OGH 3Ob119/22d

OGH3Ob119/22d20.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V* GmbH, *, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien 1) D* W*, und 2) E* W*, ebendort, beide vertreten durch Mag. Martin Divitschek und andere Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wegen 21.065,50 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. April 2022, GZ 5 R 168/21x‑36, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 7. Juli 2021, GZ 41 Cg 44/19p‑30, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00119.22D.0720.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 1.552,07 EUR (darin enthalten 258,68 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] 1. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit dem der klagenden Werkunternehmerin nach Abbestellung des Werks (Errichtung eines Einfamilienhauses) durch die Beklagten gemäß § 1168 Abs 1 ABGB der Betrag von 21.065,50 EUR sA zugesprochen wurde. Über Antrag der Beklagten gemäß § 508 ZPO sprach es nachträglich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof in der vor kurzem ergangenen Entscheidung zu 4 Ob 119/21k die Anwendbarkeit des § 27a KSchG auch für den Fall bejaht habe, dass der Werkunternehmer mit seiner Klage nur einen Teil des ursprünglich vereinbarten Entgelts im Sinn des § 1168 Abs 1 ABGB geltend mache.

Rechtliche Beurteilung

[2] Im Anlassfall kommt der in der Revision der Beklagten ausgeführten Zulassungsfrage nur theoretische Bedeutung zu, weshalb keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (vgl RS0111271).

[3] 2.1 Gemäß § 1168 Abs 1 ABGB gebührt dem Unternehmer, wenn die Ausführung des Werks unterbleibt, gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seiten des Bestellers liegen, daran verhindert worden ist. Er muss sich jedoch anrechnen, was er infolge Unterbleibens der Arbeit erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Die Regelung des § 1168 Abs 1 ABGB bezweckt, die wirtschaftliche Bedeutung des Geschäfts für den Unternehmer zu erhalten. Er ist daher berechtigt, den – nach Anrechnung des Ersparten oder anderweitig Erworbenen – eingeschränkten vertraglichen Werklohn zu fordern (1 Ob 107/16s Pkt 4; 8 Ob 131/17y Pkt 6.2). Der Unternehmer muss die Anrechnung aber nicht von sich aus vornehmen, sondern der Besteller hat zu behaupten und zu beweisen, was sich der Unternehmer anrechnen lassen muss (RS0112187; RS0021768; RS0021841). Der Umstand, dass der Kläger den Einwand des Beklagten vorwegnimmt und von sich aus nur einen Teil des vereinbarten Werklohns einklagt, enthebt den Beklagten daher nicht von seiner Behauptungs- und Beweislast dafür, dass sich der Kläger durch das Unterbleiben der Ausführung des Werks noch mehr erspart hat (8 Ob 133/16s Pkt 4; 8 Ob 102/19m Pkt 3.3). Nach § 27a KSchG hat bei Unterbleiben der Werkausführung im Sinn des § 1168 Abs 1 ABGB der Werkunternehmer dem bestellenden Verbraucher die Gründe für eine fehlende Ersparnis oder einen fehlenden anderweitigen Erwerb mitzuteilen.

[4] 2.2 Die Beklagten weisen in der Revision zutreffend darauf hin, dass die Vorinstanzen im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung unter Bezugnahme auf 8 Ob 131/17y davon ausgegangen sind, § 27a KSchG gelange im Anlassfall nicht zur Anwendung, weil die Klägerin nicht den gesamten vereinbarten Werklohn, sondern nur rund 6,8 % davon geltend gemacht habe, sowie dass diese Ansicht in der Entscheidung 4 Ob 119/21k unter Hinweis auf 1 Ob 268/03y abgelehnt wurde.

[5] Auf diese Überlegungen, die sich auf den Anwendungsbereich des § 27a KSchG und nicht auf dessen Rechtsfolgen beziehen, kommt es hier aber nicht an.

[6] 2.3 In Bezug auf die Rechtsfolgen des § 27a KSchG ist nach der Entscheidung zu 1 Ob 268/03y (vgl auch 4 Ob 119/21k) die Erfüllung der Informationspflicht gemäß § 27a KSchG Voraussetzung für den Eintritt der Fälligkeit des Anspruchs gemäß § 1168 Abs 1 ABGB. In den Gesetzesmaterialien zu § 27a KSchG (RV 311 BlgNR 20. GP  29) wird dazu ausgeführt:

„Diese vertragliche Nebenpflicht des Unternehmers wird im Prozess für sich allein noch keine Beweislastverschiebung zu Lasten des Unternehmers bewirken, wie noch im Begutachtungsentwurf vorgesehen wurde. Verletzt der Unternehmer aber seine in § 27a KSchG festgelegte Verpflichtung, so wird er spätestens im Prozess auf eine entsprechende Behauptung des Verbrauchers hin substanziiert darzulegen haben, aus welchen Gründen er am vereinbarten Entgelt festhalten will.“

[7] Aus diesen Ausführungen ergibt sich klar, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Fälligstellung des eingeschränkten Werklohnanspruchs durch Informationserteilung seitens des Werkunternehmers jedenfalls auch im Rahmen des Werklohnprozesses erfolgen kann. Dies steht auch mit der Zweckbestimmung des § 27a KSchG im Einklang, das Informationsdefizit und die Beweisschwierigkeiten des bestellenden Verbrauchers aufgrund des fehlenden „Einblicks in die Branche und den Geschäftsgang seines Vertragspartners“ zu beseitigen, damit er sichergehen kann, nur den berechtigten Werklohn nach § 1168 Abs 1 ABGB zu zahlen.

2.4 Im Anlassfall ist die aus Sicht des bestellenden Verbrauchers erforderliche Aufklärung im Rahmen des Prozesses erfolgt. Nach den bindenden Feststellungen hat die Klägerin statt des hier von den Beklagten abbestellten Bauprojekts insgesamt 11 Kleinbaustellen abgewickelt, bei denen sie 137.309,84 EUR verdiente. Diese Arbeiten hätte sie ohne Ausfall der Werkleistung für die Beklagten nicht übernehmen können. Soweit sich die Beklagten in der Revision erkennbar auf mögliche weitere von der Klägerin verabsäumte Erwerbsmöglichkeiten beziehen, steht dem die bindende Feststellung entgegen, dass die Klägerin keine weiteren Aufträge erhielt oder ablehnte, also keine weiteren Ersatzprojekte bestanden. Auf allfällige Ersparnisse der Klägerin (zB für Arbeitsmaterial) beziehen sich die Beklagten in der Revision nicht konkret.

[8] Da somit geklärt ist, was sich die Klägerin im Sinn des § 1168 Abs 1 ABGB anrechnen lassen muss, ist hier die Fälligkeit des berechtigen Werklohnanspruchs im Sinn der genannten Bestimmung – ungeachtet der Frage der Anwendbarkeit des § 27a KSchG – gegeben.

[9] 3. Mit der Behauptung, es liege im Anlassfall „zweifelsfrei ein reuegeldfreier Rücktritt“ vor, weichen die Beklagten von der Sachverhaltsgrundlage ab. Mit diesem Argument beziehen sie sich offenbar auf die Werkvertragsregelung zum pauschalierten Reuegeld (Pkt VI.3 des Werkvertrags). Nach dem feststehenden übereinstimmenden Parteiwillen sollte diese Regelung für die Abbestellung des Werks durch den Werkbesteller gemäß § 1168 Abs 1 ABGB allerdings nicht gelten.

[10] 4.1 Auch mit den weiteren Ausführungen in der Revision zeigen die Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[11] 4.2 Die Interzessionsregeln nach §§ 25c, 25d KSchG gelangen nur bei Sicherstellung einer materiell fremden Schuld, nicht aber dann zur Anwendung, wenn der Haftende die Verbindlichkeiten als echter Mitschuldner eingegangen ist (RS0119014; 8 Ob 44/12x; vgl auch 3 Ob 116/20k). Die Frage, ob eine die Interzession ausschließende echte Mitschuld vorliegt, hängt von der Auslegung der vertragsrelevanten Erklärungen im Einzelfall ab. Die Vorinstanzen sind von diesen Grundsätzen nicht abgewichen. Die Beurteilung, dass der Zweitbeklagte nach dem durch Auslegung gewonnenen übereinstimmenden Parteiwillen als echter Vertragspartner den Werkvertrag und das Leistungsverzeichnis unterfertigt und als Mitauftraggeber fungiert habe, ist keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

[12] Aus diesem Grund bleibt auch der weitere Einwand der Beklagten ohne Bedeutung, dass ein nur zu Sicherungszwecken erfolgter Schuldbeitritt analog zu § 1346 Abs 2 ABGB der Schriftform bedürfe (vgl RS0126112).

[13] 4.3 Soweit sich die Beklagten weiterhin auf Dissens, Irrtum und Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen und dazu auf ihrem Standpunkt beharren, davon ausgegangen zu sein, die Errichtung der Garage sei zum Vertragsinhalt geworden, sowie mit Auflagen der Gemeinde zum Hochwasserschutz nicht gerechnet zu haben, gehen sie wiederum nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Das Gleiche gilt für die von den Beklagten weiterhin behauptete anfängliche Unmöglichkeit, weil sie aufgrund der Hochwasserzone mit der Baubewilligung nicht hätten rechnen können. Nach den bindenden Urteilsfeststellungen fand am 9. 4. 2019 die Bauverhandlung statt und wurde in der Folge die Baubewilligung erteilt.

[14] 4.4 Das Argument der Beklagten, die Auferlegung der gegenständlichen Zahlung sei bei Betrachtung ihrer geringen Leistungsfähigkeit jedenfalls sittenwidrig, bleibt ohne inhaltliches Substrat. Die Frage nach dem einvernehmlichen konkludenten Abgehen vom gewillkürten Schriftformerfordernis im Zusammenhang mit der Preiserhöhung anlässlich der Besprechung vom 19. 4. 2019 ist eine solche der rechtlichen Beurteilung. Der dazu dem Berufungsgericht vorgeworfene Verfahrensmangel liegt nicht vor.

[15] 5. Insgesamt gelingt es den Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts zurückzuweisen.

[16] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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