OGH 8ObA29/24h

OGH8ObA29/24h24.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka und Dr. Stefula und die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Albert Kyncl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Dr. Susanne Kuen, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei O* GmbH, *, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 66.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 24. April 2024, GZ 8 Ra 23/24x‑28, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 8. August 2023, GZ 34 Cga 89/22b‑22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00029.24H.1024.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Zwischenurteil des Erstgerichtes zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin hatte seit 11. 10. 2011 als selbstständige Tankstellenpächterin und Franchisenehmerin eine umsatzstarke Tankstelle der Beklagten samt Shop und Gastronomiebereich in K* betrieben. Die Beklagte löste das Vertragsverhältnis am 28. 6. 2022 mit sofortiger Wirkung auf.

[2] Der inhaltlich unstrittige Tankstellenvertrag zwischen den Parteien vom *. 2011 (Blg ./A = ./1) lautete auszugsweise [TSP = Tankstellenpächter = Klägerin]:

„[…]

2.2. Der TSP verpflichtet sich, das Tankstellenunternehmen während der gesamten Laufzeit dieses Vertrages aufrechtzuerhalten und sämtliche in Punkt 2.1. aufgeführten Nutzungen auszuführen (Betriebspflicht).

2.3. Der TSP stimmt zu, dass für die Kunden des gesamten Tankstellenunternehmens ein einheitliches Erscheinungsbild und Warenmindestangebot sicherzustellen ist; der TSP verpflichtet sich, Mindeststandards für den Warenverkauf und die Dienstleistungen im Rahmen des Betriebs des Tankstellenunternehmens einzuhalten, ohne dass dadurch seine unternehmerische Dispositionsfähigkeit eingeschränkt werden soll. Diese Mindeststandards sind in diesem Vertrag, den Anlagen zu diesem Vertrag sowie in den folgenden Handbüchern erfasst:

i.) Betriebsbuch;

i.) Security Handbuch;

iii.) HSEQ Partnerhandbuch;

iv.) Handbuch Visueller Markenauftritt;

v.) O* Notfallplan;

vi.) Warenwirtschafts-Handbuch;

[…]

13. Allgemeine Regelungen des Eigengeschäfts

13.1. Das über die Agenturwaren hinausgehende im Rahmen des Tankstellenunternehmens verkaufte Warenprogramm wird vom TSP im eigenen Namen und auf seine Rechnung verkauft; dies gilt auch für Dienst‑ und Serviceleistungen, die im Rahmen des Betriebs des Tankstellenunternehmens erbracht werden.

13.2. Sofern die O* [= Konzern der Beklagten] Schmierstoffe, Heizöl Extraleicht und verwandte Spezialitäten (Bremsflüssigkeit, Frostschutz, Autopflegemittel, Scheibenklar etc) unter einer dem O* Konzern gehörigen Marke anbietet, ist der TSP verpflichtet, ausschließlich diese Waren – sofern sie im jeweiligen Tankstellenunternehmen im Warenprogramm sind – zu verkaufen und zu verwenden. Der TSP wird einen ausreichenden Vorrat an Schmierstoffen, Heizöl Extraleicht und verwandten Spezialitäten (Bremsflüssigkeit, Frostschutz, Autopflegemittel, Scheibenklar etc) ständig auf Lager halten und seinen Kunden entsprechend den von der O* gegebenen technischen Richtlinien weiterverkaufen. Der Verkauf der von der O* vertriebenen Produkte hat ausschließlich unter den von der O* vorgeschriebenen Bezeichnungen, Verpackungen, den dem TSP bekannten technischen Richtlinien und zu den in diesem Vertrag geregelten Bedingungen zu erfolgen.

13.3. Der TSP wird das Warenangebot auf das bei vergleichbaren Tankstellenunternehmen der O* übliche Sortiment ausrichten und die diesbezüglichen Richtlinien der O* beachten.

13.4. Der TSP wird Ware nur über von der O* empfohlene Lieferanten beziehen, sofern diese Lieferanten diese in ihrem Warenprogramm haben.

[…]

18. Allgemeine Regelungen des Shop- und Gastrogeschäfts

[…]

18.2. Die O* und der TSP stimmen darüber überein, dass die einheitliche Anwendung dieser Shop-Konzepte und Gastro-Konzepte von entscheidender Bedeutung für den Erfolg sind. Die Einheitlichkeit des Auftritts gewährleistet, dass die Shops und – sofern vorhanden – der Gastro-Bereich für den Kunden attraktiv sind und sich daher daraus besondere Geschäftschancen ergeben.

18.3. Die O* und der TSP stimmen überein, dass dies voraussetzt, dass auch der TSP die Grundsätze des jeweils anwendbaren Shop-Konzepts und des jeweils anwendbaren Gastro-Konzepts beachtet.

[…]

32.2. Die O* ist jederzeit zur fristlosen Auflösung des Vertrages aus wichtigem Grund berechtigt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere dann vor, wenn

i.) der TSP seiner Betriebspflicht trotz Abmahnung nicht ordnungsgemäß nachkommt; im Wiederholungsfall bedarf es keiner Abmahnung;

[…]iii.) der TSP gegen die Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Führung des Tankstellenunternehmens oder zur Wahrung der Interessen der O* verstößt;

[…]

ix.) der TSP trotz Mahnung unter Setzung einer Nachfrist von 8 Tagen gegen sonstige Bestimmungen dieses Vertrages oder Bestimmungen anderer Verträge mit der O* verstößt oder solche Vertragsverletzungen nach bereits einmal erfolgter Abmahnung wiederholt;

[…]“

 

[3] Die Beklagte hatte für den Shop‑ und Gastronomiebereich ein Franchisesystem mit der Bezeichnung V* Konzept eingeführt, dass ein speziell auf ihre Tankstellen abgestimmtes Shop‑ und Gastrononomiekonzept mit erprobtem V* Sortiment und V* Angeboten, welches in einem Franchisehandbuch und der dazugehörigen geltenden „Know-How-Dokumentation samt V* Partner-Net“ dargelegt ist. Der von den Parteien in Ergänzung zum Tankstellenvertrag abgeschlossene, inhaltlich unstrittige Franchisevertrag ebenfalls vom *. 2011 lautete auszugsweise wie folgt:

„[…]

6.1. Die O* ist bemüht, mit den autorisierten Lieferanten gute und marktübliche – bezogen auf das V* Sortiment und V* Angebot – Einkaufskonditionen, sowie Rabatte und Boni zu vereinbaren. Ein Teil der Rabatte und Boni wird an den Franchise-Partner nach den folgenden Grundsätzen ausbezahlt:

6.2. Bei Einstieg in das V* Franchise-System erhält der V* Franchise-Partner vom empfohlenen Hauptlieferanten, derzeit L*, auf der Grundlage der Vereinbarungen der O* mit L* einen V* Bonus in der Höhe von derzeit 6,1 % des Einkaufs-Nettoumsatzes, der bei L* getätigt wird. Der V* Bonus wird von der O* an den * Franchise‑Partner ausbezahlt. Die Ausbezahlung setzt voraus, dass L* die dem Rahmenvertrag entsprechenden Zahlungen an die O* geleistet hat. Die Auszahlung des V* Bonus an den V* Franchise-Partner erfolgt für abgelaufene Jahresquartale jeweils zum 15. des dem Jahresquartalsende folgenden Monats. Die Höhe des V* Bonus kann variieren, insbesondere abhängig von den Bestimmungen des Rahmenvertrags mit L*.

6.3. Der V* Franchise-Partner erhält zudem einen V* Leistungsbonus, wenn er bestimmte Leistungskriterien erfüllt. Die Leistungskriterien werden von der O* gemeinsam mit dem Franchise-Beirat für jedes Jahr festgelegt. Die Höhe des V* Leistungsbonus wird von der O* festgelegt und kann nach ihrem Ermessen jederzeit geändert werden. Der VI* Franchise-Partner hat keinen Anspruch auf den V* Leistungsbonus. Die Festlegung des V* Leistungsbonus und die Auszahlung steht im freien Ermessen der O* und kann jederzeit widerrufen werden.

[...]

7.1. Die O* erbringt nachfolgende im V* Franchise-Handbuch und in den dazugehörigen Know‑how Dokumentationen näher beschriebene Leistungen:

[...]

(XIX) die Nennung bzw Empfehlung von anderen Lieferanten falls der empfohlene Lieferant die Produkte nicht innerhalb angemessener Frist liefern kann;

[...]

(XXI) die Einrichtung eines Notfallskonzepts;

[…]

8. Leistungen und Pflichten des V* Franchise-Partners

8.1. Der V* Franchise-Partner anerkennt, dass das einheitliche Auftreten und die Identität und der Ruf des V* Franchise‑Systems eine grundsätzliche Vorraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg aller Beteiligten ist. Der V* Franchise-Partner verpflichtet sich deshalb, die im V* Franchise-Handbuch definierten Standards einzuhalten, sowie alles zu unternehmen, um die Qualität, die Umsetzung des V* Konzepts und den Erfolg des V* Franchise-Systems zu fördern und die Erfüllung seiner Pflichten nicht zu gefährden.

8.2. Der V* Franchise-Partner hat insbesondere nachfolgende im V* Franchise-Handbuch einschließlich der dazu gehörenden Know-how Dokumentationen und dem V* Partner‑Net näher beschriebene Pflichten:

[...]

(V) die Produkte des V* Sortiments und des V* Angebots nur bei der O* oder von der O* empfohlenen Lieferanten zu beziehen sofern Lieferfähigkeit besteht, um dadurch ein einheitliches Erscheinungsbild und einheitliches V* Sortiment und V* Angebot auf dem V* Standort sowie eine effiziente und zeitgerechte Belieferung zu gewährleisten;

[...]

13. Beendigung des Franchise-Vertrags

13.1. Der Franchise‑Vertrag wird auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Der V* Franchise-Partner und die O* sind berechtigt, den Franchise‑Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zu jedem Jahresquartalsende (31.3., 30.6., 30.9. und 31.12.) mittels eingeschriebenen Briefes zu kündigen. Ab dem Beginn des vierten Vertragsjahres verlängert sich die Kündigungsfrist auf sechs Monate. Kündigungstermin ist jeweils das Ende des Jahresquartals.

13.3. Unbeschadet der Regelung in Nr 13.1 kann dieser Franchise‑Vertrag von beiden Vertragsparteien außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden.

a. Wichtige Gründe für die Auflösung des Franchise‑Vertrags ohne Einhaltung einer Frist durch die O* sind insbesondere, wenn:

(I) der V* Franchise-Partner trotz schriftlicher Abmahnung und ergebnislosem Ablauf einer angemessenen Nachfrist die in diesem Franchise‑Vertrag oder in dem V* Franchise-Handbuch samt den dazugehörenden Know-how Dokumentationen definierten Standards oder Pflichten nicht einhält. Im Wiederholungsfall bedarf es keiner Abmahnung;

[…]“

 

[4] Der Franchisevertrag enthält keine ausdrückliche Verpflichtung der Klägerin, einen schriftlichen Warenliefervertrag mit einem empfohlenen Lieferanten abzuschließen.

[5] Die Einnahmen für Shopwaren, den Gastronomiebereich und das Waschanlagengeschäft wurden auf das Konto der Klägerin weitergeleitet. Die Beklagte partizipierte am Shopumsatz, Gastronomieumsatz, Waschgeschäftumsatz sowie Telefonwertkartenumsatz im Ausmaß eines vereinbarten prozentuellen Anteils, der als „Pacht“ deklariert von der Klägerin monatlich zu entrichten war. Die Beklagte erhielt monatlich online über Eurodata Geschäftsanalysen zur klagsgegenständlichen Tankstelle zur Verfügung gestellt und konnte darüber auch Auswertungen der Umsätze erstellen.

[6] Die Tankstelle der Klägerin lief den Umsatz betreffend sehr gut, der hohe Arbeitseinsatz und das hochgeschätzte Service der Klägerin führten seit Beginn des Vertragsverhältnisses zu einer stetigen Umsatzerhöhung.

[7] Seit Beginn des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien bis zum Frühjahr 2022 bestand ausschließlich zwischen der Beklagten und dem Lieferanten L* ein Kooperationsvertrag. Zwischen der Klägerin und L* als empfohlener Lieferant, von dem sie seit Beginn des Vertragsverhältnisses 90 % bis 95 % der Waren bezog, bestand kein schriftlicher Warenliefervertrag.

[8] Die Klägerin kannte vor Abschluss des Vertragsverhältnisses zur Beklagten aufgrund ihrer vorangegangenen Tätigkeit als Stationsleiterin die Ordersätze von L*, was auch ein wesentlicher Grund für die Klägerin war, das Vertragsverhältnis mit der Beklagten einzugehen. Während der Vertragslaufzeit zwischen den Parteien gab es auch Erhöhungen oder Vergünstigungen der Einkaufspreise, die Klägerin konnte die Ordersätze von L* zuletzt jederzeit über einen Online‑Zugang nachlesen.

[9] Im Frühjahr 2022 endete die Kooperation zwischen der Beklagten und L*. Die Beklagte schloss einen neuen Kooperationsvertrag mit dem Lieferanten A* ab. Sie plante, dass sämtliche Tankstellenpächter bis spätestens 25. 4. 2022 durch A* beliefert werden. Mit der Umstellung auf den Lieferanten A* war die Forderung dieses Lieferanten sowie auch der Beklagten verbunden, dass sämtliche Tankstellenpächter nunmehr einen schriftlichen Warenliefervertrag direkt mit A* abschließen. Aus Sicht der Beklagten war dieser Warenliefervertrag mit A* notwendig, weil gewisse Exklusivprodukte nur über den Hauptlieferanten der Beklagten A* erworben werden konnten und am freien Markt nicht erhältlich waren.

[10] Am 25. 1. 2022 fand ein Online‑Event statt, bei dem das Management der Beklagten ihren neuen Hauptlieferanten sowie den geplanten Umstellungsprozess vorstellte, und bei dem die Tankstellenpächter für Fragen an die jeweils für sie zuständigen „Areamanager“ der Beklagten verwiesen wurden. Da es Gerüchte über einen neuen Warenliefervertrag zu A* gab, der etwa geänderte Zahlungsziele beinhalten sollte, richtete die Klägerin an den für sie zuständigen Areamanager Fragen zu geänderten Bedingungen betreffend den neuen Lieferanten A*, beispielsweise hinsichtlich des Franchisebonus, des Zahlungsziels, der Verkaufspreise und Einkaufspreise, insbesondere ob es auch einen Ordersatz von A* gebe, und warum nun der Tankstellenpartner den Vertrag mit Hauptlieferanten abschließen solle und nicht wie bisher die Beklagte. Der Areamanager teilte der Klägerin daraufhin mit, dass der Franchisebonus bzw V*‑Bonus nicht mehr von der Beklagten ausgezahlt, sondern mit dem Einkaufspreis gegenverrechnet werde. Die Frage der Klägerin nach einem Ordersatz von A*, um berechnen zu können, ob die Konditionen für sie günstiger oder schlechter seien, beantwortete der Areamanager mit einem Hinweis auf seine Verschwiegenheitspflicht sowie einen kurz danach stattfindenden Info‑Tag; Zugang zum Ordersatz könne erst mit Unterzeichnung des Warenliefervertrags zu A* erfolgen. Diesen Warenliefervertrag übermittelte der Areamanager der Klägerin Ende Jänner 2022; er enthielt aus Sicht der Klägerin einige für sie nachteilige Änderungen.

[11] Ende Februar 2022 fand ein weiteres Gespräch zwischen der Klägerin und dem Areamanager statt, bei welchem sich jene über aus ihrer Sicht schlechtere Bedingungen im neuen Warenliefervertrag zu A* beklagte, wie etwa die größeren Verpackungseinheiten, die zu einem höheren Warenverderb führen würden, oder die aufgrund des neuen Warenliefervertrages notwendige höhere Zettelwirtschaft; die Klägerin verlangte abermals Einsicht in den Ordersatz von A* Der Areamanager verwies darauf, dass die Beklagte laut dem Franchisevertrag berechtigt sei, den Lieferanten zu wechseln.

[12] Im März 2022 besuchte die Klägerin eine Tankstelle eines anderen Tankstellenpächters der Beklagten, der schon von A* beliefert wurde. Dabei bestätigten dessen Angaben die Annahme der Klägerin, dass die Lieferbedingungen bei A* schlechter seien als beim früheren Lieferanten.

[13] Ende März 2022 kam es zu einem weiteren Treffen zwischen dem Areamanager und der Klägerin, bei dem diese mitteilte, dass sie weder den neuen Tankstellenvertrag (der in keinem Zusammenhang mit dem Warenliefervertrag zu A* stand) noch den neuen Warenliefervertrag unterzeichnen werde. Auf Nachfrage des Areamanagers begründete sie dies hinsichtlich des Warenliefervertrags unter anderem damit, dass die Vertragsbedingungen aus ihrer Sicht schlechter als beim früheren Lieferanten seien, weil etwa die Verpackungseinheiten viel größer seien und daher ein Warenverderb wahrscheinlicher sei, und sie noch immer keine Einsicht in den Ordersatz von A* erhalten habe. Die Klägerin war die einzige Pächterin beim Areamanager, die die Unterschrift des schriftlichen Warenliefervertrags mit A* verweigerte. Sie bekräftigte ihre Haltung auch bei einem hitzigen Gespräch am 14. 4. 2022 unter anderem zwischen dem Areamanager und einem weiteren Mitarbeiter der Beklagten.

[14] A* teilte sowohl der Klägerin als auch der Beklagten mit, dass eine Belieferung der klagsgegenständlichen Tankstelle ohne Unterzeichnung des Warenliefervertrages zu A* nicht möglich sei. Die Klägerin erhielt auch keinen Zugang zu den vollständigen Einkaufspreisen bei A*.

[15] Im April 2022 ersuchte die Klägerin um Bekanntgabe eines anderen Lieferanten für das V*‑Standardproduktsortiment durch die Beklagte, die darauf nur antwortete, dass A* bereit sei, die Klägerin zu beliefern, wenn sie den Warenliefervertrag unterzeichne.

[16] Der Klägerin war bewusst, dass sie nach dem Franchisevertrag nur von der Beklagten oder von von ihr empfohlenen Lieferanten Produkte beziehen durfte. Aus Sicht der Klägerin wollte der empfohlene Lieferant A* sie aber nicht beliefern. Die Beklagte nannte ihr gegenüber auch keinen anderen Lieferanten.

[17] Aus diesem Grund bestellte die Klägerin weiterhin beim früheren Lieferanten L*, der noch über Restbestände verfügte, zu den gleichen Bedingungen wie zuvor, und bezog Waren, die bei L* mit der Zeit nicht mehr verfügbar waren (wie O* Eigenprodukte, V*‑Produkte oder spezielle Sandwich‑Kreationen), von einem anderen Tankstellenpächter der Beklagten.

[18] Zumindest ab dem 25. 4. 2022 hatte die Klägerin keine V*‑Tücher mehr vorrätig, weil diese ausschließlich von A* geliefert wurden, sondern lediglich die vor dem Lieferantenwechsel verwendeten „Sonax“-Tücher. Der Areamanager besuchte die Tankstelle noch mindestens zwei Mal im Mai und Juni 2022, wobei die klagsgegenständliche Tankstelle aus seiner Sicht funktionierte und für Kunden keine größeren Lücken ersichtlich waren. Ihm war zu diesem Zeitpunkt bereits bewusst, dass die Klägerin Ware aus anderen Quellen als A* bezog.

[19] Am 31. 5. 2022 erhielt die Klägerin ein schriftliches Mahnschreiben der Beklagten, in welchem sie darauf aufmerksam gemacht wurde, dass sie durch den Warenbezug von L*, die fehlende Unterzeichnung des Warenliefervertrags mit A* und die deshalb mangelnde Belieferung durch den von der Beklagten empfohlenen Lieferanten gegen Pkt 8.2. (V) des Franchisevertrags verstoße, sowie aufgefordert wurde, dieses Verhalten bis zum 15. 6. 2022 zu beheben. Gleichzeitig kündigte die Beklagte an, bei weiteren Verstößen gegen wesentliche Vertragsverpflichtungen von ihrem Recht auf vorzeitige Vertragsauflösung gemäß Pkt 13.3. a (I) des Franchisevertrags Gebrauch zu machen. Am 17. 6. 2022 erhielt die Klägerin abermals ein schriftliches Mahnschreiben mit im Wesentlichen demselben Inhalt und Nachfrist bis 27. 6. 2022.

[20] Die Klägerin antwortete auf diese Mahnschreiben, dass A* sie beliefern könne. Die Klägerin unterzeichnete den Warenliefervertrag mit A* aber nicht. Aus diesem Grund und weil die Klägerin weiterhin Produkte von anderen Lieferanten als A* bezog, entschloss sich die Beklagte zur vorzeitigen Auflösung des Vertragsverhältnisses.

[21] Mit Schreiben vom 13. 7. 2022 machte die Klägerin bei der Beklagten Ausgleichsansprüche für den Treibstoffvertrieb und den Folgemarkt sowie Schadenersatzansprüche wegen rechtswidriger Verkürzung der Kündigungsfrist geltend.

[22] Die Klägerin begehrt einen Teilbetrag des Ausgleichsanspruchs für den Treibstoffvertrieb in Höhe von 55.000 EUR zuzüglich USt; sollte der Ausgleichsanspruch für den Treibstoffvertrieb nicht in der geltend gemachten Höhe zustehen, werde der Anspruch in eventu auf den Ausgleichsanspruch für den Folgemarkt gestützt. Die Klägerin sei von der Beklagten wirtschaftlich abhängig und arbeitnehmerähnlich gewesen. Sie habe nicht gegen die bestehenden Verträge verstoßen und sei auch bereit gewesen, sich vom neuen Lieferanten beliefern zu lassen (was jedoch abgelehnt worden sei); sie habe sich lediglich geweigert, Änderungen bzw einen neuen Vertrag zu unterfertigen. Die Klägerin sei auf Basis der bestehenden Verträge im höchsten Maße kooperativ gewesen und habe ihre Betriebspflicht nicht verletzt. Die Auflösung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagte – deren Wirksamkeit nicht bestritten werde – sei rechtswidrig erfolgt. Die Art der Beendigung stehe der Entstehung von Ausgleichsansprüchen nach § 24 HVertrG 1993 nicht entgegen.

[23] Die Beklagte bestreitet und bringt zusammengefasst vor, einzig verfahrensgegenständlich sei die unbegründete Weigerung der Klägerin, den Belieferungsvertrag mit dem neuen Hauptlieferanten A* zu unterschreiben. Der Klägerin sei aufgrund der eindeutigen vertraglichen Regelungen bewusst gewesen, dass sich der Hauptlieferant jederzeit ändern könnte und in diesem Fall eine Auszahlung des Franchisebonus nicht mehr erfolgen könne; der Entfall dieses Bonus wäre durch die erheblich günstigeren Einkaufspreise beim neuen Lieferanten nicht nur ausgeglichen, sondern überkompensiert worden. Die Klägerin habe sich schuldhaft, vertragsbrüchig, beharrlich, dauerhaft und ohne Angabe von Gründen geweigert, den für die Vertragserfüllung erforderlichen Belieferungsvertrag betreffend das (V*‑)Standardwarensortiment mit dem neuen Lieferanten schriftlich zu unterfertigen, sodass dieser keine Belieferung habe vornehmen können. Der Abschluss des Belieferungsvertrags mit A* sei für die Erfüllung der vertraglichen Pflichten der Klägerin erforderlich gewesen. Da hierdurch der vertragsgemäße Betrieb der Tankstelle von der Klägerin verunmöglicht worden wäre, sei die Beklagte nach mehrmaligen Mahnungen, in welchen die vertragswidrigen Handlungen konkret bezeichnet und explizit auch als Verstoß gegen Pkt 8.2 (V) des Franchisevertrags gewertet worden seien, dazu gezwungen gewesen, den Tankstellenvertrag und den Franchisevertrag infolge Unzumutbarkeit aufzulösen.

[24] Die Auflösung aus wichtigem Grund sei aufgrund des Unterlassens der Tätigkeit (§ 22 Abs 2 Z 3 1. Fall HVertrG 1993), der Weigerung der Ausübung der Tätigkeit (§ 22 Abs 2 Z 3 2. Fall HVertrG 1993) und der schuldhaften Verletzung wesentlicher Vertragsbestimmungen (§ 22 Abs 2 Z 3 3. Fall HVertrG 1993) gerechtfertigt, von der Klägerin verschuldet worden und gemäß § 24 Abs 3 Z 2 HVertrG ausgleichsvernichtend erfolgt.

[25] Das Erstgericht erkannte den Klagsanspruch als dem Grunde nach zu Recht bestehend. Die Klägerin sei sowohl hinsichtlich des Verkaufs von Treibstoff als auch hinsichtlich des Betreibens des Tankstellen‑Shops samt Waschanlage Handelsvertreterin der Beklagten gewesen. Beide Verträge zwischen den Parteien hätten eine Betriebspflicht und eine Pflicht vorgesehen, die Tankstelle 24 Stunden offenzuhalten. Für die Zuführung neuer Kunden im Sinne des § 24 Abs 1 Z 1 HVertrG 1993 sei die Klägerin bereits durch das Offenhalten und Betreiben der Tankstelle mitursächlich gewesen; zudem habe sie über die Vertragsdauer die Anzahl der Stammkunden und auch den Umsatz erhöht. Eine besondere Lage oder die Sogwirkung einer Marke wären erst bei der anschließenden Billigskeitserwägung und nicht beim Merkmal des Zuführens zu berücksichtigen. Ein schuldhaftes, einen wichtigen Grund nach § 22 HVertrG 1993 darstellendes Verhalten der Klägerin liege nicht vor.

[26] Es sei der Klägerin freigestanden, sich gegen die – durch die von der Beklagten entschiedene Umstellung des Kooperationspartners erforderlich gewordene – Änderung des Franchisevertrags sowie gegen den sodann erstmals notwendigen Abschluss eines schriftlichen Warenliefervertrags mit dem neuen Lieferanten zu entscheiden, auch wenn die geänderten Bedingungen im Franchisevertrag oder der Abschluss eines schriftlichen Warenliefervertrags günstiger für die Klägerin gewesen wären. Zur Annahme der Änderung des Franchisevertrags sei die Klägerin jedenfalls nicht aufgrund des bestehenden Franchisevertrags verpflichtet gewesen; dieser habe auch keine Verpflichtung der Klägerin enthalten, einen schriftlichen Warenliefervertrag mit einem empfohlenen Lieferanten abzuschließen; eine solche Verpflichtung könne auch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht angenommen werden. Die Voraussetzungen für eine anspruchsvernichtende Auflösung gemäß § 24 Abs 3 Z 2 HVertrG 1993 seien daher nicht erfüllt. Ob die weiteren Voraussetzungen des § 24 Abs 1 HVertrG 1993 vorlägen, betreffe nicht den Grund, sondern die Höhe des Anspruchs.

[27] Das Berufungsgericht änderte das Zwischenurteil in ein klagsabweisendes Endurteil ab, weil es die von der Beklagten vorzeitig erklärte Auflösung des Vertragsverhältnisses als nach § 22 Abs 2 Z 3 HVertrG 1993 berechtigt ansah. Die Klägerin habe dadurch, dass sie keinen Vertrag mit dem neuen Lieferanten habe unterschreiben wollen, die Verträge mit der Beklagten verletzt, zumal sich aus den Feststellungen eindeutig ergebe, wie wesentlich für die Beklagte ein einheitliches Erscheinungsbild und Warenmindestangebot des gesamten Tankstellenunternehmens gegenüber den Kunden sowie Mindeststandards für den Warenverkauf seien. Durch das Verhalten der Klägerin sei ihr Verschulden am vertragswidrigen Verhalten im Sinne der Rechtsprechung indiziert, wogegen sie nur Befürchtungen einer Verschlechterung der Lieferbedingungen ins Treffen geführt habe, welche über ihre wirtschaftliche Existenz nicht beeinträchtigende Unannehmlichkeiten nicht hinausgingen und sie nicht von ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Beklagten befreien würden. Es fehle damit schon an einer ausreichenden Behauptung mangelnden Verschuldens.

Rechtliche Beurteilung

[28] Die Klägerin begehrt mit ihrer Revision erkennbar die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Zwischenurteils.

[29] Die Beklagte beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[30] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig und berechtigt.

[31] Die Klägerin führt in ihrem Rechtsmittel zusammengefasst ins Treffen, dass die Berufungsentscheidung von der Rechtsprechung zu 9 ObA 78/16k und [gemeint wohl:] 7 Ob 182/11g abweiche und die Verweigerung der Unterfertigung des Liefervertrags mit dem neuen Lieferanten kein wichtiger Grund im Sinne des § 22 HVertrG 1993 sei, ihr keine Kontrahierungspflicht oktroyiert werden könne und die Vertragsbestimmungen, auf die sich Beklagte und Berufungsgericht stützen würden, gegen § 864a und § 879 Abs 3 ABGB verstießen.

Der Senat hat erwogen:

[32] 1.1. Nach § 24 Abs 1 HVertrG 1993, der auch auf Tankstellenpachtverträge wie hier anzuwenden ist (vgl 9 ObA 18/09a mwN), gebührt dem Handelsvertreter unter den dort genannten Voraussetzungen ein angemessener Ausgleichsanspruch. Nach § 24 Abs 3 Z 2 HVertrG 1993 besteht der Anspruch dann nicht, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis wegen eines schuldhaften, einen wichtigen Grund nach § 22 HVertrG 1993 darstellenden Verhaltens des Handelsvertreters aufgelöst hat.

[33] 1.2. Wichtige Gründe, die den Unternehmer zur vorzeitigen Lösung des Vertragsverhältnisses berechtigen, sind in § 22 Abs 2 Z 1 bis 5 HVertrG 1993 – beispielsweise (9 ObA 40/18z) – aufgezählt. Als ein solcher wichtiger Grund ist es etwa anzusehen, wenn sich der Handelsvertreter einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Unternehmers unwürdig erscheinen lässt, insbesondere wenn er entgegen der Bestimmung des § 7 eine Belohnung annimmt, wenn er dem Unternehmer Aufträge übermittelt, die nicht erteilt worden sind, oder wenn er ihn sonst in wesentlichen geschäftlichen Angelegenheiten in Irrtum führt (Z 2), oder wenn der Handelsvertreter während einer den Umständen nach erheblichen Zeit es unterlässt oder sich weigert, für den Unternehmer tätig zu sein, oder wenn er andere wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt (Z 3).

[34] Als genereller Maßstab für das Vorhandensein des zuletzt genannten wichtigen Auflösungsgrundes sind Vertragsverletzungen anzusehen, die bei Zielschuldverhältnissen zum Rücktritt nach § 918 Abs 1 und § 920 erster Satz ABGB berechtigen; ferner Verhaltensweisen, die nach den für bestimmte Dauerschuldverhältnisse normierten Beendigungstatbeständen eine fristlose Auflösung gestatten, und Umstände, die eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zuließen (RS0108379 [T9]). Eine Verletzung sonstiger wesentlicher Vertragsbestimmungen ist dann gegeben, wenn es sich um solche Vertragsbestimmungen handelt, deren Verletzung von so großer Bedeutung ist, dass dem Unternehmer ein weiteres Zuhalten des Vertrags – auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist bzw bis zum Ablauf einer vereinbarten Befristung (9 ObA 40/18z) – nicht zugemutet werden kann (vgl RS0106000; vgl allgemein auch RS0027780, RS0018842). Bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit der Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses spielt zwar das Gesamtverhalten des Vertragspartners eine wesentliche Rolle (vgl RS0108379 [T2, T13]), jedoch muss der eigentliche Anlassfall für die vorzeitige Beendigung eine gewisse Mindestintensität erreichen und damit geeignet sein, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im konkreten Fall zu begründen (RS0108379 [T11]). Die Verletzung zentraler Vertragspflichten eines Tankstellenpächters – wie etwa das Offenhalten der Tankstelle oder die Weiterleitung der Erlöse aus dem Treibstoffverkauf (vgl 9 ObA 82/10i Pkt 5.1; 8 ObA 25/17k Pkt 2) – kann ein solcher wichtiger Grund für die vorzeitige Vertragsauflösung durch den Unternehmer sein.

[35] Grundsätzlich liegt es am Unternehmer, die Tatsache einer solchen Vertragsverletzung zu behaupten und zu beweisen (RS0111006 [T1]).

[36] 1.3. Das einen wichtigen Grund nach § 22 HVertrG 1993 begründende Verhalten des Handelsvertreters entfaltet seine ausgleichsschädigende Wirkung nur, wenn es schuldhaft gesetzt wurde (RS0111006). Wenn aber das vom Unternehmer unter Beweis gestellte (RS0111006 [T1]) vertragswidrige Verhalten das Verschulden des Handelsvertreters indiziert, ist es gemäß § 1298 ABGB Sache des klagenden Handelsvertreters, sein mangelndes Verschulden unter Beweis zu stellen (RS0125452; 8 ObA 25/17k; 9 ObA 59/09f mwN = RS0111006 [T2]).

[37] 2. Die Klägerin hat nach den Feststellungen ihre zentralen vertraglichen (insb Betriebs‑)Pflichten erfüllt und war auch bereit, sich durch den neuen Lieferanten beliefern zu lassen. Sie war jedoch nicht bereit, mit diesem einen von der Beklagten verlangten Liefervertrag abzuschließen. Zudem wurden der Klägerin wesentliche wirtschaftliche Bedingungen des verlangten Rechtsgeschäfts mit einem Dritten, nämlich die konkreten Ordersätze (insbesondere Einkaufspreise, Gebindegrößen) vor Vertragsabschluss nicht bekanntgegeben bzw wurde die Offenlegung vom vorangehenden Vertragsabschluss abhängig gemacht. Nach den Feststellungen bestand aber keine solche aus den Verträgen zwischen den Parteien ableitbare Verpflichtung der Klägerin, einen Vertrag mit einem Dritten abzuschließen. Soweit die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung wiederholt behauptet, es habe eine solche Verpflichtung bestanden, kann sie dies nicht nur mit keiner konkreten vertraglichen Regelung belegen, sie entfernt sich damit außerdem von den ausdrücklichen gegenteiligen Feststellungen.

[38] 3.1. Der Oberste Gerichtshof hat – wie Erstgericht und Revision zutreffend aufzeigen – bereits ausgeführt, dass es einem Handelsvertreter im Rahmen der Privatautonomie freisteht, sich entweder für eine ihm angebotene Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter geänderten Bedingungen zu entscheiden oder nicht, und er die Zustimmung zu einer Vertragsänderung, ohne damit den Ausgleichsanspruch zu verlieren, auch dann verweigern darf, wenn die Vertragsänderung für ihn zumutbar bzw sogar günstiger gewesen wäre (9 ObA 78/16k); dass der Handelsvertreter zu einer vom Unternehmer verlangten Veränderung der vertraglichen Grundlagen nicht bereit ist, verwirklicht daher keinen Ausschlussgrund, wenn die Notwendigkeit oder der Bedarf nach einer Anpassung der bestehenden Vertragslage an neue Umstände vom Unternehmer selbst und seiner Disposition herrühren (vgl 7 Ob 182/11g).

[39] 3.2. Diese Grundsätze sind – anders als das Berufungsgericht und die Beklagte vermeinen – auch hier relevant und gelten umso mehr für ein an den Handelsvertreter gerichtetes Verlangen des Unternehmers, nicht nur die eigenen bilateralen Verträge zu ändern, sondern neue Verträge mit bislang Außenstehenden abzuschließen: Es steht zwar nicht in Streit, dass die Beklagte berechtigt war, das Sortiment und den Lieferanten zu wechseln. Aus ihrem Recht zur Bestimmung des Lieferanten und seines Angebots folgt aber nicht eine im Vertragsverhältnis zwischen den Parteien gründende Pflicht der Klägerin, zusätzliche eigene vertragliche Bindungen zu einem Dritten einzugehen, dessen Auftreten auf Willen und Entscheidungen der Beklagten zurückzuführen ist. Der von der Beklagten ins Treffen geführte Grund für die Vertragsauflösung ist daher kein wichtiger Grund im Sinne des § 22 HVertrG 1993, der die ordentliche Beendigung der Verträge und deren Fortsetzung für die Dauer der Kündigungsfrist unzumutbar gemacht hätte; nach den Feststellungen „funktionierte“ die Tankstelle auch bis zuletzt trotz des der Beklagten – zudem monatelang – bekannten Umstands, dass die Klägerin Ware aus anderen Quellen als unmittelbar vom neuen Lieferanten bezog, und es waren für Kunden keine größeren Lücken ersichtlich (dass das konkret festgestellte Angebot von „Sonax“- anstelle von V*-Reinigungstüchern für sich keinen wichtigen Grund herstellen kann, bedarf keiner näheren Erläuterung).

[40] 3.3. Wenn das Erstgericht einen Ausgleichsanspruch der Klägerin unter den gegebenen Umständen mangels wichtigen Grundes zur Vertragsauflösung durch die Beklagte grundsätzlich bejahte, so steht dies somit im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Auf die sonstigen in der Revision ins Treffen geführten Argumente gegen die Klagsabweisung muss daher nicht mehr eingegangen werden. Auch sekundäre Feststellungsmängel, wie sie in der Berufung der Beklagten geltend gemacht worden sind, liegen nicht vor, weil die Weigerung, einen neuen Vertrag mit einem Dritten zu schließen, auch bei Vorteilhaftigkeit für den Handelsvertreter schon keinen Auflösungsgrund herstellt. Umso weniger relevant wären daher angebliche Verschlechterungen der Position der Klägerin, zumal es auf die Frage ihres (mangelnden) Verschuldens schon wegen des Fehlens eines wichtigen Grundes zur Vertragsauflösung nicht ankommt.

[41] 4. Dass das Berufungsgericht die Beweisrüge der Beklagten gegen erstgerichtliche Feststellungen nicht erledigte (was von der Revisionsbeantwortung der Beklagten auch gar nicht mehr angesprochen wird), schadet hier nicht: Die bekämpften Feststellungen beziehen sich ausschließlich auf Umstände, welche für die von der Beklagten angegriffene Ansicht des Erstgerichts Bedeutung haben, dass die Auflösung der Verträge auch darauf gestützt worden wäre, dass die Klägerin sich geweigert habe, einer Änderung des Franchisevertrags zuzustimmen. Bereits das Berufungsgericht hat aber insofern zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte ihre Vertragsauflösung schon in erster Instanz und auch im Rechtsmittelverfahren gar nicht auf ein diesbezügliches Versäumnis gestützt hat, sondern ausdrücklich nur auf die Weigerung, einen Liefervertrag mit dem neuen Lieferanten abzuschließen, wozu die Klägerin angeblich vertraglich verpflichtet gewesen wäre. Damit handelt es sich um „überschießende“ Feststellungen, die nicht in den Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder – hier – der erhobenen Einrede fallen und daher bei der rechtlichen Beurteilung nicht zu berücksichtigen sind (vgl RS0040318; RS0036933 [insb T10–T12]; RS0037972 [insb T11, T14, T22]; RS0112213 [insb T1, T4]), sodass die Beweisrüge vom Berufungsgericht rechtsrichtig als irrelevant angesehen wurde.

[42] 5.1. Zusammengefasst war daher das erstgerichtliche Zwischenurteil zur Gänze wiederherzustellen

[43] 5.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 4, § 52 Abs 4 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

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