OGH 4Ob155/14v

OGH4Ob155/14v16.12.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** K*****, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, wider die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 35.253,34 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Juni 2014, GZ 5 R 60/14s-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. Februar 2014, GZ 14 Cg 163/09v-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.405,38 EUR (darin 780,23 EUR USt und 2.724 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Anteile der M***** Limited (in der Folge: Zertifikate) wurden erstmals im November 2002 an der Wiener Börse in Form von Austrian Depositary Certificates gehandelt. Die Beklagte übernahm die Platzierung dieser Zertifikate an der Börse sowie deren Market Making (die Verantwortung für ausreichende Liquidität und die Kursentwicklung). Der Vertrieb der Zertifikate erfolgte durch eine dazu gegründete 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten (die M***** AG, in der Folge: Tochtergesellschaft), die die Zertifikate durch Finanzberater verkaufte, durch die Beklagte selbst und auch durch andere Banken.

Der Gatte der Klägerin betreibt ein Installationsunternehmen. Er besorgt alle finanziellen Angelegenheiten der Familie und nimmt mit Zustimmung der Klägerin Veranlagungen auch in ihrem Namen vor, ohne deshalb mit ihr Rücksprache zu halten. Er ist bestrebt, seine Familie abzusichern, und transferiert deshalb immer wieder aus Einkünften seines Betriebs Werte auf ein Wertpapierdepot seiner Gattin bei einer Bank in Innsbruck.

Der Gatte der Klägerin tätigte am 2. 3. 2006, am 12. 10. 2006, am 7. 11. 2006, am 6. 2. 2007 und am 2. 11. 2007 für die Klägerin über deren Wertpapierdepot den Kauf von Zertifikaten, und zwar insgesamt 3.550 Stück Zertifikate um einen Gesamtpreis von 52.123,41 EUR. Er war auf die Zertifikate bei einem Besuch von Banken und bei Recherchen im Internet aufmerksam geworden. Er nahm auch in Werbeprospekte Einsicht, darunter auch den Werbeprospekt „Der Vergleich macht Sie reich“ (Beil ./I). Beim Durchblättern dieses Werbeprospekts fiel ihm auf, dass darin von einer Immobilienaktie die Rede war. Ihn beeindruckte die darin genannte Rendite von 9 % und die Bezeichnung der Veranlagungsform als mündelsicher. Er hielt die Veranlagung in Immobilien für eine sichere Sache, weil er es nicht für möglich erachtete, dass eine Immobilie plötzlich keinen Wert mehr haben könnte. Auch die auf der letzten Seite des Werbeprospekts abgebildete Kursentwicklung machte auf ihn einen guten Eindruck. Dass der stetig aufwärts gehende Kurs fallen könnte, befürchtete er nicht, weil er auf den bleibenden Wert von Immobilien vertraute und weil als Mieter stabile Unternehmen genannt waren. Auf der ersten Seite des Werbeprospekts Beil ./I ist die Webadresse der Beklagten „m*****.at“ zwei Mal augenfällig genannt. Im „Kleingedruckten“ auf Seite eins findet sich der Hinweis, dass der Kapitalmarktprospekt am Sitz der Beklagten aufliegt und auch unter deren Homepage zum Download zur Verfügung steht. Hätte der Gatte der Klägerin gewusst, dass die Rendite nur 2 % und nicht 9 % beträgt, oder auch, dass eigene Aktien zurückgekauft werden, dann hätte er dieses Wertpapier nicht gekauft. Vor dem Kauf der Wertpapiere ließ er sich nicht beraten. Am 7. 10. 2008 verkaufte der Gatte der Klägerin den gesamten Bestand an Zertifikaten und erzielte dafür einen Erlös von 16.670,06 EUR. Die Klägerin hatte sich mit einem Teil ihrer Forderung von jeweils 100 EUR an zwei Sammelklagen beteiligt.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten den Ersatz ihres Verlustes aus dem Kauf der Zertifikate von 35.453,34 EUR sA abzüglich der in den beiden anderen Verfahren geltend gemachten 200 EUR. Sie mache Schadenersatz wegen irreführender, von der Beklagten veranlassten Werbung geltend. Die Beklagte sei für Printwerbung wie Beil ./B verantwortlich, weil sie dort neben dem Vertriebsunternehmen als Herausgeberin aufscheine. Auch die Fernsehwerbung sei der Beklagten, die sie in Auftrag gegeben habe, zuzurechnen. Mit der Werbung werde suggeriert, dass der Interessent beim Erwerb der Zertifikate in Immobilien investiere und dass diese Wertpapiere sicherer als gewöhnliche Aktien seien, und zwar so sicher wie die Veranlagung in Immobilien. Dieser Eindruck werde durch die Fernsehwerbung noch verstärkt. Der Hinweis auf den Sitz der Emittentin auf Jersey sei versteckt. Das Immobilienvermögen der Emittentin habe Ende Dezember 2006 nur 1,8 Mrd EUR betragen, wobei aber mindestens die Hälfte der Liegenschaften kreditfinanziert und mit Verbindlichkeiten von 960 Mio EUR belastet gewesen seien. Eine Rendite durch die Vermietung von 9 % bis 14 % sei versprochen worden. Wenn dies überhaupt stimme, dann handle es sich nur um die Bruttomieteinnahmen. Die Nettomieteinnahmen nach Abzug der für die Kredite bezahlten Zinsen und der an die Beklagte bezahlten Provisionen und Gebühren seien sehr gering gewesen. Die Klägerin habe auch von den Partly Paid Shares nichts gewusst. Hätte sie davon gewusst oder davon, dass sie keine Aktien, sondern Zertifikate kaufe, dass die Nettomieteinnahmen sehr gering sind, dass der Sitz der Gesellschaft auf Jersey ist und dass sie beim Erwerb dieses Wertpapiers kein geringeres Risiko als beim Erwerb einer anderen Aktie eingeht, dann hätte sie dieses Wertpapier nicht gekauft.

Die Klägerin stütze ihren Anspruch auf § 4 Abs 3 KMG, weil die Werbung, wie sich aus der Beil ./B ergebe, im Namen der Beklagten erfolgt sei. Der Anspruch der Klägerin gründe sich auch auf § 48a Abs 1 Z 2 lit c BörseG und auf § 2 UWG, weil die Werbung der Beklagten irreführend gewesen sei, weshalb Verbrauchern Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte zustehen. Die Kapitalerhöhung der Emittentin sei nichtig gewesen, weil der Hauptversammlungsbeschluss vom 8. 7. 2005 mangelhaft zustande gekommen sei. Die Klägerin habe Zertifikate erhalten, die gar keine Aktien repräsentieren. Für sie sei die stets bergauf gehende stabile Kursentwicklung kaufentscheidend gewesen. Tatsächlich sei es schon 2006 zu Kursmanipulationen durch die Beklagte gekommen, dies nochmals und intensiver bei der Kapitalerhöhung im Februar 2007, an welcher sich die Klägerin beteiligt habe. Hätte sie davon gewusst, dann hätte sie das Wertpapier nie gekauft oder es zumindest sofort wieder verkauft. Die Beklagte sei ihr wie auch allen anderen Kunden gegenüber zur Offenlegung des Scheiterns der Kapitalerhöhungen und der Platzierung verpflichtet gewesen. Die ad hoc-Meldungen der Emittentin, welche die Beklagte völlig beherrscht habe, seien falsch gewesen. Die von der Emittentin aufgenommenen Schulden seien verheimlicht worden. Die Beklagte habe mit ihrer Tochtergesellschaft den Erwerb von Zertifikaten vermittelt, sie habe die Wohlverhaltensregeln des WAG beachten müssen. Die Beklagte sei ihrer Pflicht aus dem Marketmaker-Vertrag mit der Emittentin, für die Einhaltung der ad hoc‑Verpflichtungen zu sorgen, im Hinblick auf die Rückkäufe nicht nachgekommen. Dieser Vertrag sei ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten der Anleger. Der eingetretene Schaden sei der Klägerin frühestens im August 2007 erkennbar gewesen, der geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei daher jedenfalls nicht verjährt. Der Ehemann der Klägerin hätte dieser in Kenntnis aller maßgeblichen Umstände nicht zum Erwerb der Zertifikate geraten, sondern ihr den Kauf von Gold und Silber empfohlen, die Klägerin wäre diesem Rat gefolgt.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Klageabweisung. Zwischen ihr und der Klägerin bestehe keine Vertragsbeziehung, sie habe die Klägerin nie beraten. Die Emittentin habe ihr Immobilienportfolio in den Jahren 2006 und 2007 signifikant ausgebaut. Die Angaben zur Mietrendite seien richtig, diese Angaben seien geprüft und bestätigt worden. Die Mietrenditen hätten keinen Einfluss auf den Kursverlauf. Die Ausgabe von Partly Paid Shares sei mit einer ad hoc-Meldung mitgeteilt worden. Eine Haftung nach § 2 UWG scheide aus, weil die Klägerin gar nicht vorbringe, inwiefern Aussagen, die nach ihren Prozessbehauptungen unrichtig und für den Kauf der Wertpapiere entscheidend gewesen seien, von der Beklagten stammen sollen. Die vorgelegten Urkunden seien Werbung der Emittentin. Wenn die Klägerin dadurch in Irrtum geführt worden sein sollte, dann sei dieser Irrtum nicht von der Beklagten veranlasst worden. Der Kauf der Zertifikate sei nie als völlig sichere Investition (eine solche gebe es nicht) beworben worden. Die Klagsforderung sei hinsichtlich der Ankäufe vom 2. 3., 12. 10. und 7. 11. 2006 verjährt. Die Tätigkeit der Beklagten als Marketmaker habe den Kurs der Zertifikate nicht beeinflusst. Die Aktivlegitimation der Klägerin werde bestritten. Selbst wenn die Beklagte haften sollte, treffe die Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden, weil sie die Risikohinweise auf dem Konto- und Depoteröffnungsantrag nicht durchgelesen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Auch wenn zwischen dem Irregeführten und dem Irreführenden kein Vertragsverhältnis bestehe, komme § 874 ABGB als Grundlage eines Schadenersatzanspruchs in Betracht. Der Gatte der Klägerin sei durch die Broschüre Beil ./I getäuscht worden, weil mit der darin genannten Rendite von 9 % und mehr und Formulierungen wie „Der Vergleich macht Sie reich“ und „solides Wachstum“ ein falsches Bild gezeichnet worden sei. Die Beklagte als Emissionsbank habe die Zertifikate auch selbst mit den im Werbeprospekt dargelegten Gründen beworben und scheine darin als federführend auf. Sie habe somit das Irreführungsverbot des § 2 UWG, konkretisiert im Schutzgesetz des § 4 Abs 3 KMG, verletzt und dadurch den Schaden der Klägerin verursacht. Ein Mitverschulden sei der Klägerin nicht anzulasten.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Werbeprospekt Beil ./I sei der Beklagten nicht zuzurechnen. Dieses Argument habe die Beklagte in ihrer Rechtsrüge zwar nicht vorgebracht, es sei jedoch die rechtliche Beurteilung aufgrund der Rechtsrüge in jeder Hinsicht zu überprüfen. Die Klägerin habe nicht nachweisen können, dass die Broschüre, die maßgeblich für ihren Kaufentschluss gewesen sei, von der Beklagten stamme. Die Beklagte sei nicht als Herausgeberin im Prospekt angeführt; die zweimalige Nennung der Website der Beklagten sei nicht ausreichend. „Wahrscheinlich“ stamme die Broschüre von der Emittentin, „möglicherweise“ von der Tochtergesellschaft. Unter Berücksichtigung des Gesamteindrucks könne der Leser nicht annehmen, dass die Broschüre von der Beklagten stamme. §§ 13 und 14 WAG 1996 schieden als Anspruchsgrundlage aus, weil die Klägerin niemals Kundin der Beklagten gewesen sei. Auch einen Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter aus der Platzierungs- und Marketmaker-Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Emittentin komme als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

1. Bei der Prospekthaftung ist zwischen der Haftung nach § 11 KMG für Kapitalmarktprospekte und jener nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen für Werbeprospekte, Fact Sheets (soweit sie nicht Teil des Kapitalmarktprospektes sind) udgl zu unterscheiden (4 Ob 174/11h = RIS-Justiz RS0108623 [T1]; 4 Ob 90/14k).

2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass Prospekthaftungsansprüche nicht nur nach § 11 KMG (mangelhafte Angaben im Kapitalmarktprospekt), sondern auch nach allgemein bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen dann bestehen, wenn der Anleger durch falsche, unvollständige oder irreführende Prospektangaben zur Zeichnung einer Kapitalanlage bewegt wird. Es handelt sich dabei um eine typisierte Vertrauenshaftung aus Verschulden bei Vertragsabschluss (4 Ob 353/98k; 9 Ob 43/13h; 4 Ob 90/14k).

3. Durch die Verbreitung fehlerhafter Prospekte werden die dem Publikum gegenüber bestehenden Informationspflichten verletzt, die den vorvertraglichen Aufklärungspflichten entsprechen und auf denselben Grundwertungen beruhen (10 Ob 9/12i; 10 Ob 69/11m mwN). Der Prospekt bildet im Regelfall die Grundlage für den wirtschaftlich bedeutsamen und mit Risiken verbundenen Beteiligungsentschluss. Aus diesem Grund muss sich der potentielle Kapitalanleger grundsätzlich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der im Prospekt enthaltenen Angaben verlassen dürfen. Es haben alle jene Personen für eine sachlich richtige und vollständige Information einzustehen, die durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen besonderen - zusätzlichen - Vertrauenstatbestand schaffen (RIS-Justiz RS0107352).

4. Voraussetzung für eine Prospekthaftung ist schon angesichts ihres schadenersatzrechtlichen Charakters, dass der in Anspruch Genommene die Unrichtigkeit der Prospektangaben kennt oder kennen musste (RIS-Justiz RS0108625). Die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Angaben müssen darüber hinaus wesentlich, das heißt so beschaffen sein, dass sich unter Anlegung eines objektiven Maßstabs ein durchschnittlicher, verständiger Anleger von diesen Angaben bei einer Auswahlentscheidung unter mehreren Anlagemöglichkeiten beeinflussen lässt (RIS‑Justiz RS0108624; 9 Ob 43/13h).

5. Ein durch irreführende Werbebroschüren verursachter Irrtum über die Risikogeneigtheit und Wertstabilität eines Wertpapiers kommt als Haftungsgrund für einen Schadenersatzanspruch in Betracht (8 Ob 17/12a; 4 Ob 207/11m; 2 Ob 24/13p; 9 Ob 43/13h; 4 Ob 90/14k).

6. Die für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch erforderliche Kausalität zwischen den mangelhaften Prospektangaben und dem Anlageentschluss ist gegeben, wenn sich der Anleger im Vertrauen auf den ihm bekannten Prospekt zum Kauf entschlossen hat, wenn er also die unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospektangaben tatsächlich zur Grundlage seiner schadensauslösenden Disposition gemacht hat (RIS-Justiz RS0108626).

7. Ein Prospekt muss nicht eine gewisse Form haben, um die Prospekthaftung auszulösen, der Prospektbegriff ist vielmehr im umfassenden Sinn zu verstehen. Maßgeblich ist, ob der Werbeprospekt des freien Kapitalmarkts dem Vertrieb einer Anlage dient und dabei generell geeignet ist, den Anlageentschluss eines potentiellen Anlegers in Ansehung einer konkreten Anlage zu beeinflussen, indem er den Anschein ausreichender und objektiver Anlageinformation erweckt (RIS-Justiz RS0108623; 10 Ob 32/13y, 9 Ob 43/13h).

8. Maßstab für die schadenersatzrechtliche Beurteilung eines Prospekts wegen inhaltlicher Mängel, im Besonderen Unvollständigkeit, sind nicht die Einzeltatsachen, sondern es kommt darauf an, welches Gesamtbild der Prospekt durch seine Aussagen über das beworbene Anlageobjekt in Ansehung von der Vermögenslage, Ertragslage und Liquiditätslage macht (RIS-Justiz RS0108624; 9 Ob 43/13h).

9. Der Beurteilung eines Werbetextes sind nicht einzelne Teile für sich, sondern der Text in seiner Gesamtheit zu unterziehen (RIS-Justiz RS0078352, RS0043590 [T46]). Welchen Eindruck eine Ankündigung auf den Durchschnittsleser vermittelt, ist eine Rechtsfrage, die nach objektiven Maßstäben zu lösen ist. Maßgeblich ist die Verkehrsauffassung, nämlich der Eindruck, der sich bei auch nur flüchtigem Lesen für den Durchschnittsinteressenten ergibt, wobei der Ankündigende bei Mehrdeutigkeit der Ankündigung auch die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muss (RIS-Justiz RS0043590).

10. Im Unterschied zu anderen Verkaufsprospekten der Beklagten, die bereits Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zugrunde lagen (4 Ob 65/10b; 8 Ob 25/10z; 8 Ob 151/10d, 9 Ob 43/13h), war im gegenständlichen Fall die Beklagte nicht als Herausgeberin der Broschüre auf der letzten Seite angeführt. Eine gedankliche Verbindung zur Beklagten wird jedoch insbesondere durch die auf der Titelseite der Broschüre zwei Mal angeführte Internetadresse der Beklagten hergestellt. Auch im kleingedruckten Text auf der Titelseite wird darauf hingewiesen, dass der Kapitalmarktprospekt bei der namentlich und mit Adresse genannten Beklagten während der üblichen Geschäftszeiten aufliegt und auch unter www.m *****.at zum Download zur Verfügung steht.

11. Da heutzutage ein wesentlicher Teil der Informationsbeschaffung elektronisch über Internet und Email erfolgt, ist die Nennung ihrer Homepage in Kombination mit der Adresse der Beklagten zur Einsichtnahme in den Kapitalmarktprospekt, berücksichtigt man den Gesamteindruck, der Angabe eines Impressums gleichzuhalten. Das zweimalige Anführen der Internetadresse auf der Titelseite, gemeinsam mit dem kleingedruckten Hinweis auf der Titelseite (der Name, Adresse und Homepage der Beklagten enthält) ist dann aber ausreichend, um einen Vertrauenstatbestand zu schaffen, durch den das Mitwirken der Beklagten an der Prospektgestaltung nach außen zum Ausdruck gebracht wird. Dass diese Nennung ohne Wissen und Willen der Beklagten erfolgt wäre, kann nach den Umständen nicht unterstellt werden. Ihre Haftung für den irreführenden Inhalt des Prospekts ist damit zu bejahen.

12. Dass die den Vermögensschaden der Klägerin herbeiführenden Dispositionen im Vertrauen auf den Inhalt des Werbeprospekts Beil ./I getroffen wurden, der die Risikogeneigtheit der MEL-Papiere unrichtig darstellt, ist im Verfahren dritter Instanz nicht strittig. Der Revision ist deshalb Folge zu geben und das stattgebende Ersturteil wieder herzustellen.

13. Die Kostenentscheidung ist in den § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO begründet.

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