OGH 1Ob203/14f

OGH1Ob203/14f27.11.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj A***** S*****, geboren am ***** 1997, vertreten durch Dr. Reinhold Gsöllpointner und Dr. Robert Pirker, Rechtsanwälte in Salzburg, über den Revisionsrekurs des Vaters A***** Z*****, vertreten durch Dr. Andrea Gesinger, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 27. Mai 2014, GZ 21 R 78/14p‑33, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 6. Februar 2014, GZ 43 Pu 128/13b‑27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0010OB00203.14F.1127.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Erstgerichts wird wiederhergestellt.

Begründung:

Im Jahr 2008 wurde der Vater schuldig erkannt, dem (außerehelichen) Sohn monatlichen Unterhalt in Höhe von 60 EUR zu zahlen, wobei bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt wurde, dass der Vater durch Zurverfügungstellung von Wohnraum Naturalunterhalt im Wert von (zumindest) 240 EUR leistet. Der Minderjährige lebt gemeinsam mit seiner Mutter in einem Haus, das dieser und dem Vater je zur Hälfte gehört.

Der Minderjährige begehrte nun die Erhöhung der Unterhaltsleistung ab 1. 10. 2013 auf monatlich 412 EUR, wobei er unter anderem vorbrachte, er bekomme vom Vater keinen auf dessen Unterhaltspflicht anzurechnenden Naturalunterhalt, weil dieser keinerlei Kosten für die Liegenschaft trage und die Mutter sämtliche „Rückzahlungsverbindlichkeiten für die Liegenschaft“ habe leisten müssen. Bei der seinerzeitigen Unterhaltsbemessung sei davon ausgegangen worden, dass sich der Vater an den laufenden Betriebs‑ und Erhaltungskosten bzw Kreditrückzahlungen beteilige.

Dass dem Minderjährigen ein monatlicher Unterhaltsbetrag von (zumindest) 412 EUR zusteht, ist nicht (mehr) strittig. Der Vater wandte gegen das Unterhaltserhöhungsbegehren ein, er habe sich auch nach dem Jahr 2008 an der Kreditrückzahlung beteiligt. Dass er auch Betriebskosten zu übernehmen habe, sei dem früheren Unterhaltstitel nicht zugrundegelegt worden. Laufende Kreditrückzahlungen seien nicht zu leisten, da für die Hausfinanzierung ein endfälliger Kredit aufgenommen worden sei.

Der Minderjährige replizierte darauf, dass jedenfalls etwas angespart werden müsse, um den endfälligen Kredit später ausgleichen zu können. Der Vater trage keinerlei Leistungen für Betriebskosten oder sonstige Kosten des Hauses.

Das Erstgericht erkannte den Vater (antragsgemäß) schuldig, ab 1. 10. 2013 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 412 EUR zu zahlen, und sprach weiters aus, dass der Vater berechtigt sei, sich auf diese Unterhaltspflicht den Betrag von monatlich 137 EUR als erbrachte Naturalunterhaltsleistung anzurechnen (sodass ein monatlich zu leistender Geldunterhalt von 275 EUR verbleibe). Auf den Unterhaltsanspruch eines Unterhaltsberechtigten sei der fiktive Mietwert einer diesem überlassenen Wohnung wegen der damit verbundenen Verminderung des Unterhaltsbedarfs ganz oder teilweise als Naturalunterhalt anzurechnen. Seien die Eltern Hälfteeigentümer, könne sich der Unterhaltspflichtige nur die Hälfte des fiktiven Mietzinses anrechnen lassen; diese Hälfte sei nach Köpfen auf die Unterhaltsberechtigten (gemeint: Bewohner) aufzuteilen. Da die Unterhaltsleistungen den Unterhalt für den gesamten Lebensbedarf abdecken müssten, müsse dem Unterhaltsberechtigten neben dem Naturalunterhalt durch Zurverfügungstellung einer Wohnmöglichkeit noch ein Geldunterhalt in Höhe von zumindest zwei Dritteln des Gesamtunterhalts verbleiben. Da der gesamte beantragte Unterhalt von 412 EUR monatlich gerechtfertigt sei, sei daher unter Anrechnung von einem Drittel als Naturalleistung ein verbleibender Betrag von 275 EUR als Geldunterhalt zu leisten.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es den Vater schuldig erkannte, monatlich 412 EUR in Geld zu leisten, ohne dass eine Anrechnung von Naturalunterhalt stattzufinden habe; es ließ letztlich den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Bei der Frage, inwieweit der fiktive Mietwert einer dem Unterhaltsberechtigten vom Unterhaltspflichtigen überlassenen Wohnung wegen der damit verbundenen Verminderung des Unterhaltsbedarfs ganz oder teilweise als Naturalunterhalt anzurechnen sei, sei entscheidend, ob die Wohnversorgung dem Unterhaltspflichtigen zurechenbar sei. Dabei sei nicht maßgebend, ob das Kind in einer Mietwohnung, in einer ausbezahlten Eigentumswohnung oder in einer Wohnung lebt, für die noch Kreditrückzahlungen zu leisten sind. Steht die Wohnung im Hälfteeigentum des Unterhaltsschuldners und werde diese vom Unterhaltsberechtigten gemeinsam mit einer weiteren Person bewohnt, seien nur 25 % des Mietwerts als Naturalunterhalt anzurechnen. Eine Anrechnung auf die Leistung des Unterhaltspflichtigen, der über das Haus verfügungsberechtigt ist, als Naturalunterhalt habe aber dann nicht zu erfolgen, wenn die Bedarfsdeckung ausnahmsweise wirtschaftlich zur Gänze dem betreuenden Elternteil zuzurechnen sei, etwa weil diese sämtliche Kreditraten trägt. Wenn der Vater nun darauf verweise, dass schon bei der Unterhaltsfestsetzung 2008 gar keine Zahlungen für die Liegenschaft seinerseits angedacht gewesen seien und dass der Kredit endfällig sei, sei die Wohnungsbedarfsdeckung zur Gänze der Mutter zuzurechnen, zumal er auch nicht die Bedienung eines Tilgungsträgers behaupte. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig, weil den hier zu beurteilenden Fragen im Zusammenhang mit der Anrechnung von Naturalunterhaltsleistungen betreffend die Wohnversorgung des Unterhaltsberechtigten erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Vaters, mit dem er die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung anstrebt, ist zulässig und berechtigt.

Wie schon die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben, sind jene Vorteile, die dem Unterhaltsberechtigten vom Unterhaltspflichtigen (hier nach § 231 ABGB nF) im Zusammenhang mit der Wohnversorgung zukommen, ganz oder teilweise als Naturalunterhalt auf den Geldunterhaltsanspruch anzurechnen, sofern diese Leistungen regelmäßig erfolgen (vgl nur RIS‑Justiz RS0121283; RS0123487 ua). Für die Frage, welcher Vorteil dem Unterhaltsberechtigten zukommt, ist der anteilige „Mietwert“ der Wohnung maßgeblich (vgl nur RIS‑Justiz RS0080373). Dabei ist nicht maßgebend, ob das Kind in einer Mietwohnung, einer ausbezahlten Eigentumswohnung oder in einer Wohnung lebt, für die noch Kreditrückzahlungen zu leisten sind (vgl nur RIS‑Justiz RS0123485), beruht die Anrechnung von (regelmäßig geleistetem) Naturalunterhalt doch auf dem Gedanken, dass sich durch die Wohnversorgung der Gesamtunterhaltsbedarf des Kindes vermindert. Bei der Anrechnung ist auch zu berücksichtigen, von welchem Elternteil die Wohnung wirtschaftlich gesehen zur Verfügung gestellt wird; stellen die Eltern wirtschaftlich gesehen ‑ als gleichteilige Miteigentümer ‑ jeweils lediglich die halbe Wohnung zur Verfügung, ist der dem Unterhaltsberechtigten dadurch zukommende Vorteil zur Hälfte dem Unterhaltspflichtigen zuzurechnen (vgl nur 6 Ob 5/08s = SZ 2008/35; RIS‑Justiz RS0123486 [T1]).

Mangels besonderer Abweichungen ist somit im Regelfall bei Eigentums‑ und Wohnkonstellationen wie der vorliegenden ‑ wovon auch das Erstgericht ausgegangen ist ‑ die Versorgung mit Wohnraum als zur Hälfte vom Vater stammend anzusehen, ist doch die beigestellte Substanz typischerweise beiden Hälfteeigentümern gleichermaßen zuzurechnen und anzunehmen, dass die mit der Erhaltung der Wohnung verbundenen Kosten beide gleichermaßen treffen.

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts kann dagegen nicht ins Treffen geführt werden, dass der (offenbar für den Hausbau aufgenommene) Kredit „endfällig“ ist und bis dorthin keine Kreditrückzahlungen zu leisten sind. Mit einer solchen Finanzierungsform werden ja bestimmte ‑ im Allgemeinen im „Mietwert“ zum Ausdruck kommende ‑ Kosten der Wohnraumbeschaffung nur zeitlich verschoben. In solchen Fällen ist davon auszugehen, dass derjenige Miteigentümer, der schließlich den endfälligen Kredit zu tilgen hat, den Wohnraum wirtschaftlich gesehen zur Verfügung stellt, oder auch (sogar im Regelfall) beide. Sind im Einzelfall die beiden Hälfteeigentümer gleichmäßig belastet, weil sie für den (endfälligen) Kredit entweder solidarisch oder aber zu gleichen Teilen haften, ist die „reine“ Wohnversorgung (vgl auch 1 Ob 143/12d mwN) des Kindes ‑ wie dies das Erstgericht angenommen hat ‑ beiden je zur Hälfte zuzurechnen; Anhaltspunkte für eine abweichende Konstellation liegen nicht vor. Eine allenfalls in concreto bestehende Ungleichgewichtigkeit der Beiträge beider Eltern zur Schaffung (und Erhaltung) des im gemeinsamen Eigentum stehenden Hauses wäre zwischen diesen auszugleichen, änderte aber nichts daran, dass die Substanz beiden gleichteilig zuzuordnen ist. Da der Revisionsrekursgegner einen „Mietwert“ des Hauses von zumindest 1.000 EUR monatlich zugestanden hat, kann er sich nicht dadurch beschwert erachten, dass dem Vater eine Naturalleistung von (ohnehin nur) monatlich 137 EUR angerechnet wird. Darauf, dass dieser keine Kosten des laufenden Betriebs der Wohnung leistet, kommt es nicht an; diese sind (anteilig) aus dem Geldunterhalt zu bestreiten.

Soweit der Revisionsrekursgegner dem Rechtsmittel mit dem Argument entgegentritt, sein monatlicher Unterhaltsanspruch „unter Ausschluss der Wohnsituation“ errechne sich mit rund 600 EUR weshalb der Vater selbst dann den begehrten Betrag von 412 EUR in bar zu zahlen habe, wenn man eine monatliche Naturalunterhaltsleistung im Wert von 137 EUR annehmen wolle, übersieht er, dass Gegenstand seines Antrags ein Gesamtunterhaltsanspruch von 412 EUR ist, mit dem auch der Wohnbedarf abgedeckt sein soll. Über das (bezifferte) Begehren kann das Gericht (auch) im außerstreitigen Antragsverfahren nicht hinausgehen (§ 36 Abs 4 Satz 1 AußStrG).

Aus den dargelegten Erwägungen ist die zutreffende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

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