VwGH 2012/10/0076

VwGH2012/10/007621.3.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der Umweltanwältin des Landes Steiermark in 8010 Graz, Stempfergasse 7, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 28. März 2012, Zl. FA13C-54St-410/2012-2, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: M L in F), zu Recht erkannt:

Normen

NatSchG Stmk 1976 §13b Abs2;
NatSchG Stmk 1976 §13b Abs3;
NatSchG Stmk 1976 §13b Abs5;
NatSchG Stmk 1976 §6 Abs8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
NatSchG Stmk 1976 §13b Abs2;
NatSchG Stmk 1976 §13b Abs3;
NatSchG Stmk 1976 §13b Abs5;
NatSchG Stmk 1976 §6 Abs8;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die Steiermärkische Landesregierung hat mit Bescheid vom 28. März 2012 der mitbeteiligten Partei die naturschutzrechtliche Bewilligung für den Umbruch der Wiese auf bestimmt bezeichneten Grundstücken im Europaschutzgebiet Nr. 16 gemäß § 13b Steiermärkisches Naturschutzgesetz 1976, LGBl. Nr. 65/1976 idF LGBl. Nr. 85/2011 (Stmk. NSchG), unter Vorschreibung folgender Auflagen erteilt:

"1. Im Weingarten ist das Saatgut Natura 2000 (für magere Flachlandmähwiesen geeignet) zu verwenden.

2. Es ist der integrierte Pflanzenschutz nach den aktuellen IP-Richtlinien anzuwenden.

3. Die Monate Juni und Juli sollten vom Mahdmanagement (2 - 3 mal jährlich) ausgenommen werden.

4. Die Eigentümerin oder die von ihr berechtigten Personen (Pächter) erlauben zur Beobachtung der Wiesenentwicklung nach vorheriger Anmeldung beim jeweiligen Bewirtschafter den Zutritt auf die Grundstücke."

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte habe am 5. Dezember 2011 mitgeteilt, Planierungsarbeiten auf den gegenständlichen Grundstücken durchgeführt zu haben, ohne zu wissen, dass es sich um ein Europaschutzgebiet handle. Sie beabsichtige, diese Grundstücke zur Anpflanzung von Weinstöcken zu verpachten, um ihren Lebensunterhalt aufzubessern.

Die Amtssachverständige habe in ihrer Stellungnahme (Naturverträglichkeitsprüfungserklärung) ausgeführt, dass sich auf den gegenständlichen Grundstücken im Europaschutzgebiet Nr. 16 der Lebensraumtyp Nr. 6510 des Anhanges I der Fauna Flora Habitat Richtlinie (im Folgenden: FFH-Richtlinie) "Magere Flachland Mähwiese" befinde. Im vorhandenen Managementplan 2003 werde die Fläche als mäßig artenreich, feucht, sehr frisch und eutrophiert beschrieben. Der Zustand des Schutzgutes bei Erstellung des Managementplans werde als mittelmäßig bis schlecht (Erhaltungszustand C) bezeichnet. Bei der Kartierung dieses Gebietes im Jahr 2008 sei die gegenständliche Fläche vom Kartierer neuerlich als "Magere Flachland Mähwiese" in einem mäßigen bis schlechten Zustand (C) beschrieben worden. Die Wiese sei frisch gemäht gewesen, sodass die Aufzeichnungen (wie z.B.: "1-2xige Mahd") nach den Anmerkungen des Kartierers auf Vermutungen beruhten.

Die erste Vorprüfung unmittelbar nach Bekanntwerden der bereits durchgeführten Maßnahmen sei zum Ergebnis gekommen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des betroffenen Lebensraumtyps gemäß Anhang I der FFH-Richtlinie nicht ausgeschlossen werden könne bzw. sogar sehr wahrscheinlich sei. Daraufhin sei der Amtssachverständigen der Auftrag zur Erstellung eines Gutachtens darüber erteilt worden, ob die Erhaltungsziele des betroffenen Europaschutzgebietes beeinträchtigt würden.

Dieses Gutachten wird im angefochtenen Bescheid wörtlich wiedergegeben. Davon seien folgende Passagen hervorgehoben:

Die spezifischen Erhaltungsziele des gegenständlichen Europaschutzgebietes Nr. 16 seien die Sicherung bzw. Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes von insgesamt 12 Lebensraumtypen nach dem Anhang I der FFH-Richtlinie, darunter auch Mähwiesen. Grundlage für die fachlichen Ausführungen seien der Managementplan aus dem Jahr 2003 und die im Jahr 2008 angefertigte Karte.

Der wesentliche Wirkfaktor des gegenständlichen Projekts sei der Flächenverbrauch im Umfang von insgesamt 0,41 ha. Dadurch stehe diese Fläche nicht mehr als Biotopfläche für den Lebensraumtyp 6510 des Anhanges I der FFH-Richtlinie "Magere Flachland Mähwiese" zur Verfügung. Das Projekt bewirke daher in diesem Ausmaß einen dauerhaften Totalverlust.

Der - ausführlich beschriebene - Lebensraumtyp "Magere Flachland Mähwiese" komme in großen Teilen Europas vor. Österreich liege im Arealzentrum und weise gebietsweise noch ein großflächiges Vorkommen auf. Österreich besitze daher eine große Verantwortung für die Erhaltung dieses Lebensraumtyps. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts habe dieser Lebensraumtyp den Haupttyp der Futterwiesen in Österreich dargestellt. Auf Grund der leichten Intensivierbarkeit der Standorte seien in den letzten Jahrzehnten starke Flächenverluste durch Umbruch, Nutzungsaufgabe und Nährstoffeintrag erfolgt. Besonders bedroht seien nährstoffarme Ausbildungen außerhalb der Alpen. Die möglichen Pflege- und Managementmaßnahmen bestünden u.a. darin, die Zerstörung von Beständen (Umwandlung in Ackerland etc.) zu unterlassen. Die hervorragenden A- und die guten B-wertigen Wiesen, die durch ihre Artenvielfalt den Charakter des Lebensraumtyps Nr. 6510 "Magere Flachland Mähwiesen" ausmachten, seien in nur sieben Jahren um 25,85 ha bzw. 38,43 ha zurückgegangen. Es wirke sich auch der Umbruch von 0,41 ha negativ auf den Erhaltungszustand dieses Schutzgutes aus. Der Schutzzweck des Europaschutzgebietes werde dadurch klar verfehlt. Durch die Abnahme der Wiesen und die ständige Verschlechterung des Zustandes sei ein langfristiger Fortbestand des Schutzgutes im betroffenen Gebiet nicht mehr gewährleistet. Es seien somit die Voraussetzungen für einen günstigen Erhaltungszustand nicht mehr gegeben.

Im Zeitraum von der Erstellung des Managementplanes im Jahr 2003 bis zur Kartierung im Jahr 2008 habe sich die Gesamtausdehnung der Flächen dieses Lebensraumtyps auf Grund einer Erweiterung des Schutzgebietes nicht sehr stark verringert. Der Erhaltungszustand habe in diesem Zeitraum hingegen eklatant abgenommen.

Die Bewertung im Managementplan aus dem Jahr 2003 entspreche zwar nicht den inzwischen vorliegenden Vorschlägen zur Bewertung des Erhaltungszustandes von Natura 2000-Schutzgütern, die fachliche Überprüfung komme jedoch zum Schluss, dass eine Neubewertung zu keinen abweichenden Ergebnissen führen würde und daher nicht erforderlich sei. Zusammenfassend werde aus fachlicher Sicht ausgeführt, dass durch den Umbruch der Flächen im Ausmaß von 0,41 ha auf den gegenständlichen Grundstücken eine erhebliche Beeinträchtigung des Schutzgutes Nr. 6510 des Anhanges I der FFH-Richtlinie "Mager Flachland Mähwiese" gegeben sei.

Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, die Mitbeteiligte hätte jedenfalls um die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung für den Wiesenumbruch ansuchen müssen. Der Lebensraumtyp Nr. 6510 sei im vorliegenden Gebiet äußerst selten, weshalb Eingriffe nur dann genehmigt werden könnten, wenn es zu keiner Verschlechterung der Schutzgüter komme. Zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung habe nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können, dass die Wiese als Schutzgutfläche noch schützenswert sei. Aus diesem Grund sei erwogen worden, erstmals ein bestimmtes Saatgut auf einer Weingartenfläche zum Einsatz zu bringen, um zu beobachten, ob sich diese Fläche bei integriertem Pflanzenschutz als Schutzgutfläche entwickeln könne und dieses Vorgehen auch künftig empfehlenswert erscheine. Mit diesem Pilotprojekt werde auch zum Schutz der Weingartenflächen vor der glasflügeligen Rebzikade und der Windenglasflügelzikade versucht, die Mahdtermine Juni und Juli auszunehmen, um zu beobachten, ob die Wiesenflächen und nicht die Weinstöcke als Habitat angenommen würden. Die Mitbeteiligte habe sich verpflichtet, dieses Monitoring auf ihrem Grundstück zuzulassen. Darüber hinaus bemühe sich die belangte Behörde, Grünflächen zu Schutzgutwiesen zu entwickeln. Diese würden von der Gebietsbetreuung ausgewählt und im Wege einer Förderung einer besonderen Bewirtschaftung zugeführt.

Durch diese Vorgehensweise komme es zu einem Ausgleich, vielleicht sogar zu einer Verbesserung, sodass trotz negativer Naturverträglichkeitserklärung das Vorhaben positiv zu beurteilen sei, zumal es sich um einen Versuch handle. Dies auch aus dem Grund, weil seit 2008 - wie sich aus einem im angefochtenen Bescheid verkleinert wiedergegebenen Plan ersichtlich sei - zahlreiche Wiesenflächen innerhalb und außerhalb des Europaschutzgebietes gesichert hätten werden können. Da noch keine exakte Berechnung vorliege, werde anhand der optischen Bewertung angenommen, dass sich der Zustand zumindest nicht verschlechtert habe und der verfahrensgegenständliche Verlust daher verträglich erscheine bzw. nicht ins Kalkül gezogen werden könne. Die belangte Behörde verkenne nicht, dass bei jenen Grundstücken, deren Zustand sich verschlechtert habe, Handlungsbedarf bestehe.

Weiters enthält der angefochtene Bescheid Passagen aus der Website eines Tourismusverbandes im betroffenen Gebiet, in dem u. a. ausgeführt wird, dass "Schützen durch Nützen" der moderne Grundsatz für den Naturschutz sei.

Dazu führte die belangte Behörde aus, dass der Naturpark "Südsteirisches Weinland" vor 12 Jahren ins Leben gerufen worden sei. Die mit der Sache befassten Personen wüssten, dass dort, wo Wiesen nicht gepflegt würden, Verbuschung eintrete. Mit dem gegenständlichen Vorhaben als Pilotprojekt gehe es um "Schützen durch Nützen". Grund und Boden werde sinnvoll genutzt; gleichzeitig komme es zu einer Neuanlage von "Natura 2000 Wiesen". Wie sich diese Idee in das Konzept einfüge, werde das Monitoring zeigen. Die Behörde wage den Versuch, etwas Neues zu probieren.

Der Naturschutz sei Landessache. Das Stmk. NSchG sehe in § 13b die Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung vor. In anderen gesetzlichen Bestimmungen werde allerdings die landwirtschaftliche Praxis ausgenommen, sodass eine Prüfung auf Verletzung und Beeinträchtigung von Schutzgütern im Rahmen der üblichen landwirtschaftlichen Bewirtschaftung nicht erforderlich sei. Schließlich werde die Behörde in Wahrung ihrer Pflicht, Schutzgüter zu erhalten, dafür Sorge tragen, dass entsprechende Flächen als Ausgleich für den Eingriff zur Verfügung gestellt würden. Das werde durch die Gebietsbetreuung veranlasst.

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

§ 13b des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976, LGBl. Nr. 65 idF LGBl. Nr. 85/2011 (Stmk. NSchG), hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"§ 13b

Verträglichkeitsprüfung

(1) Pläne und Projekte innerhalb und außerhalb von Europaschutzgebieten, die einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Schutzzwecks eines Europaschutzgebietes führen können, sind auf Antrag von der Landesregierung auf ihre Verträglichkeit mit dem Schutzzweck zu prüfen.

(2) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass der Plan oder das Projekt zu keinen erheblichen Beeinträchtigungen der für den Schutzzweck des Europaschutzgebietes maßgeblichen Bestandteile führen kann, so ist der Plan oder das Projekt erforderlichenfalls unter Vorschreibung von Auflagen zu bewilligen.

(3) Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass der Plan oder das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen der für den Schutzzweck des Europaschutzgebietes maßgeblichen Bestandteile führen kann, darf eine Bewilligung abweichend von Abs. 2 nur dann erteilt werden, wenn

1. zumutbare Alternativen, den mit dem Plan oder Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind und

2. der Plan oder das Projekt aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art durchzuführen ist.

(4) Befindet sich in dem vom Plan oder Projekt betroffenen Europaschutzgebiet ein prioritärer Lebensraum oder eine prioritäre Art, so können als zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses nur berücksichtigt werden

  1. 1. die Gesundheit der Menschen,
  2. 2. die öffentliche Sicherheit einschließlich der Landesverteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung oder

    3. maßgeblich günstige Auswirkungen des Planes oder Projektes auf die Umwelt.

    Sonstige Gründe im Sinne des Abs. 3 Z. 2 können nur berücksichtigt werden, wenn zuvor eine Stellungnahme der Kommission der Europäischen Union eingeholt worden ist.

(5) Wird ein Plan oder Projekt nach Abs. 3 bewilligt, so sind die zur Sicherung des Zusammenhanges des europäischen ökologischen Netzes 'NATURA 2000' notwendigen Ausgleichsmaßnahmen in Form von Auflagen oder Bedingungen vorzuschreiben oder andere geeignete Maßnahmen zu setzen. Die Kommission der Europäischen Union ist über diese Ausgleichsmaßnahmen zu unterrichten.

(6) Die Durchführung des Verträglichkeitsprüfungsverfahrens ersetzt das Bewilligungsverfahren nach den Bestimmungen der §§ 5 bis 12, soweit der auf Grund dieser Bestimmungen verfolgte Schutzzweck vom Schutzzweck des Europaschutzgebietes umfasst ist.

…"

Die Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 12. März 2007 über die Erklärung des Gebietes "Demmerkogel Südhänge, Wellinggraben mit Sulm-, Saggau- und Laßnitzabschnitten und Pößnitzbach" zum Europaschutzgebiet Nr. 16, LGBl. Nr. 19/2007 idF LGBl. Nr. 92/2007, ordnet u.a. Folgendes an:

"§ 2

Schutzzweck

Der Schutzzweck des Gebietes liegt in der Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes von Schutzgütern nach der Fauna Flora Habitat Richtlinie sowie nach der Vogelschutz Richtlinie (Anlage A).

Anlage A

Schutzgüter sind folgende natürliche Lebensräume und Tierarten gemäß § 13 Abs. 3 Z. 5 lit. a und b des Steiermärkischen Naturschutzgesetzes 1976:

Lebensräume nach der FFH Richtlinie - Anhang I

6510 Magere Flachland Mähwiesen

…"

Die Beschwerdeführerin bringt u.a. vor, dass die belangte Behörde ohne ausreichende Begründung vom Gutachten der Sachverständigen abgewichen sei. Zu der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Karte, auf die die Ansicht gestützt worden sei, der Lebensraumtyp 6510 "Magere Flachland Mähwiesen" sei entgegen der Ansicht der Sachverständigen nicht gefährdet, sei kein Parteiengehör eingeräumt worden. Aus dieser Karte sei die Schlussfolgerung der belangten Behörde keinesfalls ableitbar. Sie bestätige vielmehr - aus in der Beschwerde näher dargelegten Gründen - die Aussage der Amtssachverständigen über den Erhaltungszustand und die Gefährdung dieses Lebensraumtyps. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde führe die Umwandlung der Wiese zu einem Weingarten auch unter Berücksichtigung der Auflagen - die im Übrigen zum Teil nicht nachvollziehbar seien, weil es z.B. kein Saatgut mit der Bezeichnung "Natura 2000" gäbe und eine glasflügelige Rebzikade nicht existiere - jedenfalls zu einem Totalverlust des Lebensraumtyps. Der nach der Auflage 2. zulässige Pflanzenschutz nach der IP-Richtlinie lasse den Einsatz von Herbiziden und Insektiziden zu. Zulässig seien auch Herbizide mit Glyphosaten als Wirkstoff. Dabei handle es sich um Totalherbizide, die den Stoffwechsel aller krautigen Pflanzen unterbinden und diese zum Absterben bringen würden. Der Lebensraumtyp 6510 setze sich aber zu 100 % aus krautigen Pflanzen zusammen. Der Einsatz von Glyphosaten würde somit zu einer totalen Vernichtung dieses Lebensraums führen. Weiters erlaube die IP-Richtlinie den Einsatz von Pestiziden, welche auf die charakteristischen Tierarten des gegenständlichen Lebensraumtyps tödlich wirkten. Schließlich werde dieser Lebensraumtyp auch durch die von der IP-Richtlinie vorgesehene Möglichkeit des Ausbringens von organischem Dünger verändert.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:

Nach dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten handelt es sich bei den gegenständlichen Grundflächen um den Lebensraumtyp 6510 des Anhanges I der FFH-Richtlinie "Magere Flachland Mähwiese". Die belangte Behörde führt zwar aus, es habe zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können, dass "die Wiese als Schutzgutfläche noch schützenswert" sei, geht aber im Folgenden selbst davon aus, dass dieser Lebensraumtyp vorhanden und daher eine Verträglichkeitsprüfung nach § 13b Stmk. NSchG erforderlich ist.

Gemäß § 13b Abs. 2 Stmk. NSchG ist zunächst zu beurteilen, ob ein Projekt zu einer erheblichen Beeinträchtigung der für den Schutzzweck des Europaschutzgebietes maßgeblichen Bestandteile führen kann. Ist dies nicht der Fall, so ist das Projekt erforderlichenfalls unter Vorschreibung von Auflagen zu bewilligen. Ein zu einer solchen Beeinträchtigung führendes Projekt kann unter den Voraussetzungen des Abs. 3 der zitierten Bestimmung (keine zumutbaren Alternativen, zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses) bewilligt werden, wobei gemäß dem Abs. 5 dieser Bestimmung allenfalls notwendige Ausgleichsmaßnahmen vorzuschreiben sind.

Nach den Ausführungen der belangten Behörde handelt es sich beim bewilligten Vorhaben um ein Pilotprojekt im Sinne des Grundsatzes "Schützen durch Nützen", bei dem beobachtet werde, ob sich bei Verwendung eines bestimmten Saatguts eine Weingartenfläche bei integriertem Pflanzenschutz und Ausnahme bestimmter Mahdtermine zu einer Schutzgutfläche entwickeln könne. Dieses Pilotprojekt diene auch dem Schutz von Weingartenflächen vor bestimmten Schädlingen.

Die belangte Behörde führt jedoch nicht aus, dass aus diesen Gründen an der gegenständlichen Umwandlung einer geschützten Mähwiese in einen Weingarten ein zwingendes öffentliches Interesse im Sinn von § 13b Abs. 3 Stmk. NSchG bestehe und keine zumutbaren Alternativen (etwa die Verwendung bestehender Weingärten für ein solches Pilotprojekt) bestünden. Vielmehr vertritt sie die Meinung, dass der verfahrensgegenständliche Verlust - entgegen der Ansicht der Sachverständigen - "verträglich erscheint bzw. nicht ins Kalkül gezogen werden kann". Es handelt sich somit um eine Bewilligung mangels erheblicher Beeinträchtigung des Schutzzwecks nach § 13b Abs. 2 Stmk. NSchG.

Ihre Ansicht über die Unerheblichkeit der Beeinträchtigung stützte die belangte Behörde im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Plan und dessen "optische Bewertung".

Nach dem Akteninhalt wurde der Beschwerdeführerin durch die Zustellung eines Entwurfs des Berufungsbescheides am 20. März 2012 Parteiengehör eingeräumt. Nach dem Beschwerdevorbringen enthielt der Entwurf diesen Plan nicht. Dies wird durch den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Bescheidentwurf bestätigt und von der belangten Behörde in der Gegenschrift nicht bestritten.

Somit wurde der Beschwerdeführerin zu diesem Plan kein Parteiengehör eingeräumt. Mit dem detaillierten Vorbringen, dass und aus welchen Gründen dieser Plan der Ansicht der beigezogenen Amtssachverständigen über den Erhaltungszustand nicht entgegenstehe, hat die Beschwerdeführerin die Relevanz dieses Verfahrensmangels ausreichend dargetan.

Bereits deshalb hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einem Verfahrensmangel belastet.

Im fortgesetzten Verfahren wird sich die belangte Behörde darüber hinaus auch mit den von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Gründen, aus denen das gegenständliche Projekt auch bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen jedenfalls einen Totalverlust des Lebensraumtyps "Magere Flachland Mähwiese" auf den gegenständlichen Grundstücken bewirke, auseinanderzusetzen haben.

Weiters sei darauf hingewiesen, dass Ausgleichsmaßnahmen gemäß § 13b Abs. 5 Stmk. NSchG dem Ausgleich der durch ein gemäß § 13b Abs. 3 leg. cit. bewilligtes Projekt bewirkten Beeinträchtigung von Naturschutzinteressen dienen. Solche Maßnahmen können jedoch nicht dazu führen, ein an sich eine wesentliche Beeinträchtigung des Schutzzwecks bewirkendes Projekt als solches anzusehen, das gemäß § 13b Abs. 2 Stmk. NSchG bewilligt werden kann (vgl. dazu auch die ständige hg. Judikatur zum Forstgesetz 1975, wonach die Erteilung einer Rodungsbewilligung mangels öffentlichen Interesses an der Walderhaltung gemäß § 17 Abs. 2 leg.cit. mit der Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen nicht vereinbar ist; etwa das Erkenntnis vom 26. September 2011, Zl. 2011/10/0092).

Überdies sei festgehalten, dass es sich bei der Umwandlung einer zu einem geschützten Lebensraumtyp gehörenden landwirtschaftlich genutzten Wiese in einen Weingarten - entgegen der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angedeuteten Ansicht - keinesfalls um eine Maßnahme der üblichen landwirtschaftlichen Nutzung handelt, sind darunter doch nur solche Maßnahmen zu verstehen, die für sich der landwirtschaftlichen Nutzung zuzurechnen sind (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa die Erkenntnisse vom 29. November 1993, Zl. 92/10/0083, zum Stmk. NSchG und vom 13. November 2000, Zl. 2000/10/0156, zum Tiroler Naturschutzgesetz sowie - die Umwandlung einer Fläche in eine Weinbaufläche betreffend - vom 30. Jänner 1989, Zl. 87/10/0131, zum Burgenländischen Naturschutzgesetz).

Aus den oben dargestellten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 21. März 2013

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte