European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00146.22I.0927.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der als „außerordentliche Revision“ bezeichnete Rekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrte von der Beklagten– gestützt auf die Behauptung des Abschlusses eines Mietvertrags, aber auch auf den Titel des Schadenersatzes – Mietzinse in Höhe von 14.989,80 EUR und einen sogenannten Investitionskostenbeitrag von 25.000 EUR (jeweils samt Zinsen).
[2] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung des Investitionskostenbeitrags von 25.000 EUR samt Zinsen (ab einen späteren Zeitpunkt als begehrt). Das Zinsenmehrbegehren und das Mietzinsbegehren von 14.989,80 EUR wies das Erstgericht (samt Anhang) ab.
[3] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und bestätigte die Abweisung des die Mietzinse betreffenden Teilbegehrens als Teilurteil. Hiezu sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei (Spruchpunkt 1.).
[4] Der Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht teilweise Folge. Es hob die Entscheidung des Erstgerichts im Umfang des den Investitionskostenbeitrag betreffenden klagestattgebenden Teils auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück (Spruchpunkt 2.). Einen Ausspruch über die (Un‑)Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO) unterließ das Berufungsgericht.
[5] Gegen den aufhebenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich das als „außerordentliche Revision“ bezeichnete Rechtsmittel der Beklagten. Dieses ist absolut unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
[6] 1. Nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist gegen berufungsgerichtliche Beschlüsse, soweit dadurch das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wird, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur dann zulässig, wenn das Berufungsgericht dies ausgesprochen hat. Die Zulässigkeit des Rekurses gegen einen solchen Aufhebungsbeschluss ist daher an einen ausdrücklichen Zulassungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz gebunden. Fehlt – wie hier – ein solcher Ausspruch, ist auch ein außerordentlicher Rekurs (oder eine „außerordentliche Revision“) ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0043880; RS0043898; RS0043986 [T1, T2]).
[7] Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn das Berufungsgericht mit seiner Entscheidung einen Teil des erstgerichtlichen Urteils bestätigt, einen anderen Teil dieser Entscheidung aber aufhebt und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverweist. Der nur das berufungsgerichtliche Urteil betreffende Ausspruch über die Zulässigkeit der Anrufung des Obersten Gerichtshofs erstreckt sich also nicht auch auf den mit diesem Urteil gemeinsam ergangenen dem Restbegehren geltenden Teilaufhebungsbeschluss (RS0043898 [T7, T8]).
[8] 2. Der Aufhebungsbeschluss des Berufungs-gerichts enthält keinen solchen Zulassungsausspruch. Auch aus der Beschlussbegründung ist kein Zulassungswille des Berufungsgerichts iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO wegen Vorliegens der Voraussetzungen nach § 502 ZPO erkennbar (§ 519 Abs 2 ZPO), aus dem geschlossen werden könnte, dass ein Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof im Spruch des Aufhebungsbeschlusses bloß versehentlich unterblieben ist (vgl RS0043986 [T10]).
[9] Die Beklagte begründet die Zulässigkeit ihres (ausdrücklich nur gegen den Aufhebungsbeschluss gerichteten) Rechtsmittels vielmehr damit, dass das Berufungsgericht „im rechtsirrigen Kleid eines Aufhebungsbeschlusses“ in Wahrheit ein Zwischenurteil gefällt habe. Das Berufungsgericht habe fälschlicherweise den Spruch eines (Aufhebungs-)Beschlusses formuliert, obwohl es – ausgehend von seinem unzweifelhaften Entscheidungswillen, die Haftung der Beklagten betreffend das Klagebegehren auf Zahlung des Investitionsbeitrags wegen culpa in contrahendo dem Grunde nach endgültig zu bejahen – den Spruch eines Zwischenurteils nach § 393 Abs 1 ZPO (Grundurteil) zu formulieren gehabt hätte. Wenn das Berufungsgericht ein klagestattgebendes Ersturteil über ein Geldleistungsbegehren in ein Zwischenurteil über den Anspruchsgrund abändere, gelte der mit dem Zwischenurteil allenfalls verknüpfte Aufhebungsbeschluss als nicht beigesetzt.
[10] Für die Beurteilung dessen, ob ein Urteil oder ein Beschluss vorliege, sei aber nicht die durch das Gericht tatsächlich gewählte, sondern die vom Gesetz vorgesehene Entscheidungsform maßgebend. Das Vergreifen des Berufungsgerichts in der Entscheidungsform beeinflusse daher weder die Zulässigkeit, noch die Behandlung des Rechtsmittels. Die – richtigerweise in Form eines Zwischenurteils zu fassen gewesene – Entscheidung des Berufungsgerichts gemäß § 393 Abs 3 ZPO sei daher mit Revision bekämpfbar.
[11] 3. Es trifft zwar zu, dass die Frage, ob eine Entscheidung anfechtbar ist und mit welchem Rechtsmittel, nicht davon abhängt, welche Entscheidungsform das Gericht tatsächlich gewählt hat oder wählen wollte, sondern nur davon, welche Entscheidungsform die richtige ist (RS0041880 [T1]). Vergreift sich das Gericht in der Entscheidungsform, wählt es also fälschlich jene des Urteils statt jene des Beschlusses oder umgekehrt, so ändert dies nichts an der Zulässigkeit des Rechtsmittels und dessen Behandlung (RS0041859 [T1]; RS0036324 [T1]; RS0040285 [T3]).
[12] Das Berufungsgericht hat sich hier aber nicht im Sinn dieser Rechtsprechung (bloß) in der Entscheidungsform vergriffen. Maßgeblich dafür ist der Inhalt der tatsächlichen Entscheidung, nicht welche Entscheidung bei richtiger rechtlicher Beurteilung hypothetisch zu treffen gewesen wäre (RS0036324 [T18]; RS0041859 [T6, T7]; 2 Ob 39/20d mwN). Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung nicht nur nicht als Zwischenurteil bezeichnet, sondern es steht auch sein gegenteiliger Entscheidungswille fest.
[13] Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichts primär wegen der Unschlüssigkeit des betreffenden Teilbegehrens aufgehoben und die Rechtssache als insoweit als noch nicht spruchreif an das Erstgericht zurückverwiesen. Das Erstgericht habe der Klägerin im fortgesetzten Verfahren zu ermöglichen, den aus dem Titel des Schadenersatzes geltend gemachten Anspruch zu konkretisieren. Nach Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage in diese Richtung und allfälligen ergänzenden Beweisaufnahmen werde das Erstgericht den verbliebenen Anspruch abschließend zu beurteilen haben.
[14] Das Berufungsgericht hat demnach zwar das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten wegen culpa in contrahendo grundsätzlich bejaht, aber zugleich hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass es den konkreten auf diesen Rechtsgrund gestützten Anspruch gerade nicht dem Grunde nach endgültig beurteilen konnte und wollte. Dies steht auch in Einklang damit, dass nach der ständigen Rechtsprechung ein Zwischenurteil nur dann gefällt werden darf, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen geklärt und alle Einwendungen erledigt sind (RS0102003; RS0040990).
[15] Der Entscheidungswille des Berufungsgerichts war tatsächlich darauf gerichtet, der Klägerin vor der Abweisung des unschlüssigen Klagebegehrens die nach der Rechtsprechung (RS0117576, RS0037161, RS0036355, RS0037166) gebotene Verbesserungsmöglichkeit einzuräumen. Das Berufungsgericht hat diesen Entscheidungswillen nicht nur im Spruch, sondern auch in den Gründen seiner Entscheidung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Die „richtige Entscheidungsform“ dafür ist gemäß § 499 Abs 1 ZPO der Beschluss, das dagegen zulässige Rechtsmittel daher der Rekurs.
[16] 4. Ein anfechtbares Zwischenurteil liegt somit nicht vor. Das allein als Rekurs zu behandelnde Rechtsmittel der Beklagten – durch das klageabweisende Teilurteil ist sie nicht beschwert; sie ficht dieses auch weder formal noch inhaltlich an – ist daher als absolut unzulässig zurückzuweisen.
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