OGH 7Ob35/20b

OGH7Ob35/20b24.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der (vormals zehnt‑)klagenden Partei Dr. E***** T*****, vertreten durch Dr. Udo Elsner Rechtsanwalt KG in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Christian Leskoschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen 14.000 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2019, GZ 129 R 95/19t‑148, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00035.20B.0424.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Voranzustellen ist, dass nur mehr das Verfahren des vormaligen Zehntklägers gegenständlich ist. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird – wie bereits von den Vorinstanzen – nur mehr dieser im Kopf der Entscheidung als Kläger geführt.

1.2 Der Kläger begehrt von der Beklagten Ersatz für Schäden aufgrund ihrer unrichtigen Auskunft darüber, dass Schadenersatzverpflichtungen aus seiner individuellen Bauführung am Gemeinschaftsgut vom Versicherungsschutz des zwischen der Eigentümergemeinschaft und der Beklagten bestehenden Gebäudebündelversicherungsvertrag umfasst seien (7 Ob 96/16f).

2.1 Das Bestehen eines rechtlichen Interesses im Sinn des § 228 ZPO hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab. Mangels einer über den Anlassfall hinausgehenden Aussagekraft von Einzelfallentscheidungen wäre die Revision nur zulässig, wenn dem Berufungsgericht bei seiner Entscheidung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die zur Wahrung der Rechtssicherheit einer Korrektur bedürfte (RS0039177 [T1]; 2 Ob 188/18p). Dies ist hier nicht der Fall:

2.2 Eine Feststellungsklage ist dann unzulässig, wenn der Kläger seinen Anspruch bereits zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (RS0038817); dies gilt dann, wenn durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird, das heißt, wenn weitere als die durch das Leistungsbegehren gezogenen Rechtsfolgen aus der Feststellung des fraglichen Rechtsverhältnisses oder Anspruchs nicht in Betracht kommen (RS0039021). Nach ständiger Rechtsprechung ist das Interesse an der Feststellung der Haftung des Schädigers für künftige Schäden im Sinn des § 228 ZPO dann dem Geschädigten abzusprechen, wenn weitere Schäden aus dem im Feststellungsbegehren bezeichneten Ereignis ausgeschlossen werden können (vgl RS0038826); hingegen ist es anzuerkennen, wenn die Möglichkeit offen bleibt, dass das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt verursachen könnte (RS0038865). Ein Feststellungsinteresse scheidet im Allgemeinen dann aus, soweit der Schaden schon eingetreten und der Ersatzanspruch bezifferbar ist (RS0038849 [T15]). In den Fällen, in denen ein Schaden eingetreten ist, der seiner Höhe nach noch nicht (abschließend) beurteilt werden kann, ist aber eine Feststellungsklage erforderlich, um den Ablauf der Verjährungsfrist zu verhindern (RS0038853). Das Feststellungsinteresse muss jedenfalls noch im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorhanden sein (RS0039204 [T1]).

2.3 Im vorliegenden Fall wird der Kläger – in noch gerichtlich anhängigen Verfahren – von anderen Mit- und Wohnungseigentümern auf Schadenersatz aus seiner Bauführung am Gemeinschaftsgut in Anspruch genommen. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass vor diesem Hintergrund zum einen der Eintritt künftiger Schäden des Klägers bereits durch die Möglichkeit des Entstehens von weiteren Prozesskosten in diesen Verfahren nicht ausgeschlossen und zum anderen die Höhe des dem Kläger entstandenen Schadens noch nicht ausreichend bezifferbar sei, weshalb das Feststellungsinteresse vorliege, hält sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Judikatur.

3.1 Durch die Einbringung der Feststellungsklage, der später stattgegeben wird, wird die Verjährung aller in diesem Zeitpunkt zukünftigen Schadenersatzansprüche gemäß § 1497 ABGB unterbrochen (RS0034771). Die Verjährung bereits fälliger, mit Leistungsklage einklagbarer Ansprüche wird durch die Feststellungsklage aber nicht unterbrochen. Nach der Rechtsprechung hat die Feststellungsklage aber auch bezüglich jener künftigen Schäden Unterbrechungswirkung, die im Laufe des Prozesses eintreten (vgl 1 Ob 219/16m). Die Ausdehnung eines Leistungsbegehrens nach Ablauf der Verjährungsfrist ist zulässig, wenn die Leistungsklage mit einer in der Folge erfolgreichen Feststellungsklage verbunden war (RS0031702 [T5]). Als „künftige“ Schäden sind dabei solche zu verstehen, deren Ersatz im maßgeblichen Zeitpunkt der Einbringung der Feststellungsklage mangels Fälligkeit des Anspruchs noch nicht begehrt werden kann (1 Ob 130/12t, RS0034771 [T8]). Dabei reicht auch ein ergänzungsbedürftiges Vorbringen aus, wenn die Unvollständigkeit in der Folge behoben wird (RS0034836 [T5, T7, T9]).

3.2. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Kläger mit seiner – dem nunmehrigen Urteil zugrunde liegenden – Modifikation des Feststellungsbegehrens, dieses bloß schlüssig stellte, wogegen die Beklagte sich nicht wendet. Auch der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Leistungsbegehren (10.000 EUR und 4.000 EUR) seien bei Einbringung der ursprünglichen – nunmehr verbesserten – Feststellungsklage noch nicht fällig gewesen, setzt der Beklagte keine Argumente entgegen. Damit erweist sich aber die weitere Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass sich die Unterbrechungswirkung somit auch auf diese zwischen Einbringung der Feststellungsklage und Zustellung des Feststellungsurteils angefallenen Leistungen beziehe, weshalb Verjährung nicht eingetreten sei, als nicht korrekturbedürftig.

4.1 Die Beklagte erblickt ein Mitverschulden des dem Kläger zuzurechnenden Versicherungsmaklers darin, dass dieser aus den Versicherungsbedingungen hätte erkennen können, dass der Versicherungsschutz für Schadenersatzverpflichtungen einzelner Wohnungseigentümer aus ihrer individuellen Bauführung von dem Versicherungsvertrag zwischen der Eigentümergemeinschaft und der Beklagten nicht umfasst gewesen sei.

4.2 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, vor dem Hintergrund der anderslautenden – unrichtigen – Auskunft des Mitarbeiters der Beklagten habe keine weitere Verpflichtung des Versicherungsmaklers bestanden, diese Erklärung zu hinterfragen und zu erforschen, ob die Versicherungsbedingungen allenfalls auch anderes ergeben könnten, ist nicht zu beanstanden.

5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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