Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin und ihrer Nebenintervenientin die jeweils mit 1.462,61 EUR (darin enthalten jeweils 243,77 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Parteien betreiben Transportunternehmen. Die Klägerin beauftragte die Beklagte am 31. 7. 2008, drei Kisten, in denen sich je drei Steuerstabgehäuse (Präzisionsgeräte aus Spezialstahl für ein Kernkraftwerk) befanden, von G***** zur Firma A***** (im Folgenden Empfängerin) nach S***** in Frankreich zu befördern. Die Klägerin lieferte das Transportgut ordnungsgemäß und handelsüblich transportgerecht verpackt zur Beklagten nach G*****. Die Beklagte beauftragte ihrerseits die L***** GmbH mit dem Transport der Kisten bis zur Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten (im Folgenden Nebenintervenientin) nach W***** (Elsass). Mit dem Weitertransport von W***** bis zur Empfängerin beauftragte die Nebenintervenientin die Sarl D***** (im Folgenden D*****). Für jeden Teiltransport wurde ein eigener Frachtbrief ausgestellt. Die Mitarbeiter der Nebenintervenientin übernahmen am 5. 8. 2008 das Transportgut in ordnungsgemäß verpacktem und unbeschädigtem Zustand. Auch als dann der Fahrer der D***** das Transportgut übernahm, waren die Steuerstabgehäuse unbeschädigt und ordnungsgemäß handelsüblich in den Kisten verpackt. Auf dem Transport zur Empfängerin wurden drei Steuerstabgehäuse zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt dadurch beschädigt, dass sie von Mitarbeitern der D***** entweder aus ihrer Verpackung genommen oder (etwa im Zuge einer Umladung) derart unsachgemäß behandelt wurden, dass nicht nur die Kiste, sondern auch die darin befindlichen Stahlgehäuse massiv beschädigt wurden. Der Weitertransport erfolgte gänzlich ungeschützt; die drei Steuerstabgehäuse wurden lediglich auf einer Palette liegend befördert. Auf Grund von Druck- und Schlagschäden waren sie irreparabel und unbrauchbar. Die Steuerstabgehäuse hatten jeweils einen Wert von 7.779,96 EUR. Ihr Altmetallwert betrug insgesamt noch 1.195,68 EUR. Die Nebenintervenientin auf Seiten der Klägerin (im Folgenden Transportversicherung) leistete an die Absenderin der Steuerstabgehäuse, die B***** KG, K***** (im Folgenden Absenderin) einen Schadenersatzbetrag von 22.144,20 EUR.
Diesen Betrag begehrt die Klägerin von der Beklagten ersetzt. Diese habe für das Verschulden ihrer Subfrachtführer einzustehen, die den Schaden grob fahrlässig verursacht hätten. Die Klägerin sei von der M***** GmbH im Juli 2008 mit dem Transport der Ware der Absenderin zur Empfängerin nach Frankreich beauftragt worden und habe die Beklagte mit der Durchführung der Beförderung per LKW zu fixen Kosten beauftragt. Mit Schreiben vom 22. 6. 2009 sei die Klägerin von der Transportversicherung zum Rückersatz der Schadenersatzzahlung aufgefordert worden.
Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragten Klagsabweisung. Soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich wendeten sie ein, die Klägerin sei mangels Zahlung des Schadenersatzbetrags an die Absenderin (oder die Transportversicherung) nicht zur Klage legitimiert. Die Beklagte habe für den Schaden auch nicht einzustehen. Im Hinblick auf die Haftungsbeschränkungen der Art 23 und 25 CMR sei die Klagsforderung überhöht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte noch fest, dass die Transportversicherung die Klägerin als von der Absenderin beauftragte Frachtführerin mit Schreiben vom 22. 6. 2009 zum Rückersatz der von ihr geleisteten Schadenersatzzahlung in Höhe von 22.144,20 EUR aufforderte und dass die Klägerin ihrerseits von der Beklagten außergerichtlich vergeblich die Zahlung dieses Betrags begehrt hat.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, es sei das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) anzuwenden. Gemäß Art 37 CMR könne der Hauptfrachtführer gegenüber einem Unterfrachtführer nur dann Ersatzansprüche geltend machen, wenn er bereits eine Entschädigung an Dritte geleistet habe. Dies gelte aber nur für Fälle der Samtfrachtführerschaft im Sinn des Art 34 CMR, also wenn die Beförderung Gegenstand eines einzigen Vertrags gewesen und ein einziger (durchgehender) Frachtbrief ausgestellt worden sei, den jeder folgende Frachtführer annehme und weitergebe. Dies sei hier nicht der Fall, sodass der Regress des Hauptfrachtführers gegenüber dem Unterfrachtführer auch dann möglich sei, wenn ersterer noch keinen Schadenersatz an den Auftraggeber geleistet habe. Die Klägerin sei daher aktiv legitimiert. Gemäß Art 17 Abs 1 CMR hafte der Frachtführer für jede Beschädigung des Gutes, wenn diese zwischen Übernahme und Ablieferung eintrete. Davon könne sich der Frachtführer befreien, wenn er beweise, dass der Schaden auf (ursprüngliche) Fehler oder Mängel der Verpackung zurückzuführen sei. Hier stehe fest, dass die Ware an die Beklagte ordnungsgemäß verpackt übergeben worden und der Schaden während der Obhut der Beklagten entstanden sei, weshalb diese grundsätzlich für den Schaden hafte. Gemäß Art 23 und 25 CMR sei grundsätzlich der Schaden zu ersetzen, der durch die Wertminderung des Gutes auf Grund der Beschädigung entstanden sei. Die in diesen Bestimmungen festgelegten Haftungsbeschränkungen fänden gemäß Art 29 CMR keine Anwendung, wenn der Frachtführer den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt habe. Die Beweislast dafür, dass Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliege, trage der Geschädigte bzw der Anspruchsteller. Die besondere frachtrechtliche Situation könne aber dazu führen, dass der Geschädigte mit dem Beweis von Umständen belastet werde, die in der Sphäre des Frachtführers lägen und die er ohne ausreichende Aufklärung nicht kennen könne. Den Frachtführer treffe in diesen Fällen eine Darlegungspflicht für den konkreten Geschehensablauf, wenn ihm die Aufklärung möglich und zumutbar sei; dies sei immer dann der Fall, wenn sich die Beschädigung in der Sphäre des Frachtführers ereignet habe. Diesfalls müsse der Frachtführer dem Vorwurf des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit substanziiert entgegentreten, indem er darlege, wie es zum Schadenseintritt gekommen sei und welche Maßnahmen konkret getroffen worden seien, um einen Schadenseintritt zu verhindern. Bei dieser Darlegungsobliegenheit handle es sich um eine aus der Zivilprozessordnung abgeleitete prozessuale Mitwirkungspflicht zur Erforschung der Wahrheit. So gebe § 184 Abs 1 ZPO jeder Partei die Möglichkeit, zur Aufklärung prozesserheblicher Umstände an die Gegenpartei Fragen zu stellen oder stellen zu lassen. Eine Verletzung der Darlegungsobliegenheit könne Anlass geben, bestimmte Prozessbehauptungen des Gegners für wahr zu halten und entsprechende Feststellungen zu treffen. Hier habe die Klägerin zum Verschulden der Beklagten vorgebracht, während des Gewahrsams der Beklagten bzw deren Subfrachtführer über das Transportgut sei die umfangreiche Verpackung vorsätzlich entfernt oder am Transportgut so unsachgemäß manipuliert worden, dass nicht nur die Kiste, sondern auch die darin befindlichen Stahlgehäuse massiv beschädigt worden seien. In der Folge seien die Gehäuse nicht einmal behelfsmäßig wieder verpackt, sondern völlig ungeschützt weiterbefördert worden, wodurch es zur Beschädigung gekommen sei. Die Klägerin habe der Beklagten hiezu Fragen gemäß § 184 ZPO gestellt. Diese Fragen seien nicht ausreichend beantwortet worden, weshalb die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht entsprochen habe. Das Verhalten des in der Sphäre der Beklagten tätigen Frachtführers, das das Erstgericht auf Grund der mangelnden Darlegung und insbesondere auch auf Grund der von der Klägerin vorgelegten Urkunden (Besichtigungsbericht und Gutachten - unter anderem zur Schadensursache - eines Sachverständigen samt Bilddokumentation) festgestellt habe, sei als zumindest grob fahrlässig und schadenskausal zu qualifizieren, sodass die Beklagte zum Ersatz des Zeitwerts des Transportguts abzüglich des Metallrestwerts zu verpflichten gewesen sei.
Das von der Beklagten und der Nebenintervenientin angerufene Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung in der Hauptsache; lediglich im Kostenpunkt wurde das Ersturteil abgeändert. Das Berufungsgericht schloss sich den Rechtsansichten des Erstgerichts an und führte ergänzend aus: Warum es wesentlich sein solle, dass die Absenderin die M***** GmbH (also nicht die Klägerin) mit der Durchführung des Transports beauftragt habe, sei nicht erkennbar. Nach herrschender Rechtsprechung sei der Hauptfrachtführer - ebenso wie der Spediteur - berechtigt, als Interessenvertreter seines Auftraggebers dessen Rechte aus Schäden am Frachtgut dem Frachtführer (Unterfrachtführer) gegenüber im Wege der Drittschadensliquidation geltend zu machen. Das Recht des Hauptfrachtführers zur Drittschadensliquidierung sei auf jeden folgenden Unterfrachtführer anzuwenden, weil jeder nachfolgende Unterfrachtführer seinerseits mit späteren Unterfrachtführern einen Frachtvertrag abschließe. In einer Kette aufeinanderfolgender (Unter-)Frachtführer sei daher jeder nachfolgende Unterfrachtführer aus demselben Grund berechtigt, von seinem unmittelbar nachfolgenden Unterfrachtführer Schadenersatz zu verlangen. Die Klägerin sei daher gegenüber der Beklagten als ihre Unterfrachtführerin berechtigt gewesen, die Liquidierung des Schadens der Absenderin zu verlangen, ohne vorher selbst Ersatz leisten zu müssen. Der Schaden sei von der Transportversicherung ersetzt worden, auf die der Schadenersatzanspruch daher ex lege (§ 67 VersVG) übergegangen sei. Die Klägerin mache keinen Regressanspruch geltend, sondern liquidiere bloß den Drittschaden. Da dieser Schaden während des Transports der D***** aufgetreten sei, gehe der Verweis auf Art 30 CMR fehl. Wenn es D***** unterlassen habe, die Reklamation der Empfängerin in der Frachtführerkette weiterzuleiten, treffe dies im Verhältnis der Streitteile die Beklagte gemäß Art 3 CMR als Unterfrachtführerin der Klägerin. Das Erstgericht habe die Grenzen des groben Fahrlässigkeitsbegriffs des Art 29 CMR nicht verkannt. Es habe auch die Grundsätze der Darlegungslast richtig angewendet und sei nachvollziehbar zu den Feststellungen betreffend Schädigung und Schadensursache gekommen. Der Umstand, dass die Beklagte womöglich erst rund elf Monate nach Durchführung des Transports vom Schaden informiert worden sei, sei ihr selbst zuzurechnen, da einer ihrer Unterfrachtführer die Beanstandung nicht weitergeleitet habe. Die Beklagte habe die Fragen der Klägerin nach Ort, Zeitpunkt, Art und Weise des Schadenseintritts und zu organisatorischen Maßnahmen zur Vermeidung von Beschädigungen nicht beantwortet und damit ihrer Darlegungslast nicht entsprochen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Fall gebe Anlass, die Rechtsprechung zur Darlegungsobliegenheit fortzuentwickeln. Nach Auffassung des Berufungsgerichts habe es genügt, die Fragen in Schriftsatzform an die Beklagte zu richten, die auf Grund der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht (§§ 178, 377 ZPO) zwecks Vermeidung einer Verletzung ihrer Darlegungsobliegenheit darauf angemessen reagieren hätte müssen.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin und die Transportversicherung als ihre Nebenintervenientin beantragen in den Revisionsbeantwortungen, das Rechtsmittel ihrer Prozessgegnerin entweder als unzulässig zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist, da eine klärende Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs angezeigt erscheint, zwar zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
Keine Berechtigung kommt dem von der Revisionswerberin zunächst erhobenen Einwand zu, das Berufungsgericht habe übersehen, dass die Darlegungspflicht nach § 184 Abs 1 ZPO nur eingeschränkt auf Art 29 CMR umzulegen und nur im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erfüllen sei. Unstrittig ist, dass auf den vorliegenden Rechtsfall die Bestimmungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR, BGBl 1961/138 idgF) anzuwenden sind. Weiters ist vorauszuschicken, dass nach ständiger Rechtsprechung die Beweislast für die Beschädigung des Transportguts und für jene tatsächlichen Umstände, die ein grobes Verschulden des Frachtführers begründen können, grundsätzlich den Geschädigten (bzw den dessen Interessen wahrenden Anspruchsteller) trifft. Wie der Oberste Gerichtshof in zahlreichen Entscheidungen ausgesprochen hat, kann die besondere frachtrechtliche Situation aber dazu führen, dass der Geschädigte (Absender) mit dem Beweis von Umständen belastet wird, die in der ihm nicht zugänglichen Sphäre des Frachtführers liegen und die er ohne dessen ausreichende Aufklärung nicht kennen kann (RIS-Justiz RS0062591). Der Oberste Gerichtshof hat in solchen Fällen daher eine Darlegungs- bzw Aufklärungspflicht - besser: Aufklärungslast oder Aufklärungsobliegenheit - des Frachtführers gegenüber dem Geschädigten (Absender) anerkannt (stRsp, vgl insbes 9 Ob 12/05p, SZ 2005/73 mwN; in dieser bereits von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung wurde zu Fragen der auf § 184 Abs 1 ZPO fußenden Darlegungs- bzw Aufklärungspflicht einer grundsätzlich nicht beweisbelasteten Partei unter Bezugnahme auf Vorjudikatur und auch auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie die deutsche Lehre eingehend Stellung genommen). Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 6 Ob 267/01k, SZ 74/191 ausgeführt hat, stellt die Frage der Erfüllung der Darlegungsobliegenheit aber nur dann eine Rechtsfrage des Verfahrensrechts dar, wenn mangels Darlegung keinerlei Feststellungen über einen konkreten Sachverhalt (über die Organisation des Frachtführers und den Geschehensablauf) getroffen werden konnten und das Obsiegen von der der Beweislast vorgelagerten prozessualen Behauptungslast (Darlegungslast) abhängt. Hingegen liegt ein (nicht revisibler) Akt der Beweiswürdigung vor, wenn die Vorinstanzen ausdrücklich Umstände, die ein qualifiziertes Verschulden im Sinn des Art 29 CMR begründen, festgestellt und diese Feststellungen auch auf Grund vorhandener Beweisergebnisse getroffen und nicht nur mit der fehlenden Darlegung etwa des Geschehensablaufs durch den Frachtführer begründet haben. Da dies im vorliegenden Fall zutrifft, sind die Revisionsausführungen, die eine unzulässige Anwendung der Darlegungsobliegenheit nach § 184 Abs 1 ZPO geltend machen, nicht geeignet, einen vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Rechts- oder Verfahrensfehler aufzuzeigen.
Die von der Revisionswerberin aufgeworfene, vom Berufungsgericht für erheblich erachtete Frage des Verfahrensrechts, ob die eben erörterte Aufklärungsobliegenheit auch außerhalb einer mündlichen Verhandlung zu erfüllen sei, stellt sich im vorliegenden Fall nicht. Wurde doch der vorbereitende Schriftsatz, mit dem die Klägerin konkrete Fragen bezüglich des Schadenseintritts und der organisatorischen Maßnahmen an die Beklagte stellte und dem Subfrachtführer der Beklagten grobes Verschulden vorwarf, nicht nur der Beklagten gemäß § 112 ZPO zugestellt, sondern auch in der mündlichen Verhandlung vom 16. 10. 2009 verlesen. Die Beklagte hat unstrittig bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung diesbezüglich keinerlei Vorbringen erstattet und diese an sie gerichteten Fragen unbeantwortet gelassen. Einen Anlass, die Rechtsprechung zur Darlegungsobliegenheit fortzuentwickeln, bietet der vorliegende Fall daher nicht.
Die Revisionswerberin bemängelt weiters, dass das Berufungsgericht den Umstand, von wem die Klägerin den Transportauftrag erhielt, nicht für entscheidungswesentlich angesehen und ihren Hinweis auf den Widerspruch zwischen dem Vorbringen der Klägerin, die M***** GmbH sei Auftraggeberin gewesen und der - nicht weiter begründeten - Annahme des Erstgerichts, die Klägerin sei von der Absenderin selbst beauftragt worden, daher als unerheblich angesehen hat. Die Relevanz dieser Frage betrifft die Problematik der sogenannten Drittschadensliquidation:
Schadenersatz kann nach herrschender Meinung grundsätzlich nur derjenige beanspruchen, der selbst einen Schaden erlitten hat. Gerade aber im Frachtrecht tritt häufig der Fall auf, dass der formell zum Ersatz Legitimierte, insbesondere der Verfügungsberechtigte, nicht gleichzeitig auch der Geschädigte ist. In einem solchen Fall folgt die Befugnis, trotzdem den Wertersatz der verloren gegangenen oder beschädigten Güter verlangen zu können, aus dem allgemeinen, auch im CMR-Haftpflichtprozess geltenden Grundsatz, dass der Berechtigte immer dann für den einem Dritten entstandenen Schaden Ersatz verlangen kann, wenn seine Interessen mit denen des Dritten, etwa auf Grund eines Speditions-, Fracht- oder Kaufvertrags, so verknüpft sind, dass sie die Wahrnehmung der Drittinteressen durch den Anspruchsinhaber rechtfertigen. In solchen Fällen wäre es nämlich untragbar, wenn der Schädiger aus dem für ihn rein zufälligen Auseinanderfallen von Anspruchsberechtigung einerseits und Schaden andererseits Nutzen ziehen dürfte mit der Begründung, dass der Ersatzberechtigte selbst keinen Schaden und der Geschädigte keinen Anspruch habe (Thume in Thume, CMR-Kommentar2 Vor Art 17 Rn 13 mwN; Herber/Piper, CMR Vor Art 17 CMR, Rn 19; 4 Ob 2336/96z, SZ 69/266 = JBl 1997, 532; 1 Ob 292/01z, RdW 2002, 465 ua). Die aus dem Blickwinkel der Gefahrenentlassung so genannte „Drittschadensliquidation“ durch einen mittelbaren Stellvertreter (zB Spediteur oder Frachtführer) oder durch einen vertraglich zur Obhut Verpflichteten (zB Lagerhalter oder Versender fremden Gutes) wird daher allgemein für zulässig erachtet. Der Berechtigte hat in diesen Fällen einen eigenen Anspruch auf Ersatz eines fremden Schadens und kann deshalb auf Leistung entweder an sich selbst oder an den Geschädigten klagen. In der deutschen Rechtsprechung wurde die Drittschadensliquidation durch den Spediteur für den Auftraggeber oder für den Empfänger, durch den Absender für den Empfänger oder Versender sowie durch den Empfänger für den Absender als zulässig erachtet (Thume aaO Vor Art 17 Rz 14; Herber/Piper aaO Art 13 Rz 32, je mwN aus der deutschen Rsp). Vom Obersten Gerichtshof wurde die Drittschadensliquidation sowohl durch den Spediteur als auch durch den Hauptfrachtführer, jeweils als Interessenvertreter des Auftraggebers, als zulässig angesehen (6 Ob 727/83, SZ 57/75; 4 Ob 2336/96z, SZ 69/266 mwN; 1 Ob 292/01z ua; RIS-Justiz RS0073768; RS0107085; RS0107088; vgl auch Csoklich, Zur Anspruchsberechtigung im Straßengüterverkehr, RdW 1997, 188 ff). Dass Drittschadensliquidation durch den beauftragten Spediteur oder Frachtführer nicht nur für den Absender, sondern auch für einen Transportversicherer, der dem Absender dessen Schaden ersetzt, zulässig sein muss (offen gelassen noch in 7 Ob 156/09f), kann nach Sinn und Zweck dieser Institution der mittelbaren Stellvertretung nicht bezweifelt werden. Dass der zunächst Geschädigte durch einen Versicherer geschützt ist, steht der Drittschadensliquidation also nicht im Wege (vgl Koller, Transportrecht7 § 454 HGB Rz 49 mwN). Auch vom Bundesgerichtshof wurde in der eben zitierten Entscheidung (mwN) ausgeführt, der Schuldner solle in den Fällen der Drittschadensliquidation aus dem zufälligen Auseinanderfallen von Anspruchsberechtigung und Schaden jedenfalls dann keinen Nutzen ziehen dürfen, wenn die der Schadensverlagerung zugrunde liegende Rechtsbeziehung die Wahrnehmung der dritten Interessen durch den Gläubiger des vertraglichen Schadenersatzanspruchs rechtfertigt.
Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin setzt eine Schadensliquidation im Drittinteresse keine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen dem Vertragsberechtigten (hier die Klägerin) und dem Geschädigten (hier zunächst die Absenderin und nun die Transportversicherung) voraus:
Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass der Absender nach der CMR immer der Vertragspartner des Frachtführers ist. Es kann daher auch ein Spediteur oder ein anderer Frachtführer als Absender auftreten (RIS-Justiz RS0106763). Ein Hauptfrachtführer, der sich seinem Auftraggeber gegenüber zur Beförderung verpflichtet hat und einen Unterfrachtvertrag abschließt, um diese Verpflichtung zu erfüllen, handelt dabei im eigenen Interesse, das sich jedoch mit dem des Auftraggebers deckt. Insoweit wird der Hauptfrachtführer auch im Interesse des Auftraggebers tätig. Der Hauptfrachtführer ist daher - ebenso wie der Spediteur - berechtigt, als Interessenvertreter seines Auftraggebers dessen Rechte aus Schäden am Frachtgut dem Frachtführer (Unterfrachtführer) gegenüber im Wege der Drittschadensliquidation geltend zu machen (RIS-Justiz RS0107088). Da jeder (nachfolgende) Unterfrachtführer seinerseits mit späteren Unterfrachtführern einen Frachtvertrag abschließt, folgt daraus, dass in jeder Stufe der jeweils beauftragende Unterfrachtführer berechtigt ist, von seinem unmittelbar nachfolgenden Unterfrachtführer Schadenersatz zu verlangen, auch wenn er selbst noch nicht Schadenersatz an seinen Vormann geleistet hat (2 Ob 75/99i mwN).
Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung vom 29. 3. 2001, I ZR 312/98, VersR 2002, 122 = TranspR 2001, 447 (449) = EWiR 2002, 79 (Koller) unter Hinweis auf OLG Hamburg, VersR 1987, 558 und Piper, Einige ausgewählte Probleme des Schadenersatzrechts der CMR, VersR 1988, 201 (202 f), ausdrücklich vertreten, dass eine Schadensliquidation im Drittinteresse keiner unmittelbaren vertraglichen Beziehung zwischen dem Vertragsberechtigten und dem Geschädigten bedürfe. Es sei nicht erforderlich, dass der Vertragsberechtigte in direkter Vertragsbeziehung zum materiell Geschädigten stehe, weil es in den Obhutsfällen zur Wahrnehmung der Interessen des tatsächlich Geschädigten ausreichend sei, dass der Vertragsberechtigte durch eine Kette von Verträgen mit dem Geschädigten verbunden sei und die Übertragung der Obhut auf den Schädiger bei Gesamtbetrachtung der einzelnen Verträge dem Interesse des Geschädigten entsprochen habe. Diese Auffassung wird offenbar auch von Thume aaO Vor Art 17 Rz 14 und Reuschle in Ebenroth/Boujong/Jost/Strohn, HGB2, § 421 HGB Rz 24 f (jeweils unter Hinweis auf die erwähnte Entscheidung des OLG Hamburg) geteilt.
Sie stimmt mit den dargelegten, vom Obersten Gerichtshof vertretenen Grundsätzen überein. Nur wenn man den Frachtführer als legitimiert erachtet, im Wege der Drittschadensliquidation den Schaden des (ersten) Absenders gegen den von ihm beauftragten Unterfrachtführer unabhängig davon geltend zu machen, ob er selbst direkt mit dem (ersten) Absender in Vertragsbeziehung steht oder unter Einschaltung eines Spediteurs oder (Haupt-)Frachtführers (zumindest auch) im Interesse des (ersten) Absenders tätig wird, kann der Sinn der Drittschadensliquidation erreicht werden. Nur dann kann der Aufwand von (unter Umständen mehreren, langwierigen) Regressklagen vermieden und der Schaden umfassend und schnell ausgeglichen werden. Es kann damit nicht nur der Schaden des unmittelbar mit dem Unterfrachtführer in Vertragsbeziehung stehenden Absenders, sondern auch der seiner Vorauftraggeber (also auch des ersten Absenders, in dessen Interesse die Kette der Frachtführer tätig war) geltend gemacht werden. Die Beklagte hat auf Grund der vertraglichen Beziehung und der Übernahme des Transportguts in ihren Gewahrsam gegenüber der Klägerin Obhuts- und Fürsorgepflichten am Transportgut begründet. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin die Beklagte als ihre Vertragspartnerin grundsätzlich zur Schadensliquidation auch und insbesondere im Interesse der Absenderin verhalten kann.
Auch die übrigen Einwände der Revisionswerberin gegen die Entscheidung der zweiten Instanz sind nicht stichhältig:
Auf ein Organisationsverschulden der Beklagten haben die Vorinstanzen ihre Ansicht, der Schaden sei von D***** als Subfrächterin der Beklagten grob fahrlässig verschuldet worden, letztlich nicht gestützt. Die ein Organisationsverschulden in Abrede stellenden Ausführungen der Revisionswerberin gehen daher ins Leere. Dass es D***** und die Nebenintervenientin allenfalls (eine entsprechende ausdrückliche Feststellung wurde nicht getroffen) unterlassen haben, die Beklagte von der massiven Beschädigung des Transportguts sogleich zu unterrichten, kann nicht der Klägerin angelastet werden, die von einer Verständigung der Beklagten durch die in deren Sphäre fallenden Subfrächter ausgehen durfte. Schon deshalb ist auch der Einwand der Revisionswerberin, nicht in der Lage gewesen zu sein, die Fragen der Klägerin zum Geschehensablauf zu beantworten, weil sie erst Monate nach dem Transport vom Schadensfall erfahren habe, nicht berechtigt. Schließlich hat das Berufungsgericht weder hinsichtlich der Höhe des eingetretenen Schadens noch sonst die Beweispflicht der Klägerin verkannt.
Die Revision muss daher erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.
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