OGH 1Ob292/01z

OGH1Ob292/01z22.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Carl S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Preschitz & Stögerer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei L***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Werner Masser, Rechtsanwalt in Wien, wegen 47.583,52 USD infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 3. August 2001, GZ 4 R 123/01i-44, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der beklagte österreichische Frachtführer ließ am 12. Dezember 1996 im Auftrag eines österreichischen Absenders durch einen slowakischen Subfrachtführer den Transport von 6.600 Kartons Süßwaren an einen Empfänger in Moskau durchführen. Ein Teil der Ladung ging auf dem Weg nach Russland infolge eines Verkehrsunfalls oder eines Diebstahls - die näheren Umstände konnten nicht geklärt werden - verloren. Der Absender hatte die gesamte Ladung an ein Berliner Unternehmen ("... Import & Export und Spedition GM") "ab Werk Wien ..., unverzollt, unversichert, unversteuert" verkauft und dieser samt Frachtkosten mit 51.951,52 USD in Rechnung gestellt. Nach dem Verlust der Ware trat der Absender am 16. Mai 1997 alle im Zusammenhang mit dem Schaden stehenden vertraglichen und außervertraglichen Rechte Dritten gegenüber an die klagende deutsche GmbH - nach ihrem eigenen Vortrag ein Assekuranz-Kontor oder Assekuradeur - ab. In welchem Vertragsverhältnis eine näher bezeichnete österr. GmbH & Co KG, die in keinem Vertragsverhältnis zur beklagten Partei stand, zum Absender steht und weshalb die klagende Partei an diese GmbH & Co KG Anfang 1997, zeitlich somit vor der Abtretung, Beträge von 45.046,15 DEM und 35.703,56 DEM bezahlte, konnte nicht festgestellt werden.

Die Vorinstanzen wiesen das auf Art 17 CMR gestützte Klagebegehren ab, weil weder der Wert der Ladung noch die zugrunde liegenden Verträge festzustellen gewesen seien, noch hatte festgestellt werden können, in wessen Vermögen letztlich der Schaden eingetreten und auf welcher versicherungsvertraglichen Grundlage der behauptete Schaden von der klagenden Partei liquidiert worden sei.

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei bringt keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO ins Spiel.

Rechtliche Beurteilung

a) Die behauptete Verletzung der Anleitungspflicht nach § 182 ZPO durch den Erstrichter als Verfahrensmangel wurde in der Berufung nicht gerügt und entzieht sich daher einer weiteren Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof.

b) Das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR; BGBl 1961/138 idF BGBl 1981/192) gilt für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrag angegeben sind, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist (Art 1 Abs 1 CMR). Das Gut wurde in Österreich übernommen. Österreich ist Vertragsstaat des Übereinkommens; dieses ist daher anzuwenden. Es weist zur Legitimation des Absenders für die Geltendmachung von Ansprüchen nach Art 17 CMR eine Lücke auf (Thume/Seltmann in Thume, Kommentar zur CMR, vor Art 17 Rz 7 mwN). Es ist daher anhand des gemäß dem IPR eingreifenden nationalen Rechts festzustellen, ob der Absender nach nationalem Recht ersatzberechtigt wird. Ist wie hier österr. Recht anzuwenden, weil der Frachtvertrag zweier österreichischer Unternehmen in Österreich abgeschlossen wurde, so ist jedenfalls der Absender aktiv legitimiert.

Schadenersatz kann grundsätzlich nur derjenige beanspruchen, der selbst einen Schaden erlitten hat; dies ist etwa der Empfänger (Käufer), wenn ihn in seinem Rechtsverhältnis zum Verkäufer die Preisgefahr trifft. Gerade aber im Frachtrecht tritt häufig der Fall auf, dass der formell zum Ersatz Legitimierte, insbesondere der Verfügungsberechtigte, nicht gleichzeitig auch der Geschädigte ist. In einem solchen Fall folgt die Befugnis, trotzdem den Wertersatz der verloren gegangenen oder beschädigten Güter verlangen zu können, aus dem allgemeinen, auch im CMR-Haftpflichtprozess geltenden Grundsatz, dass der Berechtigte immer dann für den einem Dritten entstandenen Schaden Ersatz verlangen kann, wenn seine Interessen mit denen des Dritten, etwa auf Grund eines Speditions-, Fracht- oder Kaufvertrags, so verknüpft sind, dass sie die Wahrnehmung der Drittinteressen durch den Anspruchsinhaber rechtfertigen. In solchen Fällen wäre es untragbar, dürfte der Schädiger aus dem für ihn rein zufälligen Auseinanderfallen von Anspruchsberechtigung einerseits und Schaden andererseits Nutzen mit der Begründung ziehen, dass der Ersatzberechtigte selbst keinen Schaden und der Geschädigte keinen Anspruch habe (Thume in Thume aaO, vor Art 17 Rz 13 mwN). Die aus dem Blickwinkel der Gefahrenentlassung sogenannte "Drittschadensliquidation" durch einen mittelbaren Stellvertreter (zB Spediteur oder Frachtführer) oder durch einen vertraglich zur Obhut Verpflichteten (zB Lagerhalter oder Versender fremden Gutes) wird daher allgemein für zulässig erachtet. Der Berechtigte hat in diesen Fällen einen eigenen Anspruch auf Ersatz eines fremden Schadens und kann deshalb auf Leistung entweder an sich selbst oder an den Geschädigten klagen. In der deutschen Rechtsprechung wurde die Drittschadensliquidation durch den Spediteur für den Auftraggeber oder für den Empfänger, durch den Absender für den Empfänger oder Versender sowie durch den Empfänger für den Absender als zulässig erachtet (Thume aaO, vor Art 17 Rz 14 f; Herber/Piper, CMR, Art 13 Rz 32, je mwN aus der deutschen Rsp). Weitere Fälle (vgl nur die Beispiele aus der deutschen Rsp bei Thume aaO, vor Art 17 Rz 17 f mwN aus der Rsp) betreffen die Geltendmachung fremden, nicht abgetretenen Schadens im eigenen Namen unter dem Gesichtspunkt der in der österreichischen Rechtsprechung verpönten Prozesstandschaft. Vom Obersten Gerichtshof wurde bisher die Drittschadensliquidation sowohl durch den Spediteur als auch durch Hauptfrachtführer, jeweils als Interessenvertreter des Auftraggebers, als zulässig erachtet (6 Ob 727/83 = SZ 57/75; 4 Ob 2336/96z = SZ 69/266 = JBl 1997, 532 mwN; RIS-Justiz RS0073768; vgl dazu auch Csoklich, Zur Anspruchsberechtigung im Straßengüterverkehr in RdW 1997, 188 ff) und in dieser Entscheidung auch dem Hauptfrachtführer das Recht zuerkannt, den seinem Auftraggeber erwachsenen Schaden geltend zu machen; dieser Schaden sei ein Drittschaden, solange der Hauptfrachtführer seinem Auftraggeber den Schaden nicht ersetzt habe und daher mangels eigenen Schadens auch nicht Regress nehmen könne.

Die Frage nach der im Rechtsmittel reklamierten Zulässigkeit einer derartigen Drittschadensliquidation "des Absenders auch für seinen Verkäufer" kann sich hier aber nicht stellen, weil nach den Feststellungen der Absender selbst die Ware an das Berliner Unternehmen verkauft hatte, das möglicherweise die Ware weiterverkauft hat, worüber freilich Feststellungen mangels Streiterheblichkeit entbehrlich waren.

Die klagende Partei hat sich auf den Übergang der nach Art 17 CMR zu beurteilenden Schadenersatzansprüche berufen; die Abtretbarkeit bestimmt sich nach dem berufenen nationalen Recht und wird von der CMR nicht berührt (Herber/Piper aaO Art 13 Rz 33; Koller, Transportrecht4 Art 13 CMR Rz 10). Im Verfahren war indes nicht feststellbar, wem überhaupt ein Schaden entstanden war. Somit erübrigen sich Überlegungen, ob und gegebenenfalls welcher Anspruch der klagenden Partei abgetreten wurde. Es steht auch nicht fest, ob die klagende Partei den relevierten Schaden liquidiert hat, sondern nur, dass sie einem Dritten - aus im Verfahren nicht feststellbaren Gründen - zeitlich vor der Abtretung 45.046.15 DEM und 35.703,56 DEM gezahlt hat. Dass dieser Dritte Vertragspartner des russischen Empfängers, der sich seinerseits zur Erfüllung des Kaufvertrages des Absenders bediente, gewesen wäre, ist feststellungsfremd.

d) Aus § 67 Vers-VG über den gesetzlichen Forderungsübergang könnte die klagende Partei ihren Anspruch schon deshalb nicht ableiten, weil sie nicht Transportversicherer, sondern Assekuranz-Kontor oder Assekuradeur ist. In Deutschland wurde die Transportversicherung zunächst von Privatassekuradeuren auf eigenes Risiko gezeichnet. Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine Zusammenarbeit zwischen Assekuradeuren, die ihr know how einbrachten, und den Versicherungsgesellschaften, die die Kapazität zur Verfügung stellten. Die Assekuradeure werden auch heute noch auf Grund einer nach außen hin unbeschränkbaren Vollmacht beim Abschluss von Transportversicheurngsverträgen und der Schadensabwicklung in eigener Verantwortung, jedoch "für Recht" der Versicherungsgesellschaft tätig. Während bis zur Änderung des deutschen VAG im Jahre 1975 Assekuradeure selbst Risikoträger sein konnten, ist dies seit der Einführung der finanziellen Versicherungsaufsicht für die Transportversicherung nicht mehr möglich (Dallmayr in Honsell, Berliner Kommentar zum VersVG, vor §§ 129-248 Rz 1f). Es konnte auch nicht festgestellt werden, ob überhaupt ein Transportversicherungsvertrag abgeschlossen wurde, und bejahendenfalls, wer Transportversicherer und wer Versicherungsnehmer war. Im Übrigen ist auch in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass gar nicht feststeht, wem überhaupt ein Schaden entstanden ist, sodass es schon deshalb an einer tragfähigen Grundlage für den Forderungsübergang gemäß § 67 VersVG ermangelte.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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