Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 665,66 (darin EUR 110,94 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat das Vorliegen von Gründen, die die Beklagte zur Entlassung gemäß § 27 AngG berechtigen würden, zutreffend verneint. Es ist daher grundsätzlich ausreichend, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Ergänzend und klarstellend ist den Ausführungen der Revision folgendes entgegenzuhalten:
Aus den wesentlichen Feststellungen ist hervorzuheben, dass die seit 1996 als Leiterin der Innsbrucker Niederlassung einer Reinigungsfirma beschäftigte Klägerin nach der Übernahme dieses Betriebes durch die Beklagte vorweg weiter als Niederlassungsleiterin mit einem Bruttogehalt von S 45.974 eingesetzt war. Es wurde ihr aber vom neuen Geschäftsführer gesagt, dass sie zu teuer käme und nicht lange bei der Beklagten sein werde. Im Hinblick darauf kopierte die Klägerin, nachdem sie im Telefonverzeichnis auch noch unter ihrer Klappe einen anderen Namen gefunden hatte, ein Schreiben betreffend ein Inserat, in dem die Beklagte einen Gebietsleiter für die Betreuung Tirols und den Aufbau einer Niederlassung in Innsbruck suchte. Hinsichtlich des neuen Dienstvertrages mit 1.1.1999 kam es zu verschiedenen Änderungswünschen der Klägerin zu dem ihr von der Beklagten übergebenen Text.
Es entwickelten sich verschiedene Ungereimtheiten und Probleme zwischen der Klägerin und diesem neuen Geschäftsführer, der ihr Unterlagen nicht übermittelte, sie falsch informierte und ihr ungeeignete Weisungen erteilte. Bereits am 10. 2. 1999 wurde die Klägerin zum 15. 4. 1999 gekündigt und mit 11. 2. 1999 dienstfrei gestellt. Daraufhin verfasste die Klägerin ein Schreiben an die Geschäftsführer von teilweise direkt bzw über verschiedene Gesellschaften an der Beklagten zu 75 % bzw 25 % beteiligten Gesellschaften. Darin stellte sie ihre Probleme mit dem Geschäftsführer der Beklagten umfangreich dar. Sie zeigte auf, dass ihr teilweise falsche Informationen gegeben worden bzw verschiedene Informationen nicht weitergegeben worden waren und sie in diesem Zusammenhang "kalt angelogen" worden sei. Die Arbeitsanweisungen und die Prioritäten seien ständig geändert, ihre Arbeit durch den Geschäftsführer behindert und einseitig in die Rechte der Mitarbeiter eingegriffen worden. Das Schreiben an den Geschäftsführer der Minderheitsgesellschafterin erreichte diesen am 17. 2. 1999. Dieser übermittelte es am 23. 2. 1999 an den anderen Geschäftsführer der Beklagten, der es dem betroffenen Geschäftsführer am 24. 2. 1999 zur Kenntnis brachte, worauf dieser sofort ein Entlassungsschreiben verfasste und zur Post gab.
Sowohl nach ihrem alten als auch dem Text ihres neuen Dienstvertrages war die Klägerin zur Geheimhaltung verpflichtet. Auch wurde sie mit dem Kündigungsschreiben aufgefordert, sämtliche Unterlagen, Firmenschlüssel das Mobiltelefon sowie das Dienstfahrzeug zurückzugeben. Im Zusammenhang mit der Ummeldung der Arbeitnehmer auf die Beklagte fertigte die Klägerin zu einer Zeit, als die Personalstammdatenblätter zur Ummeldung an die Zentrale geschickt werden mussten, von 12 Personalstammdatenblättern Kopien an, um Auskunft geben zu können. Am 30. Jänner 2000 übermittelte sie diese mit einem Begleitschreiben an die Arbeiterkammer.
Grundsätzlich zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass nach ständiger Judikatur der Dauer der Kündigungsfrist bei der Beurteilung des Vorliegens von Entlassungsgründen keine entscheidende Bedeutung zukommt. Es kommt nur darauf an, ob das Verhalten des Arbeitnehmers eine so schwerwiegende Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers bedeutet, dass diesem jede weitere Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - gleichgültig wie lange es nach dem Vertrag oder bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch gedauert hätte - nicht mehr zugemutet werden kann. Geht es doch dabei im Wesentliche darum die Gewichtigkeit des Grundes zu bestimmen (vgl RIS-Justiz RS0028609 mwN insbesondere 8 ObA 224/98v, RS0028999 mwN etwa 8 ObA 60/98a; RS0029013 mwN zuletzt 9 ObA 319/00b; Arb 10 614 uva). Soweit den Ausführungen des Berufungsgerichtes im Hinblick auf den Hinweis auf die verbleibende kurze Kündigungszeit Gegenteiliges entnommen werden könnte, ist dies klarzustellen.
Ob nun eine Äußerung als erhebliche Ehrverletzung im Sinne des § 27 Z 6 AngG und damit als Entlassungsgrund zu qualifizieren ist, ist danach zu beurteilen, ob die Äußerung objektiv geeignet ist, ehrverletzend zu wirken und in concreto auch diese Wirkung gehabt hat (vgl RIS-Justiz RS0029845 mwN zuletzt etwa 9 ObA 15/01y). Es muss ihr eine Verletzungsabsicht in Bezug auf die betroffene Personen zugrunde liegen. Als wesentlich angesehen wird, ob die Ehrenbeleidigung nach ihrer Art und nach den Umständen, unter welchen sie erfolgt, von einem Menschen mit normalen Ehrgefühl nicht anders als mit dem Abbruch der Beziehungen beantwortet werden kann, weil sie etwa durch üble Nachrede geeignet ist, die soziale Wertschätzung des Betroffenen herabzusetzen und dann wenn der Betroffene davon erfährt dessen Ehrgefühl zu verletzen (vgl RIS-Justiz RS0029827 mwN insbesondere OGH 9 ObA 249/97a). Stets wird auf die konkreten Umstände des Einzelfalles, etwa die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Gelegenheit bei der diese Äußerung fiel, abgestellt (RIS-Justiz RS0029630 mwN zuletzt OGH 9 ObA 174/98y) und berücksichtigt, ob die besonderen Umstände die Beleidigung noch als entschuldbar erscheinen lassen, insbesondere weil dem ein unangemessenes Verhalten des Dienstgebers vorangegangen ist (vgl RIS-Justiz RS0029653 mwN insbesondere OGH 4 Ob 44/79). In Wahrung berechtigter Interessen und nicht in Beleidigungsabsicht vorgebrachte, wenn auch ehrenrührige Tatsachen bilden in der Regel keinen Entlassungsgrund (vgl RIS-Justiz RS0028870 mwN zuletzt OGH 9 ObA 341/00p).
Tatsachen sind nach ständiger Rechtsprechung zu § 1330 Abs 2 ABGB Umstände, Ereignisse und Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm an Hand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt. Die Richtigkeit der verbreiteten Äußerung muss grundsätzlich einem Beweis zugänglich sein, sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann. Werturteile sind dagegen rein subjektive, einer objektiven Überprüfung entzogene Aussagen. Bei der Abgrenzung der "Tatsachen" von den "Werturteilen" kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck an, den die Adressaten haben konnten (vgl etwa OGH 27. 9. 2001, 6 Ob 127/01x mwN RIS-Justiz RS0031883). Bei unwahren Tatsachenbehauptungen oder bei Werturteilen, die auf unwahren Tatsachenbehauptungen basieren, gibt es kein Recht auf freie Meinungsäußerung (RIS-Justiz RS0107915).
Hier hat nun die Klägerin wenngleich nicht direkt, so doch aus dem Gesamtzusammenhang des Schreibens ersichtlich, den Geschäftsführer der Beklagten gegenüber den wesentlichen Vertretern der Gesellschafter der Beklagten der "kalten Lüge" bezichtigt. Während nun der Vorwurf der Lüge als Tatsachenbehauptung einer Überprüfung zugänglich ist und von der Klägerin zumindest der Nachweis erbracht wurde, dass sie der Geschäftsführer falsch informiert, stellt der Vorwurf der "kalten Lüge" doch auch ein auf dieser Tatsachenbehauptung basierendes, aber darüber hinausgehendes Werturteil dar (vgl dazu auch RIS-Justiz RS0071918 mwN). Der Angriff die Ehre und den Ruf einer Person muss aber für sich noch nicht rechtswidrig sein, sonder indiziert nur als Eingriff in ein absolutes Recht auch die Rechtswidrigkeit. Diese ist letztendlich auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung zwischen den Interessen am gefährdeten Gut und den Interessen des Handelnden bzw anderer zu beurteilen. Bei der Abgrenzung zwischen übler Nachrede und Ehrenbeleidigung einerseits und zulässiger Kritik bzw Werturteil andererseits ist im Rahmen der allgemeinem Interessenabwägung auch auf das Recht der freien Meinungsäußerung Bedacht zu nehmen (vgl OGH 27. 9. 2001, 6 Ob 127/01x; RIS-Justiz RS0031672 mwN). Die Meinungsfreiheit bedeutet nun keinen Freibrief für kritische Wertungen, die in persönliche Beleidigungen oder Verunglimpfungen ausarten (SZ 68/97), vielmehr kommt es auf die Art und die Schwere des Eingriffs, die Verhältnismäßigkeit zum verfolgten Zweck, den Grad der Schutzwürdigkeit dieses Interesses, aber auch auf den Zweck der Meinungsäußerung an (OGH 27. 9. 2001 6 Ob 127/01x mwN = SZ 61/210; 6 Ob 171/99m = MR 2000, 17).
Der Geschäftsführer der Beklagten hat der Klägerin gegenüber, die ebenfalls Führungsverantwortung zu tragen hatte, eine mehrfach inadäquates Verhalten gesetzt. Er hat - nachdem er der Klägerin gleich zu Beginn das Ausscheiden aus dem Unternehmen ankündigte, ohne allerdings tatsächlich eine Kündigung anzusprechen -, der Klägerin Informationen vorenthalten bzw sie falsch informiert und ungeeignete Weisungen erteilt. Damit hat er einerseits die Interessen der Klägerin verletzt, da es ihr Anliegen als Führungskraft sein musste, auf Grundlage entsprechender Informationen und Anweisungen eine zufriedenstellende Arbeitsleistung zu erbringen, um ihren weiteren Verbleib im Betrieb erreichen zu können. Im Zusammenhang mit der im Anschluss an die Betriebsübernahme der Beklagten erfolgten Ankündigung des Geschäftsführers gegenüber der Klägerin, sie käme zu teuer und werde "nicht lange bei der Beklagten sein", sind in der folgenden Nichtübermittlung von Unterlagen, der Falschinformation und der Erteilung ungeeigneter Weisungen typische Mobbinghandlungen des Geschäftsführers zu erblicken (vgl allgemein zum Begriff des "Mobbings" OGH 26. 6. 1997, 8 ObA 187/97a mwN = DRdA 1998/21 [Klein]; Schneider, AuA 1994, 180; M. Binder, Mobbing aus arbeitsrechtlicher Sicht [1999] 30; Kollmer, Rechtsberater "Mobbing im Arbeitsverhältnis²" [2000] Rz 34; Nestler, Mobbing am Arbeitsplatz [2001] 25, 36; Smutny/Mayr, GlBG [2001] 283; Wolmerath, Mobbing im Betrieb [2001] 34; Gamerschlag, VersR 2002, 287 ua). Diese Handlungen lassen das Ziel, die Klägerin systematisch auszugrenzen, ihre Stellung im Betrieb zu untergraben und sie aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen (M. Binder aaO 28; Kollmer aaO Rz 23, 28; Nestler aaO 43; Smutny/Mayr aaO 282; Wolmerath aaO 24, 26 ua), als naheliegend erscheinen. Es ist ein berechtigtes Interesse der Klägerin anzunehmen, gegen diese Verhaltensweisen aufzutreten. Andererseits werden regelmäßig durch diese Verhaltensweisen des Geschäftsführers auch die Interessen der Gesellschaft beeinträchtigt. Daher ist davon auszugehen, dass auch die Vertreter der Gesellschafter ein Informationsbedürfnis haben.
Betrachtet man nun den Gesamtzusammenhang dieses Schreibens, so kommt durch die Bezeichnung als "kalt" vor allem eine Bewertung des Führungsstils zum Ausdruck. Mag damit auch die Grenze der Beeinträchtigung der Ehre des Betroffenen überschritten sein, so ist doch ausgehend von den nachgewiesenen Umständen, die zu dieser Äußerung führten, und dem eingeschränkten besonders betroffenen Adressatenkreis noch nicht davon auszugehen, dass dieses einmalige Verhalten die Schwere eines Entlassungsgrundes erreichte. Zu dem weiteres geltend gemachten Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG ist hat der Oberste Gerichtshof stets festgehalten, dass entscheidend ist, ob der Arbeitgeber durch das Verhalten des Arbeitnehmers objektiv betrachtet befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen wird und dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet werden (vgl RIS-Justiz RS0029547, RS0029652 ua). Nicht jede Ordnungswidrigkeit stell bereits einen Entlassungsgrund dar (vgl RIS-Justiz RS0029095). Für die Verwirklichung des Entlassungsgrundes ist dabei schon Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers ausreichend. Auf das Vorliegen einer Schädigungsabsicht kommt es nicht an (vgl etwa RIS-Justiz RS0029531 ua).
Soweit die Beklagten in der Revision aus der Anfertigung von Kopien der Personalstammdatenblätter und deren Überlassung an die Arbeiterkammer eine Vertrauensunwürdigkeit der Klägerin im dargestellten Sinne abzuleiten versucht ist im Wesentlichen darauf hinzuweisen, dass Entlassungsgründe nur solche Tatbestände darstellen können, die bereits vor Ausspruch der Entlassung vorgelegen sind, mögen sie auch erst später hervorkommen (RIS-Justiz RS0028962 mwN etwa WBl 1987, 342 = Arb 10.649; RIS-Justiz RS0026088, RS0029378). Das bedeutet, dass die Entlassungsgründe zumindest im Zeitpunkt der Lösung des Arbeitsverhältnisses bereits eingetreten sein müssen. Damit fallen aber die Argumente der Beklagten aus der erst nach der Entlassung vorgenommenen Überlassung der Kopien der Personalstammdatenblätter an die Arbeiterkammer schon deshalb weg. Die Anfertigung der Kopien selbst war durch sachliche Erfordernisse im Zusammenhang mit der Ummeldung gerechtfertigt. Inwieweit die der mangelnde Rückgabe der Kopien der Stammdatenblätter, die offensichtlich ohnehin im Original bei der Beklagten waren, bereits im Zeitpunkt der Entlassung die Befürchtung der Interessenbeeinträchtigung im obigen Sinne rechtfertigen werden können, vermag die Beklagte nicht darzustellen. Insbesondere wird nicht angeführt, dass diese Personalstammdatenblätter besonders vertrauliche Daten enthalten würden. Es ist daher nicht ersichtlich, inwieweit alleine die mangelnde Ausfolgung der berechtigt angefertigten Kopien über eine bloße Ordnungswidrigkeit hinausgehen sollte.
Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang weitere Feststellungen zur Frage der Kopie des Stelleninserates anstrebt, bekämpft sie in unzulässiger Weise dies Beweiswürdigung des Erstgerichtes. Wenn letztlich die Beklagte noch geltend macht, dass ausgehend von dem schuldhaften Verhalten der Klägerin, das die Entlassung rechtfertigen würde, zumindest deren Mitverschulden im Sinne des § 32 AngG anzunehmen wäre, übersieht sie, dass dafür gerade das Verhalten, das zur Berechtigung der Entlassung nicht ausreichte, nicht herangezogen werden kann (vgl RIS-Justiz RS0021719 mwN ebenso RIS-Justiz RS0028224; zuletzt etwa Apathy in seiner Entscheidungsbesprechung zu OGH 26. 4. 2001, 8 ObA 76/01m = DRdA 2002/19, 289). Vielmehr würde sie voraussetzen, dass überhaupt ein Entlassungsgrund, etwa die erhebliche Ehrverletzung im Sinne des § 27 Z 6 AngG (vgl dazu etwa Rauch Mitverschulden im Arbeitsrecht ASoK 2000, 354 ff) zu bejahen wäre. Hat aber der geltend gemachte Entlassungsgrund nicht dieses Gewicht, so kann er vom Arbeitgeber, der die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses unberechtigt ausgesprochen hat, auch nicht für den Mitverschuldenseinwand herangezogen werden.
Insgesamt ist daher die Revision der Beklagten nicht berechtigt. Die Kostentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG sowie 50 und 41 ZPO.
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