European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00083.22T.0923.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss (unter Einschluss der rechtskräftigen Abweisung des Sicherungsantrags gegen die zweit‑ und drittbeklagten Parteien) wie folgt zu lauten hat:
„I. Einstweilige Verfügung
Der Erstbeklagten wird zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs der Klägerin geboten, es bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Unterlassungsklage ab sofort zu unterlassen, zu Zwecken des Wettbewerbs
1. mit folgendem Logo
zu werben, sofern sie oder ihr Lieferant nicht über ein entsprechendes Lizenzrecht verfügt;
2. mit dem Begriff 'Original' zu werben, sofern sie oder ihr Lieferant nicht Erfinder dieses Produkts ist oder das Produkt über einen aufrechten Design‑ oder Musterschutz verfügt.
II. Der gleichlautende Sicherungsantrag gegen die zweitbeklagte und die drittbeklagte Partei wird abgewiesen.
III.1. Die klagende Partei hat die Kosten des Sicherungsverfahrens gegen die erstbeklagte Partei vorläufig und die erstbeklagte Partei hat ihre diesbezüglichen Kosten endgültig selbst zu tragen.
2. Die klagende Partei ist schuldig, den zweit- und drittbeklagten Parteien zur ungeteilten Hand deren mit 5.622,23 EUR (darin 937,04 EUR USt) bestimmten Kosten des Sicherungsverfahrens erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Begründung:
[1] Die Klägerin vertreibt insbesondere über ihren Online‑Shop und über Amazon Produkte aus Zirbenholz, insbesondere Zirbenwürfel, Wasserkaraffen, Äpfel und Birnen sowie Kugeln und Zirbenkissen. Die Erstbeklagte (deren Geschäftsführer die Zweit‑ und Drittbeklagten sind) bietet in ihrem Kaufhaus und online Waren der […] Vertriebs GmbH aus Zirbenholz (insbesondere Zirbenwürfel, Wasserkaraffen samt Zirbenkugeln, Zirbenkissen) zum Verkauf an. Bei dem im Spruch abgebildeten Tirol‑Logo handelt es sich um eine zugunsten eines dritten Unternehmens geschützte Wort‑Bild- Marke (Lizenzgegenstand), welche beim Amt der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) als Unionsmarke aufrecht registriert ist. Die Erstbeklagte bot am 5. 6. 2021 in ihrem Kaufhaus Waren der Vertriebs GmbH aus Zirbenholz zum Verkauf an, auf deren Produktverpackungen und auf Prospekten das Tirol‑Logo angebracht war. Ein Lizenzvertrag, der dies erlaubt hätte, bestand zu diesem Zeitpunkt nicht. Erst nachträglich, nämlich am 23. 11. 2021, schlossen die Markeninhaberin und die Vertriebs GmbH eine Vereinbarung, wonach letzterer rückwirkend mit Ende 30. 4. 2021 die Lizenz zur Verwendung der Marke „Tirol“ gewährt wurde. Am 5. 8. 2021 bot die Erstbeklagte auf ihrer Website ein „Zirben Gute Nacht Set“ mit der zusätzlichen Bezeichnung „Original“ an, ohne dass zu ihren Gunsten ein Designschutz bestanden hätte. Dies obwohl die Erstbeklagte auf Aufforderung der Vertriebs GmbH bereits am 2. 12. 2020 in den Produktbeschreibungen ihres Web‑Shops das Wort „Original“ entfernt hatte. Dass diese Bezeichnung am 5. 8. 2021 dennoch aufschien, lag daran, dass die Erstbeklagte die Bezeichnung bei den älteren Artikeln irrtümlich nicht entfernt hatte.
[2] Die Klägerin stützte ihr Sicherungsbegehren auf § 2 UWG, die Beklagten bestritten jegliche Lauterkeitswidrigkeit.
[3] Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab, zumal nicht feststehe, dass die Erstbeklagte ein Produkt mit dem Tirol‑Logo beworben habe, das nach dem 30. 4. 2021 in Verkehr gebracht worden sei, und zumal ihr aufgrund der Entfernung des „Original“‑Zusatzes die Motivation fehle, die Produkte der Vertriebs GmbH in Zukunft mit dem Wort „Original“ zu bewerben, sodass diesbezüglich keine Wiederholungsgefahr vorliege. Den Zweit‑ und Drittbeklagten fehle die Passivlegitimation.
[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bemaß den Wert des Entscheidungsgegenstands je Sicherungsbegehren mit 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und ließ nachträglich den Revisionsrekurs zu. Die Werbung mit dem Tirol-Logo am 5. 6. 2021 sei unrichtig gewesen, da ihre Lieferantin zu diesem Zeitpunkt über kein Lizenzrecht zur Verwendung des Tirol‑Logos (bzw der Marke „Tirol“) auf ihren Produkten verfügt habe. Dieses sei ihrer Lieferantin jedoch nachträglich für alle vor dem 30. 4. 2021 in Verkehr gebrachte Produkte eingeräumt worden, sodass kein Verstoß gegen Lizenzrechte Dritter (mehr) vorliege. Außerdem sei eine neuerliche Unrichtigkeit der anfänglich irreführenden Angabe äußerst unwahrscheinlich, sodass es auch an der Wiederholungsgefahr fehle. Was den Zusatz „Original“ betreffe, sei davon auszugehen, dass der Durchschnittsverbraucher diesen ausschließlich auf die Herkunft des Produkts beziehe und nicht dahin, dass das Produkt vom ersten Erzeuger oder Urheber stamme bzw dass es über einen aufrechten Design‑ oder Musterschutz verfügen würde. Es liege daher keine irreführende Angabe vor. Auch die Haftung des Zweit‑ und des Drittbeklagten sei vom Erstgericht zutreffend verneint worden.
[5] Gegen die Abweisung des Sicherungsantrags gegen die Erstbeklagte richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, die Abweisung des Antrags gegen den Zweit‑ und den Drittbeklagten wird nicht (mehr) bekämpft. Die Erstbeklagte habe bereits am 5. 6. 2021 unzulässigerweise mit dem Tirol‑Logo geworben. Es lägen keine Gründe vor, dass sie auch für Produkte, die nach dem 30. 4. 2021 ausgeliefert wurden, nicht in unzulässiger Art und Weise werben würde. Die Verwendung des Wortes „Original“ sei nur dann unbedenklich, wenn das auf diese Weise beworbene Produkt im Auftrag des Verkäufers speziell für ihn erzeugt oder exklusiv an ihn geliefert werde. Allein der Umstand, dass das Produkt vom werbenden Unternehmen produziert werde, reiche nicht hin.
[6] Die Erstbeklagte beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.
[7] Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[8] 1. Der Senat hat sich schon wiederholt mit den auch hier relevanten Rechtsfragen im Zusammenhang mit den gegenständlichen Zirbenprodukten und dem Tirol‑Logo bzw dem „Original“-Werbezusatz befasst.
[9] 1.1. In der Entscheidung 4 Ob 156/21a wurde zum Tirol‑Logo Folgendes ausgesprochen:
1. Der Senat hat im Bereich des § 2 UWG bereits mehrfach ausgesprochen, dass ein irreführender Gebrauch eines Kennzeichens auch von Mitbewerbern geltend gemacht werden kann, die nicht über das entsprechende Kennzeichenrecht verfügen (vgl RS0126780; 17 Ob 19/11k, ORAL‑B [Pkt C.1.1.] jeweils § 2 Abs 3 Z 1 UWG [betreffend Imitationsmarketing]). Daran ist auch hier anzuknüpfen.
2. In der referierten Rechtsprechung wurde die Bejahung der Irreführung durch die Verwendung verwechslungsfähiger Zeichen davon abhängig gemacht, dass ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise die nachgeahmte Gestaltung kennen und als Hinweis auf die Herkunft aus einem anderen Unternehmen verstehen muss (4 Ob 199/19x, Kronen der Habsburger; 4 Ob 227/12d, Tico Pop‑Lutscher [Pkt 1.]; vgl auch RS0126781). Die Rechtsprechung folgt hier den Grundsätzen zur Verwechslungsgefahr im Markenrecht (17 Ob 10/11m, Jungle Man). Diese Judikatur kann auch im streitgegenständlichen Fall angewendet werden.
3. Nach den vom Rekursgericht iSd § 269 ZPO als offenkundig angenommenen, vom Revisionsrekurs nicht bestrittenen Umständen ist das Tirol‑Logo weithin bekannt und wertgeschätzt. Es wird von den angesprochenen Verkehrskreisen als „offizielles“ Logo wahrgenommen, das die Ansicht des Inhabers zum Ausdruck bringt, die so gekennzeichneten Produkte erfüllten den genannten Förderzweck. Unter diesen Umständen hat das Rekursgericht zutreffend eine Irreführung nach § 2 UWG bejaht. Das Fehlen einer objektiven Prüfung und fortlaufender Kontrolle ändert nichts daran, dass die Verbraucher das derart positiv besetzte Logo nach den unbekämpft gebliebenen Annahmen des Rekursgerichts als besondere staatliche bzw staatsnahe Auszeichnung erkennen. Wenn das Logo auf einem Produkt angebracht ist, werden sie annehmen, der Verwender sei dieser Auszeichnung nach Ansicht des Inhabers würdig. Ob, wie die Revisionsrekurswerber vortragen, die Voraussetzungen inhaltlich eingehalten werden, ändert nichts daran, dass Verbraucher von staatlichen bzw staatsnahen Stellen verliehenen Auszeichnungen gerade deswegen besondere Sympathie entgegenbringen, weil sie die Wertschätzung des Landes zum Ausdruck bringen (vgl OPMS Om 12/11 [Pkt 4.4]; 4 Ob 29/15s, Blutzuckermessgeräte). Diese Wertschätzung des Landes wird der Erstbeklagten aber aktuell nicht mehr zuteil. Dass sie ehemals lizenzberechtigt war, ändert daran nichts (vgl Obergfell in Fezer/Büscher/Obergfell, dUWG³, Anhang zu § 3 Abs 3 Nr 2 Rz 45). Dadurch steigert sich die Irreführungseignung sogar noch insofern, als Verbraucher bei rechtskonformem Verhalten anderer, ehemals ausgezeichneter Unternehmer, zwangsläufig annehmen müssen, die Beklagte sei aktuell noch ein der Auszeichnung würdiges Unternehmen. Dies kann sie ohne Zweifel dazu veranlassen, den Produkten der Beklagten den Vorzug gegenüber Konkurrenzprodukten zu geben und sie somit zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten.
4. Soweit der Revisionsrekurs die Relevanz der Irreführung deswegen bestreitet, weil das Logo auf den Verpackungen nur klein gedruckt sei, ist auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts zu verweisen. Der Verkehr ist es gewöhnt, dass Auszeichnungen auf Produktverpackungen nicht übermäßig groß abgebildet werden. Die Größe der Abbildung einer Auszeichnung korreliert nach seinem Verständnis nicht mit der Größe der Wertschätzung des Auszeichnenden.
5. Diese – nicht unerhebliche – Irreführungseignung besteht unabhängig davon, ob die Marke für deren Inhaber marken- oder kennzeichenrechtlichen Schutz genießt. Es mag zwar zutreffend sein, dass die gegenständliche Marke nicht geeignet ist, als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten anderen Unternehmen zu dienen (vgl EuGH Rs C‑689/15 , Gözze; 4 Ob 237/17g, Kürbiskernöl IV sowie 4 Ob 169/20i, Genussregion Österreich [Rz 45 f]). Dies ist hier aber aufgrund der bescheinigten Irreführung (siehe oben 3.) nicht von Relevanz. Ein allfälliges Erlöschen des marken- und wettbewerbsrechtlichen Ausschließlichkeitsrechts hat keinen Einfluss auf die vorliegende Irreführung.
[10] 1.2. In der Entscheidung 4 Ob 25/22p wurde zu den (auch) hier relevanten Fragestellungen wie folgt judiziert:
2.1. Bei der Prüfung, ob Wiederholungsgefahr vorliegt, darf nicht engherzig vorgegangen werden (RS0037673). Hat der Beklagte bereits gegen das Gesetz verstoßen, wird sie grundsätzlich vermutet (RS0037661); für den ausnahmsweisen Wegfall der Wiederholungsgefahr trifft ihn dann die Beweislast (RS0005402). Er muss daher besondere Umstände dartun, die eine Wiederholung seiner Handlung als ausgeschlossen erscheinen lassen (RS0080065; 4 Ob 156/20z mwN).
2.2. Nach der Rechtsprechung wird der Wegfall der Wiederholungsgefahr in der Regel nur dann angenommen, wenn der Verletzer einen den gesamten Unterlassungsanspruch (samt dem berechtigten Veröffentlichungsanspruch) umfassenden, an keinerlei Bedingungen und Einschränkungen geknüpften gerichtlichen Unterlassungsvergleich anbietet bzw abschließt und nach den Umständen keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit seiner Willensänderung bestehen (RS0079962; RS0079898).
2.3. Im vorliegenden Fall hat die Erstbeklagte unstrittig ihre Produkte online mit dem „Tirol“‑Logo und dem „Original“‑Zusatz beworben (Beilage ./L) und damit einen Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 2 UWG begangen. Wenn sie danach auch diese Lichtbilder „unwiederbringlich“ löschte, so ist damit noch nicht dargetan, dass eine Wiederholung dieser Wettbewerbshandlung ausgeschlossen ist, sind doch Internetdaten bekanntlich stets reproduzierbar. Zur Bejahung der Wiederholungsgefahr genügt die ernste Besorgnis weiterer Eingriffe in die vom Kläger behaupteten Rechte (RS0037673). Nach dem Verhalten der Erstbeklagten in seiner Gesamtheit, das eine eindeutige Anerkennung der Lauterkeitswidrigkeit des von ihr gesetzten Verhaltens vermissen lässt, ist diese Gefahr nicht ausgeräumt (vgl RS0012087).
[11] 2.1. Zum Tirol-Logo ist zunächst auf die obigen Ausführungen in den Vorentscheidungen zu verweisen. Die Erstbeklagte hat unstrittig am 5. 6. 2021 unzulässigerweise mit dem Tirol‑Logo geworben. Die nachträgliche (befristete) Lizenzeinräumung kann an der Verwirklichung des Unlauterkeitstatbestands des § 2 UWG zum genannten Datum nichts ändern.
[12] 2.2. Für die Wiederholungsgefahr spricht die Vermutung, dass derjenige, welcher gegen das UWG verstoßen hat, hiezu neuerlich geneigt sein wird. Er hat daher jene besonderen Umstände darzutun, die eine Wiederholung seiner Handlung als völlig ausgeschlossen oder doch äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (RS0080065). Im Unterlassungsprozess ist der Beklagte für den Wegfall der Wiederholungsgefahr behauptungs‑ und beweispflichtig (RS0005402). Als Indiz für das Vorhandensein einer Wiederholungsgefahr ist es zu werten, wenn der Beklagte im Prozess seine Unterlassungspflicht bestreitet und keine Gewähr dafür besteht, dass er Rechtsverletzungen in absehbarer Zeit unterlässt (RS0012055).
[13] 2.3. Die Erstbeklagte hat nicht dargetan, dass eine Wiederholung ihrer Handlung ausgeschlossen oder äußerst unwahrscheinlich ist und überdies bestritt sie im Verfahren ihre Unterlassungspflicht. Es ist daher auch in diesem Verfahren vom Fortbestehen der Wiederholungsgefahr hinsichtlich der unzulässigen Verwendung des Tirol‑Logos auszugehen.
[14] 3.1. „Original“ wird nicht nur als Hinweis auf eine bestimmte geografische Herkunft, sondern auch auf eine bestimmte Beziehung zum Namensträger verstanden (4 Ob 291/98t), sowie als Hinweis auf eine bestimmte Herstellungsart oder auf den ersten Erzeuger oder Urheber, nach dessen originären Vorgaben gefertigt wurde (Anderl/Appl in Wiebe/Kodek, UWG2 § 2 Rz 266). Die Bezeichnung einer Ware als Original ist dann unbedenklich, wenn sie vom so bezeichneten Hersteller stammt oder in einer besonderen Beziehung zum Namensträger steht (4 Ob 48/01i).
[15] 3.2. Im vorliegenden Fall bewarb die Erstbeklagte das Produkt als „Original Zirben Gute Nacht Set“, welches ein Stück „Original Tiroler Zirbenkissen“ enthalte. Es wurde daher nicht der Konnex zum Herstellerunternehmen – wenngleich dieses ebenfalls in der Produktabbildung aufscheint – hervorgehoben, sondern die Originalität des Produkts, die allerdings nicht vorliegt. Damit ist die von der Klägerin beanstandete Irreführung gegeben.
[16] 3.3. Dass die Bewerbung mit dem Original‑Zusatz nur irrtümlich erfolgte, kann im Zusammenhang mit dem Gesamtverhalten der Erstbeklagten und der Bestreitung ihrer Unterlassungspflicht nichts am Bestehen der Wiederholungsgefahr ändern (vgl RS0012055).
[17] Dem Revisionsrekurs der Klägerin ist daher Folge zu geben und die begehrte einstweilige Verfügung gegen die Erstbeklagte zu erlassen.
[18] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 43 Abs 1, 50 ZPO.
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