European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0040OB00076.15B.0519.000
Spruch:
Beide außerordentlichen Revisionen werden mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Das Berufungsgericht verbot der Beklagten, bestimmte Tabletten in Verkehr zu bringen, solange keine Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz hiefür vorliegt, mit auf eine Arzneimittelwirkung hinweisenden und/oder im Hinblick auf eine Arzneimittelwirkung irreführenden Angaben, wie beispielsweise „bei Harnwegsinfektionen“, „die in Cranberry vorkommenden Stoffe verhindern ein Anhaften von Bakterien an der Blasenschleimhaut. So wird einer Entzündung entgegengewirkt“, „die bakterienhemmende Wirkung von Spezialextrakten aus Brunnenkresse und Meerrettich ergänzt in idealer Weise die schützende Wirkung der Cranberry auf die Blase“, „Vitamin C und D: Diese beiden Vitamine spielen eine Rolle in der körpereigenen Abwehr, die im Rahmen einer Harnwegsinfektion besonders gefordert ist“, „Harnwegsinfekten vorbeugen: ... so kommt es im besten Fall gar nicht zur Blasenentzündung“ oder sinngleichen Angaben.
Das Mehrbegehren, der Beklagten auch zu verbieten, die Tabletten als diätisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diäten) zur diätetischen Behandlung von Harnwegsinfekten mit Extrakten aus Cranberry, Brunnenkresse und Meerrettich und Vitaminen anzukündigen, zu vertreiben oder auf sonstige Weise in Verkehr zu bringen, wies das Berufungsgericht ebenso ab wie ein begehrtes Ankündigungs‑ und Vertriebsverbot der Tabletten unter Hinweis auf Arzneimittelwirkung, ein Verbot weiterer konkreter Aussagen und das hilfsweise gestellte Unterlassungsbegehren, das ein Verbot der Tabletten als Nahrungsergänzungsmittel beinhaltete.
Weiters ermächtigte das Berufungsgericht den Kläger, den klagestattgebenden Teil des Urteils in einer Sonntagsausgabe der „Kronen Zeitung“ in näher bezeichneter Weise zu veröffentlichen.
Rechtliche Beurteilung
Sowohl der Kläger, der mit seiner außerordentlichen Revision die gänzliche Klagestattgebung anstrebt, als auch die Beklagte, die die gänzliche Klageabweisung weiter verfolgt, vermögen keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
I. Zur Revision des Klägers:
Materiell‑rechtliche Erfolgsvoraussetzung für ein auf das UWG gegründetes Unterlassungsbegehren ist entweder Wiederholungs‑ oder Erstbegehungsgefahr (RIS‑Justiz RS0037456). Wiederholungsgefahr setzt voraus, dass bereits eine Rechtsverletzung stattgefunden hat (vgl RIS‑Justiz RS0009357); Erstbegehungsgefahr, dass dies unmittelbar drohend bevorsteht (RIS‑Justiz RS0115891). Das Unterlassungsgebot hat sich in seinem Umfang stets an dem konkreten Wettbewerbsverstoß zu orientieren (RIS‑Justiz RS0037645).
Um das vom Kläger angestrebte Unterlassungsbegehren des Vertriebs der Tabletten auch als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke mit Wiederholungsgefahr zu rechtfertigen, wäre Voraussetzung, dass das Produkt gleichzeitig sowohl (wegen seiner Gesamtaufmachung) als Präsentationsarzneimittel als auch (wegen seiner entsprechenden Bezeichnung und Funktion) als diätetisches Lebensmittel vertrieben werden kann. Diese Frage wurde zu 17 Ob 14/10y im Bezug auf Nahrungsergänzungsmittel ausdrücklich verneint, weil unionsrechtlich ausdrücklich festgelegt ist, dass Arzneimittel im Sinn des europäischen Arzneimittelrechts keine Lebensmittel sind (Art 2 Abs 3 lit d der VO(EG)178/2002 (Basis VO). Wird daher ein Stoff ‑ wie auch hier ‑ als Arzneimittel iSd § 1 Abs 1 Z 1 AMG auf den Markt gebracht, unterliegt er ausschließlich den Bestimmungen des Arzneimittelrechts (17 Ob 14/10y mwN; vgl Ciresa , Arzneimittelwerberecht § 33 f). Auch Präsentations-arzneimittel sind grundsätzlich den Bestimmungen des AMG zur Gänze unterworfen (RIS‑Justiz RS0051393, RS0051388).
Diesen Grundsätzen der Rechtsprechung folgt das Berufungsgericht, wenn es aus der Qualifikation der beanstandeten Tabletten als Präsentationsarzneimittel folgert, dass es sich nicht um diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke handle, weshalb der Beklagten kein Verstoß gegen die Vorschriften für solche Lebensmittel angelastet werden könne und daher auch insoweit keine Wiederholungsgefahr drohe.
Die vom Kläger ins Treffen geführte Entscheidung 4 Ob 169/11y besagt nichts anderes, zumal dort unstrittig war, dass die Beklagte das dort beanstandete Produkt als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke vermarktete. Hier brachte die Beklagte aber ‑ nach der vertretbaren Auffassung des Berufungsgerichts (siehe dazu die Ausführungen zur Revision der Beklagten) ‑ ein Präsentationsarzneimittel in Verkehr.
Ist der Beklagten (nur) vorzuwerfen, ihr Produkt als Präsentationsarzneimittel unter Verstoß gegen Bestimmungen des AMG in Verkehr gebracht und damit unlauter nach § 1 UWG gehandelt zu haben, ist das Unterlassungsgebot darauf zu beschränken, das beanstandete Produkt als Arzneimittel in Verkehr zu bringen. Der Vertrieb des Produkts ohne auf Arzneimitteleigenschaften hinweisende Aufmachung oder Bewerbung ist nicht unlauter und kann daher nicht untersagt werden (4 Ob 27/08m mwN). Der Kläger hat sich im erstinstanzlichen Verfahren darauf gestützt, dass die beanstandeten Tabletten als Präsentationsarzneimittel in Verkehr gebracht würden. Dass ihnen tatsächlich eine pharmakologische Wirkung zukomme, es sich also auch um ein Funktionsarzneimittel handle, hat er seinem Begehren nicht zugrunde gelegt.
Zur weiters bekämpften Abweisung des zwei Teilaussagen betreffenden Unterlassungsbegehrens enthält die Revision des Klägers keine inhaltlichen Ausführungen, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist (vgl RIS‑Justiz RS0043338 [T2, T20]).
II. Zur Revision der Beklagten:
Entgegen den Revisionsausführungen der Beklagten ist weder der Spruch noch die Begründung der berufungsgerichtlichen Entscheidung in sich widersprüchlich. Das Anbieten der beanstandeten Tabletten als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke wurde weder ausdrücklich noch schlüssig gestattet, sondern das diesbezügliche Klagebegehren mangels nachgewiesenen Rechtsbruchs und daher wegen fehlender Wiederholungsgefahr abgewiesen (siehe die Ausführungen zur Revision des Klägers). Die im Unterlassungsgebot beispielsweise genannten Hinweise auf die Arzneimittelwirkung gehen durchwegs weit über das hinaus, was die gesetzlichen Vorschriften für diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke vorsehen.
Einer abschließenden Klärung, ob die hier beanstandeten Tabletten den Voraussetzungen für die Qualifikation als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke entsprechen, was funktionell zu beurteilen und von der Beklagten durch anerkannte wissenschaftlichen Daten zu belegen wäre (4 Ob 169/11y), bedarf es hier nicht. Die berufungsgerichtliche Beurteilung der hier beanstandeten Bewerbung der Tabletten als Werbung mit einer Arzneimittelwirkung und daraus folgernd die Beurteilung der beanstandeten Tabletten als Präsentationsarzneimittel ist im Hinblick auf die mehrfachen konkreten Hinweise auf Heil- und Präventionswirkung jedenfalls vertretbar. Damit entspricht aber das von der Beklagten bekämpfte Unterlassungsgebot den Grundsätzen der Rechtsprechung.
Auch die berufungsgerichtliche Annahme, Wiederholungsgefahr liege ungeachtet des von der Beklagten angebotenen Teilunterlassungsvergleichs vor, steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung. Die von der Beklagten ins Treffen geführte Entscheidung 4 Ob 28/94 betraf zwei tatsächlich voneinander getrennte unterschiedliche Begehren. Hier bot die Beklagte nur die Unterlassung der beispielsweise angeführten konkretisierenden Handlungen an, ohne das allgemein gefasste Unterlassungsbegehren betreffend die Hinweise auf Arzneimittelwirkung und/oder irreführende Angaben auf eine Arzneimittelwirkung anzuerkennen. Durch das Anbot eines Teilunterlassungsvergleichs betreffend isoliert herausgegriffener Äußerungsteile kann die Wiederholungsgefahr aber nicht beseitigt werden (vgl 6 Ob 33/10m; 6 Ob 244/03f, je mwN). Abgesehen davon, dass die Beklagte die Berechtigung auch des letztlich erfolgreichen Unterlassungsbegehrens des Klägers nach wie vor bestreitet, hätte der Kläger bei Abschluss des angebotenen Teilvergleichs keineswegs das bekommen, was ihm nun zuerkannt wurde.
Die Urteilsveröffentlichung dient der Aufklärung des durch eine wettbewerbswidrige Maßnahme irregeführten Publikums (RIS‑Justiz RS0079764, RS0079820). Ob (und wenn ja in welchem Umfang) dies zu geschehen hat, wirft regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf (RIS‑Justiz RS0042967). Da gerade bei gesundheitsbezogenen Eingriffen das Aufklärungsbedürfnis besonders groß ist, ist die zuerkannte Veröffentlichung jedenfalls als vertretbar zu beurteilen (4 Ob 87/12s mwN).
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