OGH 2Ob39/20d

OGH2Ob39/20d29.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** B*****, vertreten durch Dr. Walter Funovics, Rechtsanwalt in Eisenstadt, gegen die beklagte Partei K***** GesmbH, *****, vertreten durch Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OG in Eisenstadt, wegen 5.350 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt (teilweise) als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2020, GZ 13 R 219/19g‑24, womit (ua) der Antrag der beklagten Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO und die ordentliche Revision zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00039.20D.0629.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der Kläger begehrte Schadenersatz und brachte vor, er sei beim Aussteigen aus einem Zugwaggon wegen eines dünnen Eisfilms am Bahnsteig gestürzt und habe sich dabei verletzt. Die beklagte Partei hafte für die Unfallfolgen, weil das Eisenbahnunternehmen ihr die vertragliche Verpflichtung, die Bahnsteige zu reinigen und zu säubern, rechtsgeschäftlich übertragen habe.

Das Erstgericht stellte eine Entscheidung zunächst über den Grund des Anspruchs in Aussicht und wies in der Folge das Klagebegehren ab.

Das Landesgericht Eisenstadt als Berufungsgericht gab mit der Form nach als Urteil abgefasster Entscheidung der Berufung des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Einen Ausspruch über die Zulässigkeit einer Revision oder eines Rekurses enthielt die Entscheidung nicht. Begründend führte das Berufungsgericht aus, dass die beklagte Partei entgegen der Ansicht des Erstgerichts hafte, jedoch keine Feststellungen zur Schadenshöhe getroffen worden seien. Der Berufung sei daher im Sinne des Aufhebungsantrags Folge zu geben.

Die beklagte Partei stellte daraufhin einen Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO verbunden mit einer ordentlichen Revision.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht Eisenstadt den Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO und die ordentliche Revision zurück und berichtigte die angefochtene Entscheidung dahin, dass die Überschrift „Im Namen der Republik“ zu entfallen habe sowie die Wortfolge „zu Recht erkannt“ durch „den Beschluss gefasst:“ und das Wort „Entscheidungsgründe“ durch „Begründung:“ zu ersetzen seien. Diese Entscheidung begründete es damit, dass der Senat die Aufhebung des angefochtenen Urteils beschlossen habe. Bei Abfassung der Entscheidung sei der Fehler unterlaufen, dass diese nicht in der Fassung eines Beschlusses, sondern, wie in einem Vorentwurf, eines Urteils erfolgt sei. Dieser offenkundige und nicht dem Entscheidungswillen des Senats entsprechende Fehler sei zu berichtigen, da es sich um offenkundige Schreibfehler handle.

Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den Berichtigungsbeschluss ersatzlos zu beheben und den Antrag nach § 508 ZPO verbunden mit der ordentlichen Revision für zulässig zu erklären. Hilfsweise wird beantragt, den Berichtigungsbeschluss dahin abzuändern, dass der Spruch des Urteils als Zwischenurteil auf das Zurechtbestehen der Klagsforderung dem Grunde nach laute und der Antrag nach § 508 ZPO verbunden mit der ordentlichen Revision für zulässig erklärt werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin macht geltend, das Berufungsgericht hätte – wenn auch beruhend auf einer unrichtigen Rechtsansicht – richtigerweise in der Sache entscheiden und die erstgerichtliche Entscheidung in ein Zwischenurteil unter Bejahung der Haftung der beklagten Partei abändern müssen. Die Erlassung eines Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschlusses könne daher nicht dem Entscheidungswillen des Berufungsgerichts entsprochen haben, sodass eine dahingehende Berichtigung unzulässig sei. Das Berufungsgericht habe offenkundig ein Urteil erlassen, ohne jedoch auszusprechen, dass eine ordentliche Revision unzulässig wäre. Es hätte daher entweder in Entsprechung des Antrags der beklagten Parteien die Zulässigkeit der ordentlichen Revision aussprechen oder die Revisionsbeantwortung auftragen müssen.

Hiezu wurde erwogen:

1. Der absolute Rechtsmittelausschluss gemäß § 508 Abs 4 ZPO betrifft nur Beschlüsse, mit denen das Berufungsgericht den Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO und die damit verbundene ordentliche Revision mangels Stichhaltigkeit der ins Treffen geführten Abänderungsgründe zurückwies. Ein Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem – wie im vorliegenden Fall – der Abänderungsantrag deshalb zurückgewiesen wurde, weil ein Anwendungsfall des § 508 Abs 1 ZPO nicht vorliege, ist bekämpfbar (RS0112034 [T7]). Berichtigt das Berufungsgericht seine Entscheidung nach deren Rechtskraft (dazu Punkt 2.) und somit außerhalb des Berufungsverfahrens, ist nach der Rechtsprechung der Rekurs dagegen ebenfalls zulässig (7 Ob 125/12a = RS0128307; 5 Ob 217/09m).

2. Der Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO und die ordentliche Revision sind nicht zulässig:

2.1 Vergreift sich das Gericht in der Entscheidungsform, wählt es also fälschlich jene des Urteils statt jene des Beschlusses oder umgekehrt, so ändert dies nichts an der Zulässigkeit des Rechtsmittels und dessen Behandlung (RS0041859 [T1]; RS0036324 [T1]). Ob eine Entscheidung anfechtbar ist und mit welchem Rechtsmittel das zu geschehen hat, hängt somit nicht davon ab, welche Entscheidungsform das Gericht tatsächlich gewählt hat oder wählen wollte, sondern nur davon, welche Entscheidungsform die richtige ist (4 Ob 233/16t; RS0041880 [T1]). Maßgeblich ist der Inhalt der tatsächlichen Entscheidung, nicht aber, welche Entscheidung bei rechtsrichtiger Beurteilung hypothetisch zu treffen gewesen wäre (4 Ob 233/16t).

2.2 Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichts wegen seines Erachtens fehlender Feststellungen zur Schadenshöhe aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Es hat diesen Entscheidungswillen nicht nur im Spruch, sondern auch in den Gründen seiner Entscheidung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht. Die „richtige Entscheidungsform“ dafür ist gemäß § 499 Abs 1 ZPO aber der Beschluss, das dagegen zulässige Rechtsmittel daher der Rekurs (RS0040285 [T3]).

2.3 Soweit das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen hat, ist gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur zulässig, wenn das Berufungsgericht dies ausgesprochen hat. Einen solchen Ausspruch enthält die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht.

2.4 Das Berufungsgericht hat daher zutreffend den Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO und die ordentliche Revision zurückgewiesen, weil beide gegen Aufhebungsbeschlüsse des Berufungsgerichts nicht zulässig sind. Auch eine Umdeutung des Rechtsmittels in einen Rekurs würde daran nichts ändern, weil ein solcher, mangels Zulässigkeitsausspruchs, ebenfalls unzulässig wäre.

3. Der in Urteilsform abgefasste Beschluss des Berufungsgerichts wurde zu Recht berichtigt:

Nach Spruch und Begründung der Entscheidung kann nicht zweifelhaft sein, dass es sich dabei um einen Beschluss handelt. Diese offenbare Unrichtigkeit war gemäß §§ 430, 419 ZPO einer Berichtigung zugänglich (3 Ob 55/18m; 2 Ob 262/05a).

4. Dem unberechtigten Rekurs ist somit ein Erfolg zu versagen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 50 iVm § 41 Abs 1 ZPO.

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