OGH 4Ob77/09s

OGH4Ob77/09s29.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Peter S*****, vertreten durch Großmann und Wagner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Gerhard Mitteregger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert 2.100 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 7. Jänner 2009, GZ 5 R 178/08w-13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hartberg vom 13. Juni 2008, GZ 2 C 134/08s-9, als nichtig aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte, es werde mit Wirkung zwischen ihm und dem beklagten Verein festgestellt, dass Punkt 2. des Vorstandsbeschlusses vom 22. 7. 2007, in eventu der Vorstandsbeschluss vom 8. 4. 2008, wegen sittenwidrigen Inhalts unwirksam sei.

Die angefochtenen Beschlüsse ordnen an, dass tierärztliche Untersuchungen an vom Beklagten betreuten nordischen Hunderassen für die Zuchtzulassung und Nachzucht durch Tierärzte/innen, die als Ehe- oder Lebenspartner/innen im gemeinsamen Haushalt mit Besitzer/innen bzw Züchter/innen leben oder mit diesen in einem nahen Verwandtschaftsverhältnis stehen, im Rahmen der Zucht- und Eintragungsordnung des Beklagten nicht zugelassen sind und dass Tierärzte/innen, die selbst Züchter/innen sind oder mit Züchtern in einem Naheverhältnis der angeführten Art stehen, von bestimmten, für die Zucht relevanten Untersuchungen ausgeschlossen sind. (Eine Zuchtzulassung durch den Beklagten setzt nicht zwingend die Vereinsmitgliedschaft voraus.)

Der Kläger erachtete diese Beschlüsse als gezielt auf ihn als ordentliches Mitglied erlassen, zumal er als einziges Vereinsmitglied mit einer Tierärztin verheiratet sei, welche in der Lage sei, die in den angefochtenen Beschlüssen genannten Untersuchungen durchzuführen. Die Beschlüsse seien inhaltlich sittenwidrig, eine gerichtliche Überprüfung ohne vorherige Anrufung der vereinsinternen Schlichtungsstelle zulässig.

Der Beklagte wendete die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein und bestritt das Vorliegen von Sittenwidrigkeit.

Das Erstgericht erachtete den Rechtsweg für zulässig und wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil aus Anlass der Berufung des Klägers als nichtig auf und wies die Klage zurück. Der Kläger wäre gemäß § 8 Abs 1 VerG dazu verpflichtet gewesen, zuerst die vereinsinterne Schlichtungseinrichtung mit dieser Angelegenheit zu befassen. Einer „vorschnell" eingebrachten Klage stehe das in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss als nichtig aufzuheben und dem Rekursgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

Der Rekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Der Kläger macht geltend, dass es nicht um Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis gehe, da sich der Vorstandsbeschluss sowohl gegen Tierärzte als auch gegen Züchter richte, unabhängig davon, ob sie Vereinsmitglieder seien oder nicht. Er wirke sich auf alle Tierärzte/innen, die nordische Hunderassen ärztlich betreuten sowie auf alle Züchter/innen, die sich auf die nordische Hunderasse spezialisiert hätten, unmittelbar aus.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wurde erwogen:

1.1. Nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss des Berufungsgerichts der Rekurs (jedenfalls) zulässig, soweit das Berufungsgericht - wie im vorliegenden Verfahren - die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat (6 Ob 280/08g mwN).

1.2. Einer Klage steht das gemäß § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen, wenn sie in einer Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis nach § 8 Abs 1 VerG vor dem Verstreichen von sechs Monaten seit Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung eingebracht worden ist, außer das Schlichtungsverfahren endete bereits vor der Klagseinbringung (RIS-Justiz RS0122426).

2. Der Kläger vermeint - entgegen § 8 Abs 1 VerG -, auf die vorherige Anrufung der vereinsinternen Schlichtungsstelle verzichten zu können, weil es sich um einen sittenwidrigen Beschluss handle und weil sich dieser nicht nur an Vereinsmitglieder richte.

2.1.1. Die hM macht von der temporären Unzulässigkeit des Rechtswegs lediglich dann eine Ausnahme, wenn die vorherige Anrufung der vereinsinternen Schlichtungsstelle für die betroffene Partei nicht zumutbar ist. Eine solche Unzumutbarkeit wird insbesondere bei einem Verstoß gegen die in § 8 Abs 2 VerG angesprochenen Grundsätze des fair trial nach Art 6 MRK gesehen (4 Ob 150/07y; Peter G. Mayr, Vereinsstreitigkeiten zwischen Schlichtungseinrichtung, Gericht und Schiedsgericht, ÖJZ 2009/61).

2.1.2. Ein weiterer Fall der Unzumutbarkeit der Anrufung der Schlichtungsstelle wurde auch angenommen, wenn ein Beschluss im Anfechtungszeitpunkt unrevidierbar wäre und die Anrufung der Schlichtungsstelle daher ein bloßer Formalakt ohne jede Möglichkeit einer Streitschlichtung bleiben müsste (7 Ob 139/07b).

2.1.3. Im vorliegenden Fall wird vom Kläger weder eine Verletzung des fair trial aufgezeigt (die Anfechtung des Vorstandsbeschlusses wegen Verfahrensmängeln wurde nicht aufrecht erhalten [AS 38]), noch dass der angefochtene Beschluss unrevidierbar wäre. Die geltend gemachte Sittenwidrigkeit ist im Hinblick darauf, dass der Vorstandsbeschluss den Zivilverfahrensnormen nachgebildete Befangenheitsregelungen trifft, nicht zu erkennen, sodass von einer Unzumutbarkeit der vorherigen Anrufung der vereinsinternen Schlichtungsstelle wegen Vorliegens eines „besonderen Ausnahmefalls" (vgl 8 Ob 78/06p) nicht die Rede sein kann.

2.2.1. Soweit der Kläger geltend macht, dass sich der angefochtene Beschluss nicht nur an Vereinsmitglieder richte, ist ihm zu entgegnen, dass diesem Aspekt hier keine Bedeutung zukommt. Entscheidend ist, ob die Streitigkeit zwischen dem Kläger und dem Verein - nach dem Klagesachverhalt - ihre Wurzeln in der Vereinsmitgliedschaft hat (4 Ob 146/07k = JBl 2008, 51; 7 Ob 52/08k, 4 Ob 73/09b).

2.2.2. Das hier zu beurteilende Klagebegehren ist auf Feststellung der Unwirksamkeit von Beschlüssen der Vereinsleitung gerichtet. Gemäß § 7 Satz 3 VerG ist jedes von einem Vereinsbeschluss betroffene Vereinsmitglied - und somit nicht jeder Dritte, auf den sich einzelne Wirkungen des Beschlusses erstrecken mögen - zur Anfechtung berechtigt (vgl Krejci/Bydlinski/Rauscher, Vereinsgesetz 2002 § 7 Rz 18). Schon daraus ergibt sich der enge Zusammenhang zwischen der klagsgegenständlichen Streitigkeit und der Vereinsmitgliedschaft des Klägers.

2.3. Die vom Kläger letztlich ins Treffen geführte Rechtsprechung, wonach trotz des weiten Verständnisses des Begriffs der „Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis" im Sinne des § 8 Abs 1 VerG 2002 nicht schlechthin alle privatrechtlichen Ansprüche eines Vereinsmitgliedes gegen den Verein oder ein anderes Vereinsmitglied erfasst seien (2 Ob 273/06w), unterstützt seinen Rechtsstandpunkt nicht, zumal hier von einem „selbstständigen vertraglichen Schuldverhältnis, für dessen Zustandekommen die Vereinszugehörigkeit (des Klägers) nicht denknotwendige Voraussetzung ist" (2 Ob 273/06w) nicht die Rede sein kann.

3. Zusammenfassend ergibt sich, dass das Berufungsgericht mangels vorheriger Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung durch den Kläger zu Recht von der (temporären) Unzulässigkeit des Rechtswegs ausgegangen ist.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO.

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