OGH 9Ob26/14k

OGH9Ob26/14k20.3.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. E***** M*****, vertreten durch Mag. Ulrich Salburg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Limited, *****, Jersey *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 32.283,75 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Jänner 2014, GZ 30 R 19/13d‑87, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 7. Juni 2013, GZ 54 Cg 38/11h‑83, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Berufungsurteil als Teilurteil zu lauten hat:

„Das Begehren der klagenden Partei, die beklagte Partei sei schuldig, ihr 11.328,27 EUR samt 4 % Zinsen seit 6. Oktober 2006 Zug um Zug gegen 1.321 book-entry-interests, ausgestellt von der E*****, welche Aktien der beklagten Partei repräsentieren, zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.“

Im Übrigen, dh im Umfang von 20.955,48 EUR samt 4 % Zinsen seit 6. Oktober 2006 Zug um Zug gegen 2.117 book-entry-interests, ausgestellt von der E*****, welche Aktien der beklagten Partei repräsentieren, werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur allfälligen Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erwarb über Beratung eines Bekannten, der als Vermögensberater für das Unternehmen O***** tätig war, am 15. 9. 2005 1.321 Zertifikate der Beklagten à 14,62 EUR um einen Betrag von 19.313,02 EUR, am 27. 6. 2006 609 Zertifikate à 15,85 EUR um 9.652,65 EUR und am 6. 10. 2006 weitere 1.508 Zertifikate à 17,29 EUR um insgesamt 26.073,32 EUR, jeweils zuzüglich Spesen. Der Kläger erhielt für diese von ihm in der Folge gehaltenen Zertifikate folgende Dividenden: am 2. 10. 2009 0,50 EUR pro Zertifikat, am 30. 12. 2009, 31. 3. 2010, 30. 6. 2010, 30. 9. 2010 und 31. 12. 2010 jeweils 0,03 EUR je Zertifikat, am 31. 3. 2011, 30. 6. 2011, 30. 9. 2011 und 31. 12. 2011 0,035 EUR je Zertifikat sowie am 30. 3. 2012 0,04 EUR je Zertifikat.

Der Kläger ist als Internist tätig und verfügte in den Jahren 2005 und 2006 über ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von etwa 15.000 EUR. Zum Zeitpunkt des ersten Investments in die Zertifikate im September 2005 hatte er sein Vermögen zu nicht näher feststellbaren Anteilen in Sparbücher, diverse Anleihen, verschiedene Aktienfonds und gemischte Fonds investiert, im April 2005 investierte der Kläger auch in geringem Umfang in eine Einzelaktie.

Beim Beratungsgespräch Ende August 2005 äußerte der Kläger den Wunsch, den auf einem Sparbuch befindlichen Betrag von über 80.000 EUR mit einer höheren Rendite veranlagen zu wollen. Er erwarte sich eine Rendite in einer Größenordnung von mehr als 5 %, wolle jedoch kein hohes Risiko eingehen und auf keinen Fall einen Totalverlust erleiden. Der Berater schätzte die Risikobereitschaft des Klägers aufgrund dieser Angaben als „mittel“ (höhere Ertragserwartung, kalkuliertes Risiko/Streuung) ein. Während des Beratungsgespräches übergab der Berater dem Kläger eine Werbebroschüre der Beklagten und blätterte sie mit ihm durch. Der Kläger las sie jedoch nicht in allen Einzelheiten. Er nahm unter anderem den auf der vorletzten Seite der Broschüre ersichtlichen Kurs-Chart wahr und schloss aus diesem, dass sich der Kurs des Papiers günstig entwickelt hatte. Er nahm auch den unterhalb des Kurs-Charts abgedruckten Risikohinweis wahr, wonach Renditen der Vergangenheit keine Garantie für zukünftige Gewinne seien. Er nahm weiter die auf der vorletzten Seite angeführten technischen Daten wahr, interessierte sich jedoch nicht näher für die dort konkret angeführten Zahlen. Dass sich der Sitz der Beklagten auf Jersey befand, war kein Thema des Beratungsgesprächs. Hätte der Kläger vom Sitz der Beklagten in Jersey Kenntnis gehabt, hätte ihn dies nicht gestört. Für den Kläger war es nicht wichtig, ob sich die Anteile an der Beklagten im Streubesitz befanden oder nicht. Der Kläger bemerkte die in der Broschüre als „starke Mietpartner“ angeführten und jeweils mit ihrem Logo abgebildeten Unternehmen. Er nahm beim Durchblättern des Prospekts den mit der Überschrift „Leverage“ versehenen Text wahr. Die darin erwähnte Möglichkeit, dass die Beklagte Fremdkapital aufnehmen könne, um so eine zusätzliche Rendite zu erwirtschaften, erschien ihm dabei wirtschaftlich sinnvoll. Es kann nicht festgestellt werden, ob ein Österreich-Bezug der Zertifikate beim Beratungsgespräch ein Thema war.

Der Kläger ging vor der ersten Investition davon aus, dass es sich bei den Zertifikaten um eine Einzelaktie handelte. Er wusste, dass es sich bei einer Aktie um eine Beteiligung an einem Unternehmen handelt und sich der Kurs einer Aktie nach Angebot und Nachfrage an der Börse richtet. Dem Kläger war bewusst, dass es bei einer Veranlagung in eine Einzelaktie Schwankungen geben könnte, wobei er mit Schwankungen in einer Größenordnung von 20 bis 30 % durchaus rechnete und diese in Kauf nahm. Über die Möglichkeit eines Totalverlustes oder auch nur eines Verlustes in einer Größenordnung von etwa 50 % oder darüber sprach der Berater mit dem Kläger nicht. Dem Kläger war ein Zusammenhang zwischen Risikogeneigtheit und Ertragschancen eines Anlageprodukts bewusst. Das Wort „Zertifikat“ fiel beim Beratungsgespräch nicht. Der Kläger ging aufgrund seines mit dem Berater geführten Gesprächs und der ihm übergebenen Unterlage davon aus, dass die Beklagte in Immobilien investieren werde, die an Mieter mit guter Bonität vermietet werden sollten.

Der Kläger las zu keinem Zeitpunkt einen Kapitalmarktprospekt der Beklagten, ebenso wenig las er jemals Geschäftsberichte, Bilanzen oder Ad-hoc-Meldungen der Beklagten. Der Berater erwähnte beim Beratungsgespräch vom August 2005 nicht die Existenz von Kapitalmarktprospekten der Beklagten. Der Kläger war niemals bei einer Hauptversammlung der Beklagten und hatte auch niemals die Absicht dazu.

Der Kläger unterfertigte am Ende des Beratungsgesprächs vom 29. 8. 2005 ein vom Berater ausgefülltes Anlegerprofil sowie einen Konto- und Depoteröffnungsantrag bzw Kaufauftrag. Er las diese Urkunden sowie die angeschlossenen Risikohinweise und Bedingungen vor Unterfertigung nur sehr oberflächlich durch, obwohl ihm die dem Kaufauftrag angeschlossenen Risikohinweise grundsätzlich aufgefallen waren.

Die Nachkäufe des Klägers im Juni und Oktober 2006 erfolgten jeweils nach Rücksprache mit dem Berater, der dem Kläger vor Erteilung der weiteren Kaufaufträge auch jeweils aktuelle Kurs-Charts zeigte und ihm mitteilte, dass sich der Kurs gut entwickeln würde.

Der Kläger selbst verfolgte nach dem ersten Ankauf die Kursentwicklung des Papiers wöchentlich in der Zeitung. Es kann nicht festgestellt werden, ob dem Kläger vor den beiden Nachkäufen ‑ abgesehen von der genannten Broschüre ‑ weitere schriftliche Unterlagen über das Produkt zur Verfügung standen. Es kann auch nicht festgestellt werden, ob der Kläger vor diesen beiden Nachkäufen Werbung dafür wahrnahm. Hauptgrund für die beiden Nachkäufe war jedenfalls die positive Kursentwicklung.

Hätte der Kläger nicht in die Zertifikate investiert, so hätte er das veranlagte Geld in diverse Fonds ‑ nämlich Aktienfonds oder gemischte Fonds ‑ zu unterschiedlichen Anteilen investiert. Der Kläger hätte alternativ nicht in eine andere Einzelaktie, auch nicht eine andere „Immobilienaktie“ investiert. Mit seinem Alternativinvestment hätte der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung jedenfalls keinen größeren Verlust als einen solchen von insgesamt 5 % erwirtschaftet.

Der Berater las zu keinem Zeitpunkt einen Kapitalmarktprospekt oder eine Bilanz der Beklagten. Manchmal las er von der Beklagten veröffentlichte Ad-hoc-Meldungen, es kann aber nicht festgestellt werden, welche Ad-hoc-Meldungen der Beklagten dem Berater konkret zur Kenntnis gelangten. Beim Unternehmen O***** gibt es eine Abteilung, in der eine Prüfung der vertriebenen Wertpapiere stattfindet. Es kann nicht festgestellt werden, welche Unterlagen im Rahmen dieser Prüfung von den Mitarbeitern der zuständigen Abteilung genau durchgelesen werden.

Im Hinblick auf den Rückkauf eigener Anteile der Beklagten hieß es in ihrem Kapitalmarktprospekt mit Stand 3. 10. 2005 (ident mit Stand 2. 2. 2006) auszugsweise „… aufgrund der uneingeschränkten Möglichkeit zum Erwerb eigener Aktien nach Maßgabe der Bestimmungen des Unternehmensgesetzes von Jersey 1991 in der jeweils geltenden Fassung … “ und im Kapitalmarktprospekt mit Stand Oktober 2006:

Es bestehen keine Rückkaufs- oder Wandlungsrechte in Bezug auf die Aktien. Gemäß den Bestimmungen des Unternehmensgesetzes bestehen für die Gesellschaft keinerlei Einschränkungen in Bezug auf den Erwerb eigener Aktien.

Der Kapitalmarktprospekt der Beklagten mit Stand 2. 2. 2006 lautete auszugsweise:

Soweit Zertifikate bis zum letzten Tag der Zeichnungsfrist nicht bei Anlegern platziert werden können, wird die M***** Bank AG gemäß ihrer entsprechenden Übernahmeverpflichtung alle nicht platzierten Zertifikate übernehmen .“

Die Beklagte veröffentliche unter anderem folgende Ad-hoc-Mitteilungen:

Am 6. 2. 2006:

M***** E***** Ltd. setzt ihr erfolgreiches Wachstum auch 2006 fort und erhöht das Grundkapital auf 900 Millionen Euro Nominale. Vom 20. Februar bis 3. März 2006 werden insgesamt 60 Millionen junge Aktien zu dem Bezugspreis von 15,35 Euro je Aktie zum Kauf angeboten. Der Bezugsrechtshandel findet am 23., 24. und 27. Februar 2006 statt.

Am 27. 2. 2006:

M***** E***** hat ihre Kapitalerhöhung erfolgreich beendet. Aufgrund des starken Interesses von Privatanlegern und institutionellen Investoren musste die vom 20. Februar 2006 bis 3. März 2006 angesetzte Kapitaler-höhung wegen Überzeichnung nach Ende des Bezugsrechtshandels heute vorzeitig geschlossen werden.

Nach dem erfolgreichen Abschluss der Kapitalerhöhung notieren 180 Millionen Aktien der Immobiliengesellschaft im amtlichen Handel an der Wiener Börse. Die Marktkapitalisierung beläuft sich basierend auf dem derzeitigen Börsekurs von 15,45 Euro auf rund 2,8 Milliarden Euro.

Die Beklagte schloss mit der M***** Bank am 17. 6. 2004 einen Placement und Market Maker-Vertrag ab. Nach diesem sollte die M***** Bank als Market Maker für ausreichende Liquidität und geringe Volatilität der Wertpapiere sorgen, wofür sie von der Beklagten eine Gebühr ( maintenance fee ) erhielt. Mit einem Addendum vom 12. 7. 2005 zu diesem Vertrag erhielt die M***** Bank von der Beklagten die Befugnis, in Abänderung der im ursprünglichen Vertrag vom 17. 6. 2004 festgehaltenen Grenze für Aktienrückkäufe von ursprünglich 10 % nunmehr bis zu 29,9 % der Zertifikate im Namen und auf Rechnung der Beklagten oder der M***** Bank selbst zurückzukaufen. Die Beklagte veröffentlichte keine Ad-hoc-Mitteilung über diese Abänderung der Grenze. Ob die Abänderung oder das Unterlassen der Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung darüber einen konkreten Einfluss auf die Kursentwicklung hatte, war nicht feststellbar.

Die S***** A.V.V. war eine indirekt gehaltene Tochter der J***** M***** AG mit Sitz auf Aruba. Diese verfügte bei der M***** Bank über zwei Wertpapierdepots. Das Depot mit der Subnummer 34 eröffnete die S***** A.V.V. treuhändig für die Beklagte, das weitere Depot mit der Subnummer 33 eröffnete sie auf eigenen Namen und eigene Rechnung. Die S***** A.V.V. verpflichtete sich gegenüber der M***** Bank Antigua vor der im Februar 2006 durchgeführten Kapitalerhöhung der Beklagten zur Übernahme allfälliger, im Rahmen der Kapitalerhöhung nicht platzierter Zertifikate. Diese Konstruktion war erforderlich, weil die M***** Bank die gegenüber der Beklagten übernommene Übernahmegarantie anderenfalls wegen Überschreitens der Großveranlagungs-grenze nicht erfüllen hätte können. Während über das Depot mit der Subnummer 34 im Jahr 2006 Transaktionen von M*****-Zertifikaten liefen, die sich aufgrund der Market Maker-Aktivitäten der M***** Bank ergaben, übernahm die S***** A.V.V. im Jahr 2006 auf das Depot mit der Subnummer 33 jene Zertifikate, die die M***** Bank im Rahmen einer Kapitalerhöhung nicht am Markt platzieren konnte. Diese vorerst auf das Depot mit Subnummer 33 eingelieferten Zertifikate wurden in der Folge ‑ großteils über die M***** S***** ‑ an Anleger weiterverkauft.

Die Finanzierung der Transaktionen auf beiden Wertpapierdepots erfolgte wirtschaftlich mit Geldern der Beklagten. Zum Depot mit der Subnummer 33 erfolgte dies in der Form, dass die S***** A.V.V. Bonds emittierte, die die Beklagte zeichnete, wobei die S***** A.V.V. das aus dieser Zeichnung resultierende Geld für den Zertifikatskauf einsetzte. Im Rahmen der Kapitalerhöhung vom Februar 2006 zeichnete die S***** A.V.V. 22.667.128 Zertifikate, was 37,8 % der bei der Kapitalerhöhung insgesamt ausgegebenen Zertifikate entsprach.

Die Beklagte veröffentlichte jedenfalls im Jahr 2006 keine Ad-hoc-Mitteilung über diese Vorgänge. Ob diese Vorgänge oder das Unterlassen der Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung darüber einen konkreten Einfluss auf die Kursentwicklung hatten, war im vorliegenden Verfahren nicht feststellbar.

Der Kläger begehrte ‑ nach Zahlung eines Vergleichsbetrags von 16.500 EUR durch die zunächst mitgeklagte M***** Bank AG und die M***** S***** AG und nach Ausschüttung von Dividenden ‑ von der (ursprünglich Dritt-)Beklagten zuletzt den Betrag von 32.283,75 EUR sA Zug um Zug gegen Übertragung von 3.438 Zertifikaten der Beklagten (zuletzt book-entry-interests, ausgestellt von der E*****, die Aktien der Beklagten repräsentierten). Er habe beim Kauf der Wertpapiere nicht gewusst, dass der Kursverlauf im Wesentlichen das Resultat einer Kursmanipulation durch die Beklagte in Absprache und in Kooperation mit der M***** Bank gewesen sei. Deren Market-Maker-Vertrag vom Juni 2004 habe vorgesehen, dass die M***** Bank auf Rechnung der Beklagten bis zu 10 % der emittierten Zertifikate kaufen könne. Am 12. 7. 2005 sei die Regelung dahin geändert worden, dass die M***** Bank bis zu 29,9 % aller Zertifikate im Namen und auf Rechnung der Beklagten kaufen könne. Ohne diese Änderung wäre der in den Werbeunterlagen dargestellte „wunderschöne Chart“ nicht möglich gewesen. Ohne Rückkäufe von mehr als 10 % wären bereits im Juli 2005 Kursverluste eingetreten. Hätte der Kläger gewusst, dass die Kursentwicklung nicht das Resultat von Angebot und Nachfrage an der Börse durch tatsächliche Investoren und Anleger gewesen sei, hätte er die Zertifikate nicht gekauft oder seine bereits 2005 gekauften Wertpapiere unmittelbar wieder verkauft. Er habe zwar keine Ad-hoc-Mitteilungen gelesen. Hätte die Beklagte aber eine Ad-hoc-Mitteilung über die Vertragsänderung veröffentlicht, hätte sie „über die Medien bzw den Berater“ auch seine Sphäre erreicht. Er hätte dann nicht investiert. Bei der Kapitalerhöhung im März 2006, bei der 60 Millionen Zertifikate zu einem Kurs von 15,35 EUR ausgegeben worden seien, habe die S***** A.V.V. (eine Briefkastenfirma und 100%ige Tochter der M***** Bank) 37,8 % aller Zertifikate gezeichnet, womit die Beklagte bei dieser Kapitalerhöhung mehr als ein Drittel aller neu ausgegebenen Aktien mittelbar selbst zurückgekauft habe. Wäre dies bekannt geworden oder unterblieben, wäre bereits im März 2006 der Kurs drastisch gefallen, weil eine solche Kapitalerhöhung als gescheitert anzusehen sei. Hätte er davon gewusst, hätte er im Juni 2006 und im Oktober 2006 keine Zertifikate gekauft. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, diese Umstände der Kapitalerhöhung zu publizieren. Tatsächlich habe sie aber am 27. 2. 2006 eine unrichtige Ad-hoc-Meldung veröffentlicht und dadurch auch den Tatbestand der Kursmanipulation nach § 48a Z 2 lit a BörseG erfüllt. Die Publizitätspflichten der Beklagten beruhten auf § 48d BörseG. Die Bestimmungen seien Schutzgesetze zugunsten von Anlegern.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte zusammengefasst ein, die Übernahmeverpflichtung der M***** Bank sei im Emissionsprospekt offengelegt worden und habe in späteren Ad-hoc-Meldungen nicht wiederholt werden müssen. Die Veröffentlichungsverpflichtung habe für sie mangels Sitzes in Österreich vor dem Jahr 2009 nicht gegolten. Überdies seien weder die Übernahmeverpflichtung der M***** Bank noch die Möglichkeit der Beklagten, unbegrenzt eigene Aktien zu erwerben, geheim iSv § 48a Abs 1 Z 1 lit a BörseG gewesen. In den jeweiligen Kapitalmarktprospekten der Beklagten seien die Möglichkeiten offengelegt worden, sodass das Attribut „nicht öffentlich bekannt“ auf diese Umstände nicht zutreffe. Es lägen keine Insiderinformationen vor. Die Beklagte habe daher keine Publizitätsvorschriften verletzt. Es werde auch bestritten, dass sich das Unterlassen einer gesonderten Ad-hoc-Meldung bei der Änderung des Placement and Market Maker Agreements auf den Kurs ausgewirkt habe. Da es sich bei den Kapitalerhöhungen um Fixpreis-Kapitalerhöhungen gehandelt habe, könne es die vom Kläger behauptete Marktmanipulation nicht geben. Der Kläger habe keine Ad-hoc-Meldungen gelesen und daher auch nicht auf Basis solcher Meldungen gekauft, sodass auch kein Kausalzusammenhang gegeben sei. Im Übrigen seien die Nachkäufe erst Monate nach der Veröffentlichung der Ad-hoc-Meldung vom 27. 2. 2006 erfolgt, Ad-hoc-Meldungen sei aber nur eine Reichweite von wenigen Tagen zuzuerkennen. Die Bestimmungen über die Veröffentlichungspflicht des BörseG seien auch keine Schutzgesetze zugunsten von Anlegern. Eine bloß irreführende Ad-hoc-Meldung könne mangels gesetzlicher Grundlage zu keiner zivilrechtlichen Haftung führen. Eine Haftung wegen Verletzung der Ad-hoc-Publizität sei nur bei Vorsatz denkmöglich, die Zertifikatsrückkäufe seien aber nach dem Recht von Jersey zulässig gewesen. Selbst bei einer Verletzung der Mitteilungspflichten sei ein Erwerber nur so zu stellen, wie es dem hypothetischen Kursverlauf entspräche, nicht aber, wie wenn er gar nicht erworben hätte. Auch dürfe der Beklagten nicht das allgemeine Marktrisiko angelastet werden.

Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren mit Urteil vom 3. 9. 2012 (ON 72) ab. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er bei rechtmäßigem Verhalten der Beklagten den Kursverlust nicht erlitten hätte. Auf eine Rechtswidrigkeit der Beklagten sei daher nicht einzugehen.

Mit Beschluss vom 25. 2. 2013, 30 R 50/12m (ON 76), hob das Berufungsgericht das Ersturteil zur Verfahrensergänzung auf. Der Kläger sei seiner Behauptungslast nachgekommen. Der Schutzzweck der Verpflichtung, Insiderinformationen öffentlich bekannt zu geben, beziehe sich darauf, den Kurs nicht in einer Weise zu beeinflussen, dass ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt werde. Diesen Vorwurf erhebe der Kläger schon in Bezug auf die Ermächtigung der M***** Bank, nicht nur 10 %, sondern 29,9 % der auf den Markt gebrachten Zertifikate zu erwerben. Das Erstgericht habe nicht feststellen können, ob diese Abänderung oder das Unterlassen der Veröffentlichung einen konkreten Einfluss auf die Kursentwicklung gehabt hätte. Mit dieser Beweislast werde es der Sache nicht gerecht. Publizitätsvorschriften hätten Schutzgesetzcharakter zugunsten von Anlegern. Wiewohl der Geschädigte jeweils die Kausalität des schädigenden Verhaltens nachweisen müsse, sei kein strikter Nachweis des Kausalzusammenhangs erforderlich. Es werde eine wesentliche Beweiserleichterung durch einen Beweis des ersten Anscheins (prima facie) angenommen. Der erste Anschein spreche dafür, dass die Veröffentlichung der Ausweitung der Abnahmeermächtigung für die M***** Bank den Kurs beeinflusst hätte. Dies folge aus der Überlegung, dass dadurch das Ausmaß jener Zertifikate, die nicht auf dem freien Markt abgesetzt werden müssten, verdreifacht wurde, was für interessierte Kursbeobachter, deren Verhalten auch den Kurs beeinflusst, ein deutliches Signal gewesen wäre. Dass das Erstgericht keine konkreten Feststellungen über die Kausalität dieser Verschweigung machen habe können, stehe einem Zuspruch des Klagebegehrens für sich genommen nicht im Wege. Die Beklagte wäre auch verpflichtet gewesen, diese Information öffentlich zu machen, weil es eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information sei, die direkt oder indirekt das Finanzinstrument der Beklagten betroffen habe und im Falle der Veröffentlichung geeignet gewesen wäre, den Kurs des Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen, weil sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde. Schon durch das Wort „wahrscheinlich“ werde darauf hingewiesen, dass auch bei unterlassenen Veröffentlichungen kein strikter Beweis für die Kausalität möglich sei und somit der Beweis der Wahrscheinlichkeit ausreiche.

Dabei lasse sich das Berufungsgericht von der evidenten Tatsache leiten, dass die Berechtigung zum Erwerb der Zertifikate genau jenes Unternehmen gehabt habe, das die Werbung für die Zertifikate betrieben habe und als Market Maker eingesetzt worden sei. Dass einem solchen Market Maker ermöglicht werde, das Volumen der selbst anzuschaffenden Wertpapiere zu verdreifachen, wäre ein deutliches Signal für die interessierte Öffentlichkeit gewesen und wäre geeignet gewesen, den Kurs erheblich zu beeinflussen. Der Beweis, dass der Kurs tatsächlich beeinflusst worden wäre, sei dabei nicht erforderlich. Die Beklagte setze der plausiblen Überlegung des Klägers, er hätte nicht gekauft, wenn der Kurs nicht so günstig gewesen wäre, nichts entgegen. Der erste Anschein spreche jedenfalls für das Vorbringen des Klägers, wonach die bisher dargelegte Kursentwicklung Grundlage für seinen Kaufentschluss auch schon beim ersten Kauf gewesen sei. Danach liege auch die Überlegung sehr nahe, dass der Kläger, der schon die erste Anschaffung der Zertifikate unterlassen hätte, nicht auch das zweite und das dritte Mal in die Papiere der Beklagten investiert hätte.

Zusätzlich sei auch die Ad-hoc-Meldung vom 27. 2. 2006 irreführend, weil sie den Eindruck erweckt habe, dass Privatanleger und institutionelle Investoren die Menge der auf den Markt gebrachten Zertifikate „leergekauft“ hätten. Hätte die Beklagte die Öffentlichkeit unmissverständlich darüber informiert, dass nur weniger als zwei Drittel der Zertifikate von Privatanlegern und nicht verflochtenen institutionellen Investoren gekauft worden seien, hätte dies einen erheblichen Einfluss auf den Kurs gehabt. Das erstgerichtliche Verfahren sei (nur) im Hinblick auf die hypothetische Alternativveranlagung zu ergänzen.

Im zweiten Rechtsgang gab das Erstgericht dem Klagebegehren unter entsprechender Ergänzung des Sachverhalts statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge und verwies auf seine Bindung an die im ersten Rechtsgang geäußerte Rechtsansicht. Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung dazu fehle, ob die Unterlassung der „Ad-hoc-Meldung Addendum“ rechtswidrig sei, sowie dazu, ob bei der Eignung einer Schutzgesetzverletzung (die in der Missachtung von Ad-hoc-Meldepflichten bestehe) zur Kursbeeinflussung dem Verletzer der Ad-hoc-Meldepflicht der (Sachverständigen-)Beweis offenstehe, die Erfüllung der Meldepflicht hätte den Kurs nicht beeinflusst.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Beklagte, das Berufungsurteil im Sinn einer Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt .

A. Da das Berufungsgericht die Zulässigkeit des Rekurses gegen seinen im ersten Rechtsgang gefassten Aufhebungsbeschluss vom 25. 2. 2013 nicht ausgesprochen hat, sind die im Aufhebungsbeschluss gelösten Rechtsfragen nur für die erste und zweite Instanz bindend. Die dritte Instanz ist an die Rechtsansicht eines unbekämpft gebliebenen Aufhebungsbeschlusses nicht gebunden (RIS-Justiz RS0042168; Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 511 Rz 15 mwN).

B. Das Revisionsverfahren konzentriert sich auf die Frage der Verletzung börserechtlicher Informationspflichten durch Unterlassung einer Ad-hoc-Meldung im Juli 2005 und durch eine irreführende Ad-hoc-Meldung am 27. Februar 2006.

I. Zur Verletzung einer Ad-hoc-Meldepflicht im Juli 2005

I.1. § 48d Abs 1 BörseG 1989 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I 127/2004 lautete:

§ 48d (1) Die Emittenten von Finanzinstrumenten haben Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben. … Alle erheblichen Veränderungen im Hinblick auf eine bereits offengelegte Insider-Information sind unverzüglich nach dem Eintreten dieser Veränderungen bekannt zu geben. Dies hat auf demselben Wege zu erfolgen wie die Bekanntgabe der ursprünglichen Information. ...

§ 48a Abs 1 Z 1 BörseG 1989 idF BGBl I 127/2004 definierte eine Insider-Information wie folgt:

§ 48a (1) 1. „ Insider-Information“ ist eine öffentlich nicht bekannte, genaue Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen, weil sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.

a) Eine Information gilt dann als genau, wenn sie eine Reihe von bereits vorhandenen oder solchen Tatsachen und Ereignissen erfasst, bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft eintreten werden, und darüber hinaus bestimmt genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Tatsachen oder Ereignisse auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanz-instrumenten zulässt.

I.2. Auf tatbestandlicher Ebene ist hervorzuheben, dass eine Insider-Information danach schon dann vorliegt, wenn sie die Eignung zu einer erheblichen Kursbeeinflussung hat. Die Eignung ist dann gegeben, wenn sie ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde. Dies ist ex ante aus der Sicht eines verständigen Anlegers anhand des Inhalts und des Kontextes der Information im Marktgeschehen zu prüfen. Der verständige Anleger ist eine Maßfigur, der aus unionsrechtlicher Sicht zu unterstellen ist, dass sie alle bereits öffentlich bekannten Informationen kennt. Ob sich eine Verletzung der Ad-hoc-Meldepflicht in der Folge tatsächlich auf den Kurs auswirkt oder nicht, ist für die Frage eines Pflichtverstoßes nicht von Relevanz. Eine nachträgliche Kursveränderung kann allenfalls ein Indiz für die Eignung zu einer erheblichen Kursbeeinflussung der Information sein, ist aber keine notwendige Folge einer Verletzung der Meldepflicht, weil die Maßgeblichkeit der Information auf den Kurs durch andere Faktoren im Marktumfeld auch überlagert werden kann ( Brandl in Temmel , BörseG § 48d Rz 39 ff mwN; Kalss/Oppitz/Zollner , Kapitalmarktrecht, System I § 14 Rz 14 f; Schopper , Ad-hoc-Meldepflicht als Schutzgesetz, ÖBA 2014, 497 f). Dass nachträglich kein Einfluss einer Meldepflichtverletzung auf den Kursverlauf feststellbar ist, nimmt der Information daher noch nicht ihren Charakter als Insider-Information, über die der Markt in Kenntnis zu setzen gewesen wäre. Die Information erfordert weiter den Bezug zu einem oder mehreren Emittenten oder Finanzinstrumenten, wofür in der Literatur ( Brandl aaO Rz 33) als direkt den Emittenten betreffende Informationen beispielhaft auch Tätigkeiten in Bezug auf das Kapital oder auf Schuldverschreibungen, Entscheidungen, das Kapital zu erhöhen oder herabzusetzen, Entscheidungen über Aktienrückkaufprogramme und andere gelistete Finanzinstrumente, die Erhöhung oder Reduzierung der Werte von Finanzinstrumenten im Portfolio ua genannt werden.

I.3. Die Beklagte bestreitet, dass die im Addendum vom 12. 7. 2005 vereinbarte Erhöhung der der M***** Bank AG mit dem Placement und Market Maker-Vertrag eingeräumten Befugnis, anstelle von ursprünglich 10 % nunmehr bis zu 29,9 % der Zertifikate im Namen und auf Rechnung der Beklagten oder der M***** Bank selbst zurückzukaufen, eine Insider‑Information iSd § 48a Abs 1 Z 1 BörseG gewesen sei. Außerdem habe es sich um eine bereits öffentliche Information gehandelt. Darin ist ihr jedoch nicht zu folgen:

Richtig ist, dass eine öffentlich bekannte Information keine Insider-Information sein kann. Öffentlich bekannt ist eine Information, wenn eine unbestimmte Anzahl von Personen von ihr Kenntnis nehmen kann, wofür es ausreicht, dass die Information einer Bereichsöffentlichkeit, dh den am Börsehandel interessierten Marktteilnehmern zugänglich ist. Dazu zählen insbesondere Finanzintermediäre, welche über entsprechende Informationskanäle verfügen und deren Reaktionsmöglichkeit ausreicht, um Informationen den Charakter von Insider-Informationen zu nehmen ( Brandl aaO Rz 16 mwN; Schopper , ÖBA 2014, 498 mwN). In den Kapitalmarktprospekten der Beklagten (Beil ./3b und ./12b) befand sich zwar jeweils ein Hinweis auf die Möglichkeit des unbeschränkten Erwerbs eigener Aktien durch die Beklagte. Diese generelle Möglichkeit der Beklagten, als Veranlagungsgemeinschaft nach dem Recht von Jersey unbeschränkt eigene Anteile erwerben zu können, kann aber nicht mit einer der M***** Bank AG (auch) für den österreichischen Markt konkret eingeräumten Ermächtigung, im Rahmen ihrer Aufgabe aus dem Market Maker-Vertrag („geringere Volatilität“) Zertifikate der Beklagten zurückzukaufen, gleichgesetzt werden, zumal am österreichischen Markt ein wesentlich restriktiveres Verständnis für den Erwerb eigener Anteile von Kapitalgesellschaften besteht (s § 81 GmbHG; §§ 65 ff AktG). Umso mehr ist in der vereinbarten Verdreifachung der ursprünglichen Menge an rückkaufbaren Anteilen eine öffentlich noch nicht bekannt gemachte Information iSd § 48d BörseG zu sehen.

Sie ist aber auch veranlagungsrelevant, hätte sie einem verständigen Anleger doch signalisiert, dass nicht nur ein Zehntel, sondern bis zu knapp 30 % der Gelder der Beklagten für den Rückkauf eigener Anteile verwendet werden durften, um im Sinn des Placement und Market Maker-Vertrags für ausreichende Liquidität und geringe Volatilität der Zertifikate zu sorgen. Da für den Anleger damit eine andere Qualität seines Investments einhergeht, weil das Kapital in diesem Umfang dann nicht mehr für die in Aussicht genommenen Investitionen in Immobilienentwicklungs-projekte zur Verfügung stehen muss, würde er eine solche Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen. Am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Insider-Information ist damit nicht zu zweifeln.

I.4. Die Beklagte meint weiter, dass § 48d BörseG kein Schutzgesetz für den Kaufwillen des individuellen Anlegers sei, dieser daher nicht im Schutzzweck der Norm liege.

Schutzgesetze sind objektiv abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (RIS-Justiz RS0027710; 6 Ob 197/08a). Sie sind konkrete Verhaltensvorschriften, die einerseits durch die Gefahren, die vermieden werden sollen, und andererseits durch die Personen, die geschützt werden sollen, begrenzt sind (vgl Karollus , Funktion und Dogmatik der Haftung aus Schutzgesetzverletzung 346).

Die börserechtlichen Informationsbestimmungen haben einen Schutz des Vertrauens der Anleger auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der kapitalmarktrechtlich gebotenen Informationen zum Inhalt. Durch das Verbot der Marktmanipulation und die Ad-hoc-Publizitätspflicht soll erreicht werden, dass alle Marktteilnehmer Zugang zu den preisrelevanten Informationen haben, damit sich ein Preis bilden kann, der den Wert des Wertpapiers möglichst getreu abbildet ( Kalss/Oppitz/Zollner aaO, § 14 Rz 2; Gruber , Ad-hoc-Publizität, ÖBA 2003, 239). Wenngleich das BörseG wegen Verletzung der Ad-hoc-Publizitätspflicht oder wegen marktmanipulativer Handlungen nur gegen die Vorstandsmitglieder zu verhängende verwaltungsstraf-rechtliche Sanktionen vorsieht, entspricht es der ganz überwiegenden Auffassung, dass diese Bestimmungen als Schutzgesetze zu qualifizieren sind. Dies gilt für die Ad-hoc-Publizitätspflicht ebenso wie für den Marktmanipulationstatbestand (6 Ob 28/12d mit zahlreichen Nachweisen; s auch 8 Ob 104/12w).

Die Ad-hoc-Meldepflicht im Besonderen soll die durch Informationsdefizite entstehende Bildung unangemessener Marktpreise verhindern. Sie wird insofern auch als Flankenschutz für das Verbot des Insiderhandels angesehen ( Altendorfer/Kalss/Oppitz in Aicher/Kalss/Oppitz , Grundfragen des neuen Börserechts 139), weil sie darauf abzielt, dass kein Insider Vorteile aus nur ihm bekannten Informationen ziehen soll. Sie soll damit gewährleisten, dass bestimmte Informationen, die für die Anlageentscheidung des Publikums von Bedeutung sind, dergestalt in den Markt gelangen, dass alle Marktteilnehmer in gleichem Maße Gelegenheit haben, auf die Informationen zu reagieren. Dies dient auch dem Funktionsschutz des Markts. Denn Kapitalmärkte sind nur funktionsfähig, wenn unter möglichst rascher Einbeziehung aller relevanten Informationen eine effiziente Preisbildung gefördert wird ( Brandl aaO § 48d BörseG, Rz 6).

Dass die Ad-hoc-Meldepflicht der Preisbildung für Finanzinstrumente auf informationseffizienten Märkten dient, veranlasst die Beklagte unter Berufung auf Teile der Literatur zur Annahme, dass nur Preisschäden des Anlegers im Schutzzweck der Norm liegen, nicht aber auch die Integrität der Willensentschließung des einzelnen Anlegers (ausführlich zum Streitstand Möllers/Leisch in Hirte/Möllers , Kölner Kommentar zum WpHG 2 , §§ 37b, c Rz 263 ff mwN). Nach dieser Ansicht wäre nur eine allfällige Differenz zwischen dem Kurs, wie er sich ohne die Mitteilung gebildet hat, und jenem, der bei korrekter Mitteilung entstanden wäre (Kursdifferenz-, Preisschaden), möglicher Inhalt eines vom Schutz der Norm erfassten Schadenersatzanspruchs, nicht aber auch ein bereits im Abschluss eines ungewollten Vertrags als solchem liegender Schaden (Vertragsabschlussschaden).

Diese Sichtweise wäre jedoch zu eng, weil der Bereichsöffentlichkeit veranlagungsrelevante Informationen gleichmäßig auch und gerade deshalb zur Verfügung gestellt werden sollen, damit sie einen verständigen Anleger frühzeitig erreichen und von ihm als Teil seiner Anlegerentscheidungen genutzt werden können. Dieser Zusammenhang wird schon von der Definition einer Insider-Information nahegelegt, weil sie die Eignung der Information zur erheblichen Kursbeeinflussung verlangt und diese Eignung gegeben ist, weil ein verständiger Anleger die Information wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde. Anlageentscheidungen können aber nicht nur einen bereits vorhandenen Bestand an Wertpapieren, sondern ebenso die Frage betreffen, ob überhaupt eine bestimmte Veranlagung getätigt werden soll. Ist dergestalt aber nicht ausgeschlossen, dass ein verständiger Anleger seine Entscheidung auf den Informationsgehalt einer bestimmten Ad-hoc-Meldung stützt, ist grundsätzlich auch die Willensbildung des einzelnen Anlegers Schutzgut der Ad-hoc-Meldepflicht iSd § 48d BörseG. Vertragsabschlussschäden sind danach nicht von vornherein vom Schutzzweck der Norm auszuschließen (ebenso zu §§ 37b, c WpHG BGH vom 13. 12. 2011, XI ZR 51/10 ‑ IKB ; s auch die Entscheidung 7 Ob 77/10i, die, wenngleich ohne nähere Befassung, von der Möglichkeit einer Naturalrestitution bei einem Verstoß gegen § 48d BörseG ausgeht).

I.5. Für einen Schadenersatzanspruch muss der Erwerbsentschluss des Anlegers auf der unwahren oder hier: der unterlassenen Veröffentlichung der Insider‑Information beruhen, womit sich die Frage nach der haftungsbegründenden Kausalität stellt.

Zur Vermeidung von Missverständnissen ist zunächst zu den von den Streitteilen aufgeworfenen Kausalitätsfragen Folgendes festzuhalten:

Das Berufungsgericht setzte sich im ersten Rechtsgang (ON 76 S 21 f) über die Negativfeststellung des Erstgerichts zum Kursverlauf mit der Begründung hinweg, dass der Geschädigte bei der Verletzung eines Schutzgesetzes zwar jeweils die Kausalität des schädigenden Verhaltens nachweisen muss, dafür aber kein strikter Kausalzusammenhang erforderlich ist. Dies ist zwar grundsätzlich richtig, darf nach ständiger Rechtsprechung jedoch nicht dahin verstanden werden, dass im Fall einer Verletzung eines Schutzgesetzes iSd § 1311 ABGB die Vermutung bestehe, die Verletzung des Schutzgesetzes sei für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen (keine Umkehr der Beweislast). Doch kann ein Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, dass der von dieser Norm zu verhindernde Schaden durch dieses Verhalten verursacht wurde (RIS-Justiz RS0027517). Der Anscheinsbeweis verändert sohin die Beweislast nicht, er erleichtert der beweisbelasteten Partei aber die Beweisführung, indem das Regelbeweismaß herabgesetzt wird. Diese Beweismaßreduzierung wird durch die Eigenart der materiell-rechtlichen Tatbestandsmerkmale des Schadenersatzrechts gerechtfertigt, wenn konkrete Beweise vom Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden können. Vorausgesetzt ist aber, dass ein Geschehensablauf vorliegt, der nach der Lebenserfahrung für einen bestimmten Kausalzusammenhang typisch ist und deshalb auf die Kausalität der zu beweisenden Tatsache hinweist. Da der Anscheinsbeweis nichts an der Beweislastverteilung ändert, braucht der Schädiger zur Widerlegung nicht den Beweis des Gegenteils, sondern nur den Gegenbeweis zu führen. Dieser ist erbracht, wenn der typische Geschehensablauf im konkreten Fall nicht zwingend ist und die ernsthafte Möglichkeit eines anderen, atypischen Geschehensablaufs besteht (s nur Rechberger in Rechberger , ZPO 4 Vor § 266 Rz 6, 22; ders in Fasching/Konecny ZPG III 2 Vor § 266 Rz 56 ff, 59). Gelingt es der beweisbelasteten Partei trotz des herabgesetzten Beweismaßes nicht, die gewünschte Feststellung zu erreichen, muss eine entsprechende Negativfeststellung danach zu ihren Lasten gehen.

I.6. Die Frage des erforderlichen Kausalzusammenhangs zwischen Ad-hoc-Meldung und Anlageentscheidung wird im Schrifttum kontrovers diskutiert.

Kalss/Oppitz (in Hopt/Zimmermann , Haftung für Kapitalmarktinformation/Österreich 869) sowie Kalss/Oppitz/Zollner (Kapitalmarktrecht I § 19 Rz 6 f) gehen von einem „gelockerten Kausalzusammenhang“ aus. Der Geschädigte ist nach dieser Ansicht vom Beweis der tatsächlichen Kenntnis der Unterlassung oder des falschen Inhalts einer Ad-hoc-Meldung befreit. Es wird lediglich der Nachweis verlangt, dass die unterlassene Mitteilung zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung zu erbringen gewesen wäre bzw die falsche oder unvollständige Information bereits am Markt war. Nach den genannten Autoren stellt bereits die durch die falsche oder unterlassene Ad-hoc-Meldung erzeugte positive allgemeine Anlagestimmung eine ausreichende Haftungsgrundlage dar, wobei der Haftung insofern Grenzen gesetzt seien, als dass eine Anlagestimmung im Zweifel kurz nach einer fehlerhaften Ad-hoc-Meldung eher zu beweisen sei.

Demgegenüber argumentiert Schopper zur unterlassenen Ad‑hoc‑Meldung (ÖBA 2014, 495, 503), dass den Anleger die volle Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die Ad- hoc-Meldepflicht und dem individuellen Kaufentschluss treffe, wenn er die schadenersatzrechtliche Rückabwicklung des Kaufes begehre. Ein Anscheinsbeweis komme ihm dabei ebenso wenig zugute wie die Rechtsfigur der Anlagestimmung. Behaupte der Anleger, dass er die Ad-hoc-Meldung zwar nicht selbst gelesen hätte, im Falle einer rechtzeitigen Veröffentlichung aber durch einen Finanzintermediär vom Kauf abgehalten worden wäre, obliege ihm die Beweislast für die lückenlose Kausalkette zwischen dem Ad-hoc-Meldepflichtverstoß und seinem Kaufentschluss.

Soweit in der Rechtsprechung daneben auch ein Rückgriff auf die in der Lehre zum Kausalitätsbeweis des geschädigten Anlegers angenommene Anlagestimmung angesprochen wurde, konnten entsprechende Erwägungen mangels konkretem Klagsvorbringen dahingestellt bleiben (zB 2 Ob 41/14i, 8 Ob 105/13v, 4 Ob 5/13v).

I.7. Im Zusammenhang mit einer unterlassenen Ad-hoc-Meldung stellt sich im vorliegenden Fall die Kausalitätsprüfung so dar, dass zu fragen ist, 1. ob der Kläger bei Einhaltung der gebotenen Ad-hoc-Meldepflicht vom Inhalt der Mitteilung erfahren hätte und, wenn dies der Fall ist, 2. ob er dann eine andere (oder keine) Veranlagungsentscheidung getroffen hätte.

Für die zweite Frage, dh den Willensentschluss zur Veranlagungsentscheidung selbst, ist zu bedenken, dass sich ein Anleger in Bezug auf seine Willensentscheidung in keinem ein herabgesetztes Beweismaß rechtfertigenden Beweisnotstand befindet (vgl RIS-Justiz RS0040288). Bei der Prüfung, ob er nachvollziehbare Gründe dafür darlegen kann, dass er in Kenntnis des Inhalts einer Ad-hoc-Meldung eine andere Veranlagungsentscheidung getroffen hätte, wird in der Regel insbesondere der konkrete Inhalt der gebotenen Meldung und die zeitliche Nähe des Erwerbs eine Rolle spielen, weil es sich um eine für die Anlegerentscheidung in unterschiedlichem Ausmaß ausschlaggebende Tatsache handeln kann, auch andere Faktoren für die Erwerbsentscheidung bestimmend sein können und sich der Wert einer Ad-hoc-Meldung aufgrund ihres Charakters als Momentaufnahme im Zeitverlauf auch verlieren kann. Die ‑ nach dem Regelbeweismaß zu treffende ‑ Feststellung der entsprechenden Willensentscheidung des Anlegers bleibt aber in jedem Fall eine Frage der einer revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogenen Beweiswürdigung.

I.8. Davon zu unterscheiden ist die Frage des Nachweises dafür, ob der Kläger bei Einhaltung der Ad-hoc-Meldepflicht vom Inhalt der Mitteilung erfahren hätte. Dass es dafür nicht auf die eigene Lektüre von Ad-hoc-Meldungen ankommen muss, ergibt sich schon daraus, dass der Informationsgehalt von Ad-hoc-Meldungen von Anlegern typischerweise nicht aus der Ad-hoc-Meldung selbst, sondern über die an sie anknüpfenden Informationsquellen wie Berater bezogen wird, sind Ad-hoc-Meldungen doch dazu angetan, erst über Finanzmediäre den Markt zu erreichen (vgl zB G. Graf , Die Prospekthaftung und der Kausalitätsbeweis des geschädigten Anlegers, GeS 2011, 203; zur Unschädlichkeit fehlender Lektüre von Bestätigungsvermerken bei Anlegerschäden s auch 10 Ob 46/13g).

Allgemein sind nach ständiger Rechtsprechung die Anforderungen an den Beweis des hypothetischen Kausalverlaufs bei einer (angeblichen) Schädigung durch Unterlassen geringer als jene an den Nachweis der Verursachung bei einer Schadenszufügung durch positives Tun. Denn die Frage, wie sich die Geschehnisse entwickelt hätten, wenn der Schädiger pflichtgemäß gehandelt hätte, lässt sich naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten, weil dieses Geschehen eben nicht stattgefunden hat (RIS‑Justiz RS0022900 [T14]). Es genügt daher die überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Schaden auf das Unterlassen des pflichtgemäßen Handelns zurückzuführen ist (RIS-Justiz RS0110701 [T11], RS0022700 [T5 und T7]). Dieses Kriterium liegt unter dem Regelbeweismaß der ZPO, nach dem für eine (Positiv-)Feststellung eine „hohe“ Wahrscheinlichkeit erforderlich ist (RIS-Justiz RS0110701 [T12]; 4 Ob 67/12z; Rechberger in Fasching/Konecny ZPG III 2 Vor § 266 ZPO Rz 11, 13). Im vorliegenden Fall müsste daher nach dem Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit feststehen, dass dem Kläger der Inhalt der unterlassenen Ad-hoc-Meldung bei Publikation zur Kenntnis gelangt wäre.

I.9. Eine entsprechende Feststellung, dass der Kläger bei korrekter Ad-hoc-Meldung über die Rückkaufsermächtigung der M***** Bank AG von dieser erfahren hätte und dass er in der Folge deshalb von einer Investition in die Zertifikate der Beklagten abgesehen hätte, wurde nicht getroffen. Darin läge ein sekundärer Verfahrensmangel, der hier vor dem Hintergrund des Klagsvorbringens und der übrigen Feststellungen jedoch nicht aufzugreifen ist:

Der Kläger brachte im Wesentlichen vor, er habe zwar keine Ad-hoc-Mitteilungen gelesen. Hätte die Beklagte aber eine Ad-hoc-Mitteilung über die Vertragsänderung veröffentlicht, dass die M***** Bank im Umfang von knapp 30 % zum Rückkauf von Zertifikaten der Beklagten ermächtigt worden sei, hätte diese „über die Medien bzw den Berater“ auch seine Sphäre erreicht (Bd II ON 70, AS 215). Ohne die Ermächtigung und die Interventionen der M***** Bank AG wäre der Kurs der Zertifikate bereits vor dem Erwerb am 15. 9. 2005 gesunken. Der Kläger hätte dann nicht investiert (AS 219).

Festgestellt wurde, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt Kapitalmarktprospekte, Geschäftsberichte, Bilanzen oder Ad-hoc-Meldungen des Beklagten las, dass er die Kaufentscheidung im September 2005 über Beratung seines Vermögensberaters traf und aufgrund des Beratungsgesprächs und der ihm übergebenen Unterlagen davon ausging, dass die Beklagte in Immobilien mit Mietern von guter Bonität investieren werde und sich der Kurs weiterhin günstig entwickeln werde. Festgestellt wurde weiter, dass auch der Vermögensberater zu keinem Zeitpunkt einen Kapitalmarktprospekt oder eine Bilanz der Beklagten las, jedoch manchmal Ad-hoc-Meldungen las, wobei weder festgestellt werden konnte, welche ihm konkret zur Kenntnis gelangten, noch, welche Unterlagen im Rahmen jener Abteilung der Vermögensberatungsgesellschaft, für die der Berater tätig ist, genau durchgelesen werden. Schließlich konnte nicht festgestellt werden, ob die Abänderung der Grenze für Aktienrückkäufe im Market Maker Agreement oder das Unterlassen der Veröffentlichung einer Ad-hoc-Meldung darüber einen konkreten Einfluss auf die Kursentwicklung hatten. Dass der Kläger die Information jedenfalls über seinen Berater erhalten hätte, geht daher aus all dem gerade nicht hervor. Vom Klagsvorbringen verbleibt damit nur eine potenzielle Kenntnisnahme der Meldung „über die Medien“.

Entsprechende Feststellungen wurden nicht getroffen. In diesem Punkt hat der Kläger aber schon sein Vorbringen in keiner Weise näher konkretisiert. Insbesondere hat er keine Anhaltspunkte dafür dargelegt, die zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen ließen, dass ihm die Meldung medial zur Kenntnis gelangt wäre. Es gibt auch keinen generellen Erfahrungssatz dahin, dass sich jedwede Ad-hoc-Mitteilung generell rasch „über die Medien“ verbreitet und gegebenenfalls zu einer Kaufwarnung führt. Derartiges mag bei ausreichend gravierenden Informationen der Fall sein, weil dann damit gerechnet werden kann, dass sie sich nicht nur in der Bereichsöffentlichkeit über Finanzmediäre verbreiten, sondern auch Eingang in die allgemeinen Medien (Fernsehen, Zeitungen etc) finden. Es bestehen aber keine ausreichenden Gründe zur Annahme, dass im Jahr 2005 auch der Mitteilung über die Ermächtigung der M***** Bank AG zum Rückkauf von 29,9 % der Zertifikate der Beklagten ein solch gravierender, die allgemeine Aufmerksamkeit erregender Wert zugekommen wäre.

I.10. Zusammenfassend fehlt es daher nicht nur an ausreichenden Feststellungen, sondern auch schon an einem ausreichenden Vorbringen, dass der Kläger bei Veröffentlichung einer Ad-hoc-Meldung im Juli 2005 von ihrem Inhalt erfahren hätte, woraus auf eine Kausalität der Verletzung der Ad-hoc-Meldepflicht der Beklagten für einen Schaden des Klägers aus seiner Veranlagung im September 2005 geschlossen werden könnte. Im Umfang der ersten Veranlagung besteht danach keine Haftung der Beklagten für den Vertragsabschlussschaden des Klägers.

II. Zur irreführenden Mitteilung vom 27. Februar 2006

II.1. § 48a Abs 1 Z 2 lit c BörseG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl I Nr 127/2004 lautete:

§ 48a. (1) Für Zwecke der §§ 48a bis 48r gelten folgende Begriffsbestimmungen:

2. 'Marktmanipulation' sind:

...

c) Verbreitung von Informationen über die Medien einschließlich Internet oder auf anderem Wege, die falsche oder irreführende Signale in Bezug auf Finanzinstrumente geben oder geben könnten, unter anderem durch Verbreitung von Gerüchten sowie falscher oder irreführender Nachrichten, wenn die Person, die diese Informationen verbreitet hat, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie falsch oder irreführend waren. Bei Medienmitarbeitern, die in Ausübung ihres Berufs handeln, ist eine solche Verbreitung von Informationen unbeschadet des § 48q Abs. 1 und 2 unter Berücksichtigung der für ihren Berufsstand geltenden Regeln zu beurteilen, es sei denn, dass diese Personen aus der Verbreitung der betreffenden Informationen direkt oder indirekt einen Nutzen ziehen oder Gewinne schöpfen.

II.2. Die Meldung der Beklagten vom 27. 2. 2006, dass die Beklagte „ihre Kapitalerhöhung erfolgreich beendet“ hat und „aufgrund des starken Interesses von Privatanlegern und institutionellen Investoren … die vom 20. Februar 2006 bis 3. März 2006 angesetzte Kapitalerhöhung wegen Überzeichnung nach Ende des Bezugsrechtshandels heute vorzeitig geschlossen werden“ musste, war aufgrund des Umstands, dass 37,8 % des Volumens der Kapitalerhöhung von der Beklagten mittelbar selbst erworben wurden, weil es in diesem Umfang nicht am Markt platziert werden konnte, jedenfalls irreführend. Damit liegt eine Verletzung des § 48a Abs 1 Z 2 lit c BörseG vor. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass die Beklagte im Kapitalmarktprospekt vom 2. 2. 2006 auf das Fehlen von Einschränkungen für den Erwerb eigener Aktien hingewiesen hatte, weil dies die Platzierung jedenfalls nicht „erfolgreich“ macht. Unerheblich ist daher, dass die Kapitalerhöhung zu einem nach Ansicht der Beklagten nicht beeinflussbaren Fixpreis erfolgt war.

II.3. Die Tatsache, dass eine andere Gesellschaft im Zuge der Kapitalerhöhung 37,8 % des Volumens der Kapitalerhöhung mit Geldern der Beklagten erwerben musste, um eine vollständige Platzierung erreichen zu können, ist darüber hinaus eine veröffentlichungspflichtige Insider-Information iSd § 48d Abs 1 BörseG, weil sie dem verständigen Anleger signalisiert hätte, dass auf dem Kapitalmarkt keine ausreichende Nachfrage bestand und die Kapitalerhöhung somit nicht erfolgreich ‑ im Sinne einer Vollplatzierung ‑ beendet werden konnte. Einer solchen Mitteilung wäre von Analysten und Anlegern zweifellos hohe Aufmerksamkeit gewidmet worden, in der Folge wäre sie als Teil von individuellen Veranlagungsentscheidungen genutzt worden. Schließlich zeigen auch die nach Bekanntwerden der Rückkäufe eingetretenen massiven Kursverluste, die später nicht wieder gutgemacht wurden, dass die unterlassene Information tatsächlich veranlagungsrelevant war.

Auch hier stellt sich folglich die Frage der Kausalität der unrichtigen Meldung vom 27. 2. 2006 für die weiteren Anlageentscheidungen des Klägers.

II.4. Festgestellt wurde, dass der Hauptgrund für die beiden Nachkäufe des Klägers im Jahr 2006 die positive Kursentwicklung war. Allerdings konnte nicht festgestellt werden, dass die Veröffentlichung der irreführenden Mitteilung vom 27. 2. 2006 oder das Unterlassen der Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung über den mittelbaren Eigenerwerb von 37,8 % des Volumens der Kapitalerhöhung durch die Beklagte einen konkreten Einfluss auf die Kursentwicklung hatte. Soweit der Kläger die Kausalität der Veröffentlichungspolitik der Beklagten darauf stützt, dass es bei rechtmäßigem Alternativverhalten zu einem Kurseinbruch gekommen wäre, der ihn von den Nachkäufen abgehalten hätte, kann ihm nach der diesbezüglichen Negativfeststellung nicht gefolgt werden.

II.5. Unabhängig vom Kursverlauf ist dem Vorbringen des Klägers jedoch (noch) zu entnehmen, dass seine Kaufentscheidung bei korrekten Mitteilungen auch deshalb anders ausgefallen wäre, weil sich dann seine Beurteilung von der Werthaltigkeit und der Sicherheit des Wertpapiers geändert hätte („sichere Immobilieninvestition“, s ergänzendes Vorbringen in ON 70 S 8 = AS 223). Ob dies den Tatsachen entspricht, kann jedoch nicht beurteilt werden, weil Feststellungen zu einem solchen Kausalverlauf fehlen. Konkret ist dem Sachverhalt weder zu entnehmen, dass dem Kläger der richtige Nachrichtenwert zur Kenntnis gelangt wäre, noch, dass sich dadurch seine Vorstellung von der Beschaffenheit der Zertifikate verändert und er deshalb eine andere Veranlagungsentscheidung getroffen hätte.

Im Hinblick auf den aus den Nachkäufen resultierenden Schaden ist es danach unumgänglich, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur entsprechenden Ergänzung des Sachverhalts und neuerlichen Beurteilung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

II.6. Zum weiteren Vorbringen der Beklagten ist Folgendes anzumerken:

Soweit sie Feststellungen zu ihrer subjektiven Kenntnis über die fehlerhaften bzw irreführenden Nachrichten vermisst, übersieht sie, dass der Tatbestand der Marktmanipulation iSd § 48a Abs 1 Z 2 lit c BörseG nicht erst bei Wissentlichkeit, sondern schon bei schuldhafter Unkenntnis („hätte wissen müssen“), dass die Informationen falsch oder irreführend waren, vorliegt. Selbst wenn ihr Vorstand ‑ trotz der festgestellten Finanzierung der Transaktionen über die S***** A.V.V. mit Geldern der Beklagten ‑ nichts von der Irreführung der Meldung vom 27. 2. 2006 gewusst haben sollte, wäre der Beklagten eine solche Unkenntnis mangels Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Mitteilung vorzuwerfen.

II.7. Die Beklagte meint schließlich, dass kein hypothetisches Alternativverhalten des Klägers bezüglich einer konkreten anderen Veranlagung feststehe.

In der Entscheidung 4 Ob 67/12z wurde festgehalten, dass es auf der Hand liegt, dass konkrete Angaben und daher Feststellungen zur alternativen Veranlagung gerade dann nur schwer möglich sind, wenn ‑ wie offenkundig hier ‑ eine höhere Risikobereitschaft bestand, sodass die Annahme einer „sicheren“ Veranlagung, etwa auf einem Sparbuch, ausgeschlossen ist. In einem solchen Fall ist festzustellen, für welche Anlageart sich der Geschädigte bei ordnungsgemäßer Beratung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entschieden hätte. Maßgebend ist in weiterer Folge die typische ‑ etwa durch Indizes belegte ‑ Entwicklung solcher Anlagen (der „gewöhnliche Lauf der Dinge“ iSv § 1293 ABGB); mögliche Ausreißer nach oben oder unten, etwa durch Verwirklichung eines atypischen Risikos (Insolvenz, Veruntreuung), wären unbeachtlich.

Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass der Kläger, hätte er nicht in die Zertifikate der Beklagten investiert, in Aktienfonds oder gemischte Fonds zu unterschiedlichen Anteilen, nicht aber in eine Einzelaktie, auch nicht in eine andere „Immobilienaktie“, investiert hätte. Diese Feststellung beruht auf einer ausführlichen Auseinandersetzung mit dem übrigen Anlageverhalten des Klägers unter Berücksichtigung der Kursentwicklung diverser seiner Fonds. Festgestellt wurde weiter, dass der Kläger mit seinem Alternativinvestment keinen größeren Verlust als 5 % erwirtschaftet hätte. Diese Differenz hat der Kläger bei der Bezifferung seines Klagebegehrens letztlich auch berücksichtigt. Der Revision der Beklagten kann in diesem Punkt daher nicht gefolgt werden.

III. Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit und der Aktenwidrigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft, liegen nach Maßgabe der dargelegten rechtlichen Erwägungen jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

IV.1. Zusammenfassend steht dem Kläger daher aus der ersten Veranlagung kein Schadenersatzanspruch zu, sodass das Klagebegehren in diesem Umfang abzuweisen ist. Dabei war zu berücksichtigen, dass vom ursprünglichen Klagebegehren von insgesamt 55.038,99 EUR ein Betrag von 19.313,02 EUR auf den Kaufpreis der ersten Tranche fiel. Das Klagebegehren wurde in der Folge aufgrund der Vergleichssumme, mehrerer Dividendenausschüttungen und unter Berücksichtigung des auch mit einem Alternativinvestment erlittenen Verlustbetrags von 5 % auf einen Betrag von zuletzt insgesamt 32.283,75 EUR eingeschränkt. Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der erste Veranlagungsbetrag darin mit einem aliquoten Betrag von 11.328,27 EUR sA enthalten ist: Ein Vorbringen dahin, dass der Vergleichsbetrag nur auf die zweite und dritte Tranche anzurechnen sei, wurde nicht erstattet. Die Ausschüttungen erfolgten, nachdem der Kläger die gesamten Investitionen bei der Beklagten getätigt hatte, betrafen daher offenkundig alle drei Tranchen. Schließlich bezog er auch den Abzug von 5 % auf die Gesamtveranlagung. Die gesetzlichen Zinsen wurden ab 6. 10. 2006 geltend gemacht.

IV.2. Für die abschließende Beurteilung des Ersatzes der Schäden des Klägers aus der zweiten und dritten Veranlagung bedarf es ergänzender Feststellungen des Erstgerichts zum Kausalverlauf bei rechtmäßigem Alternativverhalten der Beklagten, wobei die Feststellungen dazu, dass dem Kläger der korrekte Nachrichtenwert zur Kenntnis gelangt wäre, nach dem Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (Pkt I.8.) und die Feststellungen dazu, dass er deshalb eine andere Veranlagungsentscheidung getroffen hätte, nach dem Regelbeweismaß (Pkt I.7.) zu treffen sind.

V. Da sich die Revision der Beklagten danach insgesamt als erfolgreich erwies, war ihr wie aus dem Spruch ersichtlich Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich jeweils auf § 52 ZPO.

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