European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00072.21B.0625.000
Spruch:
Beide Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortungen bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens sind Schadenersatzansprüche aufgrund eines Schiunfalls.
[2] Die beteiligten Parteien, beide gute Schifahrer mit langjähriger Erfahrung, benutzten bei besten Wetter-, Sicht- und Schneeverhältnissen eine blau markierte, rund 70 m breite Piste, auf der sich im Unfallszeitpunkt nur wenige Personen befanden. Der Kläger und seine Ehefrau hielten an einer vom linken Pistenrand rund 30 m entfernten, von oben rund 30 m weit einsehbaren Stelle an, um zu rasten. Der Beklagte, der vorher einer anderen Schifahrerin ausweichen hatte müssen, näherte sich mit bis zu 25 km/h an und kollidierte mit dem stehenden Kläger. Der Beklagte hätte bei Einhaltung der gebotenen Aufmerksamkeit und Sorgfalt den stehenden Personen rechtzeitig entweder rechts oder links ausweichen können, er hatte sich aber entschlossen, sich durch Hocke klein zu machen und zwischen ihnen durchzufahren.
[3] Der Kläger zog sich durch die Kollision eine Bauchprellung und einen unverschobenen Bruch der 5. Rippe rechts zu. Er befand sich einen Tag in stationärer Krankenhausbehandlung und litt gerafft gesehen einen Tag starke, vier Tage mittelstarke und vierzehn Tage leichte Schmerzen. Spät- und Dauerfolgen der Verletzung sind ausgeschlossen.
[4] Der Kläger begehrt Schmerzengeld in Höhe von 11.000 EUR sowie den Ersatz diverser, im Revisionsverfahren nicht mehr strittiger unfallkausaler Aufwendungen.
[5] Das Erstgericht ging von einem Alleinverschulden des Beklagten am Unfall aus und sprach dem Kläger unter Abweisung des Mehrbegehrens insgesamt 7.887,67 EUR, davon 4.000 EUR an Schmerzengeld, zu.
[6] Das Berufungsgericht änderte über Berufung beider Parteien diese Entscheidung dahin ab, dass es dem Kläger unter Berücksichtigung weiterer unfallkausaler Auslagen insgesamt 7.917,67 EUR sA zuerkannte. Im Übrigen billigte es die Rechtsausführungen des Erstgerichts zum Alleinverschulden des Beklagten ebenso wie die von beiden Berufungswerbern bekämpfte Bemessung des Schmerzengeldes.
[7] Über Antrag beider Streitteile erklärte das Berufungsgericht die ordentliche Revision nachträglich für zulässig. Es sei zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Frage, an welchen Stellen einer Abfahrt Schifahrer anhalten und sich aufhalten dürfen, sowie die Frage der konkreten Schmerzengeldbemessung erhebliche Rechtsfragen darstellen könnten.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die jeweils von der Gegenseite beantworteten Revisionen beider Streitteile sind entgegen diesem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, nicht zulässig.
[9] 1. Revision des Klägers:
[10] Der Kläger wendet sich gegen die von ihm als zu niedrig empfundene Bemessung des zuerkannten Schmerzengeldes und strebt einen Zuspruch in der eingeklagten Höhe von insgesamt 11.000 EUR an.
[11] Die Höhe des angemessenen Schmerzengeldes ist jedoch eine Frage des Einzelfalls, die nur ganz ausnahmsweise bei einer eklatanten Fehlbemessung eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu begründen vermag (RIS‑Justiz RS0021095 [T1]; RS0044088 [T19]).
[12] Die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts bewegt sich im Rahmen des den Gerichten dabei eingeräumten Beurteilungsspielraums (RS0044088 [T23]; RS0042887 [T2]).
[13] Die in der Revision ins Treffen geführten Entscheidungen sind entgegen der Ansicht des Klägers nicht einschlägig, sondern hatten dreifach längere Schmerzperioden (2 Ob 17/01s), nicht nur einen, sondern zwei Rippenbrüche (1 Ob 236/07g) bzw überhaupt mehrfache Frakturen mit einmonatigem Krankenhausaufenthalt und rund sechsmal längeren Schmerzperioden (2 Ob 56/05g) zum Gegenstand. Mit diesen Entscheidungsgrundlagen ist der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht vergleichbar, sodass es hier auch nicht darauf ankommt, welche Beträge unter Berücksichtigung der Geldentwertung heute in derartigen Fällen zuzusprechen wären.
[14] 2. Revision des Beklagten:
[15] 2.1. Der Beklagte vertritt den Standpunkt, dass den Kläger das Alleinverschulden, zumindest aber ein Mitverschulden am Unfall treffe, weil er zusammen mit seiner Gattin in der Pistenmitte unterhalb einer Geländekuppe gestanden sei und dadurch ein gefährliches Hindernis für die nachkommenden Schifahrer dargestellt habe.
[16] Diese Ausführungen weichen in unzulässiger Weise von den bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen ab. Nach dem Sachverhalt stand der Kläger so weit talwärts entfernt von der sichtbehindernden Geländekuppe, dass er ohne weiters gesehen werden konnte und selbst ein fast dreimal so schnell wie der Beklagte fahrender Schiläufer ihn bei gehöriger Aufmerkamkeit rechtzeitig sehen und ihm ausweichen hätte können. Zudem steht fest, dass der Beklagte sich bewusst für das objektiv riskantere Manöver entschieden hatte, zwischen dem Kläger und seiner Frau durchzufahren, anstatt rechts oder links an ihnen vorbeizufahren.
[17] Ein Schifahrer muss auf einer Piste einen so großen Raum vor sich beobachten, dass er bei auftretenden Kollisionsgefahren in der Lage ist, dem Hindernis rechtzeitig auszuweichen oder vor diesem anzuhalten. Er muss jederzeit mit der Möglichkeit eines Hindernisses, etwa einem gestürzten Schifahrer, rechnen und daher auf Sicht fahren (RS0023544; RS0023868).
[18] Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt liegt die Beurteilung der Vorinstanzen, dass dem Kläger zumindest keine gegen die Unaufmerksamkeit und Sorgfaltswidrigkeit des Beklagten ins Gewicht fallende Sorglosigkeit vorzuwerfen ist, sodass sein Verhalten bei der Verschuldensabwägung zur Gänze vernachlässigt werden kann, im Rahmen der ständigen Rechtsprechung und des den Gerichten zukommenden Ermessensspielraums und wirft keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0087606 [T11]; RS0029874 [T1]; RS0042405).
[19] 2.2. Darüber hinaus vertritt der Beklagte in seiner Revision den Standpunkt, die Vorinstanzen hätten ein überhöhtes Schmerzengeld zuerkannt. Für die festgestellten Verletzungsfolgen seien maximal 2.700 EUR angemessen.
[20] Mit diesen Ausführungen, die sich lediglich auf eine einzelne, bereits mehr als 40 Jahre zurückliegende höchstgerichtliche Entscheidung beziehen und die seither eingetretene Geldentwertung nicht berücksichtigen, stellt der Beklagte ebenfalls keine die Revisionszulässigkeit begründende Rechtsfrage dar. Im Übrigen ist er hinsichtlich der Schmerzengeldbemessung auf die Erledigung der Revision des Klägers zu verweisen.
[21] 3. Beide Revisionen waren daher zurückzuweisen.
[22] Der Vorbehalt der Kosten der Revisionsbeantwortungen gründet sich auf § 52 Abs 3 ZPO.
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