OGH 8Ob296/01i

OGH8Ob296/01i18.4.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dr. Gert H*****, Pharmazeut, und 2.) Mag. Dorelies H*****, Angestellte, beide per Adresse *****, vertreten durch Putz & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Dr. Karl F. Engelhart, Rechtsanwalt, 1030 Wien, Esteplatz 4, als Masseverwalter im Konkurs der D***** AG, vertreten durch Engelhart, Reiniger, Lampersberger Rechtsanwälte OEG,

2.) Einlagensicherung der Banken und Bankiers GmbH, 1010 Wien, Börsegasse 11, vertreten durch Preslmayer & Partner, Rechtsanwälte in Wien, sowie der Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien

1.) Dr. A***** & Co Wirtschaftstreuhand GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Boesch, Rechtsanwalt in Wien, und 2.) T***** Wirtschaftsprüfung GmbH, *****, vertreten durch Urbanek, Lind, Schmied, Reisch, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Feststellung einer Konkursforderung von 25.691,38 EUR, über die Revision der beklagten Parteien sowie der Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23. August 2001, GZ 3 R 43/01t-24, mit dem infolge Berufung der klagenden Parteien das Zwischenurteil des Handelsgerichtes Wien vom 5. Dezember 2000, GZ 32 Cg 277/99v-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil, soweit es nicht als nichtig aufgehoben wurde, wiederhergestellt wird.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger zeichneten im März 1998 um ein Nominale von S 500.000,-- Optionsanleihen der Bank, zu deren Masseverwalter der Erstbeklagte nunmehr bestellt wurde, zu einem Kurs von 95 %. Nach Veräußerung eines Nominales von S 140.000,-- sind sie noch verfügungsberechtigt über S 360.000,--. Von den im Einzelnen festgestellten Bedingungen der nachrangigen Optionsanleihe ist hervorzuheben, dass diese ausdrücklich als nachrangiges Kapital im Sinne des § 23 Abs 8 BWG bezeichnet wurde und weiters auch festgehalten wurde, dass die Forderungen der Anleihegläubiger im Fall der Liquidation oder des Konkurses der Gesellschaft erst nach den Forderungen der anderen Gläubigern befriedigt werden. Auch eine Aufrechnung des Rückerstattungsanspruches gegen Forderungen der Bank wurde ausgeschlossen.

Im Konkursverfahren über das Vermögen der Bank meldeten die Kläger eine Konkursforderung in Höhe von S 371.240,-- an und begehrten die Feststellung in der allgemeinen Klasse der Konkursgläubiger. Sie stützten diese Forderung auf Irrtumsanfechtung, Vertragsanfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte und Schadenersatz auf Grund mangelnder Beratungsleistung bzw Prospekthaftung. Mit der Irrtumsanfechtung machen sie im wesentlich geltend, dass die Bank bereits im Herbst 1993 insolvent gewesen sei und danach stets Verluste gemacht hätte. Die Kläger seien über die Bonität in Irrtum geführt worden und würden daher den Darlehensvertrag über den Erwerb der nachrangigen Anleihe anfechten. Die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte stützen sie darauf, dass der gemeine Wert des Wertpapiers zum Zeitpunkt des Erwerbes weniger als die Hälfte des Geleisteten betragen habe. Zum Schadenersatz wegen mangelnder Beratungsleistung machten sie geltend, dass keine ausreichende Beratungsleistung erbracht worden sei, insbesondere kein ausreichender Risikohinweis.

Nach Bestreitung der Forderung durch den Masseverwalter und die zweitbeklagte Einlagensicherung begehren die Kläger nunmehr mit der vorliegenden Klage die Feststellung der Forderungen im Konkurs über das Vermögen der Bank. Sie stützen sich auf die Irrtumsanfechtung und führen aus, dass sie über die Bonität der Bank in Irrtum geführt worden seien. Weiters machen sie aber nunmehr auch einen Irrtum über die Nachrangigkeit der Anleihe geltend.

Zur Anfechtung wegen laesio normis stützen sie sich auf die schlechte finanzielle Lage der Bank und den objektiven geringen Wert der Anleihe. Im Zusammenhang mit dem Schadenersatzanspruch machen sie verschiedene Verletzungen der Belehrungspflicht geltend und auch, dass die Anleihe prospektpflichtig gewesen wäre.

Die beklagten Parteien bestritten und beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und wendeten zusammengefasst ein, dass überhaupt kein Irrtum vorgelegen sei und die Kläger eindeutig auf die Nachrangigkeit der Anleihe hingewiesen worden wären. Eine konkrete Vorstellung über die Bonität der Bank habe weder bestanden noch sei diese von der Bank veranlasst worden. Die Belehrung sei ausreichend gewesen. Die Anleihe sei von der Prospektpflicht befreit gewesen. Im Prinzip laufe die Klage darauf hinaus, die Bestimmungen über die Ausstattung der Banken mit Eigenkapital durch nachrangige Anleihen zu umgehen. Entgegen den Ausführungen der Kläger sei die Zukunftsprognose der Bank auch durchaus positiv gewesen und nur durch den Konkurs einer anderen Bank wesentlich verschlechtert worden. Das hohe Risiko der Kläger sei diesen auch durch höhere Zinsen abgegolten worden.

Schließlich stellten beide beklagten Parteien übereinstimmend noch den hier maßgeblichen Zwischenantrag auf Feststellung, dass allfällige Ansprüche der Kläger aus den Titeln des Irrtums, der List, der laesio enormis sowie des Schadenersatzes im Zusammenhang mit dem Ankauf und der Zeichnung von nachrangigen Anleihen - ausgenommen solche wegen eines Irrtums über die Nachrangigkeit selbst - gegenüber den allgemeinen Konkursgläubigern der Bank nachrangig seien und zu keinen Konkursteilnahmeanspruch gewährten. Zum Zwischenantrag auf Feststellung führten sie aus, dass diese Frage über den gegenständlichen Rechtsstreit hinausgehende Wirkung habe, weil auch in anderen Verfahren diese Rechtsfrage releviert worden sei und dazu noch keine Rechtsprechung vorliege.

Das Erstgericht gab dem Zwischenantrag auf Feststellung statt. Es führte zur Berechtigung aus, dass auch die rechtliche Qualifikation eines Rechtsverhältnisses feststellungsfähig sei, insbesondere ob eine Forderung als Masseforderung oder im Ausgleich bevorrechtet sei. Daher müsse auch die Feststellung der Nachrangigkeit zulässig sein. Diese liege deshalb vor, da die Anleihe Eigenkapitalcharakter habe. Durch einen gleichrangigen Quotenanspruch werde das Eigenkapital in Fremdkapital umgewandelt und die Haftungsgrundlage für die anderen Gläubiger geschmälert werden. Daher hätten die Kläger keinen gleichrangigen Konkursteilnahmeanspruch, sondern seien erst nach den Forderungen der anderen Konkursgläubiger zu befriedigen. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Kläger Folge und verwies in den hier relevanten Bereich den Zwischenantrag auf Feststellung ab. Es ging dabei rechtlich davon aus, dass der Zwischenantrag auf Feststellung grundsätzlich als zulässig zu beurteilen sei, da ein über den Prozess hinausgehendes Feststellungsinteresse zu bejahen sei. Habe der Oberste Gerichtshof doch auch die Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage des Masseverwalters bezüglich der Eigenschaft eines als Masseforderung geltend gemachten Anspruches bejaht, weil dadurch die Bewegungsfreiheit des Masseverwalters gesichert werde. Der vorliegenden Feststellung komme für die Frage, ob der Masseverwalter bei einem Verteilungsentwurf die Forderung des § 131 KO berücksichtigen müsse, Bedeutung zu.

In der Sache selbst ging das Berufungsgericht davon aus, dass die Kläger nicht mit atypischen Gesellschaftern vergleichbar seien. Auszugehen sei davon, dass dann, wenn die Kläger über die aktuelle Situation der Bank geirrt hätten es sich bei einer adäquaten Veranlassung durch die Bank um einen relevanten Geschäftsirrtum handeln könne. Dem Argument der Beklagten, dass dadurch eine Verringerung des Haftungsfonds bewirkt werden könne, sei entgegenzuhalten, dass es hier nur um die gleichrangige Behandlung gehe und auch sonst Gläubiger nicht davor geschützt seien, dass der Haftungfonds durch weitere Gläubiger verkürzt werde. Ein unmittelbarer Einfluss auf die Geschäftsgebarung der Bank sei den Klägern nicht zugestanden. Diese seien daher genauso schützenswert wie andere Gläubiger. Wenn es den Klägern gelingen sollte, nachzuweisen, dass schon bei Vertragsabschluss die Unmöglichkeit künftiger Rückzahlung festgestanden sei, wären ihre Forderungen aus der Irrtumsanfechtung als gleichrangige Konkursforderungen zu bewerten. Gleiches gelte für allfällige Ansprüche aus der Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte. Die fehlende Einbringlichkeit stelle einen Mangel dar. Die weiters geltend gemachten Ansprüche auf Schadenersatz wegen mangelnder Aufklärung seien ausgehend vom vorvertraglichen Schuldverhältnis zu beurteilen. Allfällige Ansprüche daraus seien nicht schlechter zu stellen als die Ansprüche anderer geschädigter Anleger. Insgesamt sei daher der Zwischenantrag auf Feststellung abzuweisen. Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht mangels Vorliegens einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu den geltend gemachten Ansprüchen als zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobenen Revisionen der Beklagten und der Nebenintervenienten sind zulässig und auch berechtigt. Nach § 259 Abs 2 iVm § 236 ZPO kann eine beklagte Partei während des Verfahrens den Antrag stellen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis oder Recht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren ganz oder zum Teil abhängt, in dem über die Klage ergehenden oder in einem demselben vorausgehenden Urteil festgestellt werden. Voraussetzung für einen Zwischenfestestellungsantrag ist also, dass das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis für das Hauptbegehren präjudiziell ist und die Entscheidung zwischen diesen Parteien über den anhängigen Prozess hinaus wirkt (vgl OGH RIS-Justiz RS0039600 mwN etwa OGH EvBl 1969/144, SZ 51/96 = JBl 1980, 323 ua). Die Zulässigkeit eines Zwischenantrages auf Feststellung ist grundsätzlich von Amts wegen zu prüfen (vgl RIS-Justiz RS0039444 mwN etwa EvBl 1972/10 oder zuletzt OGH 19. 8. 1998, 9 ObA 65/98v). Nach ständiger Rechtsprechung bindet jedoch die übereinstimmende Bejahung der Zulässigkeit eines Zwischenantrages auf Feststellung durch das Erstgericht und das Berufungsgericht den Obersten Gerichtshof auch dann, wenn diese Bejahung nicht in Beschlussform erfolgt (vgl RIS-Justiz RS0039492 mwN etwa JBl 1981, 376 oder SZ 60/154). Der Oberste Gerichtshof hat daher von der Zulässigkeit des Zwischenantrages auf Feststellung auszugehen.

Die wesentliche Zielrichtung des hier maßgeblichen Feststellungsantrages liegt in der Feststellung der "Nachrangigkeit" der Forderungen, deren Feststellung die Kläger in der Hauptsache begehren. Die Klärung dieser Frage betrifft auch gemeinschaftsrechtliche Regelungen. Die inhaltliche Berechtigung der Ansprüche wird im Folgenden beurteilt werden. Nur vorweg ist zur Anfechtung des Darlehensvertrages wegen Verkürzung über die Hälfte festzuhalten, dass die Gegenleistung beim von den Klägern behaupteten Darlehensvertrag nach § 984 ABGB in den Zinsen liegt und insoweit von den Klägern ein Missverhältnis nicht geltend gemacht wurde. Weiters ist klarzustellen, dass nach § 110 KO ein Gläubiger, dessen Forderung in Ansehung der Richtigkeit oder der Rangordnung vom Masseverwalter oder einem anderen Gläubiger bestritten wurde, zwar gegen alle Bestreitenden Klage erheben kann, das Klagebegehren aber nur auf den Grund, der in der Anmeldung und bei der Prüfungstagsatzung angegeben wurde, gestützt werden kann (vgl RIS-Justiz RS0065597, RS0065601 jeweils mwN).

Das Bankwesengesetz (im Folgenden BWG) legt in seinem § 23 unter der Überschrift "Eigenmittel" fest, welche Bestandteile als Eigenmittel zu betrachten sind. Nach § 23 Abs 1 Z 6 iVm Abs 8 BWG gelten als Eigenmittel - nachrangiges Kapital - auch eingezahlte Eigenmittel, die folgende Bindungen erfüllen:

  1. 1.) Die Gesamtlaufzeit hat mindestens fünf Jahre zu betragen ...
  2. 2.) die Bedingungen dürfen keine Klauseln enthalten, wonach die Schuld unter anderen Umständen als der Auflösung des Kreditinstitutes oder gemäß Z 1 vor dem vereinbarten Rückzahlungstermin rückzahlbar ist oder wonach Änderungen des Schuldverhältnisses betreffend die Nachrangigkeit möglich sind;

    3.) Urkunden über nachrangige Einlagen, Schuldverschreibungen oder Sammelurkunden sowie Zeichnungs- und Kaufaufträge haben die Bedingungen der Nachrangigkeit ausdrücklich festzuhalten (§ 864a ABGB);

    4.) die Aufrechnung des Rückerstattungsanspruches gegen Forderungen des Kreditinstituts muss ausgeschlossen sein und für die Verbindlichkeiten dürfen keine vertraglichen Sicherheiten durch das Kreditinstitut oder durch Dritte gestellt werden.

    5.) die Bezeichnung im Verkehr mit den Kunden ist so zu wählen, dass jede Verwechslungsgefahr mit anderen Einlagen oder Schuldverschreibungen ausgeschlossen ist.

    § 45 Abs 4 BWG lautet:

"(4) Verbriefte und unverbriefte Vermögensgegenstände sind nachrangig, wenn die Forderungen im Falle der Liquidation oder des Konkurses erst nach den Forderungen der anderen nicht nachrangigen Gläubiger befriedigt werden können."

Die Bestimmung des § 23 BWG stellt nun eine Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 17. 4. 1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten (89/299/EWG) dar (vgl auch RV 1130 BlgNR 18. GP, 112, 129). Ziel dieser Richtlinie ist es, die Eigenmittel so festzulegen, dass sie den Kreditinstituten dazu dienen können, Verluste aufzufangen, und auch die Solvabilität der Kreditinstiute beurteilt werden kann (vgl dazu auch §§ 22 ff BWG). Vom Eigenmittelbegriff im Sinne der Richtlinie werden in Art 2 Abs 1 Z 8 iVm Art 4 Abs 3 der Richtlinie "nachrangige" Darlehen erfasst, wenn vereinbart ist, dass dieses Darlehen bei einem Konkurs oder einer Liquidation im Verhältnis zu den Forderungen aller anderen Gläubiger einen Nachrang einnehmen und nicht zurückgezahlt werden, solange nicht die anderen zu diesem Zeitpunkt bestehenden Schulden getilgt sind. Diese "nachrangigen" Darlehen müssen nach der Richtlinie außerdem folgende Kriterien erfüllen.

a) Es werden lediglich die tatsächlich einbezahlten Mittel berücksichtigt;

b) sie haben eine Ursprungslaufzeit von mindestens fünf Jahren, nach deren Ablauf sie rückzahlbar werden können; ist eine Laufzeit nicht festgelegt, so sind fünf Jahre Kündigungsfrist vorzusehen, es sei denn, die betreffenden Mittel werden nicht länger als Eigenmittelbestandteile angesehen, oder für die vorzeitige Rückzahlung wird die vorherige Zustimmung der zuständigen Behörden ausdrücklich verlangt. Die zuständigen Behörden können diese Zustimmung erteilen, sofern der Wunsch vom Emittenten ausgeht und die Solvabilität des Kreditinstituts hierdurch nicht beeinträchtigt wird;

c) ihre Einbeziehung in die Eigenmittel wird mindestens in den fünf Jahren vor dem Rückzahlungstermin schrittweise zurückgeführt;

d) die Darlehensvereinbarung darf keine Klauseln enthalten, wonach die Schuld unter anderem Umständen als einer Auflösung des Kreditinstituts vor dem vereinbarten Rückzahlungstermin rückzahlbar wird.

Der Eigenmittelbegriff dieser Richtlinie ist auch Anknüpfungspunkt für verschiedene andere Richtlinien, etwa die zweite Richtlinie 89/646/EWG des Rates vom 15. 12. 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG (vgl Art 1 Z 4 dieser Richtlinie) oder der Richtlinie 93/6/EWG des Rates vom 15. 3. 1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (vgl Art 2 Z 23 dieser Richtlinie). Die Richtlinie 91/633/EWG vom 3. 12. 1991 zur Durchführung der Richtlinie 89/299/EWG über die Eigenmittel der Kreditinstitute hat insoweit keine wesentlichen Änderungen hervorgerufen; ebensowenig die Richtlinie 92/16/EWG vom 16. 3. 1992. Auf die neuen Regelungen der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. 3. 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeiten der Kreditinstitute sowie etwa die Richtlinie 2000/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. 9. 2000 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten (vgl auch das E-Geld-Gesetz BGBl I 45/02) ist schon im Hinblick auf die zeitliche Lagerung des Falles nicht weiter einzugehen.

Der Oberste Gerichtshof hat nun die Regelung des § 23 BWG im Sinne des Grundsatzes der richtlinienkonformen Interpretation dahin auszulegen, dass sie möglichst im Einklang mit der Richtlinie steht (vgl RIS-Justiz RS0111214 mwN etwa SZ 71/174 oder RIS-Justiz RS0102121 mwN etwa SZ 70/101 und SZ 70/219 ebenso etwa zuletzt EuGH 10. 5. 2001 C-144/99 Slg I-3541-auch zu den Grenzen dieser Interpretationsmöglichkeit). Dabei ist zu beachten, dass ja gerade die Festlegung der Eigenmittel wesentliche Grundlage dafür ist, dass die Finanzdienstleistungen im Rahmen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit grenzüberschreitend erbracht werden können (vgl auch § 9 ff BWG). Ist es doch auch zu einer weitgehenden Vereinheitlichung der Aufsichtsregelung und der Eigenmittelerfordernisse gekommen (vgl etwa Glaesner in Schwarze EU-Kommentar Art 56 EGV Rz 48 ff insbes Rz 53; ebenso Troberg in Groeben/Thiesing/Ehlermann Kommentar zum EU-/EG-Vertrag Art 61 Rz 9 ff insbes Rz 14 und 15). Soweit eine Auslegung angestrebt wird, die den Zielen der Richtlinie über die Eigenmittel von Kreditinstituten (89/299/EWG), die Eigenmittel so festzulegen dass sie den Kreditinstituten dazu dienen können, auch Verluste aufzufangen und den Behörden dazu, deren Solvabilität zu beurteilen, entgegensteht, und dazu keine klare Regelung der Richtlinie selbst besteht, so wäre der Oberste Gerichtshof gemäß Art 234 Abs 3 EGV mangels Vorliegens einer eindeutigen Rechtslage zur Einholung einer Vorabentscheidung verpflichtet.

Betrachtet man nun die beiden wesentlichen noch verbleibenden Grundlagen für den Anspruch der Kläger, so bestehen diese einerseits in dem behauptetermaßen veranlassten Irrtum über die Bonität der Bank, deren Anleihen sie zeichneten (nur insoweit erfolgte eine Anmeldung im Konkurs) sowie dem Schadenersatzanspruch wegen mangelhafter Beratungsleistung, insbesondere Aufklärung über die mit der nachrangigen Anleihe verbundenen Risken. Hier stellt sich nun grundsätzlich nicht die Frage, inwieweit die daraus geltend gemachten Ansprüche berechtigt erhoben wurden. Für den Zwischenantrag auf Feststellung ist vielmehr primär entscheidend, ob die geltend gemachten Ansprüche aus dem Darlehensverhältnis von der vereinbarten "Nachrangigkeit" erfasst sind.

Wesentlich ist, ob die als "nachrangiges Kapital" in den Besitz der Gesellschaft gelangten Mittel und der daraus abgeleitete Haftungsfonds für andere Gläubiger dadurch geschmälert werden kann, dass im Zusammenhang mit der Aufnahme dieser Mittel nicht dokumentierte Fehler bei der Aufklärung und Beratung aufgetreten sind.

Übereinstimmung besteht zwischen der Richtlinie und dem Gesetz darin, dass nur den "tatsächlich eingezahlten" Mitteln (vgl dazu auch Chini/Frölichsthal Praxiskommentar zum BWG2, 217) der Charakter als nachrangiges Kapital zugeschrieben wird. Auch versuchen sowohl die Richtlinie als auch das BWG sicherzustellen, dass die in den Besitz des Kreditinstituts gelangten Mittel nicht vor Ablauf der Fünfjahresfrist an den Kapitalgeber zurückgelangen oder sich dieser wirtschaftlich für seinen Rückforderungsanspruch auf andere Weise Sicherheiten verschafft (verbotene "Klauseln", Aufrechnungsverbot etc). Sowohl § 23 Abs 8 Z 2 BWG als auch Art 4 Abs 3 lit d der Richtlinie 89/299/EWG verbieten Klauseln, die auf eine Verminderung des Haftungsfonds hinauslaufen. Im Ergebnis geht es offenbar darum einen bestimmten "Typus" von Mittelzuführung festzulegen (vgl auch zur "eigenen Kategorie" Fremuth in Fremuth/Laurer/Linc/ Pötzelberger/Strobl Bankwesengesetz2, 278). Sollen doch dann, wenn die - von der Bankenaufsicht überprüfbaren und zu überprüfenden - formalen Voraussetzungen dieser Kapitalaufnahme erfüllt sind, diese Mittel Dritten - allfälligen Gläubigern der Bank - einen ausreichenden Haftungsfond sichern (vgl zum Gläubigerschutz auch RV 1130 BlgNR 18. GP, 129). Insoweit geht es hier ebenfalls um ein Eigenkapitalsurrogat (vgl auch OGH 27. 11. 1997, 8 Ob 2351/96k = ÖBA 1998/717). Entschließt sich daher ein Kapitalgeber im Rahmen dieses Typus - meist wegen des größeren Risikos auch zu höheren Zinsen - einer Bank Mittel zur Verfügung zu stellen, so ist abweichenden, nicht dokumentierten Vereinbarungen Dritten gegenüber die Wirksamkeit zu versagen (vgl im Übrigen zur "Unabdingbarkeit" auch Chini/Frölichsthal Praxiskommentar zum BWG2 , 224). Bringt der Kapitalgeber damit doch allen anderen Gläubigern gegenüber die Nachrangigkeit seiner Ansprüche zum Ausdruck. Dies geschieht jedenfalls dann wenn er der Bank diese Mittel bewusst unter Einhaltung der wesentlichen formalen Rahmenbedigungen (vgl OGH 13. 7.

1998 7 Ob 354/97b = ecolex 1999/41= RWZ 1999, 15 [krit Wenger] = ÖBA

1999/777) als nachrangiges Kapital zur Verfügung stellt. Dann sollen

diese Mittel nur noch in der festgelegten Weise aus dem Haftungsfond

ausscheiden. Schon aus dem Zweck dieses Erklärungsverhaltens, damit

klarzustellen, dass diese Mittel vorrangig für die Befriedigung

anderer Gläubiger zu Verfügung stehen sollen, ergibt sich aber, dass

allfällige Rückforderungsansprüche auch auf der Grundlage von

Schadenersatzforderungen oder Irrtumsanfechtung sowie wegen

mangelnder Bonität im Hinblick auf den "Typus" des nachrangigen

Kapitals nur nachrangig gegenüber anderen Gläubigern geltend gemacht

werden können. Ähnlich hat der Oberste Gerichtshof auch bereits für

die aus der Verletzung von Aufklärungs- und Sorgfaltspflichten

abgeleiteten Schadenersatzforderungen von Kommanditisten und diesen

gleichgestellten atypischen stillen Gesellschaftern ausgesprochen

(vgl OGH 21. 12. 1995 8 Ob 7/95 = RIS-Justiz RS0081669 = HS 26.068=

HS XXVI/14; OGH 28.9.1995 8 Ob 4, 5/95 = ecolex 1996, 459 = RdW 1996,

113 = ZIK 1996, 71).

Die Überlegungen, dass den nachrangigen Darlehensgebern ja unter dem Aspekt der Kontroll- und Mitwirkungsrechte aber auch der Beteiligung am laufenden Ertrag keine einem Gesellschafter vergleichbare Stellung zukommt stehen dem nicht entgegen. Geht es hier doch anders als bei der Judikatur zur Nachrangigkeit der eingekapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen (vgl RIS-Justiz RS0060076 mzwN etwa SZ 64/53, SZ 69/208; zur Abgrenzung RIS Justiz RS0060065 mzwN) nicht darum, aus den Verpflichtungen der Gesellschafter den eigenkapitalersetzenden Charakter eines Darlehens abzuleiten, sondern wurde dieser ja hier im Ergebnis ausdrücklich vereinbart (vgl auch OGH 26. 11. 1998 8 Ob

286/98m = SZ 71/202 = RdW 1999, 705 [Saria] = ZIK 1999, 50 [Thiele] =

ZIK 1999, 70 = EvBl 1999/87 zur in Vereinsstatuten vorgesehenen

"Nachrangigkeit"; vgl ferner dazu, dass die Nachrangigkeit von Teilen einer Forderung nicht den "Eigenkapitalcharakter" der restlichen Forderung bewirkt OGH 23. 11. 2000 8 Ob 165/99v = RdW 2001/171= wbl 2001/289). Dafür wird dem Kapitalgeber wohl regelmäßig auch ein höhere Zinssatz als normalen Darlehensgebern zugesagt werden. Nicht übersehen wird, dass auch einschlägige konsumentenschutzrechtliche Bestimmungen bzw wertpapierrechtliche Regelungen zum Schutz der Verbraucher bestehen (vgl etwa auch § 5 KMG; §§ 11 ff WAG). Auf konkrete Verletzungen in diesem Zusammenhang - neben der allgemeinen Behauptung Verletzung der Belehrungspflicht hinsichtlich des Risikos oder der Stellung eines Anlageprofils haben sich die Kläger in ihrer Anmeldung jedoch nicht berufen. Im Ergebnis ist daher der Begriff des nachrangigen Kapitals im Sinne des § 23 Abs 1 Z 6 iVm Abs 8 BWG auch unter Berücksichtigung des Eigenmittelbegriffs des Art 2 Abs 1 Z 8 iVm Art 4 Abs 3 der Richtlinie 89/299/EWG dahin zu verstehen, dass bei in dieser Form tatsächlich zur Verfügung gestellten Mitteln auch allfällige Ansprüche aus Irrtumsanfechtungen wegen Irrtümern über die Bonität der Bank sowie aus Schadenersatzansprüchen wegen mangelnder Belehrung über die Risken als nachrangig zu beurteilen sind.

Es war daher das erstgerichtliche Urteil, soweit es nicht durch das Berufungsgericht als nichtig aufgehoben wurde, wieder herzustellen. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 393 Abs 4 iVm 52 Abs 2 ZPO.

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