OGH 2Ob75/99i

OGH2Ob75/99i20.6.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****Speditions-Transport GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Johann L*****, ***** ***** vertreten durch Dr. Werner Masser und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen S 482.886,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 1998, GZ 2 R 40/98m-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 25. Februar 1998, GZ 31 Cg 12/98v-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei war auf Grund eines Auftrages der klagenden Partei vom 10. 11. 1987 beauftragt, die Beförderung von Computeranlageteilen von F***** nach Wien durchzuführen. Die beklagte Partei führte diesen Auftrag jedoch nicht selbst aus, sondern bediente sich als Subfrächter der C***** Die klagende Partei war ihrerseits von der Firma I***** GesmbH zu einer Frachtpauschale mit der Durchführung des gegenständlichen Transportes beauftragt worden. Absenderin war die Firma O*****, Empfängerfirma und Auftraggeberin der Klägerin sowie Warenempfängerin die CO***** Leasing & HandelsgesmbH.

Für den Transport der Computeranlageteile von F***** nach Wien wurde kein luftgefederter LKW verwendet. Das Frachtgut wies bei der Ankunft in Wien Beschädigungen auf. An den Computeranlageteilen wurde durch die Befundaufnahme des Sachverständigen ein konstruktiver Totalschaden festgestellt.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 22. Dezember 1988 eingebrachten Klage gegenüber dem Beklagten die Feststellung, dass ihr dieser für alle anlässlich des von ihm durchgeführten Transportes von Computeranlageteilen aus F***** nach Wien im November 1987 entstandenen Schäden hafte.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Ursache der Beschädigungen sei die unzureichende Verladung und Verstauung durch den Versender gewesen. Überdies sei er gemäß Art 36 CMR nicht passiv legitimiert.

Mit Beschluss vom 8. 3. 1989, 1 Cg 1203/89-7, wurde das Verfahren über Antrag beider Parteien gemäß § 190 ZPO bis zur rechtskräftigen Erledigung des beim Landesgericht Salzburg zu 7 Cg 432/88 anhängigen Rechtsstreites unterbrochen und ausgesprochen, dass das Verfahren nur auf Parteienantrag fortgesetzt werde. Das Verfahren 7 Cg 432/88, in welchem die I*****Speditions GesmbH gegen die klagende Partei Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Transport erhoben hatte und in welchem die beklagte Partei der hier klagenden Partei als Nebenintervenient dem Verfahren beigetreten ist, wurde durch Urteil des Oberlandesgerichtes Linz, welches den Parteien am 3. Jänner 1994 zugestellt wurde, mit Abweisung des Klagebegehrens rechtskräftig beendet.

Mit Schriftsatz vom 14. Oktober 1997 beantragte die Klägerin die Fortsetzung des Verfahrens und erhob nunmehr anstelle des Feststellungsbegehrens das Leistungsbegehren, der Beklagte sei schuldig, ihr den Betrag von S 482.886,-- s.A. zu bezahlen.

Die klagende Partei brachte dazu vor, dass sie von der I***** Speditions GesmbH mit Klage vom 8. Mai 1995 zu 14 Cg 64/95 des Landesgerichtes Salzburg neuerlich aus demselben Transportauftrag in Anspruch genommen und mit rechtskräftigem und vollstreckbarem Urteil zur Zahlung von S 260.634,18 samt 5 % Zinsen seit 6. 4. 1995 sowie S 113.729,38 Prozesskosten verpflichtet worden sei. Dieses Urteil sei von der Versicherung der klagenden Partei, der L***** GesmbH erfüllt worden, welche sämtliche ihr gegenüber der beklagten Partei zustehenden Ansprüche an die klagende Partei abgetreten habe.

Die Beklagte wendete Verjährung infolge nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens ein, bestritt die geltend gemachte Regressforderung dem Grunde und der Höhe nach sowie die Berechtigung zur Geltendmachung von Prozesskosten als Regressforderung gemäß Art 23

CMR.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung mangels gehöriger Fortsetzung der Klage ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, dass im vorliegenden Fall keine Beförderung durch aufeinanderfolgende Frachtführer vorgelegen sei, weshalb die Bestimmungen des VI. Kapitels der CMR, insbesondere Art 39 Z 4 CMR, mangels der Voraussetzungen des Art 34 CMR nicht anwendbar seien. In Übereinstimmung mit Basedow (in Münchener Kommentar zum HGB Bd 7, Rz 23 f zu Art 32 CMR) könne die bisherige Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes in solchen Fällen einen Verjährungsbeginn entsprechend Art 39 Abs 4 Satz 2 CMR annehmen, weil derartige Ansprüche überhaupt nicht von Art 32 Abs 1 CMR erfasst seien und dementsprechend nach dem anwendbaren nationalen Recht verjährten, nicht geteilt werden. Die Argumentation, dass Art 39 CMR nicht nur auf Samtfrachtführer im Sinne von Art 34 CMR, sondern auch auf Haupt- und Unterfrachtführer anzuwenden sei, weil beide "auf Frachtführer" im Sinne dieser Vorschrift seien, lasse sich mit der systematischen Stellung im Kapitel über Samtfrachtführer nicht vereinbaren. Der Hauptfrachtführer habe zwar gegenüber seinem Auftraggeber die Eigenschaft des Frachtführers, gegenüber dem Unterfrachtführer - und nur dies sei im Regressprozess von Bedeutung - sei er aber Absender. Es sei nicht ersichtlich, weshalb gerade der Regressanspruch unter Frachtführern nicht erfasst sein sollte, wo doch Art 32 Abs 1 CMR für alle Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung gelte. Wenn im Übrigen Art 39 Abs 4 Satz 1 CMR anordne, dass sogar Regressansprüche zwischen Frachtführern im Sinne von Art 34 CMR nach Art 32 CMR (mit Ausnahme des Verjährungsbeginns) verjähren, müsse Art 32 CMR erst recht für Regressansprüche zwischen Haupt- und Unterfrachtführern gelten, stünden diese doch im Verhältnis von Absender und Frachtführer einander gegenüber. Die Verjährungsregelung unterliege aber jedenfalls Art 32 CMR. Da diese Vorschrift insofern keine Lücke aufweise, komme auch eine analoge Anwendung von Art 39 Abs 4 Satz 2 CMR nicht in Betracht.

Im gegenständlichen Fall habe die Verjährungsfrist daher nach Art 32 Abs 1 lit a CMR zumindest mit 17. 11. 1990 geendet, zumal dem Tag der Ablieferung des Gutes am 17. 11. 1987 drei Jahre zuzuzählen seien, und zwar wegen der Verwendung eines nicht luftgefederten LKWs, einer Vorgangsweise, die einem dem Vorsatz gleichstehenden Verschulden entspreche. Durch die Einbringung der gegenständlichen Feststellungsklage am 22. 12. 1988 sei die Verjährung zwar unterbrochen, die Klage sei jedoch nicht gehörig fortgesetzt worden. Es wäre der Klägerin nämlich zuzumuten gewesen, die Prozessführung nach Beendigung des Verfahrens 7 Cg 432/88 des Landesgerichtes Salzburg Anfang 1994 wieder aufzunehmen.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil zur Frage des Beginnes der Verjährung des Regressanspruches des Hauptfrachtführers gegen den Unterfrachtführer ohne durchgehenden Frachtbrief bisher uneinheitliche Meinungen vertreten worden seien.

Die dagegen von der klagenden Partei erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Übereinkommen über den Beförderungsver- trag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR, BGBl 1961/138, idF BGBl 1981/192) gilt für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrag angegeben sind, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist (Art 1 Abs 1 CMR). Das Gut wurde in Großbritannien übernommen. Der Ort der Ablieferung liegt in Österreich. Großbritannien und Österreich sind Vertragsstaaten des Übereinkommens. Die CMR ist daher anzuwenden.

Die beklagte Partei ist als Unterfrachtführer tätig geworden. Der Unterfrachtführer ist Erfüllungsgehilfe des Hauptfrachtführers und seinerseits befugt, weitere Frachtführer heranzuziehen. Im vorliegenden Fall war die I***** GesmbH als Hauptfrachtführer und die klagende Partei als Unterfrachtführer tätig, diese setzte ihrerseits die beklagte Partei als Subfrächter und diese wiederum einen weiteren Unterfrachtführer, die Firma C*****, ein.

Da im vorliegenden Fall mangels durchgehenden Frachtbriefes unbestritten keine Beförderung durch aufeinanderfolgende Frachtführer im Sinne des Art 34 CMR vorlag, entstanden vertragliche Beziehungen nur zwischen dem Haupt- und dem Unterfrachtführer bzw dem ersten Unterfrachtführer und dem nächsten weiteren.

Die bisherige Rechtsprechung erachtete Frachtführer - im Gegensatz zum Spediteur - erst dann für aktiv legitimiert von ihren Erfüllungsgehilfen Schadenersatz zu verlangen, wenn sie dem Geschädigten den Schaden bereits ersetzt hatten (SZ 58/6; SZ 58/122; SZ 63/211; WBl 1996, 330). Die deutsche Rechtsprechung und Lehre erachteten hingegen die Schadensliquidation durch einen mittelbaren Stellvertreter (Spediteur, Frachtführer) allgemein für zulässig.

Nach der weiteren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes begann die Verjährungsfrist für Rückgriffsansprüche des (Haupt-)Frachtführers gegen den nachfolgenden Unterfrachtführer frühestens mit dem Zeitpunkt der Ersatzleistung des regressnehmenden

Frachtführers an seinen Vertragspartner (ausführlich SZ 58/122 = JBl

1986, 317 [Huber] = TranspR 1986, 377; SZ 63/21; 6 Ob 692/87; 6 Ob

536/89; 1 Ob 1511/90, 6 Ob 538/95; 4 Ob 568/95; 8 Ob 2014/96d; 10 Ob 24/97a; SZ 70/247). Diese Rechtsansicht wurde im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei einem Regressanspruch um einen Anspruch sui generis handle, der erst mit der Ersatzleistung des regressberechtigten Frachtführers entstehe und nach allgemeinem österreichischem Recht die Verjährungsfrist für Ansprüche nicht zu laufen beginnen könne, bevor sie entstünden. Art 32 CMR wolle zwar objektiv klagbare Ansprüche aus einer Beförderung einer möglichst kurzen Verjährungszeit unterwerfen, aus dieser Konventionsbestimmung ergebe sich aber nicht, dass Leistungsansprüche, die noch gar nicht geltend gemacht werden könnten, weil sie noch nicht entstanden seien, bereits vor ihrer Entstehung verjährt sein könnten.

Diese Rechtsprechung ist in der Lehre einhellig abgelehnt worden. Auch der Rückgriffsanspruch zwischen Hauptfrachtführer und Unterfrachtführer unterliege demnach Art 32 CMR. Csoklich, Zur Anspruchsberechtigung im Straßengüterverkehr, RdW 1997, 188 f; Schütz in Straube, Kommentar zum HGB2 Rz 7 Art 32 CMR; Demuth/Seltmann in Thume, Kommentar zur CMR, Rz 58 zu Art 32 CMR; Jesser Frachtführerhaftung 183; dieselbe, ecolex 1995, 845 f; Koller Transportrecht4 Rz 3 zu Art 32 CMR; Basedow in Münchener Kommentar zum HGB Bd 7 Rz 23 ff zu Art 32 CMR).

Mit der Entscheidung 4 Ob 2336/96z vom 26. November 1996 (SZ 69/266 =

ecolex 2000, 25 = JBl 1997, 532 [Peter Rummel] = RdW 1997, 275

[Csoklich] = ZfRV 1997, 77) wurde - in Ablehnung der bisherigen durch

SZ 58/6 eingeleiteten Judikatur - auch dem Hauptfrachtführer zugestanden ist, seinen Unterfrachtführer auf Schadenersatz wegen Transportschäden zu klagen, auch wenn er selbst noch keinen Schadenersatz an seinen Auftraggeber geleistet hat; der Hauptfrachtführer wird damit zur Drittschadensliquidation gegenüber seinem Unterfrachtführer berechtigt. Er handelt dabei im Interesse des Auftraggebers und macht den seinem Auftraggeber erwachsenen Schaden geltend.

Diese Entscheidung betraf zwar die Klage eines Hauptfrachtführers gegen den (ersten) Unterfrachtführer. Da aber jeder (nachfolgende) Unterfrachtführer seinerseits mit späteren Unterfrachtführern einen Frachtvertrag abschließt, sind die Überlegungen dieser Entscheidung auf jeden folgenden Unterfrachtführer anzuwenden: Daraus folgt, dass in jeder Stufe der jeweils beauftragende Unterfrachtführer berechtigt ist, von seinem unmittelbar nachfolgenden Unterfrachtführer Schadenersatz zu verlangen, auch wenn er selbst noch nicht Schadenersatz an seinen Vormann geleistet hat (Csoklich aaO 192). Daraus folgt aber auch weiters, dass der Ersatzanspruch des Hauptfrachtführers (oder Unterfrachtführers) gegen seinen (weiteren) Unterfrachtführer zur selben Zeit entsteht, zu dem der Anspruch des Absenders gegen den Hauptfrachtführer entsteht (Csoklich aaO 195). In Wahrheit liegt ja nur ein Anspruch vor, der in einem Fall vom unmittelbar Geschädigten, im anderen Fall aber vom beauftragten Frachtführer (Unterfrachtführer) geltend gemacht wird.

Entsteht aber der Ersatzanspruch des Hauptfrachtführers gegen seinen Unterfrachtführer schon im selben Zeitpunkt, in dem der Anspruch des Absenders gegen den Hauptfrachtführer entstanden ist und handelt es sich dabei in Wahrheit nur um ein und denselben Anspruch, dann ist die bisherige Rechtsprechung, die den Regressanspruch als Anspruch sui generis behandelt hat, ebenso unanwendbar wie die zum Beginn seiner Verjährung bisher ergangene Rechtsprechung (SZ 58/122; SZ 63/216; SZ 70/247 ua). Sein Entstehen ist vielmehr der Regelung in Art 32 CMR zu entnehmen. Diese Bestimmung ist auch gemäß § 439a HGB ohne die Voraussetzungen des Art 1 CMR auf das Verhältnis zwischen Hauptfrachtführer und Unterfrachtführer anzuwenden, weil auch zwischen diesen Personen ein Frachtvertrag vorliegt.

Ausgehend von dieser vom Berufungsgericht ausgesprochenen und vom Obersten Gerichtshof gebilligten Rechtsmeinung hat hier die Verjährungsfrist des Art 32 Abs 1 lit a CMR spätestens mit 17. November 1990 geendet. Eine Unterbrechung der Verjährung trat nicht ein, weil die am 22. Dezember 1988 eingebrachte Feststellungsklage - wie schon das Erstgericht richtig erkannt hat - nicht gehörig fortgesetzt wurde. Daran kann nach der nunmehr vom Obersten Gerichtshof vertretenen Rechtsmeinung nichts ändern, dass der Vorprozess gegen die nunmehr klagende Partei mit einer Abweisung des Klagebegehrens endete. Wegen des Verfahrens über von der I***** GmbH zu 14 Cg 64/95 des Landesgerichtes Salzburg gegen die Klägerin eingebrachte Klage, dessen Ausgang die Klägerin bis zur Stellung des Fortsetzungsantrages abgewartet hat, ist das Verfahren über die vorliegende (Regress-)Klage aber nicht unterbrochen worden. Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40 und 50 ZPO. Die beklagte Partei beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.

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