OGH 8Ob98/15t

OGH8Ob98/15t19.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) M***** G*****, 2) H***** M*****, 3) DI A***** P*****, 4) G***** U*****, 5) B***** W*****, und 6) Mag. E***** W*****, alle vertreten durch die Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Ltd, *****, vertreten durch die CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Leistung (Gesamtstreitwert 123.628,23 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Mai 2015, GZ 1 R 5/15k‑60, mit dem das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 3. November 2014, GZ 56 Cg 56/13y‑54, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00098.15T.0219.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung wird der Endentscheidung vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

Das Verfahren wird derzeit nur gegen die (frühere) Zweitbeklagte geführt. Bei dieser handelt es sich um eine Gesellschaft mit Sitz auf der Kanalinsel Jersey. Bis 31. 7. 2008 firmierte sie unter „M***** Ltd (M*****)“. Seit 2003 notieren an der Wiener Börse von der österreichischen Kontrollbank AG ausgestellte Zertifikate (M*****‑Zertifikate), die die von ihr gehaltenen Namensaktien der Beklagten vertreten. Die M***** Bank war mit der Platzierung der Zertifikate an der Börse beauftragt. Darüber hinaus übernahm sie das „Market Making“, nach dem sie für eine ausreichende Liquidität für den Zertifikatshandel und für eine stabile Kursentwicklung zu sorgen hatte. Die Platzierung und das Market Making besorgte die M***** Bank über ihre Tochtergesellschaft S***** in Aruba. Das Placement and Market Maker Agreement (PMMA) zwischen der Beklagten und der M***** Bank wurde am 17. 6. 2004 abgeschlossen. Dieses enthielt auszugsweise folgende Bestimmungen:

„...

3.2 Die Emittentin erstellt den für das öffentliche Zeichnungsangebot und für die Handelszulassung der Wertpapiere im amtlichen Handel der Wiener Börse erforderlichen Prospekt. Die M ***** Bank agiert als Prospektkontrollor durch eine Bank gemäß österreichischem Kapitalmarktgesetz (§ 8 Abs 2 KMG bzw § 8 Abs 5 KMG).

3.8 Die M ***** Bank koordiniert die entsprechenden Marketing‑ und Werbemaßnahmen mit der Emittentin. Die Emittentin verpflichtet sich, vor Verwendung jedweden Marketings-, Werbe- bzw Informationsmaterials die schriftliche Zustimmung der M***** Bank einzuholen. Die in sämtlichen Materialien dargelegten Informationen müssen mit den im Prospekt enthaltenen Informationen übereinstimmen (§ 69 Abs 3 BörseG, § 7 KMG), soweit der Prospekt aktuellen Standes ist.

5.2 

Damit die M ***** Bank Wertpapiere nach Bedarf zurückkaufen und die Handelsliquidität der Wertpapiere an der Börse aufrecht erhalten kann, verpflichtet sich die Emittentin, in jedem Kalenderjahr der M***** Bank, auf Ersuchen der M***** Bank, Wertpapiere bis zu einem Höchstwert von 10 % des Aktienkapitals der Emittentin oder, alternativ dazu, Barmittel bis zu einem Höchstbetrag von 10 % des Werts der im Publikumsbesitz befindlichen Wertpapiere, in Abhängigkeit von der Liquiditätssituation der Emittentin, zur Verfügung zu stellen. ...“

Diese Vereinbarung war ab 17. 6. 2004 auf alle Kapitalerhöhungen der Beklagten anwendbar. Die Market‑Maker‑Tätigkeit der M***** Bank dauerte bis Sommer 2007. Ab 12. 7. 2005 war sie berechtigt, nicht nur 10 %, sondern 29,9 % der am Markt befindlichen Zertifikate mit Geldern der Beklagten zurückzukaufen.

Die Beklagte führte im Frühjahr und im Herbst 2006 Kapitalerhöhungen durch. Ihre Ad‑hoc‑Mitteilungen zu diesen Kapitalerhöhungen waren irreführend. Darin wurde mitgeteilt, dass die Kapitalerhöhungen jeweils erfolgreich abgeschlossen und alle angebotenen „Aktien“ bei privaten und institutionellen Investoren platziert worden seien. Es wurde nicht offengelegt, dass zum Zweck der „Kurspflege“ die Vollplatzierung der Zertifikate (durch Ankauf der nicht beim Publikum platzierten Zertifikate) mit Geldern der Beklagten selbst finanziert wurde. Hinsichtlich dieser Kapitalerhöhungen im Jahr 2006 sind auch tatsächlich entsprechend Eigenankäufe durch die Beklagte über die S***** erfolgt.

Eine Ad‑hoc‑Mitteilung, die offenlegt, dass auch ein Rückkauf der Zertifikate mit Geldern der Beklagten (ab Juli 2005 bis zu 29,9 % der ausgegebenen Zertifikate) erfolgen konnte und dies nach der gemeinsamen Strategie der Beklagten und der M***** Bank vorgesehen war, gab es nicht. Rückkäufe (ebenfalls über die S*****) haben ab März 2006 bis Mitte Juli 2006 und in geringem Ausmaß im November 2006 stattgefunden.

In der Ad‑hoc‑Meldung vom 28. 7. 2007 wurde ausgeführt: „Vor dem Hintergrund der bis 2010 zu erwartenden Wertsteigerung von rund 15 % sieht das Management der M***** den Titel mit einem aktuellen Kurs von 20 EUR sehr günstig bewertet und plant daher ein umfangreiches Aktienrückkaufprogramm, das in einer am 23. 8. stattfindenden außerordentlichen Hauptversammlung beschlossen werden soll. Vorerst plant die Gesellschaft, eigene Aktien in einem Ausmaß von bis zu 10 % des Grundkapitals zu erwerben.“ Im Zeitraum Februar 2007 bis 27. 7. 2007 wurden Zertifikate der Beklagten in erheblichem Ausmaß über die S***** zurückgekauft.

In den Kapitalmarktprospekten der Beklagten wurde hinsichtlich des Rückkaufs von Zertifikaten ausgeführt, dass die M***** Bank (als Market Maker) mit Geldern der Beklagten Zertifikate im Ausmaß von 10 % der ausgegebenen „Aktien“ zurückkaufen darf. Darin war nicht offengelegt, dass ein Rückkauf mit Geldern der Beklagten (ab Juli 2005) bis zu 29,9 % der ausgegebenen Zertifikate erfolgen konnte und nach der gemeinsamen Strategie der Beklagten und der M***** Bank vorgesehen war. Es wurde auch nicht darauf hingewiesen, dass die Beklagte (über die S*****) wesentliche Bestände an eigenen Zertifikaten gehalten und gehandelt hat.

In den Werbebroschüren wurden die Wertpapiere unzutreffend als „Aktien“ bezeichnet. Es wurde der unrichtige Eindruck erweckt, die Wertpapiere würden den Schwankungen des Aktienmarkts nicht unterliegen und seien sicherer als andere Aktien. Zur Kapitalerhöhung im Jahr 2007 wurde eine eigene Werbeunterlage aufgelegt, in der die hohe Sicherheit der M***** hervorgehoben und ein stabiler Ertrag versprochen wurde.

Die Kläger investierten zu unterschiedlichen Zeitpunkten in M*****‑Zertifikate. Der Erstkläger hält die erworbenen Zertifikate nach wie vor. Die übrigen Kläger verkauften ihre Zertifikate vornehmlich im Jahr 2007.

Die Kläger erhoben gegen die Beklagte eine Schadenersatzklage. Das Begehren des Erstklägers lautet auf eine sogenannte „Naturalrestitution“ Zug um Zug gegen Rückübertragung der erworbenen Zertifikate. Die übrigen Kläger begehrten den (rechnerischen) Differenzschaden. Sie seien durch eine von der Beklagten zu verantwortende irreführende Werbung zum Erwerb der Zertifikate verleitet worden. Außerdem hafte die Beklagte aufgrund irreführender und unrichtiger sowie aufgrund verspäteter oder fehlender Ad‑hoc‑Meldungen nach § 48d BörseG.

Die Beklagte entgegnete, dass Kursmanipulationen nicht stattgefunden hätten. Ihr sei nicht bekannt, von wem die Zertifikate bei den jeweiligen Kapitalerhöhungen gekauft worden seien. Die Möglichkeit von Zertifikatsrückkäufen sei, obwohl dies nicht veröffentlichungspflichtig gewesen sei, bekanntgemacht worden. Bei den §§ 48a und 48d BörseG handle es sich nicht um Schutzgesetze. Die Werbebroschüren seien ihr nicht zurechenbar. Diese seien nicht von ihr veröffentlicht und verbreitet worden.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren (aus dem Titel der „Ad‑hoc‑Meldungen“) teilweise statt. Die Kostenentscheidung behielt es der Endentscheidung vor. Prospekthaftungsansprüche bestünden, wenn ein Anleger durch falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewegt werde. Für eine sachlich richtige und vollständige Information hätten alle jene Personen einzustehen, die durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen besonderen Vertrauenstatbestand schafften. Der Beklagten sei das Wissen über den Inhalt der Werbebroschüren (über ihr damaliges Boardmitglied MMag. W*****) nur bis Juni 2005 zurechenbar. Die irreführenden Ad‑hoc‑Meldungen der Beklagten zu den Kapitalerhöhungen im Frühjahr und Herbst 2006 sowie die ebenfalls irreführende Ad‑hoc‑Mitteilung vom 27. 7. 2007 seien als Nachrichten bzw Informationen iSd § 48a Abs 1 Z 2 lit c BörseG zu werten und von der Beklagten zu vertreten. Auch die Ad‑hoc‑Meldung betreffend die „Partly Paid Shares“ (PPS) sei aufgrund der Unvollständigkeit der Angaben als irreführend zu qualifizieren. Gemäß § 48d Abs 1 BörseG hätten die Emittenten von Finanzinstrumenten Insiderinformationen, die sie unmittelbar beträfen, unverzüglich der Öffentlichkeit bekanntzugeben. Die Information, dass ab Juli 2005 zu Market‑Maker‑Zwecken 29,9 % des Zertifikatsvolumens zurückgekauft werden könne, sei bewusst vor der Öffentlichkeit geheimgehalten worden. Das Verbot der Marktmanipulation nach § 48a BörseG und die Ad‑hoc‑Publizitätspflicht nach § 48d BörseG seien als Schutzgesetze anzusehen. Aus diesen Überlegungen folge, dass die Beklagte für sämtliche Erwerbe, die zeitlich nach den irreführenden Ad‑hoc‑Meldungen aus Februar 2006 und November 2006 getätigt worden seien, schadenersatzpflichtig sei. Zudem habe die Beklagte dem Drittkläger auch den Schaden aus dem Zertifikatserwerb vom 13. 10. 2004 zu ersetzen, weil dieser bei richtigen Ad‑hoc‑Meldungen, von denen er über seinen Berater erfahren hätte, die erworbenen Zertifikate verkauft hätte.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen des Erstklägers und der Sechstklägerin einerseits sowie jener der Beklagten andererseits nicht Folge. Das Erstgericht habe das Klagebegehren des Erstklägers aus den Zertifikatserwerben vom 13. 10. 2005 und vom 24. 10. 2005 zu Recht abgewiesen. Der Erstkläger habe nicht vorgebracht, dass die Rückkäufe bis zu 29,9 % des Zertifikatsvolumens (ab Juli 2005) geeignet gewesen wären, den Kurs zu beeinflussen. Das Klagebegehren der Sechstklägerin sei hinsichtlich der Erwerbsvorgänge vom 18. 8. 2005 und 27. 10. 2005 ebenfalls zu Recht abgewiesen worden. In dieser Hinsicht habe nicht festgestellt werden können, wie die Sechstklägerin ihr Geld angelegt hätte.

Auch die Berufung der Beklagten sei nicht berechtigt. Die für die Erfüllung der Ad‑hoc‑Publizitätspflicht verantwortliche Emittentin werde schadenersatzpflichtig, wenn pflichtwidrig und schuldhaft Ad‑hoc‑Mitteilungen unterlassen worden oder diese unrichtig gewesen seien. Die Möglichkeit des Rückkaufs von Zertifikaten im Ausmaß bis zu 29,9 % (ab Juli 2005) habe eine Insiderinformation iSd § 48a Abs 1 Z 1 BörseG dargestellt. Dazu hätte gemäß § 48d Abs 1 BörseG eine Ad‑hoc‑Meldung erfolgen müssen. § 48d BörseG sei ein Schutzgesetz. Die Ad‑hoc‑Meldungen der Beklagten aus Februar und November 2006 seien irreführend gewesen. Damit habe eine Verletzung des § 48a Abs 1 Z 1 lit c BörseG bestanden. Das Erstgericht habe dazu allerdings festgestellt, dass der Erstkläger, der Zweitkläger, die Fünftklägerin und die Sechstklägerin Ad‑hoc‑Meldungen nicht gelesen hätten. Ob der jeweilige Berater dies getan habe, habe das Erstgericht nicht feststellen können. In dieser Hinsicht fehle es daher an der Kausalität einer unrichtigen oder unterlassenen Ad‑hoc‑Meldung. Anderes gelte für den Drittkläger, weil er aus den Ad‑hoc‑Meldungen aus Februar und November 2006, wären diese vollständig und richtig gewesen, über seinen Berater zeitnah erfahren hätte, dass die Kapitalerhöhungen zu einem großen Teil nicht am Markt hätten platziert werden können. Hinsichtlich des Drittklägers erweise sich die Klagsstattgebung daher als richtig. Das Gleiche gelte für die Viertklägerin hinsichtlich der Ankäufe nach Februar 2006. Dem Drittkläger und der Viertklägerin stünden somit Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Pflicht zur Abgabe einer korrekten Ad‑hoc‑Mitteilung in Bezug auf die unrichtigen Ad‑hoc‑Meldungen aus Februar 2006 und November 2006 zu.

Zugunsten aller Kläger bestehe der jeweils im Urteil des Erstgerichts zugesprochene Schadensbetrag aus dem Titel der Prospekthaftung zu Recht. Prospekthaftungsansprüche bestünden dann, wenn ein Anleger durch falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewegt werde. Für eine sachlich richtige und vollständige Information hätten all jene Personen einzustehen, die durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen besonderen Vertrauenstatbestand schafften. In den Werbebroschüren seien die Zertifikate der Beklagten beworben worden; zudem sei die Beklagte darin „vorgestellt“ worden. Die Werbebroschüren habe es bereits seit dem Jahr 2002 gegeben. Die Grundaussage sei im Wesentlichen unverändert geblieben. Danach seien die Zertifikate fälschlicherweise als sicherer als andere Aktien dargestellt worden. Dem Vorstandsmitglied MMag. W***** seien die Werbebroschüren bekannt gewesen. Dass die jahrelange Verwendung der Werbebroschüren ohne Wissen und Willen der Beklagten erfolgt sei, könne nach den Umständen nicht unterstellt werden. Angemerkt werde, dass eine Berücksichtigung der Prospekthaftung als Anspruchsgrundlage bei der Berufung des Erstklägers und der Sechstklägerin nicht möglich gewesen sei, zumal sich diese in ihrer Berufung nicht auf diese Anspruchsgrundlage gestützt, diese also fallen gelassen hätten.

Den Verjährungseinwand der Beklagten habe das Erstgericht als unsubstanziiert qualifiziert und daher verworfen. In der Berufung sei die Beklagte auf den Verjährungseinwand nicht mehr zurückgekommen.

Die Revision sei zulässig, weil zur Frage der Zurechnung der irreführenden Werbebroschüren eines der Emittentin nahestehenden dritten Verkäufers (der M***** Bank) höchstgerichtlicher Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, die auf eine vollständige Abweisung der Klagebegehren abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragen die Kläger, der Revision den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zur Frage der Behauptungs- und Beweislast für den Rechts-widrigkeitszusammenhang eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheint. Die Revision ist aber nicht berechtigt.

1.1  Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor.

1.2  Zur Frage der Kenntnis von MMag. W***** vom Inhalt der Werbebroschüren führt die Beklagte in der Revision aus, dass sich das Berufungsgericht mit der dazu erhobenen Beweisrüge nicht auseinandergesetzt habe. Im Urteil des Erstgerichts fehle jede Begründung zu dieser Feststellung. Außerdem sei MMag. W***** nach Juni 2005 kein Board‑Mitglied der Beklagten mehr gewesen.

Eine personelle Verflechtung auf Organebene zwischen der M***** Bank und der Beklagten war (über MMag. W*****) auch nach dem 20. 6. 2005 gegeben. Das Management der Beklagten wurde von der MER***** (100%ige Tochter der M***** Bank) besorgt. MMag. W***** war Vorstand der M***** Bank. Zudem war er bis 20. 6. 2005 im Board der Beklagten; ab 21. 6. 2005 wechselte er in das Board der MER*****.

Entgegen den Ausführungen der Beklagten hat das Erstgericht den Wissensstand von MMag. W***** nicht nur mit dem Wort „selbstverständlich“ begründet. Vielmehr hat es in der Beweiswürdigung seine Überzeugung ausgedrückt, dass die Mitglieder leitender Gesellschaftsorgane regelmäßig über relevante Vorgänge im Unternehmen informiert seien, insbesondere wenn es um Transaktionen im Wert mehrerer hundert Millionen Euro gehe. Das Berufungsgericht hat dazu ‑ wenn auch eher knapp ‑ ausgeführt, dass dann, wenn jemand drei Jahre lang im Board einer Gesellschaft tätig sei, ihm während dieser Zeit nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch die Werbebroschüren der Gesellschaft zur Kenntnis gelangten. Es wäre lebensfremd, etwas anderes anzunehmen.

Da der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist, kann eine ‑ selbst mangelhafte oder unzureichende ‑ Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht angefochten werden, wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt befasst hat (RIS‑Justiz RS0043371; 7 Ob 62/14i). Von einem Begründungsmangel kann demnach nicht ausgegangen werden.

1.3  Weiters führt die Beklagte in der Revision aus, dass zur Schadensberechnung ein Begründungsmangel des Erstgerichts vorliege. In der Berufung habe sie dargestellt, dass die Schadenshöhe hinsichtlich der Viertklägerin falsch berechnet worden sei. Das Berufungsgericht habe sich mit dieser Rüge nicht auseinandergesetzt.

Ein Verweis in der Revision auf die Ausführungen in einem anderen Rechtsmittel oder in einem sonstigen Schriftsatz ist unzulässig. Dadurch werden die Ausführungen, auf die verwiesen wird, nicht zum Inhalt der Revision (RIS‑Justiz RS0043579; RS0007029). Inhaltlich beziehen sich die angesprochenen Überlegungen der Beklagten in der Berufung in erster Linie auf die Zertifikatserwerbe vor den Ad-hoc-Meldungen im Jahr 2006. Demgegenüber hat das Berufungsgericht seine Entscheidung in Bezug auf alle Kläger vor allem auf den Titel der Prospekthaftung gestützt. Die Beklagte müsste die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels konkret darstellen.

1.4  Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass es gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoße, wenn Berichte von Hilfsorganen (hier O*****) der Verwaltungsbehörde (hier F*****) im gerichtlichen Verfahren verwertet würden. Auf Basis der ZPO sei die Verwertung des O*****‑Berichts unzulässig; diesem Bericht komme daher kein Beweiswert zu. Ein derartiger Verfahrensmangel müsse nicht sofort gerügt werden. Außerdem sei eine derartige Rüge rechtzeitig erfolgt.

Die Frage, ob die Verwertung des in Rede stehenden O*****‑Berichts einen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 276 ZPO darstellt, wurde vom Obersten Gerichtshof bereits verneint. In der Entscheidung 1 Ob 39/15i (dieser folgend 9 Ob 27/15h und 6 Ob 111/15i) wurde dazu ausgesprochen, dass der O*****‑Prüfbericht zwar keine öffentliche Urkunde, keine schriftliche Zeugenaussage und auch kein gerichtliches Sachverständigengutachten sei. Dies stehe seiner Verwertung jedoch nicht entgegen. Der Grundsatz der sachlichen Unmittelbarkeit sei nämlich kein Gut an sich und kein Selbstzweck, sondern vielmehr Mittel zur Wahrheitsfindung. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die ZPO kaum Beweisverbote kenne. Die Beweismittel seien in der ZPO auch nicht taxativ aufgezählt. Vielmehr komme als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falls zweckdienlich sei. Der offene Zugang gegenüber allen in Betracht kommenden Erkenntnisquellen sei in gewisser Weise das Korrelat zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Letztlich gehe es stets um die Frage, welchen Stellenwert die Beweismittel im Rahmen des gesamten Prozessstoffs hätten und inwieweit die Aufnahme zusätzlicher mittelbarer oder unmittelbarer Beweise geboten sei. Die Frage, inwieweit durch Aufnahme unmittelbarer Beweise ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn zu erwarten sei, falle in den Bereich der Beweiswürdigung. Gerade bei öffentlichen Stellen sei anerkannt, dass schriftliche Angaben ein zulässiges Beweismittel darstellten. So entspreche es der herrschenden Auffassung, dass es sich auch bei der schriftlichen Beantwortung einer Anfrage um ein zulässiges Beweismittel handle, das entweder als Urkunden- oder als Sachverständigenbeweis qualifiziert werden könne. Demnach könne auch im Gerichtsverfahren der O*****‑Bericht, der weder schriftliche Zeugenaussage noch Gerichtsgutachten sei und für den Zivilprozess am ehesten dem Urkundenbeweis gleichgestellt werden könne, ergänzt oder widerlegt werden. Der O*****‑Prüfbericht sei demnach bei der Beurteilung der Streitsache zu berücksichtigen.

Diese Grundsätze gelten auch für den vorliegenden Fall. Auch hier war der O*****‑Bericht vor allem für die Aufklärung des Sachverhalts über die Umstände für das Zustandekommen der einzelnen Ad‑hoc‑Meldungen der Beklagten von Bedeutung.

2.  Zu den inhaltlichen Ausführungen in der Revision ist vorweg darauf hinzuweisen, dass diese schwerpunktmäßig das Argument betreffen, für die Bejahung der einzelnen Haftungselemente seien keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden. Diesen Überlegungen kommt keine Berechtigung zu. Vielfach bezieht sich die Revision auf die Beweiswürdigung, die in dritter Instanz nicht mehr angefochten werden kann (RIS Justiz RS0043371).

3.1  Ein Themenkomplex in der Revision betrifft die Frage der Ad‑hoc‑Mitteilungen.

In diesem Zusammenhang bestreitet die Beklagte zunächst die Kausalität der „unterlassenen“ Ad‑hoc‑Meldungen für den Schaden des Drittklägers aus dem (zunächst) unterbliebenen Verkauf der Zertifikate. Bei einer entsprechenden Meldung wäre der Wertverfall der Zertifikate nur zeitlich vorverlagert worden, noch ehe der Drittkläger von den Kapitalmarktinformationen erfahren hätte. Die Beweislast, dass bei gebotenem Verhalten der Schaden nicht eingetreten wäre, treffe die Kläger (7 Ob 62/14i). Es stehe nicht fest, dass der Drittkläger bei rechtzeitiger (tatsächlich unterlassener) Ad‑hoc‑Mitteilung verlustfrei verkauft hätte.

Die Anspruchsgrundlage der Verletzung der Ad‑hoc‑Publizitätsverpflichtung hat das Berufungsgericht nur hinsichtlich des Drittklägers und der Viertklägerin bejaht. Zu den Kapitalerhöhungen und den damit verbundenen Zertifikatsplatzierungen im Frühjahr und Herbst 2006 bestanden entsprechende Ad‑hoc‑Mitteilungen der Beklagten, die irreführend waren. Das Gleiche gilt für die Ad‑hoc‑Mitteilung vom 28. 7. 2007 in Bezug auf das „Aktienrückkaufprogramm“. Mit dieser zuletzt erwähnten Ad‑hoc‑Mitteilung hat die Beklagte ihre irreführende Marktstrategie beibehalten. Hinsichtlich der Zertifikatserwerbe, die zeitlich im Anschluss an die jeweiligen falschen Ad‑hoc‑Mitteilungen erfolgt sind, trifft die Beklagte der Vorwurf der Irreführung durch positives Tun. Dies gilt auch für die Zertifikatsverkäufe, die zeitlich nach der unrichtigen Ad‑hoc‑Mitteilung vom 28. 7. 2007 erfolgt sind. Auch in dieser Hinsicht geht es nicht um den Vorwurf in Bezug auf das Unterlassen einer früheren (richtigen) Ad‑hoc‑Mitteilung der Beklagten. Dementsprechend bezieht sich die Beklagte im gegebenen Zusammenhang darauf, dass der Drittkläger einen Teil der Zertifikate schon vor 28. 7. 2007, nämlich am 19. 10. 2006 und am 19. 7. 2007, verkauft hat. Das Gleiche gilt für die Verkäufe der Viertklägerin am 31. 8. 2006 und am 7. 2. 2007.

Das Berufungsgericht hat im gegebenen Zusammenhang ausgeführt, es sei nicht zwingend, dass eine Ad‑hoc‑Meldung mit kursrelevanten Informationen den Kurs sofort beeinflusse. Diese Beurteilung erweist sich jedenfalls insoweit als stichhaltig, als sich daraus ergibt, dass Marktreaktionen auf tatsächlich unterlassene, also hypothetische frühere Ad‑hoc‑Mitteilungen für einen Anleger schwer einschätzbar und mangels Kenntnis der Marktlage und der relevanten Faktoren für das Marktgeschehen kaum beweisbar sind. In dieser Hinsicht ist es gerechtfertigt, von einem Beweisnotstand des Anlegers auszugehen und zu seinen Gunsten den prima facie‑Beweis zuzulassen (vgl RIS‑Justiz RS0040182; RS0123919; 8 Ob 53/14y; 8 Ob 117/15m). In diesem Sinn ist bei einer Schadenszufügung durch Unterlassung der Geschädigte in Bezug auf die Kausalität ganz allgemein nur dafür beweispflichtig, dass überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Unterlassen des pflichtgemäßen Handelns des Beklagten herbeigeführt worden (RIS‑Justiz RS0022900; 4 Ob 145/11v). Es ist somit prima facie davon auszugehen, dass im Fall einer pflichtgemäßen (in Wahrheit aber unterlassenen) Ad‑hoc‑Mitteilung ein Verkauf der Wertpapiere durch den Anleger noch vor dem Eintritt des Kursverfalls hätte bewerkstelligt werden können. Diese Annahme kann der Schädiger entkräften. Der in der Entscheidung 7 Ob 62/14i enthaltene Rechtssatz, wonach Beweiserleichterungen wie im Arzthaftungsrecht für geschädigte Anleger nicht bestünden und der Kläger daher sowohl eine Falschberatung als auch deren Kausalität für die Anlageentscheidung beweisen müsse, betrifft die im Vergleichsfall konkret erfolgte Beratung und damit die Schadenszufügung durch positives Tun.

3.2  Zu dem in Rede stehenden Themenkomplex bestreitet die Beklagte das Tatbestandsmerkmal der Kausalität mit einem weiteren Argument. Ein Anleger, der nicht wisse, was eine Ad‑hoc‑Mitteilung sei und ausdrücke, könne auf die darin enthaltenen Informationen auch nicht vertrauen.

Ist eine (hier irreführende) Ad‑hoc‑Meldung zu veranlagungs- bzw kursrelevanten Informationen tatsächlich erfolgt, so ist davon auszugehen, dass sie ‑ so wie andere öffentlich bekannte Informationen ‑ dem verständigen Anleger auch zur Kenntnis gelangt ist. Entsprechende Veröffentlichungen schaffen beim Anleger einen berechtigten Vertrauenstatbestand (1 Ob 39/15i).

Bei einem Verstoß durch Unterlassung der Meldepflicht kommt es für die Frage, ob der Anleger bei Einhaltung der Publizitätspflicht vom Inhalt der Mitteilung erfahren hätte, nicht nur auf die eigene Lektüre derartiger Mitteilungen an, weil derartige Informationen typischerweise auch von anderen Informationsquellen, wie zB über Berater, bezogen werden (6 Ob 71/15g). Im Fall einer unterlassenen Ad‑hoc‑Meldung stellt sich die Kausalitätsprüfung demnach derart dar, dass zu fragen ist, ob der Anleger bei Einhaltung der gebotenen Ad‑hoc‑Meldepflicht vom Inhalt der Mitteilung erfahren hätte und, wenn dies der Fall ist, ob er eine andere Veranlagungsentscheidung getroffen hätte. Dabei genügt ‑ jedenfalls hinsichtlich der ersten Frage ‑ der Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden auf das Unterlassen des pflichtgemäßen Handelns zurückzuführen ist (9 Ob 26/14k; 10 Ob 85/14v; vgl auch 6 Ob 98/15b).

Nach den Feststellungen (auch ohne Reduzierung des Beweismaßes) gelangten den Beratern des Drittklägers und der Viertklägerin Ad‑hoc‑Meldungen betreffend die M***** zur Kenntnis. Sie gaben die Informationen auch an die Kunden weiter. Der Einwand der Beklagten zur fehlenden Kausalität ist damit nicht berechtigt.

3.3  Weiters vertritt die Beklagte die Ansicht, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass sie von den Ankäufen im Rahmen der Kapitalerhöhungen und den Rückkäufen mit ihren eigenen Geldern hätte wissen müssen. Die Information der M***** Bank, wonach die Kapitalerhöhungen voll platziert worden seien, habe sie nicht überprüfen müssen.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass eine Haftung der Beklagten nicht erst bei Wissentlichkeit gegeben wäre. Vielmehr genügt die fahrlässige Unkenntnis von der Irreführung oder der Unrichtigkeit der Ad‑hoc‑Meldungen. Bei fehlender Überprüfung des Wahrheitsgehalts der veröffentlichten Mitteilungen ist die Unkenntnis auch vorwerfbar (4 Ob 239/14x; 1 Ob 39/15i).

Eine Wissenszurechnung zur Beklagten aufgrund der personellen Verflechtung auf Organebene über MMag. W***** kann der Beklagten in Ansehung der Ad‑hoc‑Mitteilungen nicht angelastet werden, weil das Berufungsgericht die Feststellungen des Erstgerichts zum Kenntnisstand der Organmitglieder nicht übernommen hat. Der Beklagten ist im Rahmen der Veröffentlichungspflicht jedoch die fehlende Überprüfung des Wahrheitsgehalts der irreführenden Ad‑hoc‑Mitteilungen und damit fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen. Nach diesen Grundsätzen ist die Zurechnung der irreführenden Ad‑hoc‑Mitteilungen an die Beklagte somit zu bejahen. Die bloße Behauptung, von den Vorgängen keine Kenntnis gehabt zu haben, entbindet die Beklagte nicht von ihrer diesbezüglichen Sorgfaltspflicht (vgl 4 Ob 239/14x; 1 Ob 39/15i).

3.4  Die Beklagte führt in der Revision noch aus, dass bei der Verletzung von Kapitalmarktvorschriften Schäden aus dem allgemeinen Marktrisiko nicht vom Emittenten verursacht seien (6 Ob 28/12d). Dem allgemeinen Marktrisiko zuzuordnende Nachteile seien daher nicht ersatzfähig. Mangels entsprechender Feststellungen könne nicht beurteilt werden, ob der von den Klägern geltend gemachte Schadenersatzanspruch auch solche Elemente beinhalte.

In der zitierten Entscheidung 6 Ob 28/12d (vgl auch 6 Ob 98/15b) wurde unter Hinweis auf Meinungen im Schrifttum zu einem geltend gemachten Kursdifferenzschaden ausgeführt, dass in der Literatur bereits zu Recht auf die Gefahr einer Überkompensation hingewiesen worden sei, wenn dem Kläger der Kursdifferenzschaden ohne Rücksicht auf das von ihm zu vertretende allgemeine Marktrisiko zugesprochen würde. Demnach könne der Geschädigte zwar Naturalrestitution begehren. Er müsse sich aber den „Vorteil“, der in der Rückabwicklung liege, anrechnen lassen. Kursverluste, die nicht im Zusammenhang mit dem Beratungsfehler stünden, seien daher vom Anleger zu tragen. Mangels entsprechend konkreten Vorbringens und diesbezüglicher Feststellungen könne (im Vergleichsfall) nicht beurteilt werden, ob der vom Kläger geltend gemachte Schadenersatzanspruch derartige Elemente eines allgemeinen, unabhängig von den behaupteten Kursmanipulationen und sonstigen Verstößen der beklagten Partei eingetretenen Marktrisikos beinhalte.

Nach dem Verkauf der Wertpapiere durch den geschädigten Anleger besteht der Schaden in der Differenz zwischen dem hypothetischen heutigen Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis abzüglich des heute tatsächlichen Vermögenswerts (6 Ob 231/10d; 6 Ob 8/11m). Maßgeblich für die Höhe des Schadenersatzes sind somit der Kurs der Alternativanlage einerseits und der Verkaufserlös der tatsächlich erworbenen Wertpapiere andererseits. Wenn der Kläger den Schaden nach diesen Grundsätzen berechnet, so hat er diesen schlüssig dargestellt. Das Marktgeschehen und Elemente der (hypothetischen) Marktentwicklung sind für den Anleger nicht, jedenfalls aber wesentlich schwieriger als für Marktteilnehmer mit Expertenwissen, zu durchschauen. Sich daraus ergebende Umstände, die für eine „Minderung“ des Schadens sprechen können, sind vom Schädiger darzulegen. Es würde die Anforderungen an das Vorbringen des geschädigten Anlegers überspannen, müsste dieses von vornherein auch erkennen lassen, inwieweit der geltend gemachte Schadenersatzanspruch Elemente eines allgemeinen, unabhängig von behaupteten Kursmanipulationen oder sonstigen Verstößen eingetretenen Marktrisikos enthält. Insoweit aus der Entscheidung 6 Ob 28/12d (vgl auch 1 Ob 39/15i) Gegenteiliges abgeleitet werden kann, wird ihr nicht gefolgt.

Wendehorst (Anlageberatung, Risikoaufklärung und Rechtswidrigkeitszusammenhang, ÖBA 2010, 562), die im gegebenen Zusammenhang in der Entscheidung 6 Ob 28/12d zitiert wird, bezieht sich darauf, dass sich in einem Fehlberatungsfall nicht nur ein aufklärungspflichtiges produktspezifisches (tatsächlich verschwiegenes) Risiko, sondern auch ein nicht aufklärungspflichtiges atypisches Risiko (zB Malversationen oder Inflation) verwirklicht. In diesem Fall sei der Anleger vom Berater in die Lage zu versetzen, in der er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung befände, das heißt, der Berater habe dem Anleger Zug um Zug gegen Übertragung der unerwünschten Papiere anlegergerechte Papiere von der Art zu verschaffen, wie sie der Anleger hypothetisch gewählt hätte. Verlange der Anleger tatsächlich Naturalrestitution, so müsse sich der Geschädigte den Vorteil anrechnen lassen, der im reflexartigen Ersatz des rechnerischen Schadens liege.

Abgesehen davon, dass es im hier zu beurteilenden Fall nicht um einen Beratungsfehler geht und die Kläger auch keinen Anspruch auf Naturalrestitution geltend machen, sowie weiters davon, dass durch die Verletzung der Ad‑hoc‑Publizitätspflicht gerade über die schlechte Kursentwicklung der Zertifikate getäuscht wurde, bezieht sich Wendehorst (ÖBA 2010, 562 [571]) in ihren Überlegungen auf den fehlenden Rechts-widrigkeitszusammenhang, der (ebenfalls) vom Schädiger zu beweisen ist: Sei die Kausalität des Aufklärungsfehlers für die eingetretenen Schäden erwiesen, so müsse der Nachweis, dass es im konkreten Fall am Rechtswidrigkeitszusammenhang mangle, insbesondere dass es sich bei dem verwirklichten Risiko auch nicht um ein abhängiges Risiko handle, eindeutig vom Anlageberater erbracht werden. Das folge schon daraus, dass es sich beim Rechtswidrigkeitszusammenhang ebenso wie etwa bei rechtmäßigem Alternativverhalten sowie dem Dazwischentreten einer fremden Willensbetätigung um Mechanismen zur Haftungsbegrenzung handle, die die Zurechnung des Schadens zum Schädiger, welche mit der Kausalität vordergründig dargelegt sei, konkret widerlegten.

3.5  Im gegebenen Zusammenhang führt die Beklagte schließlich aus, dass bei der Schadensberechnung die hypothetische Alternativveranlagung zu berücksichtigen sei. Den Kläger treffe die Beweislast dafür, dass er bei korrekter Information die tatsächlich gezeichneten Papiere nicht erworben hätte, sowie dafür, wie er sich bei korrekter Information hypothetisch alternativ verhalten hätte.

Diese Ausführungen der Beklagten beziehen sich wiederum auf den Drittkläger. Nach den Feststellungen hätte dieser im Fall einer Alternativveranlagung sein Geld in Aktien der I***** oder der Im***** investiert. Hätte er allerdings gewusst, dass auch die I***** und die Im***** den Ankauf eigener Anteile selbst finanzierten, so hätte er sein Geld auf ein Sparbuch gelegt und keinen Verlust erlitten, sondern Zinsen lukriert.

Das Erstgericht hat somit konkrete Feststellungen zu möglichen Alternativveranlagungen getroffen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, bei der Frage, welches Anlageprodukt alternativ gewählt worden wäre, müsse von einem korrekten Verhalten der beteiligten Marktteilnehmer zum Alternativprodukt ausgegangen werden, ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht vertritt dazu keineswegs die Auffassung, die hier Beklagte hätte den Kläger auch über das Alternativprodukt (Malversationen einer anderen Gesellschaft) aufklären müssen. Vielmehr geht es vom Erfordernis einer korrekten Anlageentscheidung des Anlegers hinsichtlich des Alternativprodukts aus. Es mag durchaus richtig sein, dass bei dieser Sichtweise eine gewisse Divergenz zu einer ex‑ante‑Betrachtung im Veranlagungszeitpunkt besteht. Bei gegenteiliger Sichtweise würde sich die Schadensberechnung jedoch unsachlich zu Lasten des Klägers auswirken, weil diesem die andere Gesellschaft, die Malversationen zum hypothetischen Alternativprodukt zu verantworten hätte, nicht als Haftungssubjekt zur Verfügung steht. Im Übrigen kann im Anlassfall nicht davon ausgegangen werden, dass der Drittkläger alternativ Aktien der I***** oder der Im***** gekauft hätte. Nach den Feststellungen wäre seine Investitionsentscheidung vom subjektiven Kenntnisstand über die Vorgänge bei den alternativen Veranlagungsgesellschaften abhängig gewesen, der aber nicht positiv festgestellt wurde. Gesichert ist demnach nur die Alternativveranlagung auf einem Sparbuch.

4.1  Der weitere Themenkomplex in der Revision der Beklagten betrifft die Prospekthaftung.

Dazu ist ganz allgemein zwischen der Haftung nach § 11 KMG für Kapitalmarktprospekte und jener nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen für Werbeprospekte zu unterscheiden. Voraussetzung für eine Prospekthaftung ist angesichts ihres schadenersatzrechtlichen Charakters, dass der in Anspruch Genommene die Unrichtigkeit der Prospektangaben kennt oder kennen musste. Die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Angaben müssen darüber hinaus wesentlich, also derart beschaffen sein, dass sich unter Anlegung eines objektiven Maßstabs ein durchschnittlicher, verständiger Anleger von diesen Angaben bei einer Auswahlentscheidung unter mehreren Anlagemöglichkeiten beeinflussen lässt. Ein durch irreführende Werbebroschüren verursachter Irrtum über die Risikogeneigtheit und Wertstabilität eines Wertpapiers kommt als Haftungsgrund für einen Schadenersatzanspruch in Betracht (8 Ob 17/12a; 4 Ob 155/14v; vgl auch RIS‑Justiz RS0107352).

4.2  In diesem Zusammenhang anerkennt die Beklagte den Grundsatz, dass eine Haftung dann besteht, ihr die Werbeprospekte also zuzurechnen sind, wenn sie durch ein nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hat und die Unrichtigkeit bzw Irreführung der Prospektangaben kannte oder kennen musste (10 Ob 9/12i). Derartige Feststellungen seien jedoch nicht getroffen worden.

Soweit die Beklagte zunächst ausführt, es gebe keine Feststellung, dass die M***** Bank die Werbung erstellt hätte, sondern nur, dass auf der letzten Seite deren Kontaktdaten aufscheinen, widerspricht sie selbst ihrer Analyse zur Entscheidung 4 Ob 155/14v, wonach mangels Impressums das Anführen der Internetadresse für die Schaffung eines Vertrauenstatbestands ausreiche, durch den das Mitwirken an der Prospektgestaltung nach außen zum Ausdruck gebracht werde. Die Gestaltung der Werbebroschüren durch die M***** Bank ergibt sich im Anlassfall schon klar aus dem PMMA. Das Erstgericht hat zudem festgestellt, dass die Werbebroschüren von der M***** Bank an Fremdbanken zur Weitergabe an deren Kunden verschickt wurden.

Das Erstgericht hat im gegebenen Zusammenhang die Negativfeststellung getroffen, es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagte an der Erstellung der Werbebroschüren mitgewirkt oder sonst Einfluss auf die Textierung genommen habe. In der Beweiswürdigung spricht das Erstgericht davon, dass die Kläger den Nachweis nicht angetreten hätten, dass die Beklagte in die Erstellung und Verbreitung der Werbebroschüren involviert gewesen sei. Das Erstgericht versteht die „Mitwirkung“ demnach im Sinn einer unmittelbaren Beteiligung an der Erstellung. Eine darüber hinausgehende Einbindung in die Werbemaßnahmen ergibt sich jedoch schon aus dem PMMA. In dieser Vereinbarung zwischen der Beklagten und der M***** Bank war vorgesehen, dass die Werbemaßnahmen von der M***** Bank mit der Beklagten koordiniert werden und sämtliche Werbeinformationen dem Kapitalmarktprospekt der Beklagten entsprechen müssen. Die kurs- und veranlagungsrelevanten Informationen waren demnach von der Beklagten vorgegeben. Diese Umstände genügen für eine haftungsrelevante Mitwirkung der Beklagten an der Gestaltung des Inhalts der Werbeinformationen. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass ein Teil der Werbebroschüren auch das Logo der Beklagten getragen hat.

4.3  Weiters meint die Beklagte, es gebe auch keine Feststellung, dass sie die Unrichtigkeit der Werbebroschüren kannte oder kennen musste.

Zu den Werbebroschüren wurde von den Tatsacheninstanzen festgestellt, dass MMag. W***** die Werbebroschüren bekannt waren. Er war Vorstand der M***** Bank. Zudem war er bis 20. 6. 2005 im Board der Beklagten; ab 21. 6. 2005 wechselte er in das Board der MER*****. Eine personelle Verflechtung auf Organebene zwischen der M***** Bank und der Beklagten war somit auch nach dem 20. 6. 2005 gegeben. Das Wissen der Beklagten um den unrichtigen und irreführenden Inhalt der Werbeaussagen und das dahinterstehende Veranlagungsmodell ergibt sich somit aus der personellen Verflechtung auf Organebene. Eine juristische Person muss sich das Wissen sowie die fahrlässige Unkenntnis ihrer für sie handelnden physischen Personen im Rahmen ihres Aufgabenbereichs zurechnen lassen. Dies gilt insbesondere für das Wissen der Mitglieder der (Vertretungs-)Organe (RIS Justiz RS0009172; RS0072655).

4.4  Die Beklagte führt noch aus, die M***** Bank sei hinsichtlich der Werbung nicht ihre Erfüllungsgehilfin gewesen; es handle sich auch nicht um ein verbundenes Unternehmen.

Aufgrund der Verpflichtung zur Koordinierung der Werbemaßnahmen laut PMMA, das eine gemeinsame Umsetzung des Veranlagungs- und Vertriebsmodells vorsieht, ist in Bezug auf die Werbemaßnahmen von einer gemeinsamen Vorgangsweise und einer gegenseitigen Wissenszurechnung der Beklagten und der M***** Bank auszugehen.

4.5  Unrichtig ist die Ansicht der Beklagten, es gebe keine Feststellungen dazu, dass die Werbebroschüren unrichtige, unvollständige oder irreführende Angaben zur Sicherheit des Investments enthielten. Nach den Feststellungen wurde in den Werbebroschüren der unrichtige Eindruck erweckt, die Aktien würden den Schwankungen des Aktienmarkts nicht unterliegen und seien sicherer als andere „Aktien“. Zur Kapitalerhöhung 2007 wurde eine eigene Werbeunterlage produziert, in der die hohe Sicherheit der M***** hervorgehoben und ein stabiler Ertrag versprochen wurde. Zudem wurde nicht darauf hingewiesen, dass die Beklagte (über die S*****) wesentliche Bestände an eigenen Zertifikaten gehalten und gehandelt hat. Dabei handelte es sich genau um jene veranlagungsrelevanten Umstände, über die die Kläger nach den Feststellungen getäuscht wurden.

4.6  Ebenso unrichtig ist, dass Feststellungen zur Kausalität der Werbeunterlagen für den Kaufentschluss der Kläger fehlten. Nach den Feststellungen sind der Informationsgewinnung durch alle Kläger, die zum Veranlagungentschluss geführt hat, auch die irreführenden Werbebroschüren zugrunde gelegen. Dabei bleibt es unerheblich, ob der jeweilige Anleger die Broschüren selbst gelesen hat oder ob die darin enthaltenen Informationen vom jeweiligen Berater („nach dem Inhalt oder anhand der Broschüren“) an die Kläger weitergegeben wurden.

4.7  Schließlich führt die Beklagte in der Revision aus, der Erstkläger und die Sechstklägerin könnten sich nicht auf die Anspruchsgrundlage der Prospekthaftung stützen, weil sie diese Anspruchsgrundlage nach der Beurteilung des Berufungsgerichts fallen gelassen hätten. Auf die (irreführenden) Ad‑hoc‑Meldungen könnten sie sich nach der Beurteilung des Berufungsgerichts (ebenfalls) nicht berufen.

Das Erstgericht bejahte die Haftung der Beklagten für die Zertifikatserwerbe, die zeitlich nach den irreführenden Ad‑hoc‑Meldungen aus Februar 2006 und November 2006 erfolgt sind. Aus Sicht des Erstklägers betrifft dies die Erwerbe vom 31. 10. 2006 und vom 2. 2. 2007 sowie aus Sicht der Sechstklägerin den Erwerb vom 2. 2. 2007. Das Berufungsgericht verneinte einen Anspruch (außer für Drittkläger und Viertklägerin) aus dem Titel der Ad-hoc-Mitteilungen, weil die Kausalität einer unrichtigen oder unterlassenen Ad‑hoc‑Meldung für die geltend gemachten Schadenersatzansprüche fehle, gelangte aber zum Ergebnis, dass alle Zusprüche des Erstgerichts in der „Prospekthaftung“ Deckung finden würden. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sich Erstkläger und Sechstklägerin in ihrer Berufung nicht auf die Anspruchsgrundlage der Prospekthaftung gestützt und diese daher „fallen gelassen“ hätten, bezieht sich nur auf die Verneinung eines „Mehrzuspurchs“. Damit brachte das Berufungsgericht somit zum Ausdruck, dass ein „Mehrzuspruch“ aus dem Titel der Prospekthaftung zugunsten des Erstklägers und der Sechstklägerin nicht in Betracht kommt, weil sie dies in der Berufung nicht geltend gemacht haben. Auf den Zuspruch durch das Erstgericht hatte die Berufung des Erstklägers und der Sechstklägerin aber keine Auswirkung. Hinsichtlich des erfolgten Zuspruchs hätten sie keine zulässige Berufung erheben können. Das Berufungsgericht konnte die Zusprüche auch mit einer anderen rechtlichen Begründung bestätigen.

5.  Insgesamt kommt den Ausführungen in der Revision keine Berechtigung zu. Dem Rechtsmittel der Beklagten war daher der Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.

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