European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0090OB00077.23Y.1023.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.891,76 EUR (darin enthalten 481,96 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin ist Unternehmerin, der Beklagte Konsument. Der Beklagte beauftragte die Klägerin und die B* Z* GmbH als Arbeitsgemeinschaft mit Vertrag vom 27. 1. 2017 mit der Erbringung von Leistungen für ein Bauprojekt, wobei teilweise bereits Vorarbeiten vorhanden waren. Im Juli 2017 kündigte der Beklagte der Klägerin die Vollmacht.
Vorverfahren:
[2] Im Februar 2018 brachte die Klägerin gegen den Beklagten eine Klage auf Werklohn in Höhe von 140.000 EUR (einschließlich des von der B* Z* GmbH an sie abgetretenen Werklohnanspruchs) ein. Sie stützte den Anspruch auf die Honorarordnung der Architekten (HOA), deren Anwendung vereinbart worden sei. § 27a KSchG sei nicht anwendbar, weil sie auf Grundlage des § 16 HOA nur einen Teil des Werklohns fordere. Das Erstgericht im Vorverfahren gab der Klage im Umfang von 129.790,09 EUR statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten mit der Begründung Folge, der Anspruch sei nicht fällig, weil die Klägerin keine Auskunft nach § 27a KSchG erteilt habe. Diese Entscheidung wurde der Klägerin am 17. 5. 2022 zugestellt. Die von ihr erhobene außerordentliche Revision blieb erfolglos (1 Ob 121/22h).
[3] Mit Schreiben vom 4. 11. 2022 holte die Klägerin die Auskunftserteilung gemäß § 27a KSchG nach. Das vereinbarte Gesamthonorar betrug 588.103,44 EUR. Die Klägerin erhielt Teilzahlungen von 219.620,69 EUR. Insgesamt ersparte sie sich durch Wegfall des Projekts 21.546,22 EUR.
[4] Die Klägerin begehrte mit Klage vom 21. 11. 2022 (restlichen) Werklohn von 129.790,09 EUR sA gestützt auf § 1168 ABGB und § 16 HOA. Der Anspruch sei nicht verjährt. Sie habe die Werklohnforderung im Vorverfahren nicht mutwillig erhoben. Der Werklohnanspruch sei zunächst auch fällig gewesen. Die mangelnde Fälligkeit sei erst durch das vom Beklagten im Zuge des Vorverfahrens erhobene Auskunftsbegehren nach § 27a KSchG entstanden. Die Klägerin sei im Vorverfahren nach der damaligen Rechtsprechung (8 Ob 131/17y) zu Recht davon ausgegangen, dass sie die Erteilung einer Auskunft gemäß § 27a KSchG nicht schulde, weil sie nicht den gesamten Werklohn gemäß § 1168 Abs 1 ABGB gefordert, sondern hohe Abschläge vorgenommen habe. Mit Nachholung der Auskunft nach § 27a KSchG habe sie die Fälligkeit ihres Werklohnanspruchs wieder hergestellt. Der Beginn der Verjährungsfrist sei frühestens mit Zustellung des zweitinstanzlichen Urteils im Vorverfahren, daher mit 17. 5. 2022, anzusetzen.
[5] Der Beklagte bestreitet und wendet Verjährung ein. Der Vertragsabbruch sei am 19. 10. 2017 erfolgt. Der Beklagte habe die Klägerin im Vorverfahren in der Tagsatzung vom 17. 5. 2018 aufgefordert, vorzubringen, was sie sich wegen Unterbleibens der Arbeit erspart habe. Die Klägerin habe jedoch erst mit Schreiben vom 4. 11. 2022 Auskunft nach § 27a KSchG erteilt und die nunmehrige Klage erst mehr als fünf Jahre nach Vertragsabbruch eingebracht. Gemäß § 1168 ABGB trete grundsätzlich mit dem Vertragsrücktritt Fälligkeit ein. Gegenüber einem Konsumenten müsse innerhalb der Verjährungsfrist Mitteilung nach § 27a KSchG gemacht werden. Die Klägerin sei im Vorverfahren einem Rechtsirrtum unterlegen. Bereits zu 1 Ob 268/03y habe der Oberste Gerichtshof die Anwendung des § 27a KSchG bei Geltendmachung nur eines Teils des Werklohns bejaht, von einer Judikaturwende könne daher keine Rede sein.
[6] Das Erstgericht gab der Klage statt. Der Anspruch sei nicht verjährt. Die Klägerin habe wegen der Entscheidung 8 Ob 131/17y zu Recht davon ausgehen dürfen, dass § 27a KSchG nicht anwendbar sei. Die Zustellung der Berufungsentscheidung im Vorverfahren sei am 17. 5. 2022 erfolgt, frühestens zu diesem Zeitpunkt sei für die Klägerin ersichtlich gewesen, dass für sie eine Informationspflicht nach § 27a KSchG bestehe. Mit Schreiben vom 4. 11. 2022 sei sie dieser Informationspflicht nachgekommen. Der Sachverhalt sei vergleichbar mit jenen Konstellationen, in denen erst mit der Zustellung des Urteils eine Verbesserungspflicht des Werkunternehmers festgestellt werde. Außerdem sei die Verjährungsfrist durch die Klage unterbrochen worden. Der Beklagte sei durch diese iSd § 1497 ABGB „belangt“ worden. Dass die Klage im Vorverfahren ergänzungsbedürftig geworden sei, nachdem der Beklagte den Einwand der mangelnden Fälligkeit erhoben habe, beseitige die Unterbrechungswirkung nicht. Die Rechtsposition, die die Klägerin im Vorverfahren eingenommen habe, sei vertretbar und keineswegs mutwillig gewesen. Sie habe die Auskunft innerhalb eines halben Jahres nach Zustellung des zweitinstanzlichen Urteils nachgeholt.
[7] Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht Folge und wies das Klagebegehren ab. Es führte zusammengefasst aus, die Verjährung von Werklohnforderungen beginne grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, in dem die Forderung geltend gemacht werden könne. Dabei beginne die Frist grundsätzlich erst zu laufen, wenn der Geltendmachung des Anspruchs kein rechtliches Hindernis mehr im Wege stehe und damit die objektiv zu beurteilende Möglichkeit zur Klage gegeben sei. Die Klägerin sei zunächst der Auskunftsobliegenheit nach § 27a KSchG nicht nachgekommen, weil sie – vertretbar gestützt auf die Entscheidung 8 Ob 131/17y – der Ansicht gewesen sei, diese Bestimmung sei bei Geltendmachung eines Teils des Entgelts nicht anzuwenden. Eine falsche Rechtsansicht habe jedoch verschuldensunabhängig keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährungsfrist. Das gelte auch im Anwendungsbereich des § 27a KSchG.
[8] § 27a KSchG normiere keine Pflicht des Unternehmers, deren Erfüllung der Besteller (vergleichbar der Verbesserung des Werks) begehren könne, sondern eine bloße Obliegenheit für den Fall, dass er seinerseits den Anspruch nach § 1168 Abs 1 ABGB geltend mache. Dieser Fall sei daher nicht mit dem eines mangelhaften Werks zu vergleichen, bei dem dem Unternehmer die Möglichkeit gegeben werden müsse, ohne Gefahr der Verjährung unter Beweis zu stellen, dass der gerügte Mangel nicht vorliege. Die Verjährung werde zwar gemäß § 1497 ABGB unterbrochen, wenn derjenige, der sich darauf berufen wolle, vom Berechtigten belangt und die Klage gehörig fortgesetzt werde. Eine Unterbrechung der Verjährungsfrist durch das Vorverfahren sei aber hier zu verneinen. Die Unterbrechungswirkung des § 1497 Satz 2 ABGB trete bei rechtskräftiger Abweisung der Klage nicht ein. Das gelte auch für eine Abweisung mangels Fälligkeit. Den eigentlichen Unterbrechungsgrund stelle nicht die Klage, sondern das dem Kläger günstige Urteil dar. Die Auskunft nach § 27a KSchG sei auch nicht „im Zuge des Rechtsstreits“ erfolgt, sondern erst nachdem die Klage „durch einen rechtskräftigen Spruch für unstatthaft erklärt“ worden sei. Der erhobene Anspruch sei daher verjährt.
[9] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Verjährung einer Forderung vorliege, die in einem früheren Verfahren wegen Verletzung der Informationspflicht nach § 27a KSchG abgewiesen worden sei.
[10] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[11] Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
[13] 1. Nach § 1168 Abs 1 ABGB gebührt, wenn die Ausführung des Werks unterbleibt, dem Unternehmer gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Bestellers liegen daran verhindert worden ist; er muss sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat.
[14] § 27a KSchG ordnet für Verbrauchergeschäfte an, dass, wenn die Ausführung eines Werks unterblieben ist und der Unternehmer gleichwohl das vereinbarte Entgelt (§ 1168 Abs 1 ABGB) verlangt, er dem Verbraucher die Gründe dafür mitzuteilen hat, dass er infolge Unterbleibens der Arbeit weder etwas erspart noch durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat.
[15] 2. Die Information des Werkunternehmers nach § 27a KSchG ist dabei Voraussetzung für den Eintritt der Fälligkeit des Anspruchs gemäß § 1168 Abs 1 erster Satz ABGB (3 Ob 119/22d; 4 Ob 119/21k; 1 Ob 268/03y ua).
[16] In den Gesetzesmaterialien zu § 27a KSchG (RV 311 BlgNR 20. GP 30 f) wird dazu ausgeführt: „Diese vertragliche Nebenpflicht des Unternehmers wird im Prozess für sich allein noch keine Beweislastverschiebung zu Lasten des Unternehmers bewirken, wie noch im Begutachtungsentwurf vorgesehen wurde. Verletzt der Unternehmer aber seine in § 27a KSchG festgelegte Verpflichtung, so wird er spätestens im Prozess auf eine entsprechende Behauptung des Verbrauchers hin substantiiert darzulegen haben, aus welchen Gründen er am vereinbarten Entgelt festhalten will.“
[17] Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Fälligstellung des– nach Anrechnung des Ersparten oder anderweitig Erworbenen – eingeschränkten Werklohnanspruchs durch Informationserteilung seitens des Werkunternehmers jedenfalls auch im Rahmen des Werklohnprozesses erfolgen kann. Dies steht auch mit der Zweckbestimmung des § 27a KSchG im Einklang, das Informationsdefizit und die Beweisschwierigkeiten des bestellenden Verbrauchers aufgrund des fehlenden „Einblicks in die Branche und den Geschäftsgang seines Vertragspartners“ zu beseitigen, damit er sichergehen kann, nur den berechtigten Werklohn nach § 1168 Abs 1 ABGB zu zahlen (3 Ob 119/22d). Der Werkunternehmer kann die Einrede der mangelnden Fälligkeit beseitigen und seinen Werklohnanspruch fällig stellen, indem er – vergleichbar den Mängeln der Abrechnung (vgl RS0021928; vgl RS0034954 [T4]) – im Zuge des Rechtsstreits über seine Entgeltansprüche die nach § 27a KSchG geschuldeten Auskünfte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erteilt.
[18] 2. Werklohnforderungen verjähren nach § 1486 Z 1 ABGB in der Regel binnen drei Jahren (vgl RS0034137). Nach herrschender Rechtsprechung beginnt die Verjährung von Werklohnforderungen grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, in dem die Forderung erstmals geltend gemacht werden kann, ihr also kein rechtliches Hindernis – wie etwa die mangelnde Fälligkeit – mehr im Wege steht und damit die objektiv zu beurteilende Möglichkeit zur Klage gegeben ist. Subjektive oder nur in der Person des Berechtigten liegende Hindernisse haben in der Regel auf den Beginn der Verjährungszeit keinen Einfluss (vgl RS0021821 [T1]; RS0034248; vgl RS0034206).
[19] Ist der Anspruch durch Rechnung fällig zu stellen, ist maßgeblich der Zeitpunkt, in dem eine Rechnungslegung objektiv möglich wäre, sofern kein Zeitpunkt für die Rechnungslegung vereinbart wurde (RS0021821 [T9, T14]; RS0034319 [T2]).
[20] Wird ein Werkvertrag nicht (gänzlich) erfüllt, kommt es darauf an, ob und wann der Unternehmer aufgrund der Umstände des Falls erkennen konnte, dass der Werkbesteller das Werk bereits für vollendet hält oder die Vollendung offenbar nicht mehr will (RS0021608 [T1]). Ab diesem Zeitpunkt beginnt nach Ablauf einer angemessenen Frist, innerhalb derer die Rechnungslegung objektiv möglich gewesen wäre, die Verjährung zu laufen (vgl RS0021821 [T24]; 6 Ob 236/15x mwN). Im Falle seiner Abbestellung bzw bei Widerruf des Auftrags tritt sofortige Fälligkeit ein, weil in diesen Fällen das Unterbleiben des Werks oder die Nichtbeendigung des übernommenen Geschäfts endgültig feststeht.
[21] 3. Wird die Fälligkeit der Forderung bei Anwendbarkeit von § 27a KSchG erst durch die entsprechende Mitteilung an den Verbraucher ausgelöst, kann im Ergebnis nichts anderes gelten als bei Fälligstellung durch Rechnungslegung. Der Beginn der Verjährungsfrist ist auch in diesem Fall mit dem Zeitpunkt anzusetzen, in dem die Bekanntgabe der relevanten Umstände objektiv möglich ist (vgl auch N. Brandstätter, Zum Abbestellungs‑ und Rücktrittsrecht des Konsumenten beim Bauwerkvertrag und daraus resultierenden Risiken für Werkunternehmer, bauaktuell 2023, 245 [246]).
[22] Auch für diesen Fall gelten die Erwägungen, dass der Unternehmer die Fälligkeit und damit den Beginn der Verjährung nicht willkürlich durch in seiner Sphäre liegende Verzögerungen nach seinem Belieben hinausschieben und damit den Zweck insbesondere der kurzen Verjährung, die baldige Klarstellung des rechtlichen Bestands von Forderungen des täglichen Lebens zur Vermeidung der sonst besonders großen Beweisschwierigkeiten, zunichte machen darf (vgl RS0021821 [T19]; vgl auch RS0021887).
[23] 4. Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung dann, wenn zunächst ein auf Zahlung des Werklohns gerichtetes Klagebegehren nur wegen Nichtverbesserung gerügter Mängel mangels Fälligkeit abgewiesen wurde, die Verjährung der Werklohnforderung, wenn die Verbesserungspflicht im Vorprozess nicht willkürlich bestritten wurde, erst mit der dann durchgeführten Verbesserung bzw deren grundloser Verweigerung durch den Besteller neu zu laufen beginnt (RS0021992).
[24] Diese Rechtsprechung lässt sich jedoch entgegen der Ansicht des Erstgerichts und der Klägerin nicht auf den Fall des § 27a KSchG übertragen. Inhalt des § 27a KSchG ist nicht die Erbringung der geschuldeten Hauptleistung, sondern die – vergleichbar der Rechnungslegung – nur vom Unternehmer abhängige Erfüllung seiner Mitteilungspflicht als Voraussetzung für die Fälligkeit des Werklohns.
[25] Nach der zuvor angesprochenen Rechtsprechung muss es dem Unternehmer möglich sein, ohne Gefahr, dass ihm der Besteller Verjährung einwendet, unter Beweis zu stellen, dass der gerügte Mangel nicht vorliegt. Bei gegenteiliger Auffassung, wenn also der Werklohnanspruch bei längerer Prozessdauer bereits verjährt wäre, müsste sich der Unternehmer zuvor dem Standpunkt des Bestellers unterwerfen (8 Ob 1652/92). Berücksichtigt man dies zeigt sich ebenfalls, dass eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf Fälle des § 27a KSchG, der im Wesentlichen nur voraussetzt, dass der Werkbesteller Verbraucher ist, und der daher in der Regel nicht von Beweisfragen abhängt, nicht gerechtfertigt ist.
[26] Selbst wenn man daher – wie die Revision – davon ausgehen wollte, dass die Unterlassung der Mitteilung nach § 27a KSchG formal die Einrede des nicht (ordnungsgemäß) erfüllten Vertrags begründet (so Löwenthal/Philadelphy-Steiner in Keiler/Klauser, Verbraucherrecht7 § 27a KSchG Rz 8; Eccher in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 27a KSchG Rz 3), ändert das an der vorliegenden Beurteilung nichts.
[27] 5. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Verjährung einer Forderung nach § 1168 Abs 1 ABGB bei Anwendbarkeit des § 27a KSchG zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem dem Werkunternehmer eine entsprechende Mitteilung objektiv möglich war.
[28] 6. Der Umstand allein, dass die Klägerin ihre Rechtsauffassung zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 27a KSchG im Vorverfahren auf eine oberstgerichtliche Entscheidung stützen konnte, ist für den Beginn der Verjährungsfrist nicht von Relevanz. Ein Vertrauensschutz in das Fortbestehen einer bisherigen Rechtsprechung ist nicht gegeben. Das Gesetz verbietet nur die Rückwirkung von Gesetzen, nicht jedoch die von Entscheidungen. Änderungen der Judikatur erfassen daher auch davor verwirklichte Sachverhalte. Für zivilgerichtliche Erkenntnisse gilt kein Rückwirkungsverbot (RS0109026). Da das Postulat nach einer „richtigen“ Rechtsprechung dem Schutz des Vertrauens des Rechtsanwenders vorgeht, muss mit einer Judikaturänderung gerechnet werden (10 Ob 65/17g mwN).
[29] Dass die Klägerin daher ihren Rechtsstandpunkt im Vorverfahren auf eine bestimmte einzelne, letztlich nicht aufrecht erhaltene Judikaturlinie stützte, ist – auch wenn diese Rechtsauffassung vertretbar war – nicht geeignet den Verjährungsbeginn gegenüber dem Beklagten hinauszuschieben.
[30] 7. Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung durch Klageführung unterbrochen, sofern das Verfahren vom Kläger gehörig fortgesetzt wird. Den eigentlichen Unterbrechungsgrund bildet nicht die Klage, sondern das dem Kläger günstige Urteil, weshalb keine Unterbrechung eintritt, wenn das Klagebegehren abgewiesen wird (RS0034655).
[31] Auch der Einwand der mangelnden Fälligkeit einer Forderung wegen nicht ordnungsgemäßer Rechnungslegung ist nur dann unbeachtlich, wenn die der Rechnung ursprünglich anhaftenden Mängel im Zuge des Rechtsstreits behoben werden (RS0034954 [T4]). Dies war – bezogen auf § 27a KSchG – im Vorverfahren jedoch gerade nicht der Fall.
[32] 8. Der Anspruch der Klägerin war daher bei Klagseinbringung in diesem Verfahren bereits verjährt. Der Revision der Klägerin war daher nicht Folge zu geben.
[33] 9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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