OGH 7Ob26/21f

OGH7Ob26/21f26.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. Dr. B* H*, vertreten durch die Harisch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 26. November 2020, GZ 1 R 98/20h‑83, womit das Urteil des Bezirksgerichts Liezen vom 8. April 2020, GZ 12 C 47/16y‑79, bestätigt wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132048

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden in ihrem Punkt 1 abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt (neu nummeriert) wie folgt lautet:

„1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Streitteilen mit ′Mietvertrag′ vom 1. August 1994 eingegangene Bestandverhältnis über das Geschäftslokal Top Nr 11 des Geschäftszentrums * in * L* zwischen den Streitteilen bis zum 30. Juni 2019 aufrecht war.

2. Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für den Ersatz jenes Schadens hafte, welcher der klagenden Partei dadurch entstanden sei, dass die beklagte Partei das Geschäftslokal Top Nr 11 des Geschäftszentrums * L*, in der Zeit vom 29. September 2016 bis einschließlich 30. Juni 2019 habe leer stehen lassen, statt darin weiterhin ihre Apotheke zu betreiben, und ihre Apotheke stattdessen an einem anderen Standort (*) weiterbetrieben habe, wird abgewiesen.‟

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die anteiligen Gerichtsgebühren für das Revisionsverfahren in Höhe von 1.430,50 EUR binnen 14 Tagen zu ersetzen; im Übrigen werden die Kosten des Revisionsverfahrens gegeneinander aufgehoben.

Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist Eigentümerin eines 1978 errichteten Geschäftszentrums in L* mit einem für ein Einkaufszentrum üblichen Branchenmix.

[2] In diesem Einkaufszentrum nahm die Beklagte mit „Mietvertrag“ vom 1. August 1994 von der F* OHG, der Rechtsvorgängerin der Klägerin, das Geschäftslokal top Nr 11 im Ausmaß von etwa 188,50 m2 auf 30 Jahre beginnend ab 1. Juli 1994 mit dem Recht in Bestand, unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zum Ende des 10., zum Ende des 15., Ende des 20., und Ende des 25. Jahres mittels eingeschriebenen Briefs aufzukündigen. Sie betrieb dort in der Folge – nach von ihr selbst vorgenommenen und finanzierten Adaptierungen – eine Apotheke. Im „Mietvertrag“ verpflichtete sich die Beklagte, „die Apotheke unter Berücksichtigung der behördlich festgelegten Öffnungszeiten in Betrieb zu halten (Betriebspflicht) und den apothekenrechtlich festgehaltenen Sortimentsrahmen einer Apotheke einzuhalten“.

[3] Am 16. Juli 2015 schloss die Beklagte mit der Errichterin eines neuen Einkaufszentrums im unmittelbaren Nahbereich des Einkaufszentrums der Klägerin einen „Pachtvertrag“ zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke (Bestandfläche 246,13 m2). Darin verpflichtete sich die Beklagte unter anderem, in L* keine weitere öffentliche Apotheke zu führen bzw betreiben zu lassen und die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehende Apotheke im Einkaufszentrum der Klägerin längstens bis zur Eröffnung der neuen Apotheke zu schließen.

[4] Am 23. März 2016 stellte die Beklagte den apothekenrechtlichen Antrag auf Verlegung ihrer Betriebsstätte von ihrem alten Standort im Einkaufszentrum der Klägerin in das neue Einkaufszentrum. Mit Bescheid der Österreichischen Apothekerkammer vom 13. Mai 2016 wurde diese Betriebsstättenverlegung genehmigt. Die Verlegung erfolgte auf Betreiben der Beklagten und wurde nicht von der Apothekerkammer wegen Mängeln am alten Standort vorgeschrieben. Es kann nicht festgestellt werden, dass technische Mängel und Instandhaltungsrückstände im Geschäftslokal der Beklagten zum Zeitpunkt ihres Auszuges vorhanden waren, die den Apothekenbetrieb beeinträchtigt oder verhindert hätten.

[5] Die Verlegung des Apothekenstandortes wurde von der Beklagten deshalb durchgeführt, um die Ansiedlung einer dritten Apotheke in L* zu vermeiden.

[6] Nachdem der Beklagten die Klage zugestellt worden war, kündigte sie mit Schreiben vom 13. Juli 2016 den „Mietvertrag“ mit der Klägerin „mit Wirkung zum 12. Oktober 2016“ vorzeitig auf, wobei sie als wichtige Gründe für die außerordentliche Kündigung unter anderem diverse Mängel des Bestandobjekts und des Einkaufszentrums, dessen sich verschlechternde Attraktivität und die Vertrauensbasis zerstörendes Verhalten der Vermieterin anführte.

[7] Mit 29. September 2016 schloss die Beklagte ihren Apothekenstandort im Einkaufszentrum der Klägerin und übersiedelte in das neue Einkaufszentrum.

[8] Der Betreiber des neuen Einkaufszentrums stimmte einer Rücksiedelung der Apotheke der Beklagten an den alten Standort nicht zu.

[9] Mit Schreiben vom 5. Oktober 2018, bei der Klägerin eingegangen am 9. Oktober 2018, erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Bestandverhältnisses zum 30. Juni 2019.

[10] In der Zeit vom 29. September 2016 bis einschließlich 30. Juni 2019 betrieb die Beklagte ihre Apotheke am ehemaligen Standort nicht mehr und ließ das Geschäftslokal leer stehen. Neben der Beklagten zogen auch andere Geschäfte diverser Einzelhandelsketten aus dem von der Klägerin betriebenen Einkaufszentrum aus und in das neue Einkaufszentrum. Durch diese Auszüge („darin mit umfasst auch jener der Beklagten“) verringerte sich die Kundenfrequenz im Einkaufszentrum der Klägerin. Als Folge hieraus gibt es auch Geschäftslokale, für die bis dato keine Bestandnehmer gefunden werden konnten.

[11] Auch das ehemalige Geschäftslokal der Beklagten konnte nach Ablauf des 30. Juni 2019 nicht in Bestand gegeben werden, wobei von Seiten der Klägerin erst seit Ende Juni 2019 versucht wurde, eine Nachnutzung zu bewerkstelligen; bis 30. Juni 2019 ging die Klägerin davon aus, dass noch ein aufrechtes Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen bestehen würde.

[12] Nachnutzer konnten deshalb schwer gefunden werden, da die Attraktivität des Einkaufszentrums der Klägerin durch den damaligen Aus‑ und Umzug der Bestandnehmer litt; „dazu gehörte auch der Auszug der Beklagten“ in das neue Einkaufszentrum.

[13] Einige Kunden der Beklagten „wanderten“ vom alten in das neue Einkaufszentrum mit.

[14] „Wie hoch der dadurch entstandene Schaden ist, kann (noch) nicht festgestellt werden.“

[15] Die Klägerin begehrte aufgrund einer am 3. Juli 2019 – nach der Aufkündigung des Bestandvertrags per 30. Juni 2019 – erstatteten Klagsänderung (zu den bis dahin erhobenen Begehren auf Einhaltung der Betriebspflicht und Feststellung des aufrechten Bestandvertrags vgl das Vorverfahren 7 Ob 152/18f [7 Ob 204/18b]), die Feststellung, dass die Beklagte der Klägerin für den Ersatz jenes Schadens hafte, welcher ihr durch die Leerstehung des Lokals vom 29. September 2016 bis 30. Juni 2019 entstanden sei. Gleichzeitig modifizierte die Klägerin am 3. Juli 2019 ihren bereits am 19. Oktober 2017 gestelltenZwischenfeststellungsantrag dahin, dass der Bestandvertrag über das Geschäftslokal bis zum 30. Juni 2019 aufrecht gewesen sei.

[16] Die Klägerin brachte dazu vor, seit Ablauf des 30. Juni 2019 könne sie statt Erfüllung der Betriebspflicht nur noch Schadenersatz wegen deren Nichterfüllung in der Vergangenheit begehren. Die Beklagte habe das Bestandobjekt bis zuletzt leer stehen lassen und ihre Apotheke stattdessen weiterhin im neuen Einkaufszentrum weiterbetrieben. Damit habe sie seit der von ihr vorgenommenen Schließung ihres Apothekenbetriebes mit 29. September 2016 bis einschließlich 30. Juni 2019 „schuldhaft, nämlich sogar vorsätzlich“ ihre bestandvertragliche Betriebspflicht verletzt; ihr sei die Vertragslage bekannt gewesen und sie habe die Vertragsverletzung – zwecks Verhinderungen eines dritten Apothekenstandorts in L* – bewusst in Kauf genommen.

[17] Das Schadensausmaß sei „derzeit aber naturgemäß noch nicht absehbar“. Bei Verletzung der Betriebspflicht bestehe der Schaden in jener Geschäftsschädigung, die der Bestandgeber und Betreiber eines Einkaufszentrums dadurch erleide, dass dieses infolge des Leerstands an Attraktivität einbüße und eine geringere Kundenfrequenz aufweise, was einerseits zu Schwierigkeiten bei der Vermietung der Geschäftslokale, zu geringeren Mieteinnahmen und zu einem geringeren Verkehrswert des Einkaufszentrums insgesamt führe. All dies lasse sich erst „nach einiger Zeit“ abschließend beurteilen, zumal sich die Auswirkungen des Leerstands in puncto verminderter Kundenfrequenz und verminderter Attraktivität des Standortes auch nach Beendigung des Leerstands immer noch einige Zeit fortsetzen würden. Wie rasch es gelingen werde, die Auswirkungen des Leerstands durch Neuvermietung des Geschäftslokals wieder wettzumachen, werde erst die Zukunft zeigen, zumal die Neuvermietung des Objekts bis jetzt noch gar nicht gelungen sei. Die Klägerin habe daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte ihr gegenüber für den Schaden hafte, der ihr „daraus entstanden ist oder noch entsteht“, dass die Beklagte das Lokal vom 29. September 2016 bis einschließlich 30. Juni 2019 habe leerstehen lassen. Der Schaden sei derzeit noch nicht bezifferbar, weil die Vertragsverletzung der Beklagten erst am 30. Juni 2019 geendet habe und es der Klägerin seitdem nicht möglich gewesen sei, ein Sachverständigengutachten über die durch den Leerstand verursachte Schadenshöhe einzuholen; dies wäre aber Voraussetzung dafür dafür gewesen, den Schaden zu beziffern und eine Leistungsklage einbringen zu können. Ein Sachverständiger könne zu dieser Frage erst ein Gutachten erstatten, wenn als Sachverhaltsgrundlage die dafür erforderlichen Daten insbesondere dazu vorlägen, um wie viel die Kundenfrequenz in der Zeit vom 29. September 2016 bis zum 30. Juni 2019 tatsächlich zurückgegangen sei und welche Auswirkungen dies auf die Umsätze der übrigen Geschäfte im Einkaufszentrum gehabt habe. Die entsprechenden Daten, insbesondere zu den Umsätzen, lägen dem Vermieter naturgemäß erst mit Zeitverzögerung vor. Selbst nach Vorliegen der erforderlichen Daten könne ein derartiges Sachverständigengutachten nicht innerhalb weniger Wochen erstellt werden, zumal der Sachverständige erst umfassende Ermittlungen und Erwägungen zur Frage anstellen müsse, zu welchem Anteil der Rückgang der Kundenfrequenz und der Umsätze der übrigen Geschäfte kausal auf den Leerstand der Apotheke und nicht auf andere in Frage kommenden Ursachen – wie etwa die von der Beklagten erwähnte Absiedlung anderer Geschäfte – zurückzuführen sei. Im Übrigen wäre eine Klageänderung auf eine schadenersatzrechtliche Leistungsklage im gegenständlichen Verfahren gar nicht möglich, weil dies ein umfassendes Beweisverfahren zur Schadenshöhe mit einer erheblichen Erschwerung und Verzögerung der Verhandlung mit sich brächte. Damit gingen die im gegenständlichen Verfahren bereits gewonnenen Erkenntnisse, die das Bestehen einer Schadenersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach beträfen, verloren. Die Klägerin habe daher ein erhebliches rechtliches Interesse daran, das über die im gegenständlichen Verfahren schon geklärten Fragen, betreffend das Bestehen einer Schadenersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach in Form einer Feststellung rechtskräftig abgesprochen werde.

[18] Ferner habe die Klägerin „insbesondere im Hinblick auf die noch einzubringende Mietzinsklage“ ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass das Mietverhältnis bis zum 30. Juni 2019 noch aufrecht gewesen sei, zumal die Beklagte seit ihrem Auszug auch keine Miete mehr bezahlt habe.

[19] Die Beklagte erwiderte, der Klägerin sei durch den Auszug kein nachweisbarer Schaden entstanden und ihr werde auch in Zukunft keiner entstehen. Ihr fehle das Feststellungsinteresse iSd § 228 ZPO; die bloß abstrakte Möglichkeit eines Schadenseintritts reiche zur Begründung des rechtlichen Interesses nicht aus. Für die Klägerin sei seit Herbst 2016 völlig klar gewesen bzw habe ihr klar sein müssen, dass die Beklagte – sollte ihre außerordentliche Kündigung nicht wirksam sein – von ihrem ordentlichen Kündigungsrecht zum 30. Juni 2019 Gebrauch machen und spätestens mit diesem Stichtag ihren Betrieb im Einkaufszentrum der Klägerin schließen würde. Das diesbezügliche Kündigungsschreiben sei der Klägerin Anfang Oktober 2018 übermittelt worden; spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte sie die Suche nach einem Nachmieter intensivieren müssen (dies auch im Sinne der ihr obliegenden Schadensminderungspflicht). Es erschließe sich nicht, welche konkreten Auswirkungen des temporären Leerstands erst in Zukunft erkennbar sein sollten. Ein allfälliger Schaden der Klägerin wäre bereits beziffer- und ermittelbar, was zur Unzulässigkeit des Feststellungsbegehrens führe. Wenn die Höhe des Schadens durch zumutbare und naheliegende Maßnahmen ermittelt werden könne, und der Stellung des Leistungsbegehrens primär prozesstaktische bzw prozessökonomische Erwägungen entgegenstünden, nicht aber die tatsächliche Unmöglichkeit einen bezifferbaren Schaden zu ermitteln, fehle ein Feststellungsinteresse; die Feststellungsklage sei auch unzulässig, wenn die Leistungsklage in kurzer Zeit eingebracht werden könne.

[20] Das Erstgericht gab beiden Begehren statt. Der Bestandvertrag sei ein Mietvertrag. Gründe für dessen vorzeitige Auflösung seien nicht vorgelegen. Die Parteien hätten nicht bloß eine apothekenrechtliche, sondern eine zivilrechtliche Betriebspflicht vereinbart. Da der Klägerin durch das Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden sei, der zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht beurteilt werden könne, sei dem geänderten Klagebegehren stattzugeben.

[21] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Dass die vorzeitige Kündigung des Mietvertrags unwirksam gewesen sei, sei bereits im ersten Rechtsgang abschließend beurteilt worden. Als ebenso bereits im ersten Rechtsgang abschließend entschieden stehe fest, dass die Betriebspflicht als zivilrechtliche Verpflichtung zu verstehen sei. Auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechts könne gemäß § 228 ZPO geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran habe, dass das betreffende Rechtsverhältnis oder Recht alsbald durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellt werde. Die Behauptungs- und Beweislast für das Feststellungsinteresse treffe, soweit es nicht offenkundig sei, die Klägerin. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts sei der Beklagten die schuldhaft vertragswidrige Nichterfüllung ihrer vertraglich vereinbarten zivilrechtlichen Betriebspflicht im Zeitraum vom 29. September 2016 bis einschließlich 30. Juni 2019 vorzuwerfen. Die Übersiedlung ihrer Apotheke habe in Verbindung mit den Auszügen weiterer Betriebe zur Verringerung der Kundenfrequenz und zur Verminderung der Attraktivität des Einkaufszentrums der Klägerin geführt. Dies ziehe eine Geschäftsschädigung der Klägerin nach sich, wobei der dadurch entstandene Schaden gemäß der vom Erstgericht erhobenen Sachverhaltsgrundlage noch nicht feststellbar sei.

[22] Das Berufungsgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand als 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

[23] Die Revision der Beklagten beantragt die Abweisung der Klage; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

[24] Die Klägerin beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[25] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig; sie ist teilweise auch berechtigt.

[26] Die Revision führt zusammengefasst ins Treffen, der Klägerin fehle das Feststellungsinteresse, weil der Klägerin entweder die Bezifferung des Schadens und damit die Erhebung eines Leistungsbegehrens möglich, oder der Schaden nicht nachweisbar sei. Beides müsse zur Abweisung des Feststellungsbegehrens zur Schadenshaftung führen.

[27] 1. Die Revision ficht die klagsstattgebende Entscheidung der Vorinstanzen zur Gänze an, führt aber keine Argumente gegen die Entscheidung über den Zwischenfeststellungsantrag, mit dem das Bestehen des Bestandvertrags bis 30. Juni 2019 festgestellt wurde (und damit der Verneinung der Berechtigung der außerordentlichen Kündigung der Beklagten zum 12. Oktober 2016), an. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher mit der aus dem Spruch zu Punkt 1 ersichtlichen verdeutlichenden Maßgabe zu bestätigen, dass auf den zwischen den Parteien bestehenden Bestandvertrag abzustellen war, ohne diesen im Spruch in für das Feststellungsinteresse irrelevanter Weise näher rechtlich zu qualifizieren.

[28] 2. Zum Feststellungsbegehren betreffend die Haftung der Beklagten ist von folgender Rechtslage auszugehen:

[29] Jede Feststellungsklage erfordert nach § 228 ZPO ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder Rechts. Regelmäßig verneint wird das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger seinen Anspruch zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (RS0038817). Ein Feststellungsbegehren, wie es hier erhoben wurde, bezieht sich nur auf die künftigen Schäden, das heißt auf solche, die im Zeitpunkt seiner Erhebung noch nicht fällig waren; ein rechtliches Interesse an der Feststellung bereits fälliger Ersatzansprüche besteht dagegen grundsätzlich nicht (RS0038934). Die Möglichkeit der Leistungsklage verdrängt daher nach ständiger Rechtsprechung bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage (RS0038849, RS0039021). Kann der Geschädigte die Höhe eines bereits eingetretenen und ihm dem Grunde nach bekannten Schadens durch naheliegende zweckmäßige Maßnahmen, deren Kosten in einem Leistungsprozess als vorprozessuale Kosten ersatzfähig sind, ermitteln, und müssen solche Maßnahmen vor Einbringung einer Leistungsklage jedenfalls ergriffen werden, um einen bereits eingetretenen Schaden beziffern zu können, so ist dem Geschädigten ein rechtlich schutzwürdiges Interesse auf alsbaldige Feststellung lediglich der Haftung des in Anspruch genommenen Ersatzpflichtigen für den geltend gemachten Schaden abzusprechen; er muss vielmehr Maßnahmen ergreifen, um auf diese Weise die Voraussetzung für die Schadensbezifferung in einer Leistungsklage zu schaffen (vgl RS0118968) und kann etwa auch verpflichtet sein, ein Sachverständigengutachten zur Schadensbezifferung einzuholen (RS0118968 [T1, T3]).

[30] Das Feststellungsinteresse muss jedenfalls im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorhanden sein (RS0039204 [T1]; 7 Ob 35/20b).

[31] Die Behauptungs- und Beweislast für das Feststellungsinteresse trifft, soweit es nicht offenkundig ist, die Klägerin (RS0039058 [T2]).

[32] 3.1. Die Klägerin begehrt nach dem klaren Wortlaut ihres Begehrens die Feststellung der Haftung für Schäden, die aufgrund von Umständen in der Vergangenheit – dem Leerstand vom 29. September 2016 bis 30. Juni 2019 – bereits entstanden sind.

[33] 3.2. Sie begründet ihr Interesse an dieser Feststellung unspezifisch damit, dass ihr die erforderlichen Daten zur Schadenshöhe noch nicht zur Verfügung stünden und auch die Einholung eines Gutachtens zeitaufwändig wäre.

[34] 3.3. Der Klägerin ist aber seit dem (außerordentlichen Kündigungs-)Schreiben der Beklagten vom 13. Juli 2016 bekannt, dass diese aus dem Bestandverhältnis strebt. Seit 29. September 2016 steht das Bestandobjekt leer und nach dem Vorbringen der Klägerin selbst hat die in das bereits eröffnete neue Einkaufszentrum übersiedelte Beklagte keine Miete mehr gezahlt. Seit dem Zugang des ordentlichen Kündigungsschreibens am 9. Oktober 2018 wusste die Klägerin schließlich, dass das Bestandverhältnis zum 30. Juni 2019 jedenfalls endgültig enden würde.

[35] Soweit sich die Klägerin darauf beruft, es werde sich erst in Zukunft zeigen, welche Auswirkungen eintreten werden, ist dies auch schon deshalb verfehlt, weil das Bestandverhältnis zum 30. Juni 2019 (durch ordentliche Kündigung) beendet wurde und die Beklagte Verluste wegen des (zulässigen) Nichtbetreibens der Apotheke nach diesem Zeitpunkt nicht zu verantworten hat.

[36] Trotz der absehbaren Beendigung des Bestandvertrags hat die Klägerin bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 12. März 2020 – und damit mehr als 41 Monate nach tatsächlichem Auszug der Beklagten und mehr als 17 Monate nach Zugang ihres Kündigungsschreibens – keinerlei Vorbringen erstattet, ob und welche konkreten Anstalten in dieser Zeit zur Ermittlung der Höhe des bereits entstandenen Schadens unternommen wurden, wie weit welche bereits begonnene zweckmäßige Maßnahmen zur Ermittlung der Schadenshöhe fortgeschritten wären, oder aus welchen konkreten Gründen diese noch nicht abgeschlossen hätten werden können. Dass die Nichtfeststellbarkeit der Schadenshöhe nicht durch die eigene Säumigkeit der Klägerin, sondern durch ihr nicht anzulastende Umstände verursacht worden wäre, wurde nicht konkret vorgebracht, steht nicht fest und ist auch nicht ersichtlich.

[37] Es mag Sachverhalte geben, in denen – ausnahmsweise – trotz bereits eingetretenen Schadens die (alleinige) Feststellungsklage zulässig wäre (so etwa 3 Ob 72/20i). Dass es bei einem bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung zwar eingetretenen, aber vom Kläger nicht nachgewiesenen Schaden am rechtlichen Interesse an der Feststellung der Schadenersatzpflicht fehlt (vgl 4 Ob 36/13t = https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=RS0038934&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=12.03.2021&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=b0c4b11c-1fb1-4cf1-89ee-abc9b4748e58&Dokumentnummer=JJR_19660318_OGH0002_0020OB00068_6600000_001 [T6] mwN), gilt aber (entgegen den Einwänden der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung) jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Geschädigte keinerlei Maßnahmen zur Ermittlung und Bezifferung des Schadens ergreift, sondern jahrelang untätig bleibt.

[38] 4.1. Soweit die Klägerin ihr rechtliches Interesse auch darauf stützen will, dass ohne Feststellungsurteil die bis zur Klagsänderung gewonnenen Sachverhaltsgrundlagen verlorengegangen wären, weil die Änderung auf ein Leistungsbegehren mit einer erheblichen Erschwerung und Verzögerung der Verhandlung verbunden gewesen und nicht zugelassen worden wäre, ist dies nicht stichhältig. Es ist möglich und notwendig, eine Feststellungsklage in eine Leistungsklage umzuändern, wenn während des Verfahrens die Erhebung einer Leistungsklage möglich wird (vgl RS0037246; RS0039460); dem Grundsatz, Klagsänderungen vorzugsweise zuzulassen, ist gerade bei der Umstellung (Erweiterung) eines Schadenersatzfeststellungsbegehrens in ein solches Leistungsbegehren, nachdem der Kläger während des Rechtsstreits in die Lage versetzt wurde, seine Ersatzansprüche auch der Höhe nach festzulegen, in besonderem Maße Rechnung zu tragen (RS0038807 [T3]).

[39] Wenn ein Klagebegehren auf Kosten eingeschränkt wird, ist grundsätzlich über einen im Zuge des Verfahrens gestellten Zwischenantrag auf Feststellung (hier auf Bestehen des Bestandsverhältnisses zuletzt bis zum 30. Juni 2019) zu entscheiden (vgl RS0039521; Deixler‑Hübner in Fasching/Konecny, III/1³ [2017] § 236 ZPO Rz 10). Es kann in diesem Fall daher – entgegen der Rechtsmeinung der Klägerin – keine Rede davon sein, dass der Klägerin auch diese Möglichkeit verwehrt gewesen oder insofern der Verfahrensaufwand verlorengegangen wäre, sodass sie ein Feststellungsbegehren hätte erheben müssen.

[40] 4.2. Das auf die Feststellung der Haftung der Beklagten für Schäden abzielende Feststellungsbegehren der Klägerin besteht daher mangels rechtlichen Interesses nicht zu Recht. Dies musste mit der Klägerin nicht weiter erörtert werden, weil die Beklagte durch ausdrückliche und konkrete Bestreitung des Feststellungsinteresses im erstgerichtlichen Verfahren auf die Schwäche im Prozessvorbringen der Klägerin bereits hingewiesen hatte (vgl RS0122365). Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren im klagsabweisenden Sinne abzuändern, ohne dass auf in der Revision behauptete weitere Mängel des Berufungsverfahrens eingegangen werden musste.

[41] 5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 50, 43 Abs 1 ZPO. Die Beklagte ist mit ihrem Rechtsmittel nur gegen eines der beiden Feststellungsbegehren durchgedrungen, welche die Klägerin insgesamt und pauschal mit 50.000 EUR bewertet hat; mangels anderer Anhaltspunkte entfällt im Zweifel je die Hälfte auf jedes der beiden Begehren (vgl 17 Ob 2/11k).

[42] Die Beklagte hat mit ihrer Revision eines dieser Begehren abgewehrt und im Revisionsverfahren somit zur Hälfte obsiegt. Sie hat daher die Hälfte der von ihr getragenen Pauschalgebühr für die Revision ersetzt zu erhalten (§ 43 Abs 1 Satz 2 ZPO); im Übrigen waren die Kosten des Revisionsverfahrens gegeneinander aufzuheben (§ 43 Abs 1 Satz 1 ZPO).

[43] 6. Aufgrund der Abänderung der Urteile der Vorinstanzen ist eine neuerliche Entscheidung über die Kosten der ersten und der zweiten Instanz (diese einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens im ersten Rechtsgang) erforderlich.

[44] Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein lang andauerndes, umfangreiches Verfahren mit zwei Rechtsgängen und Klagsänderungen sowie umfangreichen Einwendungen jeweils gegen das Kostenverzeichnis der Gegenseite. In einem derartigen Fall kann der Oberste Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung in sinngemäßer Anwendung des § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO die Kostenentscheidungen beider Vorinstanzen aufheben und dem Erstgericht eine neuerliche Kostenentscheidung auftragen (RS0124588 [T1]). Dafür spricht nicht nur, dass nunmehr § 52 Abs 3 ZPO im Fall eines Vorbehalts der Kostenentscheidung dem Erstgericht die endgültige Kostenentscheidung auferlegen würde, sondern auch die Überlegung, dass damit hier die Überprüfung der – im Hinblick auf die unterschiedlichen Streitgegenstände vor und nach der Klagsänderung komplexen – erstinstanzlichen Kostenentscheidung im Rekursweg ermöglicht wird (vgl 6 Ob 96/20s mwN).

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