OGH 6Ob219/21f

OGH6Ob219/21f2.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Firmenbuchsache der W* GmbH, FN *, über den Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Mag. Harald Stefan, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 1. Oktober 2021, GZ 6 R 91/21b‑8, womit der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 27. Mai 2021,  GZ 8 Fr 1399/21f‑3, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00219.21F.0202.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die W* GmbH (im Folgenden: Gesellschaft) ist zu FN * im beim Landesgericht Wiener Neustadt geführten Firmenbuch eingetragen. Sie wurde mit Errichtungserklärung vom 15. 12. 2020 errichtet. Alleingesellschafter und ‑geschäftsführer ist W* H*.

[2] Am 24. 3. 2021 beantragte dieser als Geschäftsführer der Gesellschaft beim Erstgericht, bei der Gesellschaft die Einbringung (iSd Art III UmgrStG) seines nicht protokollierten Geschäftsführerbetriebs im Firmenbuch einzutragen. Er verwies auf den Einbringungsvertrag samt Einbringungsbilanz zum 31. 12. 2020. Der eingebrachte Betrieb weise sowohl zum Einbringungsstichtag als auch am Tag der Unterfertigung des Firmenbuchantrags einen positiven Verkehrswert auf. Aus dem Einbringungsvertrag ergibt sich, dass der Betrieb aus der Geschäftsführung an drei Gesellschaften mit beschränkter Haftung besteht, an denen der Geschäftsführer jeweils mit 35 % beteiligt ist.

[3] Die Vorinstanzen wiesen das Eintragungsbegehren ab. Das Rekursgericht führte aus, der Begriff der Einbringung sei steuerlich geprägt. Nach § 12 Abs 2 Z 1 UmgrStG iVm § 2 Abs 3 Z 1 bis 3 EStG sei ein Betrieb eine selbstständige organisatorische Einheit zur Erzielung von Einkünften. Einbringungsfähig seien jene organisatorischen Einheiten, die als Betriebe der Erzielung von Einkünften aus Land‑ und Forstwirtschaft, selbstständiger Arbeit und Gewerbebetrieb dienten. Der Betrieb in seiner konkreten Konfiguration müsse auf die übernehmende Gesellschaft als funktionsfähige Einheit übergehen; die bestehende Betriebseigenschaft müsse daher erhalten bleiben. Jene wesentlichen Aktiva, die für die Führung des Betriebs notwendig gewesen seien, tatsächlich der Erfüllung des Betriebszwecks gedient hätten und nach der Umgründung weiterhin dienen sollten, müssten von ihr, zumindest in Form eines rechtlich abgesicherten Nutzungsrechts, übernommen werden. Ein einbringungsfähiger Betrieb müsse übertragbar sein. Der Geschäftsführer vereine hier sein Know‑how und seine menschliche Arbeitskraft mit sachlichen Produktionsmitteln und übe so seine Geschäftsführertätigkeit für drei Gesellschaften mit beschränkter Haftung aus. Vom Vorliegen eines Geschäftsführerbetriebs sei daher aus unternehmens-/gesellschaftsrechtlicher Sicht auszugehen, wobei jede Geschäftsführertätigkeit einen Teilbetrieb des Gesamtbetriebs bilde. Nach der Rechtsprechung zur Betriebsveräußerung seien die Übernahme der wesentlichen Betriebsgrundlagen durch die übernehmende Körperschaft und die Verschaffung der (zumindest bloß abstrakten) Fortsetzungsmöglichkeit der Betätigung die entscheidenden Kriterien. Daraus lasse sich ableiten, dass Betriebe, deren wesentliche Betriebsgrundlagen ausschließlich in den persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie im Wissen des Betriebsinhabers bestehen, nicht einbringungsfähig seien. In diesen Fällen beschränkten sich die wesentlichen Betriebsgrundlagen auf unveräußerbare Eigenschaften des Betriebsinhabers: typischerweise fehle es bei derartigen rein tätigkeitsbezogenen Betrieben an einer betrieblichen Organisation. Die Einbringungsfähigkeit derartiger Betriebe könne auch nicht durch eine Verpflichtung des Betriebsinhabers hergestellt werden, der übernehmenden Körperschaft als Geschäftsführer zur Verfügung zu stehen, könne doch eine derartige Verpflichtung die erforderliche Übertragung der (einzigen) wesentlichen Betriebsgrundlage auf die übernehmende Körperschaft nicht ersetzen. Die fehlende Einbringungsfähigkeit derartiger rein tätigkeitsbezogener Betriebe stehe in Einklang mit den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften zur Kapitalaufbringung, die in der Forderung nach Übertragbarkeit bzw Verwertbarkeit der Gegenstände von Sacheinlagen mündeten. So könnten nach § 20 Abs 2 AktG Verpflichtungen zu Dienstleistungen nicht Gegenstand einer Sacheinlage sein. Der Verwaltungsgerichtshof habe bei Einbringung des Einzelunternehmens eines hoch spezialisierten Unternehmensberaters im Sanierungsbereich, bei dem der Firmenwert des Unternehmens nur aus dem persönlichen Ruf und dem Bekanntheitsgrad des Einzelunternehmers bestanden hatte, ausgesprochen, dass ein solcher lediglich auf den persönlichen Eigenschaften beruhender Firmenwert nicht übertragen werden und daher nicht zu einem positiven Verkehrswert des einzubringenden Vermögens beitragen könne. Im vorliegenden Fall sei zwar von einem Geschäftsführerbetrieb auszugehen. Dieser sei aber nicht übertragbar, weil die Geschäftsführertätigkeit gerade nicht einfach von beliebigen anderen Personen als dem Geschäftsführer erbracht werden könnte. Überdies scheine das Vorliegen eines positiven Verkehrswerts angesichts des in der Einbringungsbilanz ausgewiesenen negativen Eigenkapitals fraglich zu sein.

[4] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Einbringungsfähigkeit eines „Geschäftsführerbetriebs“ in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Revisionsrekurs der Gesellschaft ist nicht zulässig.

[6] 1. Die Firmenbucheintragung einer Betriebsübertragung nach § 3 Abs 1 Z 15 FBG ist mangels gesetzlicher Anordnung einer konstitutiven Wirkung deklarativ (Nowotny in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 3 Rz 35; Pilgerstorfer in Artmann, UGB3 § 3 FBG Rz 75; vgl RS0112318; diesbezüglich möglicherweise missverständlich 6 Ob 160/13t [ErwGr 2.2.]). Die Eintragung der Betriebsübertragung setzt daher deren Wirksamkeit voraus.

[7] 2. Bei der Interpretation der Rechtsbegriffe „Betrieb“ und „Teilbetrieb“ in § 12 Abs 2 Z 1 UmgrStG sind die von der Rechtsprechung im Ertragssteuerrecht (etwa §§ 10 und 24 EStG) herausgebildeten Beurteilungskriterien maßgeblich (6 Ob 2110/96d). Ebenso ist der Begriff der „Einbringung“ iSd Art III UmgrStG steuerrechtlicher Natur. Die Frage, ob hier ein Betrieb vorliegt und ob dieser Betrieb wirksam in die Gesellschaft eingebracht werden kann bzw wurde, ist daher – wie schon die rekursgerichtlichen Ausführungen zeigen – ungeachtet der Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts in unternehmensrechtlicher Hinsicht (RS0115147) primär nach den einschlägigen Normen des Steuerrechts zu beurteilen.

[8] 3. Bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallenden Rechtsmaterien kommt dem Obersten Gerichtshof keine Leitfunktion zu (RS0116438). Diese hat in Fragen des Steuerrechts der Verwaltungsgerichtshof (5 Ob 99/00w; 5 Ob 166/00y), sodass der Oberste Gerichtshof nur zur Korrektur grober Beurteilungsfehler der Vorinstanzen aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtssicherheit berufen ist (RS0113455).

[9] 4. Eine derartige Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht zeigt der Revisionsrekurs nicht auf.

[10] 4.1. Das Rekursgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl 2011/15/0101; Ra 2016/13/0020) die Möglichkeit eines Geschäftsführerbetriebs und hier das Vorliegen eines solchen bejaht, jedoch unter Berufung auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs 2011/15/0028 die Übertragbarkeit des vorliegenden Geschäftsführerbetriebs verneint.

[11] 4.2. Dem setzt der Revisionsrekurs nichts Stichhaltiges entgegen:

[12] 4.2.1. Er zitiert die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Ra 2019/15/0096, die bereits das Rekursgericht berücksichtigte. Danach sei die Einbringung eines Unternehmensberatungsbetriebs mit bloß einem Kunden nach Art III UmgrStG in eine GmbH zulässig, zumal allgemeine Beratungsleistungen auch von anderen Personen erbracht werden könnten.

[13] Entsprechendes gelte auch für den vorliegenden Fall: Der Geschäftsführerbetrieb habe einen langjährigen Kundenstock von drei Kunden, an denen noch dazu ein qualifiziertes Beteiligungsverhältnis bestehe, das die „Beratungstätigkeit“ fördere. Im Rahmen des Geschäftsführerbetriebs würden überdies nicht bloß höchstpersönlich auszuübende Funktionstätigkeiten erbracht; vielmehr fielen auch allgemeine Management‑ und Consultingleistungen an, die von qualifizierten Dritten übernommen werden könnten. Insoweit sei jedenfalls eine Fortsetzung der Betätigung durch die übernehmende Körperschaft möglich.

[14] Dieses Tatsachenvorbringen verstößt allerdings gegen das im Revisionsrekursverfahren geltende Neuerungsverbot (§ 66 Abs 2 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG).

[15] 4.2.2. Im Übrigen zeigt der Revisionsrekurs mit dieser Argumentation keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Rekursgerichts auf: In der ins Treffen geführten Entscheidung Ra 2019/15/0096 (zust Zorn, RdW 2021/116; Hirschler/Sulz, RWZ 2021/11) führte der Verwaltungsgerichtshof im Sinn seiner schon seit Langem etablierten – von der Lehre gebilligten (statt vieler Rabel/Ehrke-Rabel in Wiesner/Hirschler/Mayr, HB Umgründungen § 12 UmgrStG Rz 67, 95 mwN) – ertragssteuerrechtlichen Rechtsprechung (vgl nur VwGH 89/14/0268; 96/15/0211; 98/15/0040; 2000/14/0178) zunächst allgemein aus, ein nach Art III UmgrStG einbringungsfähiger Betrieb müsse nach § 12 Abs 1 UmgrStG tatsächlich auf die übernehmende Körperschaft übertragen werden können; entscheidende Kriterien für die Betriebsveräußerung seien die Übernahme der wesentlichen Betriebsgrundlagen durch die übernehmende Körperschaft und die Verschaffung der (zumindest abstrakten) Fortsetzungsmöglichkeit der Betätigung (vgl ErwGr 20). In diesem Zusammenhang stellte der Verwaltungsgerichtshof sodann ausgehend von der ihm zugrundeliegenden Fallkonstellation implizit klar, dass unter diesen Voraussetzungen auch die Übertragung eines tätigkeitsbezogenen Einpersonenbetriebs durch Einbringung des Kundenstocks als wesentlicher Betriebsgrundlage zulässig ist, auch wenn dieser bloß aus einem Stammkunden besteht, solange nur die im Rahmen des Betriebs vom bisherigen Betriebsinhaber erbrachten Leistungen nach der Verkehrsauffassung im Allgemeinen auch von anderen Personen in gleichartiger Weise erbracht werden können (s ErwGr 21; idS wohl auch schon VwGH 2011/15/0028 zur fehlenden Übertragbarkeit des Ertragspotenzials – und damit Firmenwerts – eines Betriebs, das alleine aus den persönlichen Eigenschaften [persönlicher Ruf und Bekanntheitsgrad] des Betriebsinhabers, eines hochspezialisierten Unternehmensberaters mit hervorragenden Kontakten und Kenntnissen, resultierte).

[16] 4.2.3. Daraus lässt sich aber für den Standpunkt der Gesellschaft nichts gewinnen, kann doch hier nicht die Rede sein von der Übertragung eines Kundenstocks im Sinne der Verschaffung einer (noch dazu rechtlich abgesicherten – vgl dazu UmgrStR 2002 Rz 688; weiters Huber in Wundsam/Zöchling/Huber/Khun, UmgrStG5 § 12 Rz 54) tatsächlichen Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeit im Hinblick auf die Daten der vom Einbringenden laufend im Rahmen seiner Geschäftsführungstätigkeit betreuten Klientel, die der übernehmenden Körperschaft schon für sich genommen eine Erwerbschance eröffnen und als solche einen selbstständig übertragbaren Vermögenswert darstellen würde.

[17] 4.2.4. Im Rechtsmittel wird auch nicht dargelegt, inwiefern im Rahmen des Einbringungsvertrags der Kundenstock – als eigenständige Komponente des sich auch aus anderen Faktoren (etwa dem Ruf und der Bekanntheit des Betriebsinhabers) ergebenden Firmenwerts des Geschäftsführerbetriebs – an die übernehmende Körperschaft, sei es nun in Form eines exklusiven Verwertungsrechts, sei es in anderer Form, zur Verwertung überlassen worden sein soll.

[18] 4.2.5. Ebenso wenig zeigt der Revisionsrekurs die Übertragung einer sonstigen wesentlichen Betriebsgrundlage des Geschäftsführerbetriebs auf (vgl in dieser Zusammenhang etwa VwGH Ra 2016/13/0020, wonach die Beteiligung eines Gesellschafter‑Geschäftsführers nicht ohne weiteres als notwendiges Betriebsvermögen seines „Geschäftsführertätigkeits‑Betriebs“ zu qualifizieren ist).

[19] 4.2.6. Soweit schließlich der Revisionsrekurs sinngemäß postuliert, die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts sei mit der ebenfalls bereits von diesem berücksichtigten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs 2011/15/0149 unvereinbar, fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung für diesen Rechtsstandpunkt. In dieser Entscheidung werden Erwägungen zur Zulässigkeit der Drittanstellung eines Geschäftsführers sowie der Einkünftezurechnung bei Zwischenschaltung der übernehmenden Körperschaft angestellt. Dies hat jedoch mit der hier maßgeblichen Beurteilung, wonach es im vorliegenden Fall zu keiner Übertragung wesentlicher Betriebsgrundlagen, die der übernehmenden Körperschaft die Fortsetzung der Betätigung ermöglichte, kommen kann, nichts zu tun.

[20] 4.3. Da sich die Beurteilung des Rekursgerichts bereits aus diesen Erwägungen als nicht korrekturbedürftig erweist, kann – wie schon im Rekursverfahren – die Frage, ob angesichts der eine Bilanzsumme von 0,00 EUR (keine Werte auf der Aktivseite, auf der Passivseite - 600 EUR negatives Eigenkapital und 600 EUR Rückstellungen) in der Einbringungsbilanz der erforderliche positive Verkehrswert gemäß § 12 Abs 1 UmgrStG vorliegt, auf sich beruhen.

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