher an der klaren Rechtslage vorbei; eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird damit nicht aufgezeigt.
5.4. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass Ausfluss einer seitens des Revisionswerbers angedachten höheren faktischen Schutzwirkung auch für das gegenständliche Gebiet allenfalls eine höher qualifizierte Prüfung der Umweltauswirkungen im materiellrechtlichen Bewilligungsverfahren wäre, so wie sie bei Natura 2000-Gebieten vorgeschrieben ist. Die Frage, nach welchen Kriterien nun das naturschutzrechtliche Verfahren abzuhalten ist, insbesondere ob die Sonderbestimmung für Natura 2000-Gebiete des § 14 Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 (Tir NSchG) im vorliegenden Fall anwendbar ist oder nicht, ist aber nicht im Rahmen des UVP-Feststellungsverfahren nach § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 zu prüfen. Diese Frage spielt erst im Genehmigungsverfahren selbst eine Rolle. Eine Verträglichkeitsprüfung nach § 14 Tir NSchG fände allenfalls - bei Verneinung der UVP-Pflicht - im materiellrechtlichen Einzelverfahren nach dem Tir NSchG oder - bei Bejahung der UVP Pflicht - im Rahmen des UVP-Genehmigungsverfahrens selbst (im konzentrierten Genehmigungsverfahren nach § 3 Abs. 3 UVP-G 2000) ihren Platz. Die Kriterien des Tir NSchG für die Genehmigung eines Vorhabens in einem solchen Gebiet sind aber nicht auf die Einzelprüfung im Feststellungsverfahren nach § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 zu übertragen.
34 5.5. Es erübrigt sich auch ein näheres Eingehen auf das seitens des Revisionswerbers ins Treffen geführte Urteil des EuGH vom 15. März 2012, C-340/10 , Europäische Kommission gegen Zypern, das ebenfalls vor dem Hintergrund der FFH-Richtlinie (und nicht der UVP-RL) erging. Der diesem Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt ist mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar, wurde doch seitens Zyperns gar nicht bestritten, dass das dort verfahrensgegenständliche Gebiet in die nationale Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen werden müsste.
Dieser (vom BVwG ebenfalls zitierte) Fall steht daher in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach angemessene Schutzregeln auch für jene Gebiete zu ergreifen seien, die vom Mitgliedstaat im Sinne der Phase 1 des Anhanges III der FFH-Richtlinie in die nationale Liste aufgenommen worden seien bzw. wo der Mitgliedstaat gar nicht bestreite, dass das Gebiet in die nationale Liste hätte aufgenommen werden müssen.
35 5.6. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass auch der in der Revision abschließend geltend gemachte rechtliche Aspekt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzeigt.
36 6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
37 Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Parteien war abzuweisen. Zum einen deshalb, weil die geltend gemachte "web-ERV-Gebühr" im pauschalierten Kostenersatz bereits enthalten ist (vgl. die hg. Erkenntnisse je vom 15. Oktober 2015, Ro 2015/21/0029, und Ro 2015/21/0026).
38 Zum anderen gründet sich die Abweisung des Kostenmehrbegehrens auf § 53 Abs. 1 VwGG, wonach dann, wenn mehrere Revisionswerber ein Erkenntnis oder einen Beschluss in einer Revision angefochten haben, die Frage des Anspruchs des Aufwandersatzes (§ 47) so zu beurteilen ist, wie wenn die Revision nur von dem in der Revision erstangeführten Revisionswerber eingebracht worden wäre. Der Aufwandersatz ist an diesen zu zahlen. Diese Bestimmung gilt nicht nur für den Aufwandersatz von Revisionswerbern, sondern auch für den Aufwandersatz allfälliger Mitbeteiligter (vgl. dazu die auf die nunmehrige Rechtslage übertragbaren hg. Erkenntnisse vom 8. Oktober 1991, 91/07/0067, 0068, und vom 15. Oktober 1996, 95/05/0139). Dann, wenn eine Revisionsbeantwortung von mehreren mitbeteiligten Parteien gemeinsam erstattet wird, ist daher der Aufwandersatz so zu ermitteln, wie
wenn nur der Erstmitbeteiligte die Revisionsbeantwortung eingebracht hätte. Auch das über den Zuspruch von Aufwandersatz an den Erstmitbeteiligten hinausgehende Kostenmehrbegehren war daher abzuweisen.
Wien, am 30. Juni 2016
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)