OGH 8Ob78/06p

OGH8Ob78/06p21.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm B*****, vertreten durch Dr. Arthur Mikesi, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei H***** W*****, vertreten durch Dr. Hans Otto Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 7.270,--) infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. März 2006, GZ 35 R 804/05b-27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 28. September 2005, GZ 22 C 754/04i-22, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der ordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 499,39 (darin enthalten EUR 83,23 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein, dessen „Sektion Schießen" sich dem Schießsport widmet.

In den Vereinsstatuten heißt es unter § 6 „Beendigung der Mitgliedschaft":

„(3) Ein Mitglied kann vom Vorstand mit einfacher Stimmenmehrheit wegen Verlust der Unbescholtenheit ausgeschlossen werden. Der Ausschluss eines Mitgliedes bedarf der Zweidrittelmehrheit, wenn der Ausschließungsantrag mit unehrenhaftem Verhalten oder Verletzung der Mitgliedschaft begründet wird.

...

(6) Gegen den Ausschluss eines Mitgliedes oder die Aberkennung der Ehrenmitgliedschaft ist innerhalb eines Monates nach Zustellung des diesbezüglichen Beschlusses die Berufung an das Schiedsgericht zulässig, bis zur Entscheidung des Schiedsgerichtes ruhen die Mitgliedsrechte."

Die Absätze (4) und (6) des § 13, der Regelungen über den Vereinsvorstand enthält, zu dessen Aufgaben nach § 14 (c) auch die Aufnahme, der Ausschluss und die Streichung von Mitgliedern zählen, regelt die Beschlussfähigkeit und die Beschlussfassung des Vereinsvorstandes:

„(4) Der Vereinsvorstand ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder mindestens eine Woche vorher schriftlich oder mündlich geladen wurden und mindestens die Hälfte der Mitglieder erschienen ist. Ist der Vorstand zur festgesetzten Stunde nicht beschlussfähig, so findet die Versammlung 30 Minuten später mit derselben Tagesordnung statt, die ohne Rücksicht auf die Anzahl der Erschienenen beschlussfähig ist. Im Falle der Verhinderung kann der Sektionsleiter als Vertreter ein schriftlich namhaft gemachtes Mitglied seiner Sektion entsenden.

...

(6) Der Vereinsvorstand fasst alle Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Behandlung des Antrages auf Ausschluss eines Mitgliedes kann die überstimmte Minderheit das Schiedsgericht anrufen, dessen Entscheidung ist für den Vorstand bindend."

§ 17 enthält Regelungen über das „Schiedsgericht":

„(1) Über Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis sowie bei Ausschluss eines Mitgliedes oder Aberkennung der Ehrenmitgliedschaft entscheidet bei Anrufung das Schiedsgericht.

(2) In das Schiedsgericht werden von jeder Streitpartei zwei ordentliche Vereinsmitglieder als Schiedsrichter entsandt. Als Streitpartei gelten im Fall eines Ausschlusses oder der Aberkennung der Ehrenmitgliedschaft der Ausgeschlossene bzw diejenige Person, welcher die Ehrenmitgliedschaft aberkannt wurde, sowie der Antragsteller. Diese wählen ein weiteres Mitglied zum Vorsitzenden. Kann über die Person des Vorsitzenden keine Stimmeneinhelligkeit erzielt werden, so entscheidet das Los.

(3) Das Schiedsgericht fasst seine Beschlüsse bei Anwesenheit aller seiner Mitglieder mit einfacher Stimmenmehrheit. Seine Entscheidung ist endgültig."

In § 18 heißt es unter „Sektionen":

„(1) Zur sportlichen Betreuung der Mitglieder werden dem Vereinsvorstand als fachliche Untergliederung Sektionen ohne Rechtspersönlichkeit eingerichtet."

Der Kläger trat im Jahr 1977 der beklagten Partei in deren Sektion Schießen bei. Im Laufe der Jahre entwickelten sich Unstimmigkeiten im Verein, da die „olympischen Schützen" den „Westernschützen" Disziplinlosigkeit und Beschädigung der Schießanlagen vorwarfen. Am 17. Juni 2002 wurde im Schützenhaus Stammersdorf eine Schützenrats-Sondersitzung einberufen, bei der 16 der 23 Stimmberechtigten anwesend waren und bei der der Kläger als Schriftführer fungierte. Geleitet wurde die Sitzung vom Leiter der Sektion Schießen und Vorstandsmitglied. Grund für die Sondersitzung war, dass der Bundesfachwart der Sektion Schießen ein mit 4. Mai 2004 (gemeint: 2002) datiertes anonymes mit Maschine geschriebenes Schreiben erhalten hatte, mit dem - offenbar den „Westernschützen" zugerechnete - Schäden an den Schießanlagen behauptet wurden, welche mit handschriftlich kommentierten Lichtbilder dokumentiert waren. Aufgrund dieses Schreibens, das vom Bundesfachwart der Sektion Schießen an das Verbandspräsidium weitergeleitet wurde, wurde die Schießanlagenkommission Wien tätig. Der Leiter der Sektion Schießen verdächtigte neben zwei anderen Personen auch den Kläger, Verfasser des anonymen Schreibens gewesen zu sein und dadurch ein vereinsschädigendes Verhalten gesetzt zu haben. Der Kläger bestritt, Verfasser des anonymen Schreiben gewesen zu sein. In der Sitzung wurde besprochen, ein graphologisches Gutachten anhand der handschriftlichen Kommentierungen auf den Lichtbildern erstellen zu lassen, und beschlossen, die Mitgliedschaft der des vereinsschädigenden Verhaltens verdächtigen Personen vorerst „ruhend" zu stellen.

Tatsächlich führte eine in weiterer Folge von der Schießanlagenkommission durchgeführte Inspektion der Schießanlagen zu einer (vorübergehenden) Sperre des Schießstandes. Das graphologische Gutachten ergab, dass die Schrift auf den Lichtbildern des anonymen Schreibens mit einer Sicherheit von 6 aus 10 vom Kläger stammte. Für den 7. Oktober 2003 wurde eine Vorstandssitzung anberaumt, zu der der Kläger nicht eingeladen wurde. Die Tagesordnung der Vorstandssitzung sah keinen Punkt über eine etwaige Beschlussfassung zum Ausschluss des Klägers aus dem Verein vor. Während der Sitzung, an der zumindest 18 der 35 Vorstandsmitglieder teilnahmen, beantragte der Leiter der Sektion Schießen unter Verweis auf das von ihm in Auftrag gegebene graphologische Gutachten den Ausschluss des Klägers aus der beklagten Partei. Dieser Antrag wurde vom Vorstand in Abwesenheit des Klägers angenommen.

Mit Schreiben vom 2. November 2003 wurde dieser davon in Kenntnis gesetzt, ohne jedoch eine Ausfertigung des entsprechenden Beschlusses zu erhalten.

Der Klagevertreter forderte darauf mit Schreiben vom 14. November 2003 den Rechtsvertreter des Präsidenten mit dem Hinweis darauf, dass die Frist zur Berufungserhebung noch nicht ausgelöst sei, auf, den Antrag und den Beschluss auf Ausschluss des Klägers, die Ladungsnachweise der Mitglieder des Vorstandes sowie die Tagesordnung, die Anwesenheitsliste, das Protokoll der Vorstandssitzung am 7. Oktober 2003 und das graphologische Gutachten zu übermitteln.

Nach mehreren diesbezüglichen Urgenzen rief der Kläger mit Schreiben vom 1. Dezember 2003 „aus advokatorischer Vorsicht" das Schiedsgericht der beklagten Partei an. Schließlich übermittelte der Rechtsvertreter des Präsidenten am 10. Februar 2004 die mit 14. Oktober 2003 datierte Beschlussausfertigung zum Ausschluss des Klägers.

Der Klagevertreter forderte die beklagte Partei in der Folge auf, „zur Vermeidung von Befangenheiten" sektionsfremde Schiedsrichter in seinem Namen zu berufen (Schreiben vom 19. 2. 2004). Der damalige Vertreter der beklagten Partei forderte daraufhin wiederum den Kläger schriftlich auf (3. 2. 2004), selbst Vertreter zur Beschickung des Schiedsgerichtes zu nominieren. Der Klagevertreter (Schreiben vom 17. 3. 2004) wandte demgegenüber nochmals ein, das die Überprüfung der anstehenden Umstände nur von sektionsfremden Schiedsrichtern erfolgen könne. Im Antwortschreiben nominierte der Verein zwei Vorstandsmitglieder zur Beschickung des Schiedsgerichtes von Seiten des Vereines, worauf der Klagevertreter wiederum replizierte, dass Vorstandsmitglieder nicht als Schiedsrichter fungieren dürften. In einem weiteren Schreiben legte der Rechtsvertreter des Vereines dar, dass von beiden Parteien im Ausschlussverfahren zwei ordentliche Vereinsmitglieder als Schiedsrichter zu nominieren seien, dies von Klägerseite jedoch nicht erfolgt sei. Sollte binnen 14-tägiger Frist keine Schiedsrichterbenennung der Klägerseite erfolgen, behalte sich der Verein vor, dies ersatzweise selbst vorzunehmen, wofür ein Vorstandsmitglied - der Sektionsleiter - sowie ein ordentliches Vereinsmitglied der Sektion Schießen in Aussicht gestellt wurden. Der Kläger behielt sich dazu eine inhaltliche Stellungnahme vor, erhob jedoch statt dieser am 11. Juni 2004 die vorliegende Klage auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Vereinsausschlusses aus der beklagten Partei und des Bestehens der Mitgliedschaft des Klägers mit allen Rechten und Pflichten sowie der Verpflichtung der Beklagten zur Duldung der uneingeschränkten Ausübung der statutarischen Mitgliedsrechte des Klägers. Die Beklagte habe ihm nicht einmal die Ausschlussgründe ordnungsgemäß zur Kenntnis gebracht. Diese seien auch nicht gegeben.

Die beklagte Partei wandte auch ein, der Kläger habe vor Anrufung des Gerichtes den Instanzenzug innerhalb des Vereines noch nicht ausgeschöpft, weswegen der ordentliche Rechtsweg unzulässig sei. Habe doch der Kläger seine Mitwirkung an der Errichtung des Schiedsgerichtes verweigert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Rechtlich führte es aus, § 17 der Vereinsstatuten sehe zur Berufung gegen den Ausschluss eines Vereinsmitgliedes die Anrufung eines Schiedsgerichtes vor. Der Kläger habe diesen Instanzenzug nicht ausgeschöpft, da er der Aufforderung der Beklagten, Schiedsrichter für die Besetzung des Schiedsgerichtes zu benennen, nicht nachgekommen sei, weshalb der ordentliche Rechtsweg unzulässig sei. Weiters vertrat es die Meinung, es käme auf die sechsmonatige Frist des § 8 Abs 2 (gemeint Abs 1) VerG 2002 nicht an, da im vorliegenden Fall ein Schiedsgericht iSd § 577 Abs 1 ZPO vorläge. Das Berufungsgericht bestätigte im Ergebnis das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts, ging aber in seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, dass mangels vertraglicher Vereinbarung kein Schiedsgericht im Sinne der §§ 577 ff ZPO vorläge. Dennoch habe der Kläger den außergerichtlichen internen Instanzenzug für die Beilegung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis nicht ausgeschöpft. § 8 Abs 1 VerG sehe vor, dass, sofern das Verfahren vor der Schlichtungseinrichtung nicht vorher beendet sei, der ordentliche Rechtsweg erst nach Ablauf von sechs Monaten ab Anrufung der Schlichtungseinrichtung offen stünde. Da der Kläger aber seiner sich aus den Vereinsstatuten ergebenden Pflicht zur Mitwirkung an der Konstituierung des Schiedsgerichtes nicht nachgekommen sei, habe er die sechsmonatige Frist frühestens mit dem Schreiben vom 19. Februar 2004, mit dem der Kläger der beklagten Partei seine Nominierungsverpflichtung überband, in Gang gesetzt. Die Klageerhebung sei am 11. Juni 2004 jedoch vor Ablauf dieser Frist erfolgt.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, da zu den Fragen, welche Anforderungen an die Anrufung der Schlichtungseinrichtung nach § 8 Abs 1 VerG 2002 zu stellen sind sowie ab wann die sechsmonatige Frist dieser Bestimmung in Gang gesetzt wird, wenn die Schlichtungseinrichtung nach den Vereinsstatuten erst im Anlassfall von den Streitparteien zu bilden ist, die anrufende Streitpartei jedoch die Mitwirkung daran unterlässt, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bestünde.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Entscheidung richtet sich die ordentliche Revision. Sie ist aus dem vom Berufungsgericht bezeichneten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Soweit die Rechtsrüge zur Darstellung von Feststellungsmängeln aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung neue Tatsachen zur Anspruchsgründung geltend macht, ist sie auf das Neuerungsverbot zu verweisen (Kodek in Rechberger ZPO2 § 504 Rz 3; RIS Justiz RS0041812).

Die Rechtsrüge ist nicht berechtigt.

§ 17 der Vereinsstatuten sieht die Einrichtung eines „Schiedsgerichtes" vor, das über Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis sowie den Ausschluss oder die Aberkennung der Ehrenmitgliedschaft eines Mitgliedes bei Anrufung entscheidet. Abs 2 dieses Statutes sieht vor, dass von jeder Streitpartei jeweils zwei ordentliche Vereinsmitglieder als „Schiedsrichter" zu benennen sind, die ihrerseits ein weiteres Mitglied als Vorsitzenden zu wählen haben. Als Streitparteien gelten der Ausgeschlossene bzw derjenige, dem die Ehrenmitgliedschaft aberkannt wurde, sowie der Antragsteller. Die Anrufung ist nach § 6 Abs 6 der Vereinsstatuten innerhalb eines Monates nach Zustellung des Beschlusses über den Ausschluss bzw die Aberkennung zulässig.

Wie das Berufungsgericht richtig ausführte, ist das durch § 17 der Vereinsstatuten eingerichtete „Schiedsgericht" kein Schiedsgericht iSd § 577 ff ZPO idF BGBl. I Nr. 152/2001, da die Einrichtung eines solchen einen schriftlichen Schiedsvertrag unter Einhaltung der Formvorschriften des § 577 Abs 3 leg cit voraussetzt. Ein solcher wird durch bloßen Beitritt zu einem Verein regelmäßig nicht begründet (Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine, 163; RIS-Justiz RS0045143 mwN, etwa 6 Ob 727/78, 8 Ob 566/93). Es handelt sich vielmehr um eine Schlichtungseinrichtung iSd § 8 Abs 1 VerG 2002, sodass für Streitigkeiten über die Mitgliedschaft zum und den Ausschluss aus dem Verein (Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, aaO, 5 Ob 526/86; 8 Ob 566/93), letztlich der ordentliche Rechtsweg offen steht.

§ 8 Abs 1 VerG 2002 gebietet, dass die Statuten eines Vereines die Einrichtung einer (zwingenden) Schlichtungseinrichtung zu enthalten haben. Diese kann permanent für alle während einer bestimmten Funktionsperiode anfallenden Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis oder aber auch im Anlassfall bestellt werden, wobei die Statuten im letzteren Fall genau Auskunft über die Bestellung zu geben haben (Fessler/Keller, Kommentar zum Vereinsgesetz 2002, 104). Zweck dieser Norm ist die außergerichtliche vereinsinterne Beilegung von Vereinsstreitigkeiten vor Anrufung der ordentlichen Gerichte. Kommt es zu keiner Beendigung des Schlichtungsverfahrens innerhalb einer Frist von sechs Monaten, so kann das ordentliche Gericht angerufen werden, wodurch eine unerwünschte Verzögerung des effektiven Rechtsschutzes vermieden werden soll (RV 990 BlgNR 21. GP, 28). Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt zu § 4 Abs 2 lit g VereinsG 1951 und auch für die Rechtslage nach Inkrafttreten des Vereinsgesetzes 2002 ausgesprochen hat, ist Voraussetzung der Anrufung der ordentlichen Gerichte bei Streitigkeiten über privatrechtliche Ansprüche wie den unberechtigten Ausschluss die Ausschöpfung des in den Vereinssatzungen vorgesehenen Instanzenzuges (OGH 8 Ob 566/93, RIS-Justiz RS0045598 oder RS0045138; zuletzt 7 Ob 54/05z). Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, liegt weder eine Unzulässigkeit des Rechtsweges noch sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes, sondern ein Grund für die Abweisung des Klagebegehrens vor (7 Ob 110/00b = SZ 73/199 uva). Dies gilt auch für die neue Regelung des § 8 VereinsG 2002 (Brändle/Claus, Das österreichische Vereinsrecht, 106 Krejci/S.

Bydlinski/Rauscher/Weber-Schallauer, VerG 2002 [2002] § 8 Rz 2 und 6).

Grundsätzlich kann daher erst nach Ablauf der sechsmonatigen Frist des § 8 Abs 1 VerG 2002 eine etwaige Unrechtmäßigkeit eines Ausschlusses bzw einer Aberkennung eines Ehrentitels des Vereinsmitgliedes gerichtlich festgestellt werden.

Lediglich in besonderen Ausnahmefällen sind die ordentlichen Gerichte ohne vorherige Ausschöpfung des vereinsinternen Instanzenzuges zur Entscheidung über die Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis wegen Unzumutbarkeit der Anrufung der vereinsinternen Instanz berufen, etwa wegen eklatanten Verstoßes gegen die - aufgrund der verstärkten Grundrechtsbindung bei der Satzung von Vereinsstatuten (Fessler/Keller aaO, 105 unter Hinweis auf Heller, Der verfassungsrechtliche Rahmen der privatinternationaler Schiedsgerichtsbarkeit, 15 ff; SZ 69/23 mwN; SZ 73/199) - anzuwendenden Grundsätze des fair trial des Art 6 MRK (Brändle/Claus, aaO 107). Der Oberste Gerichtshof nahm einen solchen Verstoß durch nicht paritätische Besetzung der Schlichtungseinrichtung etwa dann an, wenn nach den Vereinsstatuten der Obmann zwei Schiedsrichter namhaft zu machen hatte, die dann ihrerseits einen Vorsitzenden zu wählen hatten (9 Ob 501/96 = SZ 69/23) oder wenn die Statuten vorsahen, dass bei Nichteinigung der benannten Schiedsrichter über den Vorsitzenden dieser durch ein Organ einer Partei des Schiedsverfahrens zu ernennen war (2 Ob 41/04z).

Diese Judikatur fand durch die Schaffung des § 8 Abs 2 VerG 2002 Eingang in das Gesetz, der nunmehr ausdrücklich regelt, dass die Statuten eines Vereines die Zusammensetzung und die Art der Bestellung der Mitglieder der Schlichtungseinrichtung unter Bedachtnahme auf deren Unbefangenheit zu regeln haben. Bei der Formulierung der Vereinsstatuten über die Schiedseinrichtung ist jedenfalls zu beachten, dass das Leitungsorgan Vorstand (bzw eines seiner Mitglieder) häufig Streitpartei ist und dass es in diesen Fällen weder selbst das zur Streitschlichtung zuständige Organ sein kann, noch auf dessen Zusammensetzung mehr Einfluss haben soll als der andere Streitteil (vgl Fessler/Keller aaO, 104). Im gegenständlichen Fall sehen die Vereinsstatuten die Benennung jeweils zweier Vereinsmitglieder durch jede „Streitpartei" vor, die wiederum ein weiteres Vereinsmitglied zum Vorsitzenden zu wählen haben. Durch die Benennung jeweils zweier Mitglieder des Vereines durch jede Streitpartei ist jedenfalls keine so massive Verletzung der Äquidistanz der Schlichtungseinrichtung zu beiden Streitteilen gegeben, dass die Anrufung im Sinne der dargestellten Rechtsprechung nicht erforderlich wäre. Die bei Inkrafttreten des Vereinsgesetzes 2002 bereits bestehenden Vereinsstatuten der beklagten Partei entsprachen den wesentlichen Erfordernissen des § 8 Abs 2 VerG 2002. Die Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung war dem Kläger somit nicht unzumutbar.

Der Gesetzgeber ging bei der Formulierung des § 8 Abs 1 VerG 2002 davon aus, dass die sechsmonatige Frist dazu dienen sollte, eine unerwünschte Verzögerung des effektiven Rechtsschutzes zu vermeiden. Es kann aber dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, damit der anrufenden Streitpartei die Möglichkeit einräumen zu wollen, durch die bloße Anrufung einer im Anlassfall erst einzurichtenden Schlichtungseinrichtung die Frist des § 8 Abs 1 VerG 2002 in Gang setzen zu können, in weiterer Folge jedoch durch die Verweigerung der Mitwirkung an der Konstituierung derselben und bloßes Verstreichenlassen der Frist die vereinsinterne Instanz zu umgehen. Dies widerspräche dem Gesetzeszweck des § 8 Abs 1 VerG 2002, die außergerichtliche vereinsinterne Beilegung von Vereinsstreitigkeiten vor Anrufung der ordentlichen Gerichte zu fördern. Durch die Vereinsstatuten trifft die Streitparteien das Recht und die Pflicht, an der Konstituierung der angerufenen Schiedseinrichtung durch die Benennung zweier Schiedsrichter mitzuwirken. Um die Gesetzesintention nicht zu vereiteln, ist § 8 Abs 1 VerG 2002 so auszulegen, dass in jenen Fällen, in denen die Schlichtungseinrichtung nach den Vereinsstatuten erst im Anlassfall von den Streitparteien zu konstituieren ist, die sechsmonatige Frist erst zu laufen beginnt, wenn die anrufende Partei die erforderliche Mitwirkung an der Konstituierung dieser Einrichtung leistet. Die bloße Anrufung des im Anlassfall einzurichtenden Schiedsgerichtes ohne statutengemäße Benennung der Schlichtungseinrichtungsmitglieder kann die sechsmonatige Frist des § 8 Abs 1 VerG 2002 noch nicht auslösen. Hier hat der Kläger jedoch im Ergebnis die nach den Vereinsstatuten erforderliche Mitwirkung verweigert. Eine Übertragung auf die Beklagte, - offensichtlich den Vereinsvorstand - ist jedenfalls hier nicht vorgesehen (vgl zur Möglichkeit Krejci/S. Bydlinski/Weber-Schallauer aaO, Rz 8) und wurde von der Beklagten unter den vom Kläger vorgesehenen Bedingungen - keine Sektionsmitglieder - auch nicht akzeptiert.

Daher führt die materiellrechtliche Einwendung der mangelnden Klagbarkeit zur Abweisung der Klage. Die zutreffend die Klage abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen waren somit zu bestätigen.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 50 und 41 ZPO.

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