Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.706,22 (darin enthalten EUR 284,37 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Gemäß §§ 528a, 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei Zurückweisung eines Rekurses gegen einen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf eine zur Ausführung der Zurückweisungsgründe notwendige Darstellung beschränken.
Der Kläger betreibt mit seiner Ehefrau und vier weiteren Mitarbeitern - darunter nur ein (53-jähriger, bereits 25 Jahre lang im Betrieb beschäftigter) Gartenfacharbeiter - eine Gärtnerei und ist auf Grund eines ihm ab März 2000 dauernd Schmerzen verursachenden Rückenleidens nun nicht mehr in der Lage, einen Teil der von ihm zuvor ausgeführten beruflichen Tätigkeiten durchzuführen. Er erhob gegen die Beklagte aus einer bei dieser am 14. 5. 1998 abgeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung daher Deckungsklage.
Das Erstgericht stellte im Sinne des Klagebegehrens fest, dass die Beklagte dem Kläger Deckungsschutz zu gewähren habe. Beim Kläger liege, da ihm ein Teil der schweren körperlichen Arbeiten krankheitsbedingt nicht mehr zumutbar sei, eine zumindest 50 %ige Berufsunfähigkeit vor. Eine - die Berufsunfähigkeit auf unter 50 % mindernde - Aufgabenumverteilung durch Umorganisation seines Betriebes sei dem Kläger derzeit nicht zumutbar. Die Möglichkeit, dass der Kläger mit dem bei ihm beschäftigen Gartenfacharbeiter einen Teil der Tätigkeitsbereiche tausche, scheide nämlich aus, weil auch dieser Rückenprobleme habe. Die Einstellung eines neuen Gartenfacharbeiters und Kündigung des alten sei, da letzterer in seinem Alter keine andere qualifizierte Tätigkeit mehr erhalten würde, dem Kläger moralisch und wegen der entstehenden Abfertigungsansprüche nicht zumutbar.
Das Berufungsgericht hob die Entscheidung der ersten Instanz auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es teilte dessen Auffassung, dass eine dem Kläger eine umfänglichere Berufsausübung ermöglichende Betriebsumorganisation aus den vom Erstgericht genannten Gründen unzumutbar und, da der Kläger daher zumindest zu 50 % als berufsunfähig anzusehen sei, der Versicherungsfall eingetreten sei. Berechtigt sei allerdings der Einwand, dem Kläger mangle es am rechtlichen Interesse an der begehrten Feststellung, weil er infolge Ablehnung einer Versicherungsleistung durch die Beklagte - da die gebührende Jahresrente mit DM 20.000,-- unstrittig feststehe - bereits Leistungsklage erheben hätte können; ein Feststellungsinteresse bestehe nur für auf Grund der Berufsunfähigkeit künftig fällig werdende Leistungen. Da dieser Einwand von der Beklagten aber in erster Instanz nicht erhoben worden und das Erstgericht der ihm obliegenden Erörterungspflicht iSd § 182 ZPO nicht nachgekommen sei, könne dieser Umstand nicht zur sofortigen Abweisung des Klagebegehrens führen, weil der Kläger damit überrascht würde.
Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mit der Begründung für zulässig, zur - über den konkreten Einzelfall hinaus bedeutsamen - Frage, ob zur zumutbaren Umorganisation des Unternehmens des selbständig tätigen Versicherungsnehmers auch die Kündigung langjähriger und vermutlich nur noch schwer vermittelbarer Arbeitnehmer gehöre, liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor.
Entgegen diesem Ausspruch, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 526 Abs 2 ZPO), sind die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO für die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof nicht gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen sind den vom Obersten Gerichtshof in den Entscheidungen 7 Ob 372/98a, VersE 1824 = VersR 2000, 1526 = VR 2000/548 = ecolex 2001, 361 (Ertl) = SZ 72/83 = RdW 2000, 263 (Reisinger) und 7 Ob 127/99y, VersR 2001, 399 = exolex 2001, 366 (Ertl) = VR 2001, 144 = SZ 72/96 im Einklang mit der dort zitierten deutschen Judikatur und Lehre entwickelten Grundsätzen gefolgt. Wie der erkennende Senat in 7 Ob 372/98a ua ausgeführt hat, richtet sich der Anspruch auf die Versicherungsleistung aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nach der - auch im vorliegenden Fall gegebenen, den in Deutschland verwendeten BB-BUZ (wiedergegeben etwa in Prölss/Martin VVG26 1777 ff) ganz vergleichbaren - Bedingungslage danach, ob und in welchem Umfang der Versicherte seinen Beruf trotz eines die Berufsfähigkeit beeinträchtigenden Leidens noch ausüben und ob er unter diesen Umständen sein Einkommen mit einer anderen zumutbaren Tätigkeit erzielen kann. Ob der Versicherte wegen seiner Gesundheitsbeeinträchtigung außerstande ist, seinen Beruf weiter auszuüben, ist daher erst nach Klärung des konkreten Tätigkeitsbildes zu entscheiden, wobei es darauf ankommt, ob der Versicherte "prägende wesentliche Einzelverrichtungen seiner Tätigkeit" nicht mehr ausüben kann. Der - wie im vorliegenden Fall der Kläger - selbständig tätige Versicherte, der nicht fremd bestimmt arbeitet, sondern grundsätzlich selbst entscheiden kann, was er tut und wann und wie er es tut, ist erst dann außerstande, seinen Beruf auszuüben, wenn er auch unter Ausnutzung dieses Freiraumes die konkrete Tätigkeit, die er bisher ausgeübt hat, nicht mehr fortsetzen kann. Auch bei Selbständigen kommt es darauf an, ob ihre Gesundheitsbeeinträchtigung sie an Einzelverrichtungen hindert, die für ihre bisher konkret ausgeübte Tätigkeit prägend und wesentlich sind. Dabei ist insbesondere bei selbständigen Handwerkern und Unternehmern das für ihren Beruf typische Direktionsrecht zu berücksichtigen, das ihnen gegenüber ihren Angestellten und Arbeitern zusteht und es ihnen ermöglicht, die bisher von ihnen selbst ausgeübten Tätigkeiten teilweise auf andere zu übertragen. Soferne ihnen eine solche Umorganisation ohne nennenswerte Einkommenseinbußen möglich und zumutbar ist, können sie nicht als außerstande angesehen werden, ihren Beruf auszuüben.
Insoweit liegt eine gesicherte Judikatur des Obersten Gerichtshofes vor; reicht doch, um eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes annehmen zu können, nach stRsp schon das Vorliegen auch nur einer, ausführlich begründeten, grundlegenden und veröffentlichten Entscheidung, der keine gegenteiligen entgegenstehen, insbesondere dann, wenn sie auch im Schrifttum nicht auf beachtliche Kritik gestoßen ist (4 Ob 8/98z, RdW 1998, 406; RIS-Justiz RS0103384 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen, zuletzt etwa 3 Ob 134/02f und 9 Ob 55/03h; Kodek in Rechberger 2 Rz 3 zu § 502 ZPO). Diese Voraussetzungen werden von der zitierten Entscheidung 7 Ob 372/98 alle erfüllt.
Nach demnach gesicherter Judikatur kann eine die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ausschließende Betriebsumorganisation also vom Versicherten nur verlangt werden, wenn sie ohne nennenswerte Einkommensminderung möglich und dem Versicherten auch zumutbar ist. Ob eine im Rahmen einer betrieblichen Umorganisation erforderliche Kündigung eines Dienstnehmers dem Versicherten zumutbar ist oder nicht, hängt allerdings von den Umständen des Einzelfalles ab und lässt sich daher nicht generell beantworten. Namentlich bei einem - wie hier - langjährig im Betrieb des Versicherten beschäftigten, relativ alten Arbeitnehmer stellt sich dabei auch die Frage, ob er sich im Sinne der §§ 105 ff ArbVG einer Kündigung nicht ohnehin wirksam widersetzen könnte. Voraussetzung dafür wäre nach ständiger oberstgerichtlicher Judikatur, dass die Abwägung der sozialen Interessen des Arbeitnehmers am Bestand des Arbeitsverhältnisses mit den betrieblichen Interessen zu seinen Gunsten ausfällt (9 ObA 279, 280/88, RdW 1989, 199 = WBl 1989, 217 = Arb 10.771; 9 ObA 233/93, DRdA 1994, 252 [Frost] = ARD 4512/18/93 = WBl 1994, 92 = RdW 1994, 150; 9 ObA 142/97s, RdW 1998, 357 = ARD 4947/16/98; RIS-Justiz RS0051994, zuletzt etwa 8 ObA 95/03h).
Zufolge der Einzelfallbezogenheit der Zumutbarkeit einer für eine entsprechende Betriebsumorganisation notwendigen Kündigung läge in diesem Zusammenhang nur dann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vor, wenn dem Berufungsgericht eine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RIS-Justiz RS0021095; RS0042405, jeweils mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen).
Eine gravierende Fehlbeurteilung, also eine Verkennung der Rechtslage, die aus Gründen der Rechtssicherheit bzw der Einzelfallgerechtigkeit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, ist im vorliegenden Fall aber nicht gegeben: Zwar könnte sich der betreffende Gartenfacharbeiter einer Kündigung durch den Kläger im Hinblick darauf, dass dieser außer seiner Ehefrau nur vier weitere stimmberechtigte (§ 49 Abs 1 ArbVG) Arbeitnehmer beschäftigt, nicht widersetzen, da das österreichische Recht Betriebe, in denen weniger als fünf für eine Betriebsratswahl stimmberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind, von der Betriebsverfassung ausnimmt (§ 40 Abs 1 ArbVG; Andexlinger, Kündigungsschutz im Kleinbetrieb, RdW 1994, 109; vgl Tomandl, Betriebsverfassungsrechtliche Fragen des Kleinstbetriebes, ZAS 1981, 123). Arbeitnehmer, die in solchen Klein- bzw Kleinstbetrieben gekündigt werden, sind damit auch von der Kündigungsanfechtung nach §§ 105 ff ArbVG ausgeschlossen. Dessen ungeachtet ist die Ansicht der Vorinstanzen, dem Kläger sei nicht zumutbar, einen 53-jährigen, 25 Jahre lang im Betrieb beschäftigten Mitarbeiter mit jahrzehntelanger Berufserfahrung zu kündigen, der - wie das Erstgericht ausdrücklich festgestellt hat - altersbedingt keine andere qualifizierte Tätigkeit mehr finden könnte (wobei neben sofortigen Abfertigungskosten von EUR 38.010,-- auch - wie ebenfalls ausdrücklich festgestellt - in einer dreimonatigen Umstellungszeit noch weitere Kosten von EUR 12.320,-- entstünden) jedenfalls zu billigen.
Im Zusammenhang mit der Frage der Zumutbarkeit der in Rede stehenden Austauschkündigung (vgl Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht Bd 3, 358 ff mwN) stellt sich daher eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht.
Aber auch sonst wird in der Revision ein tauglicher Zulassungsgrund nicht aufgezeigt. Die Revisionswerberin wendet sich alleine noch zu Unrecht gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, betreffend das von ihm konstatierte Fehlen eines Feststellungsinteresses bestehe ein im fortzusetzenden Verfahren zu behebender Erörterungsmangel. Nach stRsp darf das Gericht, wie aus § 182 ZPO abzuleiten ist, die Parteien in seiner Entscheidung nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie das Gericht nicht aufmerksam gemacht hat (RIS-Justiz RS0037300 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Hier haben die Parteien den Umstand der bereits eingetretenen Fälligkeit der streitgegenständlichen Versicherungsleistung ganz offenbar nicht bedacht und hat auch die Beklagte einen diesbezüglichen Einwand in erster Instanz nicht erhoben. Eine Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht ist auch in diesem Zusammenhang nicht zu erkennen, weshalb die ebenfalls nach den Umständen des Einzelfalles zu lösende Frage, ob das Überraschungsverbot verletzt wurde, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 ZPO aufwirft (vgl 1 Ob 35/01x, RIS-Justiz RS0037300 [T 32]).
Der Rekurs der Beklagten war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Da sich das Rechtsmittel als unzulässig erweist, hängt der Ausspruch über den Ersatz der Kosten des Rekursverfahrens insoweit nicht vom Ausgang der Hauptsache ab, sodass diese auch nicht als weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz (iSd § 52 Abs 1 ZPO) vorzubehalten waren (7 Ob 243/03s uva). Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels seiner Prozessgegnerin ausdrücklich hingewiesen.
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