OGH 4Ob36/13t

OGH4Ob36/13t18.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Michael Hohenauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1. J***** L*****, 2. A***** L*****, 3. B***** H*****, 4. Dr. W***** N*****, 5. T***** AG, *****, alle vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 491.122,09 EUR sA, Rechnungslegung (Streitwert 35.000 EUR) und Feststellung (Streitwert 35.000 EUR), infolge Revision der klagenden Partei und Revision sowie Rekurses der erstbeklagten Partei gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 29. November 2012, GZ 2 R 188/12g‑93, womit infolge Berufungen der klagenden und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 18. Juli 2012, GZ 59 Cg 228/09v‑87, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00036.13T.0618.000

 

Spruch:

I. Die Revisionen der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 3.880,40 EUR (darin 646,73 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Der Rekurs der erstbeklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 526 Abs 2 ZPO).

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.822,22 EUR (darin 470,37 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

I. Zur Revision des Erstbeklagten

1. Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen war der Erstbeklagte zwischen 1987 und 30. 11. 2006 (zuerst als selbständiger Handelsvertreter, dann persönlich im Rahmen einer Vertragsbeziehung der Klägerin zu einer GmbH) für die Klägerin tätig, zuletzt als Vertriebsleiter der Sparte „Hausschuhe“ und Vorgesetzter aller für die Klägerin tätigen Handelsvertreter. Zu seinen Aufgaben zählten ua die Vertretersteuerung, die Verkaufsplanung, die Produktentwicklung und die Großkundenbetreuung. Er hat während seines aufrechten Vertragsverhältnisses zur Klägerin einen „inneren Frontwechsel“ vorgenommen, ua dadurch dokumentiert, dass er Gespräche über den Aufbau eines Konkurrenzunternehmens sowohl mit einer Lieferantin der Klägerin als auch mit einem Vorstandsmitglied einer großen Stoffproduzentin führte, zwei Handelsvertreter der Klägerin abzuwerben versuchte, herabwürdigende und geschäftsschädigende Äußerungen über die Klägerin anlässlich einer Messe verbreitete, Kundenlisten und andere Betriebsgeheimnisse der Klägerin an Dritte weitergab und schließlich ein Konkurrenzunternehmen gründete, dessen Markteintritt 2007 maßgeblich durch Beschäftigung von zwei ehemaligen Mitarbeiterinnen der Klägerin (nämlich die dortige Designleiterin für Hausschuhe und Bekleidung sowie deren Assistentin) möglich wurde, die gegen nachvertragliche Konkurrenzverbote in ihren Arbeitsverträgen verstießen.

Rechtliche Beurteilung

2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das planmäßige, illoyale Verhalten des Erstbeklagten gegenüber seinem Vertragspartner sei nach den Umständen des Einzelfalls unlauter, weicht von Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 1 Abs 1 Z 1 UWG nicht ab (vgl zuletzt etwa 4 Ob 12/11k mwN zur Gründung eines Konkurrenzunternehmens noch vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis unter Verwertung von im Dienstverhältnis erlangten Kenntnissen und unlauter mitgenommener Geschäftsgeheimnisse).

3.1. Den auf § 16 Abs 2 UWG gestützten Zuspruch eines immateriellen Schadenersatzes in Höhe von 5.000 EUR an die Klägerin hat der Erstbeklagte in der Berufung nicht bekämpft.

3.2. Wurde die Entscheidung erster Instanz von der unterlegenen Partei nur in einem bestimmten Punkt wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten, dann sind diese Versäumnisse im Revisionsverfahren nicht mehr nachholbar, und andere Punkte können in der Rechtsrüge der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (stRsp; siehe Kodek in Rechberger , ZPO 3 § 503 Rz 27; Zechner in Fasching/Konecny 2 IV/1 § 503 Rz 56 iVm 191, je mwN; RIS‑Justiz RS0043573 [T29, T36, T43]).

4.1. Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

4.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

II. Zum Rekurs des Erstbeklagten

5. Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig (§ 526 Abs 2 ZPO). Der Rechtsmittelwerber vermag eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO, deren Vorliegen gemäß § 519 Abs 2 ZPO gefordert wird, nicht aufzuzeigen.

6.1. Die Klägerin begehrt Schadenersatz von 355.070,74 EUR (239.656,74 EUR als Verdienstentgang im Jahr 2007, weil unter lauteren Umständen das Konkurrenzunternehmen in diesem Jahr noch nicht auf dem Markt vertreten gewesen wäre, und 115.414 EUR für Verluste infolge einer von durch das Konkurrenzunternehmen erzwungene Preissenkung von 2 EUR/Lammfellschuh ab 2007). Das Erstgericht hat in diesem Punkt ua den Erstbeklagten zur Zahlung von 57.000 EUR sA verpflichtet und das Mehrbegehren abgewiesen.

6.2. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichts in diesem Punkt aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen. Es teilte den rechnerischen Ansatz des Erstgerichts, bei der Berechnung der Schadenshöhe für 2007 (Markteintritt des Konkurrenzunternehmens) einen Teil jenes Umsatzes, den die Mitbewerberin mit Kunden der Klägerin erzielt hat, zugunsten der Klägerin als entgangenen Umsatz zu berücksichtigen. Allerdings gehe das Erstgericht davon aus, dass das Konkurrenzunternehmen seinen Umsatz mit 337 Kunden erzielt habe, von denen 131 auch auf Kundenlisten der Klägerin aufgeschienen seien; zu diesen Zahlen habe das Erstgericht jedoch keinerlei Feststellungen getroffen. Seine Schadensberechnung sei insoweit derzeit einer weiteren Überprüfung nicht zugänglich. Im fortgesetzten Verfahren müsse sich das Erstgericht auch mit der Behauptung der Klägerin auseinandersetzen, das Konkurrenzunternehmen habe 70,17 % seines Umsatzes im Jahr 2007 mit Kunden der Klägerin getätigt.

6.3. Der Erstbeklagte macht gegen den Aufhebungsbeschluss geltend, nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen sei das Schadenersatzbegehren schon jetzt gänzlich abzuweisen, weil keine Kausalität zwischen Markteintritt des Konkurrenzunternehmens und dem Umsatzrückgang der Klägerin gegeben sei.

Diese Argumentation lässt die Feststellung unbeachtet, dass der Marktauftritt der Mitbewerberin mitursächlich für die geringereren Umsatzerlöse der Klägerin im Bereich Hausschuhe im Jahr 2007 und den Folgejahren war, mag auch das genaue Ausmaß bisher nicht feststellbar gewesen sein. Von einer fehlenden Kausalität kann damit keine Rede sein.

Wenn das Berufungsgericht zur Klärung strittiger Fragen zur Höhe des Schadenersatzanspruchs eine Verbreiterung der Tatsachengrundlage für notwendig gehalten hat, so kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (vgl Kodek in Rechberger , ZPO 3 § 519 Rz 26 mwN; RIS‑Justiz RS0042179).

7. Die Auffassung des Erstbeklagten, aus den Wertungen der Rechtsprechung zur Schadenminderungspflicht sei abzuleiten, dass ein Schadenersatzbegehren nur im Zusammenhang mit einem (hier nicht geltend gemachten) Unterlassungsbegehren zulässig sei, ist aus Gesetz und Rechtsprechung nicht nachvollziehbar.

Der Anspruch auf Schadenersatz wegen unlauteren Verhaltens ist nach dem Konzept des UWG ein neben dem Anspruch auf Unterlassung selbständig bestehender Anspruch, der als zusätzliches Tatbestandselement Verschulden voraussetzt (§ 1 Abs 1 UWG). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb es einem Geschädigten verwehrt sein soll, innerhalb der Verjährungsfrist Schadenersatzansprüche etwa auch dann geltend zu machen, wenn die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch nicht (mehr) vorliegen.

Dazu kommt, dass das Unterlassungsgebot Wiederholungsgefahr voraussetzt und in die Zukunft wirkt, während der Schadenersatzanspruch einen in der Vergangenheit eingetretenen Nachteil ausgleicht. Wäre ein Unterlassungstitel Voraussetzung des Schadenersatzanspruchs, so könnte ein in der Vergangenheit schon eingetretener Schaden nicht ersetzt werden, wenn die Wiederholungsgefahr ‑ etwa durch Anbot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs ‑ weggefallen ist.

8. Da sich der Rekurs somit insgesamt als unzulässig erweist und die Klägerin in ihrer Rekursbeantwortung auf diesen Umstand im Ergebnis hingewiesen hat, sind ihr die Kosten für ihre Rechtsmittelbeantwortung gemäß §§ 41, 50 ZPO zuzusprechen (RIS‑Justiz RS0123222).

III. Zur Revision der Klägerin

9. Das Rechtsmittel ist unzulässig; es zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

10. Der als Verfahrensrüge erhobene Vorwurf, das Berufungsgericht sei ohne Beweiswiederholung oder ‑ergänzung von erstgerichtlichen Feststellungen abgewichen, ist ebenso unbegründet wie jener, die Beweisrüge sei nur mit „floskelhafter Scheinbegründung“ erledigt worden.

Über weite Strecken ihres Rechtsmittels bekämpft die Klägerin letztlich die Beweiswürdigung der Vorinstanzen, was ihr in dritter Instanz verwehrt ist. Das Berufungsgericht hat sich mit der Beweisrüge befasst und die Feststellungen des Erstgerichts aufgrund seiner für zutreffend befundenen Beweiswürdigung übernommen. Die Entscheidung über eine Beweisrüge, mit der sich das Gericht zweiter Instanz auseinandergesetzt hat, ist vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr bekämpfbar (RIS‑Justiz RS0043371). Davon, dass sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst hätte und sein Verfahren deshalb mangelhaft sei (RIS‑Justiz RS0043150), kann keine Rede sein. Das Berufungsgericht ist auch nicht verpflichtet, sich im Rahmen der Überprüfung der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen mit jedem einzelnen Beweisergebnis bzw mit jedem einzelnen Argument des Berufungswerbers auseinanderzusetzen (RIS‑Justiz RS0043162).

11.1. Das Berufungsgericht hat die Klagebegehren gegen die Zweit‑ und Drittbeklagte abgewiesen. Beide seien zwar einem Konkurrenzverbot unterlegen; aus den Feststellungen lasse sich aber nicht ableiten, dass sie bereits erheblich vor ihrem Ausscheiden von der Klägerin einen „inneren Frontwechsel“ vollzogen hätten und planmäßig für das erst zu gründende Konkurrenzunternehmen tätig gewesen seien. Ein bloßer Verstoß gegen eine vertraglich vereinbarte Konkurrenzklausel sei aber noch nicht unlauter; erst das Hinzutreten weiterer ‑ die Unlauterkeit begründender ‑ Umstände führe dazu, einen Verstoß nicht mehr als reine Vertragsverletzung, sondern als Verstoß gegen das Lauterkeitsgebot zu beurteilen. Zweit‑ und Drittbeklagter seien nur Verstöße gegen eine Konkurrenzklausel vorzuwerfen; darüber hinausgehende Unlauterkeitstatbestände lägen nicht vor. Gleiches gelte für sämtliche anderen Ansprüche, die aus Verstößen gegen das Lauterkeitsrecht abgeleitet werden, insbesondere für Schadenersatz‑ und Rechnungslegungsansprüche.

11.2. Diese Beurteilung im Einzelfall weicht von den Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Fallgruppe des lauterkeitsrechtlichen Vertragsbruchs im Zusammenhang mit der Verletzung einer Konkurrenzklausel nicht ab. Danach setzt ein wettbewerblicher Anspruch voraus, dass zur Verletzung der vertraglich vereinbarten Konkurrenzklausel weitere die Sittenwidrigkeit begründende Umstände hinzutreten, die den Verstoß nicht mehr als reine Vertragsverletzung, sondern als Verstoß gegen die guten Sitten erscheinen lassen (4 Ob 84/07t mwN; vgl RIS‑Justiz RS0078872, RS0031669). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des zu beurteilenden Einzelfalls.

12.1. Der Viertbeklagte ist (ebenso wie der Erstbeklagte) Geschäftsführer des Konkurrenzunternehmens und zugleich Vorstandsmitglied deren Alleingesellschafterin, der Fünftbeklagten (einer Lieferantin des Konkurrenzunternehmens). Es ist nicht erwiesen, dass ihm die vertragliche Situation zwischen Erst‑ bis Drittbeklagtem und der Klägerin bekannt war. Unter diesen Umständen ist dem Berufungsgericht keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es eine lauterkeitsrechtliche Schadenersatzpflicht des Viertbeklagten verneint hat, obwohl er an der Gründung des Konkurrenzunternehmens mitgewirkt und Garne und Materialien zur Erprobung von Designs zur Verfügung gestellt hat.

12.2. Wer ein Organ einer juristischen Person wegen eines Lauterkeitsverstoßes in Anspruch nimmt, hat zu beweisen, dass das Organ entweder selbst daran beteiligt war oder aber ‑ wenn die Handlung im Betrieb des Unternehmens von jemand anderem begangen wurde ‑ dass es trotz Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Verstoßes nicht dagegen eingeschritten ist (RIS‑Justiz RS0079743). Das Vorliegen eines solchen Sachverhalts hat das Berufungsgericht in vertretbarer Weise verneint.

13.1. Juristische Personen können Störer, Mittäter, Anstifter oder Gehilfen nur aufgrund des Verhaltens ihrer Organe sein, welches ihnen selbst zugerechnet wird (4 Ob 243/99k). Die Zurechnung setzt voraus, dass die tatsächlich handelnde natürliche Person in ihrer Eigenschaft als Organ in Ausführung der ihr zustehenden Verrichtungen unlauter gehandelt hat, wobei dieses Handeln im objektiven Zusammenhang mit dem den Organ zugewiesenen Wirkungsbereich bestehen muss (RIS‑Justiz RS0079765 [T36]).

13.2. Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht nicht abgewichen, wenn es die lauterkeitsrechtliche Haftung der fünftbeklagten Gesellschaft als Alleineigentümerin des Konkurrenzunternehmens verneint hat. Für das lauterkeitswidrige Verhalten des Erstbeklagten, das dieser im eigenen Namen und noch vor Gründung des Konkurrenzunternehmens gesetzt hat, haftet die Fünftbeklagte nicht schon deshalb, weil sie alle Anteile am Konkurrenzunternehmen hält und der Viertbeklagte ihr Vorstand und zugleich zweiter Geschäftsführer des Konkurrenzunternehmens ist.

14.1. Zweck der Rechnungslegungspflicht ist es, den Berechtigten in die Lage zu versetzen, Herausgabe‑ oder Schadenersatzansprüche gegen den Rechnungslegungs-pflichtigen feststellen und geltend machen zu können (17 Ob 21/09a).

14.2. Die Klägerin hat vorgebracht, sie könne aufgrund der ihr bisher vorliegenden Unterlagen (insbesondere der Planzahlen des Konkurrenzunternehmens, ihrer Deckungsbeiträge und einer Gegenüberstellung der Kunden des Konkurrenzunternehmens im Vergleich zu den eigenen Kunden mit den entsprechenden Verkaufszahlen im Jahr 2007) bisher nur einen Teil des ihr 2007 entstandenen Schadens beziffern; für das restliche Jahr 2007 „sowie für die Folgejahre“ könne mangels Kenntnis der Umsatz‑, Produktions‑ und Absatzzahlen des Konkurrenzunternehmens der Schaden noch nicht konkret beziffert werden, weshalb die Begehren auf Rechnungslegung und Feststellung geltend gemacht würden (Klage S 56).

14.3. In der Folge haben die Beklagten detaillierte Urkunden über den Geschäftserfolg des Konkurrenzunternehmens im Jahr 2007 vorgelegt (Schriftsatz vom 9. 11. 2010, ON 30). In der Berufung hat die Klägerin zum Rechnungslegungsanspruch (nur mehr) erklärt, sie könne ihre Entschädigungsansprüche nach 2007 nach wie vor nicht beziffern (Berufung S 4). Sie hat damit zugestanden, dass die für 2007 vorgelegten Unterlagen ausreichend waren; für diesen Zeitraum ist ihr Rechnungslegungsbegehren infolge Erfüllung unberechtigt.

14.4. Im Ergebnis hat das Berufungsgericht das (unbefristet erhobene) Rechnungslegungsbegehren auch für Zeiträume nach 2007 zutreffend abgewiesen. Das Erstgericht ist nämlich davon ausgegangen, dass ua der Erstbeklagte bewusst Geschäfts‑ und Betriebsgeheimnisse der Klägerin ausgenützt, der Klägerin Kunden ausgespannt und mit Personen zusammengearbeitet hat, die Vertragsbruch begangen haben; er wurde dadurch in die Lage versetzt, mit Hilfe eines eigenen Unternehmens bereits im Februar 2007 eine Kollektion auf dem Markt zu präsentieren. Auf diesem Ergebnis baut auch die Berufung der Klägerin auf; den vom Erstgericht (und im Parallelverfahren vor dem Handelsgericht Wien gegen das Konkurrenzunternehmen auch dort in zwei Instanzen) verneinten Tatbestand der lauterkeitswidrigen Nachahmung von Produkten der Klägerin durch das Konkurrenzunternehmen hat die Klägerin hingegen in dritter Instanz nicht weiter verfolgt.

14.5. Unter diesen Umständen hätte es eines Vorbringens der Klägerin dazu bedurft, weshalb der mit Hilfe unlauterer Mittel bewirkte Markteintritt des Konkurrenzunternehmens im Februar 2007 auch noch nach Ablauf dieses Jahres zu einem vom Erstbeklagten zu vertretenden Schaden geführt haben soll. Unstrittig ist nämlich, dass der Erstbeklagte über jahrelange Berufserfahrung auf dem Gebiet der Produktion und dem Vertrieb von Hausschuhen samt entsprechender Geschäftskontakte verfügt. Unterstellt man ihm rechtmäßiges Alternativverhalten (also Abstandnahme der ihm als unlauter vorzuwerfenden Handlungsweisen), wäre es ihm zwar nicht schon im Frühjahr 2007 gelungen, mit dem dem von ihm gegründeten Unternehmen in Konkurrenz zur Klägerin zu treten. Dass er aber mit lauteren Mitteln etwa auch 2008 einen Markteintritt mit seinem Unternehmen noch nicht erreicht hätte, ist unter den gegebenen Umständen weder ersichtlich noch wahrscheinlich; auch die Klägerin hat in diese Richtung nichts Konkretes vorgebracht. Unter diesen Umständen musste aber die Berechtigung einer (der Klägerin offenbar vor Augen stehenden) unbefristeten „Schadensrente“ für die Dauer der Existenz des Konkurrenzunternehmens nicht geprüft werden.

14.6. Einer Anleitung durch das Gericht im Anwaltsprozess zu diesem Punkt bedurfte es nicht. Die Anleitungspflicht des Gerichts geht nämlich nicht so weit, ein rechtlich unzulässiges und daher abzuweisendes Klagebegehren durch eine Klagsänderung dahin abzuändern oder zu erweitern, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Stattgebung doch noch gegeben sein könnten (RIS‑Justiz RS0037112). Das Gericht ist auch nicht dazu verhalten, anwaltlich vertretenen Parteien gegenüber auf ein weiteres Vorbringen zur Stützung deren Begehrens hinzuwirken, wenn das bisherige Vorbringen zur Begründung des Anspruchs nicht ausreicht (vgl RIS‑Justiz RS0037127 [T3]). Davon abgesehen hat der Erstrichter die Frage eines Schadens, der über jenen eines vorzeitigen Markteintritts hinausgeht, ohnehin mit den Parteien erörtert (Protokoll der Streitverhandlung vom 16. 1. 2012, S 5 f).

15.1. Das Begehren der Klägerin auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten bezieht sich auf „sämtliche Schäden, die der Klägerin durch [näher beschriebenes] unlauteres Verhalten entstanden sind“; ein solcher Anspruch stehe ihr „unter den Umständen wie sie dem konkreten Sachverhalt zu Grunde liegen“ zu (Klage S 60). In der Berufung begründet die Klägerin ihr rechtliches Interesse mit der Behauptung, diese Schäden seien bei Schluss der Verhandlung 2012 bereits entstanden, die Klägerin könne aber ihre Schadenersatzansprüche für die Folgejahre nach 2007 mangels Rechnungslegung sowie mangels Kenntnis oder Nachweismöglichkeit weiterer schadensbegründender Handlungen ziffernmäßig noch nicht geltend machen und insoweit kein Leistungsbegehren erheben (Berufung S 18).

15.2. Ein rechtliches Interesse besteht nach Schrifttum und ständiger Rechtsprechung nur an der Feststellung künftiger Schadenersatzansprüche, demnach solcher, die im Zeitpunkt der Einbringung der Feststellungsklage noch nicht fällig waren ( Rechberger/Klicka in Rechberger , ZPO 3 § 228 Rz 4 mwN; RIS‑Justiz RS0038934; vgl RIS‑Justiz RS0034771 [T3, T4]). Ist hingegen ein Schaden bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung zwar eingetreten, aber nicht nachweisbar, fehlt es am rechtlichen Interesse an der Feststellung der Schadenersatzpflicht ( Rechberger/Klicka aaO mwN; 4 Ob 183/97h = wbl 1998/30 ‑ BLEIFREI zur Feststellung der Haftung für schon eingetretene Umsatzrückgänge).

15.3. Das Feststellungsbegehren der Klägerin bezieht sich allein auf bereits fällige Forderungen („entstandene Schäden ab 2008“). Ein solcher Ersatzanspruch war somit im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz bereits fällig und klagbar. Die Leistungsklage hätte im vorliegenden Fall der Klägerin all das geboten, was sie mit ihrem Feststellungsbegehren anstrebte. Fehlte es demnach den Klägern im maßgeblichen Zeitpunkt am Feststellungsinteresse, so erweist sich die Abweisung des Feststellungsbegehrens im Ergebnis als zutreffend (vgl 10 Ob 14/03m; 2 Ob 150/08k).

16.1. Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Erstgerichts bestätigt, mit der der Klägerin (nur) 5.000 EUR immaterieller Schadenersatz gemäß § 16 Abs 2 UWG (Begehren: 100.000 EUR) zugesprochen worden ist. Die Klägerin sei auch als juristische Person aktiv legitimiert, einen angemessenen Geldbetrag als Vergütung für erlittene Kränkungen oder persönliche Nachteile ansprechen zu können, sofern dies in den besonderen Umständen des Falls begründet sei. Eine manifeste Beeinträchtigung des guten Rufs der Klägerin lasse sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ableiten; insoweit sei die von der Klägerin zitierte Entscheidung 4 Ob 176/08y nicht einschlägig, weil dort die wettbewerbswidrigen Handlungen insoweit Außenwirkung gehabt hätten, als der Ruf und das Ansehen der dort klagenden Zeitung negativ beeinträchtigt worden seien.

16.2. Juristischen Personen, die wegen ihrer Struktur keinen Schadenersatzanspruch wegen „erlittener Kränkung“ haben können, ist nach § 16 Abs 2 UWG eine dem richterlichen Ermessen unterliegende Geldbuße zuzusprechen, wenn mit einem ernstlich beeinträchtigenden Wettbewerbsverstoß eine Verletzung des äußeren sozialen Geltungsanspruchs als Ausfluss des Persönlichkeitsrechts verbunden ist. Dabei können auch die damit verbundenen, nicht bezifferbaren Vermögensschäden berücksichtigt werden. In jedem Fall muss es sich aber ‑ im Interesse der Gleichbehandlung mit physischen Personen ‑ um eine besonders schwere Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der betroffenen juristischen Person handeln (RIS‑Justiz RS0090635).

16.3. Ob ein bestimmtes lauterkeitswidriges Verhalten mit einer besonders schweren Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung der betroffenen juristischen Person verbunden ist, betrifft eine Entscheidung im Einzelfall (vgl RIS‑Justiz RS0031869 [T2]). Eine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor, zumal sich eine besonders intensive negative Außenwirkung des lauterkeitswidrigen Verhaltens für Ruf und Ansehen der Klägerin aus dem Sachverhalt nicht ableiten lässt.

17. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Da die Parteien in ihren Revisionsbeantwortungen jeweils auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen haben, dienten ihre Schriftsätze der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Die Bemessungsgrundlage im Verfahren über die Revision der Klägerin beträgt 556.122,07 EUR. Die vom Kläger für seine Revisionsbeantwortung offenbar irrtümlich verzeichnete Pauschalgebühr ist nicht zu honorieren.

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