European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E118779
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts St. Pölten vom 10. 12. 2015 wurde der Vater verpflichtet, für seine Tochter einen Unterhaltsbeitrag von monatlich 630 EUR und für seinen Sohn einen solchen von monatlich 570 EUR zu zahlen. Die beiden Kinder werden von der Mutter betreut und versorgt. Zu seinem Sohn übt der Vater ein überdurchschnittliches Kontaktrecht im Ausmaß von 93 Tagen pro Jahr aus. Beide Eltern haften gemeinsam für einen Bankkredit, der während der Ehe für die Finanzierung ihres Eigenheims aufgenommen wurde. Das Haus wurde zwischenzeitlich verkauft. Der Vater leistet keine Kreditrückzahlungen.
Am 28. 4. 2016 beantragte der Vater, die Unterhaltsbeiträge ab 1. 5. 2016 herabzusetzen, und zwar auf monatlich 485 EUR für seine Tochter und auf monatlich 437 EUR für seinen Sohn. Die festgesetzten Unterhaltsbeiträge würden nicht seinen Einkommensverhältnissen entsprechen. Er habe Kreditrückzahlungen in Höhe von monatlich 400 EUR für Schulden zu leisten, die für die Wohnraumbeschaffung zugunsten der Kinder aufgenommen worden seien. Zudem übe er gegenüber seinem Sohn ein überdurchschnittliches Kontaktrecht aus. Für diese Betreuungsleistungen sei ein Abzug von 10 % der Unterhaltsleistung vorzunehmen.
Die Kinder sprachen sich gegen den Herabsetzungsantrag aus. Anschaffungskosten und Kreditrückzahlungen für das bereits verkaufte Haus könnten nicht berücksichtigt werden. Da der Sohn beim Vater nur übernachte, sei kein zusätzlicher Betreuungsaufwand gegeben.
Das Erstgericht wies den Herabsetzungsantrag ab. Die vom Vater geltend gemachten Kreditverbindlichkeiten könnten nicht berücksichtigt werden, weil das Haus bereits verkauft worden sei. Außerdem würden beide Eltern für die restlichen Kreditverbindlichkeiten haften. Gegenüber seinem Sohn übe der Vater ein überdurchschnittliches Kontaktrecht im festgestellten Ausmaß aus. Auch bei Berücksichtigung des von ihm begehrten 10%-igen Abzugs für das überdurchschnittliche Kontaktrecht finde der aktuell festgesetzte Unterhaltsbeitrag in seinen Einkommensverhältnissen Deckung.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Da das Haus, für das die Kreditverbindlichkeiten aufgenommen worden seien, mittlerweile verkauft worden sei, stelle der Vater den Kindern zur Wohnversorgung keinen Naturalunterhalt zur Verfügung. Im Rahmen der nachehelichen Vermögensaufteilung übernommene Schulden könnten beim Unterhalt der Kinder nicht berücksichtigt werden. In Bezug auf das überdurchschnittliche Kontaktrecht habe der Vater im erstinstanzlichen Verfahren einen Abzug von 10 % von seiner Unterhaltsverpflichtung beantragt. Dieses Vorbringen begrenze den Verfahrensgegenstand, an den die Gerichte gebunden seien. Das im Rekurs vorgetragene Begehren, die Unterhaltsverpflichtung sei um 15 % zu reduzieren, stelle eine unzulässige Neuerung dar; der Vater sei nicht beschwert. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil unterhaltsrechtliche Fragen einzelfallbezogen zu lösen seien.
Über Antrag des Vaters nach § 528 Abs 2a ZPO iVm § 508 Abs 1 ZPO sprach das Rekursgericht nachträglich aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch zulässig sei.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts wendet sich der Revisionsrekurs des Vaters, der auf die Stattgebung seines Herabsetzungsantrags abzielt.
Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zu den Grenzen des Verfahrensgegenstands nach § 36 AußStrG eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheint. Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.
1. In seinem Beschluss auf nachträgliche Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs führt das Rekursgericht aus, dass es hinsichtlich des vom Vater festgelegten Umfangs des Herabsetzungsbegehrens wegen des überdurchschnittlichen Kontaktrechts nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sei. Der Zulässigkeitsausspruch werde aber abgeändert, soweit sich „die Zulassungsvorstellung“ des Vaters gegen die Nichtberücksichtigung der Kreditraten wende.
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Unterhaltsanspruch als einheitlicher Anspruch anzusehen, weshalb auch nur ein einheitlicher Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses möglich ist. Ist daher der Revisionsrekurs zulässig, so ist der Rechtsmittelwerber nicht auf die vom Rekursgericht als erheblich beurteilte Rechtsfrage beschränkt; davon abgesehen kann er alle Revisionsrekursgründe geltend machen (vgl RIS‑Justiz RS0118275; 2 Ob 42/13k).
2.1 Zunächst führt der Vater aus, dass der von ihm im Rekurs begehrte Abzug von 15 % für überdurchschnittliche Betreuungsleistungen gegenüber seinem Sohn in seinem Begehren auf Herabsetzung des Unterhalts gedeckt sei. An den von ihm im erstinstanzlichen Verfahren beantragten 10%-igen Abzug seien die Gerichte nicht gebunden. Dabei handle es sich nur um einen Teil des (Rechts-)Vorbringens.
2.2 Gemäß § 36 Abs 3 AußStrG ist jeder Beschluss im Rahmen des Gegenstands des Verfahrens zu fassen, wobei auf die Interessenlage und die zivilrechtlich wirksamen rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen der Parteien Bedacht zu nehmen ist. In Verfahren, die nur auf Antrag eingeleitet werden können, ist der Beschluss nach § 36 Abs 4 AußStrG im Rahmen der Anträge zu fassen. § 36 Abs 3 und 4 AußStrG sind damit die Parallelbestimmungen zu § 405 ZPO (RIS‑Justiz RS0007501 [T6]). Die Überschreitung des Verfahrensgegenstands bildet eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die vom Rechtsmittelgericht nicht von Amts wegen, sondern nur über Rüge im Rechtsmittel wahrgenommen werden darf (2 Ob 42/13k; 6 Ob 1/15p; 3 Ob 63/15h).
§ 36 Abs 3 und 4 AußStrG stecken damit die Grenzen der Entscheidungsbefugnis des Gerichts ab. Die Entscheidungsbefugnis wird nicht nur durch den Antrag (dies bei antragsgebundenen Verfahren; siehe dazu 5 Ob 247/12b), sondern zudem durch den Verfahrensgegenstand begrenzt. Der Verfahrensgegenstand wird dabei nicht nur durch den Inhalt des Sachantrags, sondern auch durch das zu seiner Begründung erstattete Vorbringen bestimmt (vgl RIS‑Justiz RS0124048; Deixler‑Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 36 Rz 17). Der antragstellenden Partei darf vom Gericht weder ein Plus noch ein Aliud (siehe dazu RIS‑Justiz RS0041023) zugesprochen werden. Allgemein darf das Gericht den Parteien keine bessere Rechtsstellung als begehrt aufdrängen.
2.3 Im Unterhaltsverfahren gilt das Antragsprinzip und der in § 8 Abs 1 AußStrG verankerte Dispositionsgrundsatz (2 Ob 42/13k). Danach bestimmen die Parteien nicht nur über die Einleitung und das Ende des Verfahrens, sondern sie legen auch den Gegenstand des Verfahrens fest. Daraus folgt, dass im Unterhaltsverfahren der (nach § 9 AußStrG bestimmte) Antrag den Entscheidungsumfang quantitativ abgrenzt. Die gerichtliche Maßnahme muss zudem inhaltlich vom Gegenstand des Verfahrens erfasst sein, der durch das Begehren und das sich auf den Umfang des Begehrens beziehende Vorbringen konkretisiert wird. Dies bedeutet, dass die gerichtliche Maßnahme in dem zur Begründung der begehrten Rechtsfolge erstatteten Vorbringen und den zur Entscheidung herangezogenen Tatsachen Deckung finden muss. In dieser Hinsicht kommt dem Gericht keine Gestaltungsfreiheit zu. Bei Nichtbeachtung wird dem Antragsteller ein Aliud zugesprochen (vgl 5 Ob 247/12b).
2.4 Im Anlassfall hat der Vater den Herabsetzungsantrag unter anderem damit begründet, dass aufgrund seiner überdurchschnittlichen Betreuungsleistungen ein Abzug von 10 % vorzunehmen sei. Dabei handelt es sich um eine inhaltliche quantitative Konkretisierung des Begehrens, die den Verfahrensgegenstand begrenzt. Der Umstand, dass die Herabsetzung des Unterhalts trotz Berücksichtigung des beantragten Abzugs von 10 % geringer als insgesamt begehrt ausgefallen ist, ist auf andere geltend gemachte Abzugsposten zurückzuführen, die als nicht berechtigt angesehen wurden. Bei Beurteilung der inhaltlichen Festlegung eines Begehrens über einen disponierbaren Anspruch sind unterschiedliche, die Höhe des Anspruchs bestimmende Umstände jeweils gesondert zu betrachten.
Aus diesen Überlegungen folgt, dass ein höherer als der vom Vater im erstinstanzlichen Verfahren begehrte Abzug für überdurchschnittliche Betreuungsleistungen nicht in Betracht kommt.
3.1 Zur Berücksichtigung der Kreditraten führt der Vater aus, dass er die Schulden nicht freiwillig und auch nicht im nachehelichen Aufteilungsverfahren übernommen habe. Da das Haus zwischenzeitlich verkauft worden sei, habe er auch keinen Vorteil aus der Kreditrückzahlung.
3.2 Kreditverbindlichkeiten des Unterhalts‑pflichtigen sind von der Bemessungsgrundlage grundsätzlich nicht abzugsfähig. Nach der Rechtsprechung können Schuldzahlungen daher nur ganz ausnahmsweise und nur unter bestimmten Voraussetzungen nach billigem Ermessen im Einzelfall ganz oder teilweise berücksichtigt werden (RIS‑Justiz RS0079451; 4 Ob 139/15t). Bei Kreditrückzahlungsraten wird ein Abzug dann zugelassen, wenn die Kreditmittel der Bestreitung existenznotwendiger Aufwendungen oder unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen dienen (RIS‑Justiz RS0047491; RS0047508; 8 Ob 39/16t). Dies gilt vor allem für Investitionen zur Schaffung einer zusätzlichen Erwerbsmöglichkeit (RIS-Justiz RS0106933), zumal sich diese nach ihrer Zweckbestimmung auch positiv auf die Unterhaltsansprüche auswirken.
3.3 Schulden, die für die Familienwohnung aufgenommen werden, also mit der Wohnversorgung der Unterhaltsberechtigten im Zusammenhang stehen, sind nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abzugsfähig. Für die Überlassung einer Wohnmöglichkeit an den Unterhaltsberechtigten kann vielmehr nur mehr der fiktive Mietwert der Wohnung wegen der damit verbundenen Minderung des Unterhaltsbedarfs ganz oder teilweise als Naturalunterhalt berücksichtigt werden. Dies gilt nicht nur dann, wenn der Unterhaltspflichtige Kreditrückzahlungen für den Erwerb der Wohnung leistet, sondern auch dann, wenn er die Wohnung (zB das Eigentum) wirtschaftlich zur Verfügung stellt und ihm die Bedarfsdeckung wirtschaftlich zumindest teilweise zuzurechnen ist (siehe dazu 6 Ob 61/13h; 1 Ob 203/14f). Maßgebend ist die Wohnkostenersparnis des Unterhaltsberechtigten und der Umstand, dass dieser nicht für die Kosten der Wohnversorgung aufkommen muss. Aus diesem Grund mindert sich der Unterhaltsanspruch des Unterhaltsberechtigten um den auf ihn entfallenden Anteil am fiktiven Mietwert, wenn er für die Wohnung keine Kosten aufwenden muss. Die fiktiven Mietkosten sind in der Regel nach Köpfen auf alle die Wohnung nutzenden Personen aufzuteilen (1 Ob 143/12d; 9 Ob 48/13v; 8 Ob 41/16m). Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung für den Unterhalt von Ehegatten ebenso wie für jenen der Kinder (1 Ob 203/14f; 6 Ob 61/13h).
3.4 Nach diesen Grundsätzen ist auch in einem Fall, in dem der geldunterhaltspflichtige Elternteil die Kreditrückzahlungsraten für die von den Kindern bewohnte Wohnung trägt, als Grundlage für die Anrechnung solcher Kosten ausschließlich der fiktive Mietwert dieser Wohnung heranzuziehen (RIS-Justiz RS0123485; 1 Ob 143/12d; 9 Ob 48/13v). An der Nichtabzugsfähigkeit der Schulden für die Wohnversorgung kann sich durch den Verkauf der Familienwohnung nichts ändern. Zum einen steht der Verkaufserlös für die Abdeckung der Schulden zur Verfügung. Zum anderen ist für die Frage der Abzugsfähigkeit von Schulden auf deren Art und Zweck im Zeitpunkt der Entstehung abzustellen (vgl RIS-Justiz RS0079451). Dieser Charakter kann sich nicht nachträglich ändern.
3.4 Die vom Rekursgericht zitierte Entscheidung 7 Ob 100/13a betrifft nicht Wohnungskosten. Außerdem behandelt sie den Fall, dass dem Unterhaltspflichtigen das Erwerbseinkommen aufgrund insolvenzrechtlicher Konsequenzen nicht zur Gänze zur Verfügung steht. Der vom Rekursgericht in Erwägung gezogene Widerspruch besteht in Wirklichkeit nicht.
4. Es ergibt sich somit, dass auch im Anlassfall nur der fiktive Mietwert für die den Kindern früher zur Verfügung gestellte Wohnmöglichkeit berücksichtigt werden könnte. Dafür ist aber erforderlich, dass der behauptungs- und beweisbelastete Unterhaltspflichtige vorbringt, dass und mit welcher Höhe er den fiktiven Mietwert geltend macht (8 Ob 41/16m).
Im Anlassfall scheitert die Berücksichtigung des fiktiven Mietwerts schon daran, dass der Vater ein derartiges Begehren nicht erhoben hat. Rückzahlungen auf Kreditverbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Wohnungsüberlassung sind allgemein nicht zu berücksichtigen. Dementsprechend liegen auch die vom Vater geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel nicht vor. Von diesen Überlegungen abgesehen weist der Vater selbst darauf hin, dass das Haus, für dessen Finanzierung die Schulden entstanden sind, zu jenem Zeitpunkt, zu dem die Unterhaltsberechtigten ausgezogen sind, verkauft wurde und die restlichen Kreditschulden im Verhältnis 1:1 geteilt wurden. Eine Bedarfsdeckung und dementsprechend eine Leistung mit Unterhaltscharakter liegt daher gar nicht mehr vor. Außerdem wurde festgestellt, dass der Vater keine Kreditratenzahlungen leistet.
5. Insgesamt haben die Vorinstanzen den Antrag des Vaters auf Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
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