Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 24.679,80 S (darin 4.113,30 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Eine Versicherungsnehmerin der Klägerin hatte Computerteile um US-$ 54.045 an einen Käufer in Taiwan verkauft und über Vermittlung eines Speditionsunternehmens die Beklagte mit dem Lufttransport der Ware von Wien nach Taipeh beauftragt. In dem ausgestellten Luftfrachtbrief scheint die Hauptniederlassung der Beklagten in Paris als Aussteller auf. Ein Wert des 12 kg schweren Frachtgutes wurde nicht angegeben. Es ging auf dem Transport verloren. Die Beklagte betreibt in Paris zwei Umschlaganlagen mit vollautomatischen Lagersystemen. Die Klägerin ersetzte den Wert des bei ihr versicherten, verloren gegangenen Frachtgutes.
Die Klägerin begehrt den Ersatz ihrer Versicherungsleistung. Die Beklagte habe die Ware am Flughafen Schwechat übernommen. Der Karton sei bis heute nicht beim Empfänger angekommen, sondern während einer Zwischenlandung in Paris verschwunden. Auch die Beklagte gehe davon aus, dass die Ware gestohlen worden sei. Kriminelle Handlungen stellten ein schweres Verschulden dar. Es liege ein grobes Organisationsverschulden der Beklagten vor, weil sie bis heute nicht in der Lage gewesen sei, den genauen Ort festzustellen, wo der Verlust der Ware eingetreten sei. Die Beklagte habe fünf Wochen nach der Mitteilung von der Unauffindbarkeit der Ware alle Nachforschungen eingestellt und die Klägerin gehindert, selbst weitere Nachforschungen zu betreiben. Die Beklagte habe nicht dargelegt, wie im konkreten Fall die Ware behandelt worden sei und ob eine lückenlose Schnittstellenkontrolle bei jedem Gewahrsamswechsel erfolgt sei. Die Beklagte hafte für alle Leute, also auch für die Mitarbeiter im Zolllager.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte im Wesentlichen vor, dass auf den Lufttransport die Bestimmungen des Warschauer Abkommens (WA) Anwendung fänden. Es käme die Haftungsbeschränkung des Art 22 WA zur Anwendung. Die Beklagte habe den dort normierten Ersatz angeboten. Es liege ein unaufklärbarer Verlust der beförderten Ware vor. Das Transportgut komme sowohl im Transitlager in Paris als auch am Endbestimmungsort in ein abgeschlossenes, unter Zollverschluss gehaltenes Lager. Eine Entnahme sei nur durch kriminelle Handlungen möglich. Die Nachforschungen seien per Telegramm weltweit bei allen Niederlassungen der Beklagten erfolgt. Die Beklagte habe ein Computersystem installiert, mit dem das Schicksal der Ware weltweit nachvollziehbar sei. Die Klägerin habe von der Möglichkeit der Wertdeklarierung nach Art 23 WA keinen Gebrauch gemacht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren nur im Umfang von US-$ 255,39 statt und wies das Mehrbegehren von US-$ 53.789,61 ab. Vom festgestellten Sachverhalt ist als wesentlich hervorzuheben, dass die Beklagte am Flughafen in Paris zwei Umschlagsanlagen betreibe, in denen Waren zwischengelagert werden könnten. Diese verfügten über vollautomatische Lagersysteme. Der Karton mit den Computerteilen sei zwar von der Beklagten nach Ankunft der Ware am Flughafen in Paris im Lager EDV-mäßig erfasst worden, habe aber zum Zeitpunkt der Verladung für Anschlussflüge nach Taipeh in den Lagern der Beklagten trotz physischer Lagerkontrollen und Nachforschungen nicht mehr "lokalisiert werden" können. Es könne nicht festgestellt werden, auf welche Weise die Ware in Paris abhanden gekommen sei.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass das Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr seine Anwendbarkeit an das Vorliegen eines internationalen Beförderungsvertrages knüpfe. Taiwan sei nicht Vertragsstaat im Sinne des Warschauer Abkommens. Nach Art 4 Abs 1 EVÜ iVm § 35 IPRG unterliege der Vertrag mangels einer Rechtswahl dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweise. Auf Grund der Hauptniederlassung des Beförderers in Paris sei dies hier Frankreich. Es sei daher französisches Recht anzuwenden. Frankreich sei Mitglied des Warschauer Abkommens. Außerhalb des Anwendungsbereiches des Warschauer Abkommens gelten die Vorschriften des Code de l' Aviation Civile, welche die Haftung des Transporteurs dem Warschauer Abkommen unterstellten. Art 22 Abs 2 WA beschränke die Haftung des Luftfrachtführers auf einen Betrag von 250 Franken pro Kilogramm. Nach Art 25 WA würden die Haftungsbeschränkungen nicht gelten, wenn nachgewiesen werde, dass der Schaden durch eine Handlung oder Unterlassung des Luftfrachtführers oder seiner Leute verursacht worden sei, die entweder in der Absicht, Schaden herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen worden seien, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Die Beweislast für die Voraussetzungen des Durchbrechungstatbestandes treffe den Anspruchsteller. Die Klägerin müsse behaupten und beweisen, dass die Beklagte im Sinne des zitierten Art 25 WA gehandelt habe. Sie habe zwar ein grobes Organisationsverschulden, aber nicht ein Bewusstsein der Beklagten behauptet, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, und führe nicht aus, inwieweit sich die Beklagte in krasser Weise über Sorgfaltsanforderungen hinweggesetzt haben sollte. Kriminelle Handlungen des Luftfrachtführers oder seiner Gehilfen könnten nicht festgestellt werden. Welche besonderen Vorsichtsmaßnahmen die Beklagte bei der Flugzeugentladung oder Lagerung im Zwischenlager unterlassen habe, hätte die Klägerin nicht angegeben. Ihr sei der Nachweis eines leichtfertigen Handelns der Beklagten nicht gelungen. Diese hafte nur im Ausmaß des Art 22 WA. Nach dem Wegfall der Goldbindung seien die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds an die Stelle der Goldfranken getreten. Ein Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds habe einen Wert von US-$ 1,2769476. 250 Franken würden 16,67 Sonderziehungsrechten entsprechen, das seien US-$ 21,28246. Dieser Betrag stehe je Kilogramm Luftfracht zu, zusammen also US-$ 255,39.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass die Beklagte der Klägerin über den nicht bekämpften Zuspruch von US-$ 255,39 hinaus noch weitere US-$ 53.789,61 samt 5 % Zinsen seit 7. 8. 2000 zu bezahlen hat. Das Berufungsgericht beurteilte den festgestellten Sachverhalt rechtlich im Wesentlichen dahin, dass es für den Geschädigten schwierig sei, konkrete Schwachstellen in der Organisation des Frächters aufzuzeigen, wenn dieser über seine Organisation nicht ausreichend Auskunft gebe. Anhand der spärlichen Unterlagen, welche die Klägerin von der Beklagten erhalten habe und auf Grund eigener Recherchen habe die Klägerin aber darauf hingewiesen, dass die Beklagte nicht den genauen Schadensort mitteilen habe können, dass nicht festgestellt werden könne, wo der Verlust eingetreten sei und dass die Beklagte offenbar selbst davon ausgegangen sei, dass das zur beförderung anvertraute Gut unkontrolliert und unüberprüft in der ganzen Welt versendet werden könne, ungeachtet des behaupteten EDV-Systems, mit dem angeblich das Schicksal der Ware weltweit nachvollziehbar sein solle. Andernfalls sei es nicht verständlich, warum dennoch Nachforschungen bei allen Niederlassungen durchgeführt worden seien. Dies zeige, dass die Beklagte gerade nicht über eine ordnungsgemäße Organisation und die erforderlichen Schnittstellenkontrollen bei jedem Gewahrsamswechsel verfüge, sei es bei der Ein- und Auslagerung aus einem Zwischenlager, sei es bei der Ankunft an einem Bestimmungsort. Mit diesem Vorbringen sei die Klägerin ihrer Behauptungspflicht nachgekommen. Ungeachtet der die Klägerin treffenden Beweislast für das grobe Verschulden im Sinne des Art 25 WA könne sich ein Frachtführer auf Haftungsbeschränkungen aber nur dann berufen, wenn er seinerseits der Verpflichtung nachgekommen sei, die billigerweise nur von ihm aufzuklärenden, seiner Sphäre zuzurechnenden Umstände für den Schadenseintritt darzulegen. Diese Darlegungspflicht gelte nicht nur für die Umstände der Betriebsorganisation, sondern auch für den lediglich dem Frachtführer einsehbaren Geschehensablauf. Damit werde im Frachtbereich der besonderen Situation Rechnung getragen, dass dem Anspruchsteller die Situation beim Schädiger und dessen Organisation nicht bekannt sein könne. Der Frachtführer dürfe sich nicht bloß darauf beschränken, das Klagebegehren zu bestreiten. Er müsse das Informationsdefizit des Klägers durch detailliertes Vorbringen zum Ablauf des Betriebes und zu den ergriffenen Sicherungsmaßnahmen ausgleichen. Offenkundig sei das zur Beförderung übernommene Gut von der Beklagten nur EDV-mäßig behandelt worden, an den einzelnen Schnittstellen seien aber keine physischen Kontrollen vorgenommen worden. Die Beklagte gehe selbst offenbar von einem Diebstahl aus. Sie hafte nach den Bestimmungen des WA für das Verschulden aller ihrer Leute, wozu auch Arbeitnehmer, Subunternehmer und die am Flughafen arbeitenden Dienste zu verstehen seien. Die Beklagte habe zu Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung von Diebstählen nichts vorgebracht. Mit dem bloßen Hinweis auf das Computersystem sei sie ihrer konkreten Darlegungspflicht nicht nachgekommen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe sich mit der Darlegungsverpflichtung des Frachtführers im Luftfrachtrecht noch nicht auseinandergesetzt.
Mit ihrer ordentlichen Revision beantragt die beklagte Partei die Abänderung dahin, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Zur Behauptungs- und Beweislast über die Umstände, die für eine verlässliche Beurteilung des Verschuldens am Verlust oder der Beschädigung des Frachtgutes festgestellt werden müssen, vertritt der Oberste Gerichtshof im Bereich des Straßentransportes (zu § 429 HGB und zu den Bestimmungen des Übereinkommens vom 19. 5. 1956, BGBl 1961/138, über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr, CMR), aber auch des Eisenbahntransportes nach den Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck (CIV 1980), die Auffassung, dass die Entlastungspflicht für mangelndes Verschulden den Frachtführer nur hinsichtlich des leichten Verschuldens trifft. Der Geschädigte hat den Vorsatz oder die grobe Fahrlässigkeit des Frachtführers zu beweisen. Die besondere frachtrechtliche Situation könne aber dazu führen, dass der Geschädigte mit dem Beweis von Umständen belastet werde, die in der Sphäre des Frachtführers liegen und die er ohne ausreichende Aufklärung nicht kennen könne. Den Frachtführer treffe in diesen Fällen nach Treu und Glauben eine Darlegungspflicht über die Organisation in seinem Unternehmen zur Sicherung des übernommenen Gutes und über die im konkreten Fall gepflogenen Maßnahmen (zum Straßentransport: SZ 66/89; 6 Ob 349/97k; 7 Ob 160/00f = RdW 2001, 150 = ecolex 2001, 441 mwN; zum Eisenbahntransport: 6 Ob 2200/96i = ZfVR 1997, 78 = ZVR 1998/78). Ob diese Grundsätze auch für den Luftbeförderungsvertrag, auf den die Bestimmungen des Warschauer Abkommens zur Vereinheitlichung von Regelungen über die Beförderung im internationalen Luftverkehr anzuwenden sind, gelten, ist eine erhebliche Rechtsfrage.
2. Im Revisionsverfahren ist die Anwendung der Bestimmungen des Warschauer Abkommens (WA) auf den vorliegenden Fall nicht strittig. Die Revisionswerberin geht selbst davon aus, dass das materielle französische Recht die Haftung des Transporteurs dem Abkommen unterstellt, vertritt aber die Auffassung, dass darin keine Darlegungspflicht des Frachtführers normiert sei. Eine solche werde nur in Deutschland aus Billigkeitserwägungen angenommen. Die Haftung des Transporteurs werde durch Art 25 WA in höherem Maß als nach Art 29 CMR bzw Art 42 CIV auf einen dolus specialis des Frachtführers eingeschränkt. Dazu ist Folgendes auszuführen:
Art 25 WA sieht eine Durchbrechung der Haftungsbeschränkungen des Art 22 vor, wenn nachgewiesen wird, dass der Schaden durch eine Handlung oder Unterlassung des Luftfrachtführers oder seiner Leute verursacht worden ist, die entweder in der Absicht, Schaden herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen wurde, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Nach Art 29 CMR kann sich ein Frachtführer nicht auf Bestimmungen berufen, die seine Haftung ausschließen oder begrenzen oder die Beweislast umkehren, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden (also durch grobes Verschulden) verursacht hat. Nach der schon zitierten oberstgerichtlichen Judikatur zur Frachtführerhaftung nach den CMR trifft den Geschädigten grundsätzlich die Beweislast über das grobe Verschulden. Die Bejahung einer Darlegungspflicht des Frachtführers über die Organisation seines Unternehmens bedeutet keineswegs eine Umkehr dieser Beweislast, sie verhindert nur, dass der im Regelfall über die Organisation des Frachtführers nicht informierte Auftraggeber in einen nicht behebbaren Beweisnotstand gerät, obwohl feststeht, dass die Fracht in der Sphäre des Frachtführers verloren ging. Wenn der Frachtführer seiner prozessualen Mitwirkungspflicht nachkommt, bleibt es Sache des Geschädigten, nachzuweisen, dass ein schuldhafter Organisationsfehler oder ein konkreter Fehler beim Transport den Schaden verursachte (6 Ob 349/97k). Die Darlegungspflicht hängt nicht vom materiellen Verschuldensbegriff, sondern von den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen ab. Die Parteien trifft im Zivilprozess die Wahrheitspflicht sowohl bei der Parteiaussage (§ 377 ZPO) als auch beim Parteivorbringen. Sie müssen den relevanten Sachverhalt wahrheitsgemäß, vollständig und bestimmt angeben (§ 178 ZPO). Die Parteien haben also prozessuale Handlungspflichten, die sich nicht zuletzt aus dem aus mehreren prozessualen Bestimmungen ableitbaren Grundsatz von Treu und Glauben ergeben (dazu Fasching, Zivilprozessrecht2 Rz 134 f). Die Darlegungspflicht des Frachtführers ist nach diesem Grundsatz eine prozessuale Mitwirkungspflicht zur Erforschung der Wahrheit.
3. Da die Darlegungspflicht aus dem Prozessrecht abzuleiten ist, bedürfte es einer besonderen Begründung, dass sie beim Luftbeförderungsvertrag nicht besteht. Dazu zeigt die Revisionswerberin aber nichts auf. Die prozessuale Mitwirkungspflicht ist hier dieselbe wie in den übrigen Bereichen des Transportrechts. § 28 Abs 2 WA stützt diese Ansicht zusätzlich. Danach richtet sich das Verfahren über die Klage auf Schadenersatz nach den Gesetzen des angerufenen Gerichts. Fragen der Behauptungs- und Beweislast sowie die Beweiserhebung und die Beweisregeln sind, soweit sie nicht im Art 25 WA (oder in den Bestimmungen der CMR oder der CIV) abschließend geregelt sind, nach österreichischem Recht zu beurteilen. Danach bestehen aber keine Bedenken, die Darlegungspflicht des Frachtführers auch für Schadensfälle im Lufttransport zu bejahen.
4. Dieses Ergebnis entspricht der überwiegenden deutschen Lehre und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Auch dort wurde zunächst für den Straßentransport eine Darlegungspflicht des Frachtführers bejaht (dazu Thume, Kommentar zur CMR Rz 49 zu Art 29 mwN), sehr früh aber auch schon für den Lufttransport. Die Darlegungspflicht soll der durch komplizierte Transportabläufe verursachten Beweisnot des Auftraggebers entgegenwirken. Die Aufklärungspflicht des Frachtführers wird mit dem prozessualen Grundsatz von Treu und Glauben begründet (Ruhwedel, Der Luftbeförderungsvertrag3 Rz 524 f mwN; Koller, Transportrecht4 Rz 9 zu Art 25 WA 1955 mwN). Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) steht mit der österreichischen Judikatur zur CMR-Haftung in Einklang und bejaht auch im Lufttransportrecht die Verpflichtung des Frachtführers, "das Informationsdefizit des Anspruchstellers durch detaillierten Sachvortrag zum Ablauf des Betriebes und den ergriffenen Sicherungsmaßnahmen auszugleichen" (BGH vom 21. 9. 2000, TransportR 2001, 29 [33] mwN). Dies stelle keine Umkehr der materiellen Beweislast dar. Die prozessuale Obliegenheit zur substanziellen Darlegung der Geschehensabläufe in der Organisation des Frachführers bestehe aber nur dann, wenn Anhaltspunkte für ein Organisationsverschulden bestünden und sich der klägerische Sachvortrag darauf berufe. Wenn der Luftfrachtführer seiner Darlegungslast nachkomme, müsse der Geschädigte den Verschuldensvorwurf des Art 25 WA beweisen. Ein solches Verschulden erblickt der BGH beispielsweise im Fehlen einer ausreichenden Ein- und Ausgangskontrolle des Transportgutes (TransportR 1989, 327).
Der Oberste Gerichtshof bejaht aus den dargelegten Erwägungen und im Einklang mit der zitierten Judikatur des BGH eine Darlegungspflicht des Luftfrachtführers über die Umstände seiner Betriebsorganisation und den nur dem Frachtführer einsehbaren Geschehnisablauf in gleicher Weise wie in Schadensfällen beim Straßentransport (dazu 5 Ob 74/99i = ZfRV 1999, 190). Damit stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen einer nicht oder nicht ausreichend erfolgten Darlegung des Frachtführers:
5. Die Verletzung der Darlegungsobliegenheit führt nach der in Deutschland vertretenen Auffassung zum Schluss, dass ein qualifiziertes Verschulden des Frachtführers vorliegt und beurteilt diesen Schluss als einen durch Art 28 Abs 2 WA gedeckten Akt der Beweiswürdigung (Ruhwedel aaO Rz 527 f mwN aus der deutschen Rechtsprechung). Diese Ansicht vertrat das Schweizerische Bundesgericht schon in einer Entscheidung vom 11. 7. 1972 (Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen 1973, 129 [134]). Im schon zitierten Zurückweisungsbeschluss 5 Ob 74/99i wurde die Verletzung der Darlegungspflicht unter dem Gesichtspunkt der rechtlichen Beurteilung (einer Rechtsfrage des Verfahrensrechts) behandelt, was jedenfalls dann zutreffend ist, wenn keinerlei Feststellungen über einen konkreten Sachverhalt (über die Organisation des Frachtführers und den Geschehensablauf) mangels Darlegung getroffen werden konnten (also keine Negativfeststellung dazu vorliegt) und das Obsiegen von der prozessualen Behauptungslast (Darlegungslast), die der Beweislast vorgelagert ist, abhängt. Ein (nicht revisibler) Akt der Beweiswürdigung läge dann vor, wenn die Vorinstanzen ausdrücklich ein qualifiziertes Verschulden festgestellt hätten (etwa dass die Beklagte keinerlei Kontrollorganisation eingerichtet habe) und diese Feststellung mit der fehlenden Darlegung der Organisation durch den Frachtführer begründet hätten. Im Ergebnis ist diese Frage für die Beklagte aber nicht wesentlich, weil sie eine solche Beweiswürdigung vor dem Obersten Gerichtshof nicht anfechten könnte und ihre Rechtsrüge - wie hier - schon an der Verletzung der Darlegungsobliegenheit scheitert.
Zum Umfang der Darlegungspflicht ist die Revisionswerberin auf die zutreffenden Gründe der Berufungsentscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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