European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0030OB00063.15H.0520.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts wird ersatzlos behoben. Dem Erstgericht wird aufgetragen, über den (weiteren) Antrag der Minderjährigen, den Vater zur Vorlage von Nachweisen über sein im Jahr 2014 bezogenes Einkommen aufzufordern, zu entscheiden.
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten des Revisionsrekurses wird zurückgewiesen.
Begründung:
Der Vater war zuletzt (auf Basis eines Gesamteinkommens für das Jahr 2012 in Höhe von 32.291,68 EUR) seit 1. 7. 2013 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 490 EUR verpflichtet. Mit Schriftsatz vom 13. 11. 2014 brachte die Minderjährige vor, sie habe erfahren, dass ihr Vater im Jahr 2014 eine ihr der Höhe nach nicht genau bekannte Gehaltserhöhung erhalten habe. Unter Annahme eines nunmehrigen jährlichen Gesamteinkommens des Vaters von 34.000 EUR stehe ihr mit Wirkung ab 29. 9. 2014 zumindest ein monatlicher Unterhaltsanspruch von 545 EUR zu. Sie beantragte die Verpflichtung des Vaters zur Leistung dieses erhöhten Unterhaltsbeitrags rückwirkend mit 29. 9. 2014 und stellte darüber hinaus den Antrag, dem Vater die Vorlage der Lohn- bzw Gehaltszettel für das Jahr 2014 aufzutragen. Gleichzeitig behielt sie sich eine Ausdehnung ihres Unterhaltsbegehrens nach Vorlage der Einkommensnachweise für das Jahr 2014 durch den Vater vor.
Das Erstgericht stellte eine Gleichschrift des Antrags dem Vater unter Hinweis auf die Säumnisfolgen des § 17 AußStrG zur Äußerung zum Unterhaltserhöhungsantrag binnen 14 Tagen zu. Der Vater äußerte sich nicht.
Das Erstgericht erhöhte daraufhin mit Beschluss vom 15. 12. 2014 den vom Vater zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeitrag mit Wirkung ab 29. 9. 2014 antragsgemäß auf 545 EUR.
Die Minderjährige erhob gegen diesen Beschluss Rekurs mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss, den sie „in seinem stattgebenden Teil“ ausdrücklich unbekämpft ließ, dahin abzuändern, dass ihrem weiteren Begehren, dem Vater die Vorlage der Lohn‑ bzw Gehaltsunterlagen für das Jahr 2014 aufzutragen, stattgegeben werde; hilfsweise beantragte sie, den „angefochtenen Teil“ des Beschlusses aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Beweisverfahrens aufzutragen.
Das Rekursgericht wies den Rekurs zurück. Der Minderjährigen fehle die Beschwer, weil das Erstgericht den Unterhaltsbeitrag des Vaters ohnehin entsprechend ihrem Antrag erhöht habe. Sie habe von der durch § 9 AußStrG eingeräumten Möglichkeit, wegen Unkenntnis der genauen Unterhaltsbemessungsgrundlage vorerst einen ziffernmäßig noch nicht bestimmten Antrag zu stellen, nicht Gebrauch gemacht. Damit habe sie bereits im verfahrenseinleitenden Antrag den Verfahrensgegenstand iSd § 36 Abs 3 AußStrG bindend festgelegt. Die anwaltlich vertretene Minderjährige habe sich ‑ im Hinblick auf die Möglichkeit der Vorgangsweise nach § 17 AußStrG, von der das Erstgericht zu Recht Gebrauch gemacht habe, ‑ nicht darauf verlassen dürfen, dass es zu einem weiteren Verfahren vor dem Erstgericht komme, in dem eine Ausdehnung des Unterhaltsbegehrens möglich sein werde.
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs mangels Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage zu, ob im Außerstreitverfahren wegen Unterhalts eines minderjährigen Kindes bei Erhebung eines ziffernmäßig bestimmten Begehrens der Vorbehalt einer Ausdehnung des Unterhaltsbegehrens zusammen mit dem Antrag, dem Unterhaltsschuldner die Vorlage von Einkommensnachweisen aufzutragen, der Stellung eines „unbestimmten Begehrens“ iSd § 9 AußStrG gleichkomme.
Die Minderjährige macht in ihrem ordentlichen Revisionsrekurs zusammengefasst geltend, das Rekursgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen, wonach im Unterhaltsverfahren der Untersuchungsgrundsatz gelte. Das Erstgericht hätte die Bemessungsgrundlage für den Unterhaltsanspruch grundsätzlich amtswegig ermitteln und daher im Sinne ihres Antrags Lohnauskünfte einholen müssen. Sie habe ihren Antrag auf Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbeitrags auf 545 EUR unter dem Vorbehalt einer Ausdehnung nach Vorlage der Lohnbestätigungen gestellt und ihr Begehren damit eben noch nicht bindend festgelegt.
Der Vater hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist auch berechtigt.
1.1. Auch im Außerstreitverfahren setzt die Zulässigkeit eines Rechtsmittels (unter anderem) voraus, dass der Rechtsmittelwerber durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist. Die Beschwer des Rechtsmittelwerbers ist insbesondere dann zu verneinen, wenn mit dem bekämpften Beschluss seinem Antrag zur Gänze stattgegeben wurde (RIS‑Justiz
RS0006587 [T10] ua).
1.2. Die Minderjährige hat sich mit ihrem Rekurs ausdrücklich nicht gegen die Stattgebung ihres Unterhaltserhöhungsantrags gewendet, sondern allein als Verfahrensmangel (gemäß § 57 Z 3 AußStrG) gerügt, dass das Erstgericht ihren weiteren Antrag, dem Vater die Vorlage von Einkommensnachweisen aufzutragen, ohne nähere Begründung übergangen habe.
1.3. Die Beschwer der Minderjährigen wäre deshalb nur dann zu verneinen, wenn dieser Antrag (auf Urkundenvorlage) so zu verstehen wäre, dass er im Fall antragsgemäßer Stattgebung ihres bezifferten Unterhaltserhöhungsantrags hinfällig sein sollte. Davon kann jedoch keine Rede sein (vgl P 3.3).
2.1. Gemäß § 36 Abs 3 AußStrG ist jeder Beschluss im Rahmen des Gegenstands des Verfahrens zu fassen, wobei auf die Interessenlagen und die zivilrechtlich wirksamen rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen der Parteien Bedacht zu nehmen ist. Gemäß § 36 Abs 4 AußStrG ist in Verfahren, die nur auf Antrag eingeleitet werden können, der Beschluss im Rahmen der Anträge zu fassen.
2.2. Gemäß § 9 Abs 1 AußStrG muss der Antrag kein bestimmtes Begehren enthalten, jedoch hinreichend erkennen lassen, welche Entscheidung oder sonstige gerichtliche Tätigkeit der Antragsteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet. Diese Bestimmung sieht also abweichend vom Zivilprozess geringere Bestimmtheitserfordernisse für ein Begehren vor (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 9 Rz 5 mwN). Wird ausschließlich eine Geldleistung begehrt, ihre Höhe aber nicht bestimmt angegeben, hat das Gericht die Partei gemäß § 9 Abs 2 AußStrG unter Setzung einer angemessenen Frist zur ziffernmäßig bestimmten Angabe des Begehrens aufzufordern, sobald die Verfahrensergebnisse eine derartige Angabe zulassen. Nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist ist gemäß § 9 Abs 3 AußStrG ein ziffernmäßig nicht bestimmter Antrag zurückzuweisen.
2.3. Der Gesetzgeber dachte bei § 9 Abs 2 und 3 AußStrG vor allem an Unterhaltsverfahren. Die Materialien führen dazu aus, im Unterhaltsbereich sei nicht einzusehen, warum der Unterhaltsanspruch als solcher ohne ziffernmäßige Begrenzung Verfahrensgegenstand sein sollte. Andererseits habe der Unterhaltsberechtigte im Antragszeitpunkt oft keine Kenntnis von den tatsächlichen, die Unterhaltshöhe beeinflussenden Umständen auf der Gegenseite. Hier sei es dem hilfeorientierten Charakter des Verfahrens außer Streitsachen, der grundsätzlich herrschenden Wahrheits-, Vollständigkeits- und Mitwirkungspflicht der Parteien, dem Rechtsfürsorgecharakter, dem Untersuchungsgrundsatz und einem offenen formlosen Verfahren angemessener, vorerst ein unbestimmtes Begehren zuzulassen. Im Laufe des Verfahrens müsse es aber einen Zeitpunkt geben, an dem die Verfahrensergebnisse die ziffernmäßige Konkretisierung zulassen. Durch § 9 AußStrG erübrigten sich Einkommensbehauptungen „ins Blaue“. Nunmehr könne ein Unterhaltserhöhungsantrag mit der allgemeinen Behauptung gestellt werden, der Unterhaltspflichtige müsse deutlich mehr verdienen als bei der letzten Unterhaltsfestsetzung. Daraufhin werde, wenn nicht auf andere Weise Einvernehmen erzielt werde, eine Gehaltsauskunft unvermeidlich sein (ErläutRV 224 BlgNR 22. GP 28; G. Kodek aaO § 9 Rz 28).
3.1. Gemäß § 17 AußStrG kann das Gericht eine Partei unter Setzung einer angemessenen Frist auffordern, sich zum Antrag einer anderen Partei oder zum Inhalt der Erhebungen zu äußern, oder die Partei zu diesem Zweck zu einer Vernehmung oder Tagsatzung laden. Lässt die Partei (trotz Hinweises des Gerichts auf die Rechtsfolgen) die Frist ungenützt verstreichen oder leistet sie der Ladung nicht Folge, kann das Gericht annehmen, dass keine Einwendungen gegen die Angaben der anderen Partei oder gegen eine beabsichtigte Entscheidung auf der Grundlage des bekannt gegebenen Inhalts der Erhebungen bestehen.
3.2. Die Stellung eines unbestimmten Begehrens iSd § 9 Abs 1 AußStrG hat aus verfahrenstaktischer Sicht den Nachteil, dass eine „Säumnisentscheidung“ auf Basis des § 17 AußStrG nicht möglich ist. Mangels konkreten Vorbringens kann die Nichteinwendungsfiktion nämlich keine Erhebungserleichterungen schaffen. Die Vorteile eines bestimmten und unbestimmten Antrags lassen sich allerdings verbinden, soweit bereits ein teilweise bestimmtes Begehren gestellt werden kann. In diesem Fall kann der Antragsteller ein teilweise bestimmtes Begehren mit dem dazugehörigen Sachverhaltsvorbringen stellen, wie etwa auf „Unterhalt in angemessener Höhe, jedenfalls aber … EUR monatlich“, über das bei Nichtäußerung trotz Aufforderung gemäß § 17 AußStrG mit Teilbeschluss entschieden werden kann (Fucik/Kloiber, AußStrG § 9 Rz 4; ihnen folgend G. Kodek aaO § 9 Rz 30 und 31).
3.3. Die von der Minderjährigen gestellten Anträge können nur so verstanden werden, dass sie eine Unterhaltserhöhung im ihr auf Basis des aktuellen (noch zu ermittelnden) Einkommens des Vaters zustehenden, also noch nicht endgültig konkretisierten Umfang, jedenfalls aber auf 545 EUR monatlich, anstrebte.
3.4. Eine solche Antragstellung ist mit dem der sowohl vom Rekursgericht als auch von der Revisionsrekurswerberin zitierten Entscheidung 7 Ob 156/10g zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Dort hatte nämlich die Antragstellerin zunächst ausschließlich ein unbestimmtes Begehren gestellt und dieses in weiterer Folge über (in Wahrheit verfrühte) Aufforderung des Erstgerichts konkretisiert. Diese Vorgangsweise beurteilte der Oberste Gerichtshof dahin, dass die dortige Antragstellerin, indem sie von der Möglichkeit der Verweigerung der Konkretisierung trotz ungenügender Verfahrensergebnisse nicht Gebrauch gemacht, sondern diese vorgenommen hat, den Gegenstand des Verfahrens iSd § 36 Abs 3 AußStrG bindend festlegte. Demgegenüber hatte die Minderjährige im vorliegenden Fall zu einer endgültigen Konkretisierung ihres Begehrens mangels Vorlage der Gehaltsunterlagen des Vaters bisher noch gar keine Gelegenheit.
4. Das Rekursgericht hat daher die Beschwer der Rekurswerberin zu Unrecht verneint. Das Erstgericht wird deshalb über den noch unerledigten Antrag der Minderjährigen zu entscheiden haben. Nach der ‑ vom Erstgericht letztlich notfalls durch Anwendung von Zwangsmitteln iSd § 79 AußStrG durchzusetzenden ‑ Vorlage der Gehaltsnachweise wird der Minderjährigen auch Gelegenheit zu geben sein, gegebenenfalls eine weitere, über die bereits festgesetzte hinausgehende Unterhaltserhöhung ziffernmäßig zu begehren.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs 2 AußStrG. Da diese Bestimmung einen Kostenersatz in Unterhaltsverfahren eines minderjährigen Kindes generell ausschließt, ist für einen ‑ ansonsten bei einem die Hauptsache betreffenden Aufhebungsbeschluss gemäß § 78 Abs 1 zweiter Satz AußStrG gebotenen (Obermaier in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 78 Rz 47 mwN) ‑ Kostenvorbehalt kein Raum (vgl 5 Ob 116/13i).
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