OGH 9ObA233/93

OGH9ObA233/938.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Friedrich Hötzl und Leopold Smrcka als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Norbert D*****, Angstellter, ***** vertreten durch Dr.Kurt Klein und Dr.Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Österreichische P***** Gesellschaft mbH, Zweigniederlassung L*****, Lebring 220, 2. Österreichische P***** Gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Dr.Reinhard Tögl und Dr.Nicoletta Wabitsch, Rechtsanwälte in Graz, wegen Kündigungsanfechtung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5.Mai 1993, GZ 7 Ra 9/93-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 15.Oktober 1992, GZ 35 Cga 27/92-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.783,68 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 797,28 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung des angefochtenen Urteiles zutrifft, genügt es auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers folgendes zu erwidern:

Bei Beurteilung des Anfechtungsgrundes des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist unter Einbeziehung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und seiner Familienangehörigen primär zu prüfen, ob die Kündigung wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt.

Liegt eine solche Interessenbeeinträchtigung vor, ist die Kündigung

nur dann nicht sozialwidrig, wenn der Nachweis des Vorliegens eines

Ausnahmetatbestandes (§ 105 Abs 3 Z 2 lit a oder b ArbVG) erbracht

wird. Aber auch dadurch wird die Sozialwidrigkeit der Kündigung noch

nicht immer aufgehoben. Es ist eine Abwägung der durch die Kündigung

beeinträchtigten Interessen des Arbeitnehmers an der

Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses mit den Interessen des

Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorzunehmen

(SZ 63/119 = Arb 10.874; DRdA 1992/41 [mit tw Kritik von Runggaldier]

= ZAS 1992/19; DRdA 1992/53 [Mosler]).

Als Umstände, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG entgegenstehen, kommen wirtschaftliche, technische oder organisatorische Belange in Betracht. Darunter fallen ua mangelnde Aufträge, Rückgang des Absatzes, Wettbewerbsrücksichten, geringe Ertragslage (DRdA 1988/10 [Floretta]) und damit auch die erwirtschafteten Verluste. Die Kündigung ist nur dann in den Betriebsverhältnissen gerechtfertigt, wenn im gesamten Betrieb gerade für den betroffenen Arbeitnehmer kein Bedarf besteht und daher die Kündigung notwendig ist (DRdA 1988/10 [Floretta]; Arb 10.771).

Die Verringerung von Personalkosten durch Reduktion des Beschäftigtenstandes ist im allgemeinen ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung eines schlechten Betriebsergebnisses und kann bei Einsparung des Arbeitsplatzes eine Kündigung rechtfertigen (Cerny, ArbVG8, 500 mwN). Die vom Kläger verrichteten Arbeiten als Postmann des Werkes fallen zwar trotz Kündigung des Klägers weiterhin an, doch wurde der Arbeitsplatz des Klägers nicht mehr besetzt; ein Teil seiner Tätigkeit wird vielmehr nebenbei von mindestens 17 Personen ausgeführt. Die Kopiertätigkeiten, deren Durchführung dem Kläger in Halbtagsarbeit angeboten wurde - die Übernahme dieses Postens lehnte der Kläger ab - fallen wegen Einstellung des für 1993 geplanten Projektes nicht mehr an (AS 189 f).

Wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten zur Personalreduktion zwingen und der Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers betroffen ist, liegt ein betriebsbedingter Kündigungsgrund auch dann vor, wenn der Tätigkeitsbereich dieses Arbeitnehmers zwar nicht wegfällt, aber eine Nachbesetzung wegen Rationalisierung unterbleibt, weil die Tätigkeit von anderen Arbeitnehmern mitübernommen wird, soferne mit diesen Maßnahmen eine nicht unbeträchtliche Kostenverringerung eintritt (DRdA 1992/41 = ZAS 1992/19). Der Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers ist daher durch betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 105 Abs 3 Z 2 lit b ArbVG begründet.

Bei der Abwägung der durch die Kündigung beeinträchtigten Interessen des Klägers mit den Interessen des Arbeitnehmers ist die gesamte wirtschaftliche und soziale Situation des Klägers (DRdA 1992/53 [Mosler]) den Interessen des Betriebes gegenüberzustellen und zu untersuchen, welche Interessen überwiegen. Überwiegen die Interessen des Arbeitgebers, ist die Kündigung nicht sozialwidrig (DRdA 1992/41 [Runggaldier] = ZAS 1992/19 mwN).

Außer Diskussion steht, daß die Aussichten des 1930 geborenen, zum 30.4.1992 gekündigten Klägers, einen Posten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erlangen, denkbar schlecht sind und er, wenn er sofort in Pension geht, gegenüber einer Pensionierung mit 65 Jahren finanzielle Einbußen erleidet, so daß eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung vorliegt. Es ist aber darauf Bedacht zu nehmen, daß die Gattin des Klägers in einem aufrechten Dienstverhältnis steht und nur karenziert ist. Bei der über die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirksam werdenden Folgen der Kündigung auf die Interessen des Arbeitnehmers anzustellenden Prognose (Arb 10.771) ist zu berücksichtigen, daß sich die Ehegattin des Klägers wieder ihrem Beruf widmen und der Kläger sie als Pensionist im Haushalt und bei der Kindererziehung unterstützen kann. Durch das zu erwartende Pensionseinkommen des Klägers und die erzielbaren Bezüge seiner Gattin als Lehrerin wird die Beeinträchtigung der Interessen des Klägers durch die Kündigung gemildert.

Bei der allgemein hohen gesellschaftlichen Akzeptanz einer vorzeitigen Pensionierung mit 60 Jahren (Mosler in DRdA 1992/5 [462]) liegt beim Kläger, der zum Kündigungstermin über 62 Jahre alt und erst rund 7,5 Jahre bei der Beklagten beschäftigt war, noch kein unverhältnismäßiger Härtefall vor, der ein Überwiegen seiner Interessen gegenüber den Interessen der Beklagten am Abbau ihrer enormen Verluste durch Rationalisierung zur Folge hätte.

Die Interessenabwägung führt daher zum Ergebnis, daß die Kündigung des Klägers noch nicht als sozial ungerechtfertigt anzusehen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 58 ASGG und §§ 41, 50 ZPO.

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