OGH 17Ob10/11m

OGH17Ob10/11m10.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Thomas Fraiß, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei L*****, vertreten durch Dr. Irina Schiffer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung, Beseitigung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 54.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 18. November 2010, GZ 2 R 188/10d‑16, womit der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 23. September 2010, GZ 59 Cg 146/10m‑8, berichtigt mit Beschluss vom 27. September 2010, GZ 59 Cg 146/10m‑9, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0170OB00010.11M.0510.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.117,08 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 186,18 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Beide Streitteile vertreiben über das Internet unter anderem Aloe‑Vera‑Produkte und Parfums.

Die Beklagte vertreibt unter anderem einen „Herrenduft“ mit der Bezeichnung „Jungle Man“ (Eau de Parfum). Sie bewirbt dieses Produkt im Internet und auch in einer Broschüre unter Verwendung des Kennzeichens

 

Für die P***** AG ***** sind unter anderem die internationalen Marken IR503771 (seit 10. Juni 1986) und IR582886 (seit 22. Juli 1991) geschützt. Der Schutzbereich bezieht sich auch auf Österreich und unter anderem auch auf Parfum, Eau de Parfum ua. Die Wortbildmarke sieht wie folgt aus:

 

 

 

 

 

Die P***** AG ***** vertreibt „Puma Düfte“ unter Verwendung ihrer Wortbildmarke unter anderem über ihre Website www.puma‑duefte.at auch in Österreich. Der Vertrieb hat jedenfalls noch im August 2010 stattgefunden. Dass die Markeninhaberin der Beklagten die Zustimmung erteilt hätte, für die Produktlinie „Jungle Man“ ein Logo mit dem über den Schriftzug springenden Raubtier ‑ wie oben dargestellt ‑ zu verwenden, konnte nicht festgestellt werden.

Die Klägerin beantragt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens, der Beklagten zu verbieten, das Zeichen

 

oder ein verwechselbar ähnliches Zeichen im Zusammenhang mit der Werbung für/oder den Vertrieb eines Eau de Parfum ohne Zustimmung der P***** AG kennzeichenmäßig zu verwenden. Die Beklagte vertreibe in Österreich unter anderem einen „Herrenduft“ unter Verwendung des genannten Zeichens, das mit den Marken der P***** AG verwechslungsfähig ähnlich sei. Die Beklagte nütze nicht nur eine berühmte Marke unzulässigerweise aus, die Benutzung des Kennzeichens sei darüber hinaus irreführend, weil Verwechslungsgefahr mit den P*****‑Marken bestehe (§ 2 Abs 3 Z 1 UWG).

Die Beklagte wendete ein, das Zeichen „Jungle Man“ werde zulässigerweise benutzt. Die Klägerin habe nicht bescheinigt, dass die bereits außerhalb der Benutzungsschonfrist befindlichen älteren Marken rechtserhaltend benutzt worden seien. Zum Nachweis einer rechtserhaltenden Benutzung müsste die Markeninhaberin Umsatzzahlen der letzten fünf Jahre für alle Waren vorlegen. Die Klägerin habe auch nicht bescheinigt, dass die älteren Marken in Bezug auf die hier relevanten Waren eine überdurchschnittliche Verkehrsbekanntheit hätten. Weder Verwechslungsgefahr noch Irreführungseignung bestünden. Die Klägerin könne sich zur Geltendmachung von wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen nicht auf fremde Ausschließlichkeitsrechte berufen. Überdies habe der Konzern der Beklagten mit der P***** AG einen Vertrag über die „Verwendung des Logos“ geschlossen.

Das Erstgericht untersagte der Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Verwendung des Zeichens oder eines verwechselbar ähnlichen Zeichens im Zusammenhang mit der Werbung für/oder den Vertrieb eines Eau de Parfum ohne Zustimmung der P***** AG. Verwechslungsgefahr mit der bekannten Bildmarke der P***** AG liege vor, damit auch eine irreführende Geschäftspraktik iSd § 2 Abs 3 Z 1 UWG.

Das Rekursgericht wies den auf Unterlassung der Zeichenverwendung gerichteten Sicherungsantrag ab und sprach ‑ nach Abänderungsantrag der Klägerin ‑ aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und der Revisionsrekurs mangels Rechtsprechung nach der UWG‑Novelle 2007 zur behaupteten Irreführung zulässig sei. Die Verletzung des Markenrechts könne nur vom Berechtigten, nicht jedoch vom Mitbewerber geltend gemacht werden. Dem Inhaber einer eingetragenen Marke stehe es frei, einzelnen Wettbewerbern Nutzungsrechte einzuräumen oder aber zu verweigern. Die Klägerin sei nicht befugt, eine allfällige Verletzung des Markenrechts der P***** AG als Lauterkeitsverstoß geltend zu machen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Aktivlegitimation nach § 3 Abs 2 Z 1 UWG besteht, aber nicht berechtigt.

Die Klägerin stützt sich in dritter Instanz nur noch auf das Vorliegen einer irreführenden Geschäftspraktik iSd § 2 Abs 3 Z 1 UWG. Es ist in diesem Fall daher nicht zu untersuchen, ob die Rechtsprechung zur Klagelegitimation des Mitbewerbers bei Verletzung eines Ausschließlichkeitsrechts eines Dritten als Verstoß gegen § 1 UWG auch nach der UWG‑Novelle 2007 fortzuschreiben ist (vgl Gamerith, Wettbewerbsrechtlicher Kennzeichenschutz durch die RL‑UGB, ÖBl 2008, 174 [179]).

Gemäß § 2 Abs 3 Z 1 UWG gilt jegliche Vermarktung eines Produkts einschließlich vergleichender Werbung, die eine Verwechslungsgefahr mit einem Produkt oder Unternehmenskennzeichen eines Mitbewerbers begründet, als irreführende Geschäftspraktik, wenn sie geeignet ist, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Diese Bestimmung wurde durch die UWG‑Novelle 2007 in Umsetzung des Art 6 Abs 2 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG ) hinzugefügt. Danach ist eine Geschäftspraxis irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er ansonsten nicht getroffen hätte, und die eine Art der Vermarktung eines Produkts, einschließlich vergleichender Werbung enthält, die eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt, Warenzeichen, Warennamen oder anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers begründet.

Nach den Materialien zur UWG‑Novelle 2007 war die Umsetzung der in Art 6 Abs 2 der RL‑UGP enthaltenen Irreführungstatbestände schon wegen der unterschiedlichen Klagelegitimation (§ 14 UWG) erforderlich (EBzRV 144 BlgNR 23. GP  5 zu Z 3). Der österreichische Gesetzgeber geht demnach davon aus, dass nicht nur der Markeninhaber oder ein Lizenznehmer klagebefugt ist.

Dies entspricht der herrschenden Lehre: Wer durch die Nachahmung eines fremden Produkts oder durch die Verwendung eines dem Kennzeichen eines Mitbewerbers ähnlichen Warenzeichens eine Verwechslungsgefahr mit diesem Produkt hervorruft, kann nicht nur vom betroffenen Unternehmer, sondern auch von seinen Mitbewerbern auf Unterlassung und bei Verschulden auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden (Gamerith aaO 178 f; Wiltschek/Majchrzak, Die UWG‑Novelle 2007, ÖBl 2008, 1 [11]; Gumpoldsberger/Baumann, UWG Ergänzungsband § 2 Rz 62 ff; Anderl/Appl in Wiebe/G. Kodek, Kommentar zum UWG § 2 Rz 460).

Die herrschende Auffassung in Deutschland stimmt damit überein. So weist Bornkamm (in Köhler/Bornkamm, UWG28 § 5 Rz 1 Pkt 85 ff) darauf hin, dass im Fall einer Markenverletzung nun der Anspruch des Markeninhabers mit denen eines Verbraucherverbands, eines Wettbewerbsvereins oder eines Mitbewerbers konkurrieren könnte. Mitbewerber könnten sogar Schadenersatz verlangen, obwohl sie weder Inhaber noch Lizenznehmer des verletzten Zeichens seien. Es müsse akzeptiert werden, dass viele Fälle der Marken‑ oder Kennzeichenverletzung auch als irreführende geschäftliche Handlung verfolgt werden könnten. Weiters sei hinzunehmen, dass es nicht allein in der Hand des Schutzrechtsinhabers liege, ob ein marken‑ oder kennzeichenverletzendes Verhalten untersagt werde oder nicht.

Für den vorliegenden Fall folgt daraus, dass die Klägerin aktiv legitimiert ist. Denn ein Verstoß gegen § 2 Abs 3 Z 1 UWG kann von allen in § 14 Abs 1 und 2 UWG genannten Personen klageweise geltend gemacht werden.

§ 2 Abs 3 Z 1 UWG erfasst sowohl die irreführende Produktvermarktung, die zu einer Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt eines Mitbewerbers führt (Produktnachahmung, vgl 17 Ob 7/09t = ÖBl 2010, 20 ‑ Das blaue Wunder) als auch die irreführende Produktvermarktung, die zu einer Verwechslungsgefahr mit einem Kennzeichen eines Mitbewerbers führt (Kennzeichennachahmung, Gumpoldsberger/Baumann aaO § 2 Rz 50 f).

In materieller Hinsicht verlangt § 2 Abs 3 Z 1 UWG Verwechslungsgefahr und die Eignung, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, hat sich an den für § 9 UWG aufgestellten Grundsätzen zu orientieren (Anderl/Appl aaO Rz 461). Diese entsprechen den für die Beurteilung eines Markeneingriffs aufgestellten Grundsätzen, wobei für diese wiederum ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab gilt (RIS‑Justiz RS0121482). Bei Beurteilung der Verwechslungsgefahr sind alle Umstände des Einzelfalls umfassend zu berücksichtigen. Dabei ist auf die Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere den Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt und den Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und den Grad der Gleichartigkeit zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen Bedacht zu nehmen (RIS‑Justiz RS0121482, RS0121500).

Für den Ähnlichkeitsvergleich sind die einzelnen Zeichenbestandteile nicht isoliert zu betrachten und dürfen nicht nur die nicht übereinstimmenden Zeichenteile zugrunde gelegt werden; vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welcher Einfluss auf den Gesamteindruck des Zeichens den einzelnen Markenteilen zukommt (RIS‑Justiz RS0066753). Stehen bei einer Wortbildmarke die bildlichen und die wörtlichen Bestandteile mehr oder weniger gleichberechtigt nebeneinander, dann sind nicht nur jene Zeichen als mit dieser Marke verwechselbar ähnlich anzusehen, die nach ihrem Gesamteindruck eine Verwechslungsgefahr hervorrufen, sondern auch jene, die entweder nur die bildlichen oder nur die wörtlichen Teile dieser Marke in verwechselbarer Weise wiedergeben (RIS‑Justiz RS0066748). Ob das verwendete Zeichen der Marke des Konkurrenten in Bild, Klang oder Bedeutung ähnlich ist, richtet sich nach dem Gesamteindruck, den Marken und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen. Entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren‑ oder Dienstleistungsart, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet (RIS‑Justiz RS0117324). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die beiden Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrgenommen werden und dass der Grad der Aufmerksamkeit von der Art der Ware oder Dienstleistung abhängt (4 Ob 154/06k; 17 Ob 23/07t).

Die Irreführung durch Verwendung verwechslungsfähiger Zeichen ist nach den tatsächlichen Marktverhältnissen zu beurteilen. Sie setzt voraus, dass die Marken tatsächlich benutzt werden und zumindest eine gewisse Verkehrsbekanntheit erlangt haben, weil sonst eine Irreführung der angesprochenen Kunden durch Verwendung eines gleichartigen Zeichens ausscheidet.

Nach dem bescheinigten Sachverhalt verwendet die Markeninhaberin ihre aus Wort und Bild bestehende Marke zur Kennzeichnung eines Parfums, weitere Behauptungen zu Art und Umfang der Markenverwendung hat die Klägerin nicht aufgestellt. Die Frage der Verwechslungsgefahr kann daher nur aufgrund der jeweils verwendeten Zeichen beurteilt werden.

Im vorliegenden Fall unterscheiden sich die Wortbestandteile der beiden Zeichen deutlich („Jungle Man“ und „Puma“). Da sich der Geschäftsverkehr bei aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen meist an dem Wort orientiert, da vor allem dieses im Gedächtnis bleibt, ist das Wort, insbesondere wenn es ‑ wie auch in diesem Fall - unterscheidungskräftig ist, für den Gesamteindruck maßgebend (RIS-Justiz RS0079190).

Den Bildbestandteilen der beiden Zeichen kommt daher untergeordnete Bedeutung zu. Auch diese unterscheiden sich von einander, wenn auch nicht so augenfällig wie die Wortbestandteile. Zwar ist jeweils eine springende Raubkatze abgebildet, die Sprungrichtung ist aber verschieden (nach links oder rechts). Unterschiede bestehen ferner im Grad der Stilisierung der Darstellung und auch im Winkel des nach oben gerichteten Körpers und des Schweifs. Diese Details treten zwar bei gebotener Beurteilung des Gesamteindrucks gegenüber dem maßgeblichen ins Auge fallenden charakteristischen und im Wesentlichen gleichartigen Umriss in den Hintergrund. Neben der Sprungrichtung fällt aber auch die Darstellung einmal in Weiß auf schwarzem Grund und andererseits in Schwarz auf weißem Grund ins Auge. Die Verwechslungsgefahr zwischen den hier zu beurteilenden Zeichen ist daher zu verneinen.

Da sich das auf die Zeichenverwendung beziehende Unterlassungsgebot somit als unberechtigt erweist, musste dem Revisionsrekurs ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1 ZPO (Bemessungsgrundlage 18.000 EUR).

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