OGH 6Ob71/15g

OGH6Ob71/15g27.5.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. G. Kodek und Dr. Hargassner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** K*****, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, sowie 2. A***** Ltd, *****, vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 193.569,54 EUR sA, über die Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. Februar 2015, GZ 34 R 141/14a‑41, womit das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 18. August 2014, GZ 55 Cg 30/12s‑36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.383,99 EUR (darin 397,33 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung

Die Revision ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat zu den von der Revisionswerberin thematisierten Fragen bereits in der ‑ gleichfalls die Revisionswerberin betreffenden ‑ Entscheidung 9 Ob 26/14k ausführlich Stellung genommen. Da es hinsichtlich des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof ankommt und eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage somit wegfällt, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RIS‑Justiz RS0112769 [T12]), ist die Revision nicht zulässig.

2.1. Zur Frage des Vorliegens einer Insider‑Information, also der Eignung zu einer erheblichen Kursbeeinflussung, wies der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung 9 Ob 26/14k bereits darauf hin, dass die Frage, ob eine Verletzung der ad‑hoc‑Meldepflicht sich in der Folge tatsächlich auf den Kurs auswirkt oder nicht, für die Frage eines Pflichtverstoßes nicht relevant ist. Der Umstand, dass nachträglich kein Einfluss einer Meldepflichtverletzung auf den Kursverlauf feststellbar ist, nimmt der Information daher noch nicht ihren Charakter als Insider‑Information, über die der Markt in Kenntnis zu setzen gewesen wäre.

2.2. Dabei ist es naturgemäß für die Entscheidung des Käufers von Aktien bedeutsam, ob er richtige und vollständige Informationen über Umstände erhält, die den Kursverlauf beeinflussen können, sowie ob von der Emittentin nicht beeinflussbare Umstände, wie etwa Terroranschläge auftreten, oder ob die Emittentin in ihrer Sphäre liegende Informationen über Vorgänge unterlässt oder ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ unrichtig wiedergibt.

3. In der Entscheidung 9 Ob 26/14k hat der Oberste Gerichtshof auch bereits ausgesprochen, dass in der vereinbarten Verdreifachung der ursprünglichen Menge an rückkaufbaren Anteilen eine öffentlich noch nicht bekannt gemachte Information im Sinne des § 48d BörseG zu sehen ist und diese auch veranlagungsrelevant ist. Durch diese Information wäre einem verständigen Anleger signalisiert worden, dass nicht nur ein Zehntel, sondern bis zu knapp 30 % der Gelder der Beklagten für den Rückkauf eigener Anteile verwendet werden durften, um im Sinn des Placement und Market‑Maker‑Vertrags für ausreichende Liquidität und geringe Volatilität der Zertifikate zu sorgen. Da für den Anleger damit eine andere Qualität seines Investments einhergeht, weil das Kapital in diesem Umfang dann nicht mehr für die in Aussicht genommenen Investitionen in Immobilienentwicklungsprojekte zur Verfügung stehen muss, würde er eine solche Information als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen. Am Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Insider‑Information im Sinne der §§ 48a und 48d BörseG ist daher nicht zu zweifeln (vgl auch 4 Ob 239/14x und 10 Ob 85/14v).

4. Zum Schutzgesetzcharakter des § 48d BörseG hat gleichfalls der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung 9 Ob 26/14k Stellung genommen.

5. Auf die eigene Lektüre von ad‑hoc‑Meldungen durch den Anleger kommt es nicht an, wird der Informationsgehalt derartiger Meldungen von Anlegern doch typischerweise nicht unmittelbar aus der ad‑hoc‑Meldung, sondern über die an sie anknüpfenden Informationsquellen, wie Berater bezogen.

6. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen festgestellt, dass sich der Berater der Klägerin immer wieder informierte, indem er Schulungen der M***** besuchte, von dieser auch ad‑hoc‑Mitteilungen und sonstige Informationen übermittelt bekam und diese sowie laufend Wirtschaftszeitungen las und sich bei Steuerberatern wie zB D***** informierte. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hätte die Klägerin, wenn ihr Berater ihr vom Kauf der Zertifikate abgeraten bzw zum Verkauf geraten hätte, diesen Rat befolgt. Aus diesen Feststellungen ergibt sich in ihrem Zusammenhang aber zweifelsfrei, dass der Berater bei Kenntnis der wahren Umstände nicht zum Kauf geraten bzw bei richtiger Meldung zum Verkauf geraten hätte und die Klägerin diesem Rat gefolgt wäre. Damit kann aber an der Kausalität der beanstandeten Verstöße für den Anlage- bzw Behalteentschluss der Klägerin kein Zweifel bestehen.

7. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof auch hinsichtlich der Meldung vom 27. 2. 2006, wonach die Kapitalerhöhung wegen Überzeichnung vorzeitig geschlossen worden sei, bereits ausgesprochen, dass diese Meldung jedenfalls irreführend war, sodass eine Verletzung des § 48a Abs 1 Z 2 lit c BörseG vorliegt. Damit ist auch unerheblich, dass die Kapitalerhöhung zu einem nach Ansicht der Beklagten nicht beeinflussbaren Fixpreis erfolgte.

8. Soweit die Revisionswerberin insoweit Feststellungen zu ihrer subjektiven Kenntnis über die fehlerhaften bzw irreführenden Nachrichten vermisst, übersieht sie, dass der Tatbestand der Marktmanipulation im Sinne des § 48a Abs 1 Z 2 lit c BörseG nicht erst bei Wissentlichkeit, sondern schon bei schuldhafter Unkenntnis, dass die Informationen falsch oder irreführend waren, vorliegt (vgl dazu abermals bereits 9 Ob 26/14k).

8.1. Unzutreffend ist schließlich auch das Vorbringen zur Verjährung. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Anschluss als Privatbeteiligter im Strafverfahren die gleichen rechtlichen Wirkungen im Sinne des § 1497 ABGB wie eine Klage (RIS‑Justiz RS0034631). Diese Rechtsprechungslinie wurde auch nach der StPO‑Novelle 2008 fortgesetzt. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs 2 StPO beginnt das Strafverfahren, sobald die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zu ermitteln beginnt. Das Strafverfahren endet durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung. Nach § 67 Abs 3 StPO ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Erklärung, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen, bei der Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft bzw nach Einbringung der Anklage beim Gericht einzubringen ist (vgl auch 10 Ob 55/07x). Für die Unterbrechung der Verjährung reicht, dass der Kläger die klagsgegenständlichen Ansprüche innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist ausreichend konkretisiert und individualisiert im Strafverfahren als Privatbeteiligter geltend macht.

8.2. Der Anspruch des Privatbeteiligten muss zwar durch die Straftat entstanden sein, der Privatbeteiligtenanschluss erfordert aber keinen tatbestandsrelevanten Schaden. Vielmehr können auch außertatbestandsmäßige Folgen wie der Sachschaden bei strafrechtlicher Verfolgung wegen fahrlässiger Körperverletzung aufgrund eines Verkehrsunfalls im Wege des Privatbeteiligtenanschlusses geltend gemacht werden (Korn/Zöchbauer, Wiener Kommentar StPO § 69 Rz 5).

8.3. Vor allem aber vermag die Beklagte nicht darzustellen, dass die Klägerin bereits drei Jahre vor der Klagseinbringung am 1. 6. 2012 die entscheidenden Zusammenhänge für die Geltendmachung der Haftung der Beklagten gekannt hat bzw hätte erkennen müssen (RIS‑Justiz RS0034366 [T19], RS0034524 uva; zur Beweislast der Beklagten RIS‑Justiz RS0034456).

9. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Erwägungen der Tatsacheninstanzen, weshalb ein Sachverhalt als erwiesen angenommen oder bestimmte Feststellungen nicht getroffen werden können, fallen in das Gebiet der Beweiswürdigung, können daher weder eine Aktenwidrigkeit bilden noch gegen den Dispositionsgrundsatz verstoßen (RIS‑Justiz RS0043347). Mit der Behauptung, das Berufungsurteil sei mangelhaft, versucht die Revision lediglich in dritter Instanz nicht mehr aufgreifbare Fragen der Beweiswürdigung an den Obersten Gerichtshof heranzutragen.

10. Zusammenfassend bringt die Revisionswerberin daher keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zur Darstellung, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

11. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Zwar konnte die Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hinweisen, weil damals die Entscheidung 9 Ob 26/14k noch nicht veröffentlicht war; nach der rechtlich maßgeblichen Perspektive zum Zeitpunkt der Vornahme der entsprechenden Prozesshandlung war die Erstattung der Revisionsbeantwortung als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zweckmäßig anzusehen (vgl auch § 50 Abs 2 ZPO).

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