OGH 4Ob27/08m

OGH4Ob27/08m8.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch e|n|w|c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 13. Dezember 2007, GZ 2 R 226/07f-21, mit welchem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 19. Oktober 2007, GZ 41 Cg 71/07k-13, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird teils bestätigt und teils dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt wie folgt lautet:

„Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der Beklagten bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Zigarettenattrappe '*****' im Inland ohne arzneimittelrechtliche Zulassung als Arzneimittel iSv § 1 Abs 1 AMG abzugeben und zu bewerben, dies insbesondere durch Hinweise auf die unterstützende Wirkung des darin enthaltenen Granulats bei der Entwöhnung von Nikotinsucht und auf dessen Entwicklung durch ein pharmazeutisches Institut.

Das Mehrbegehren, der beklagten Partei ganz allgemein zu untersagen, die Zigarettenattrappe '*****' vor deren arzneimittelrechtlicher Zulassung im Inland abzugeben und zu bewerben, wird abgewiesen."

Die Klägerin hat die Hälfte ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens erster Instanz vorläufig und die andere Hälfte dieser Kosten endgültig selbst zu tragen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen einen mit 585,54 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Sicherungsverfahrens erster Instanz (darin 97,59 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rekurses endgültig und die Kosten ihrer Rekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit 782,10 EUR bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung (darin 130,35 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Die Klägerin hat die Hälfte der Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig und die andere Hälfte dieser Kosten endgültig selbst zu tragen.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen einen mit 944,64 EUR bestimmten Anteil an den Kosten ihres Revisionsrekurses (darin 157,44 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Parteien vertreiben Produkte zur Unterstützung bei der Raucherentwöhnung. Beim Erzeugnis der Beklagten handelt es sich um eine als „*****" bezeichnete Zigarettenattrappe, die mit einem pharmakologisch wirkungslosen Granulat aus Menthol, Baldrian und verschiedenen Aromastoffen gefüllt ist. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung liegt dafür nicht vor.

Sowohl auf der Zigarettenattrappe als auch auf deren Verpackung befindet sich der Hinweis „Granulat entwickelt von der pharmazeutischen Abteilung der Universität Santiago de Compostela". Darüber hinaus bewarb die Beklagte ihr Produkt zunächst unter anderem wie folgt:

„*****. Die rauch- und nikotinfreie Zigarette aus der Apotheke."

„Die wesentlichen Vorteile von ***** sind die täuschend echte Nachbildung einer Zigarette und die darin enthaltenen Granulate mit patentierten Wirkstoffen. [...] Die Zusammensetzung von ***** basiert auf natürlichen Wirkstoffen, die dem Raucher auf verschiedenen Ebenen helfen sollen. Baldrian baut Stress ab und hilft gegen Nervosität. Menthol erfrischt und belebt den Geist. [...] ***** findet man in Apotheken in verschiedenen Geschmacksrichtungen [...]"

„Die verwendeten Granulate sind ein Erzeugnis des Labors der Pharmazeutischen Fakultät der Universität Santiago de Compostela (Spanien)."

In der vom Rekursgericht festgestellten „aktuellen" Werbelinie heißt es unter anderem:

„Rauchfrei durch cool smoking! Nikotinfreie Zigarette aus der Apotheke hilft beim Aufhören. Neue Chance für aufhörwillige Raucher: Eine Zigarette, die man gar nicht erst anzündet, ist ab jetzt in Apotheken erhältlich. [...]"

„***** Die rauch- und nikotinfreie Zigarette. Wenn Sie mit dem Rauchen aufhören wollen - Unterstützung bei der Raucherentwöhnung [...] Das Bedürfnis zu rauchen hat zwei Ursachen * die Sucht nach Nikotin * die Gewohnheit, sich zu beruhigen, zu belohnen, sich an etwas 'anzuhalten', abzulenken, usw. Verändern Sie Ihr Rauchverhalten, indem Sie Ihre Zigaretten gegen ***** tauschen. Der Nikotinentzug ist oft relativ rasch überwunden, was bleibt ist die Gewohnheit - hier unterstützt ***** entscheidend. [...] ***** ist kein Medikament und soll dem Raucher auf psychologischer Ebene helfen. [...]."

„Wie funktioniert *****? Verwenden Sie ***** um seltener zu herkömmlichen Zigaretten zu greifen und verändern Sie somit Ihr Rauchverhalten. Dies kann eine Entwöhnung entscheidend unterstützen! Das psychologische Bedürfnis der Raucherbewegung wird durch ***** ohne die Gefahren des Rauchens befriedigt. [...] ***** ist kein Medikament! ***** ist nicht geeignet für den Nikotinentzug! [...]."

Nach Einbringung der Klage verpflichtete sich die Beklagte gegenüber der Klägerin in einem als vollstreckbar bezeichneten Notariatsakt, ihr Produkt ausschließlich mit den - in der „aktuellen" Werbelinie bereits enthaltenen - Zusätzen „***** ist kein Medikament" und „***** dient nicht dem Nikotinentzug" zu bewerben.

Die Klägerin begehrt, der Beklagten zu untersagen, die Zigarettenattrappe im Inland vor ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung abzugeben und zu bewerben. In eventu soll der Beklagten verboten werden, die Attrappe entgegen den Bestimmungen des Medizinproduktegesetzes, insb ohne CE-Kennzeichnung, ohne vorangegangene Konformitätsbewertung und/oder ohne Erfüllung der Meldepflicht in Verkehr zu bringen. Die Attrappe sei zumindest nach der subjektiven Zweckbestimmung als Arzneimittel iSd § 1 Abs 1 Z 1 und Z 5 AMG einzustufen. Die Beklagte handle sittenwidrig iSd § 1 UWG idF vor der Novelle 2007, indem sie ihr Produkt entgegen §§ 7 Abs 1, 50a Abs 1 Z 1 AMG ohne die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung vertreibe und bewerbe. Das Eventualbegehren erhebe die Klägerin für den Fall, dass die Beklagte behaupten und beweisen sollte, dass „*****" ein Medizinprodukt iSd Medizinproduktegesetzes sei.

Die Beklagte wendet ein, ihr Produkt sei weder ein Arzneimittel noch ein Medizinprodukt, sondern ein Lebensmittel. Es diene nicht der Behandlung der Nikotinsucht, sondern der Änderung des Raucherverhaltens, indem es dem Anwender „eine Beschäftigung für Mund und Hände" verschaffe. Eine arzneimittelrechtliche Genehmigung sei daher nicht erforderlich. Zudem habe sie sich gegenüber der Klägerin in einem vollstreckbaren Notariatsakt dazu verpflichtet, das Erzeugnis ausschließlich mit einem auf die fehlende Medikamenteneigenschaft hinweisenden Zusatz zu bewerben. Daran halte sie sich nun. Der Sicherungsantrag sei zudem zu weit gefasst, da der Beklagten höchstens verboten werden könne, „*****" in einer Weise zu vertreiben, die den Eindruck eines Arzneimittels erwecke.

Das Erstgericht untersagte der Beklagten, das Produkt „*****" mit dem Zusatz „aus der Apotheke" und/oder mit den Worten „***** wirkt durch - Baldrian - baut Stress ab und hilft gegen Nervosität - Menthol - erfrischt, belebt den Geist und gibt frischen Atem" oder ähnlichen Hinweisen auf Wirkstoffe im Inland abzugeben und zu bewerben. Das Mehrbegehren und das Eventualbegehren wies es ab. Das strittige Produkt sei zwar nicht nach seiner objektiven, wohl aber nach der subjektiven Zweckbestimmung ein Arzneimittel. Das folge aus der Bezugnahme auf Wirkstoffe und aus dem Hinweis „aus der Apotheke". Das Verbot sei entsprechend zu beschränken.

Das von beiden Parteien angerufene Rekursgericht gab dem Sicherungsantrag zur Gänze statt. Weiters sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Ein Stoff sei schon dann ein Arzneimittel iSv § 1 AMG, wenn er nach Art und Form seines Inverkehrbringens dazu bestimmt sei, Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen (§ 1 Abs 1 Z 1 AMG) und/oder die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 5 AMG). Die danach maßgebende subjektive Zweckbestimmung sei nach dem Gesamteindruck der Ankündigungen zu beurteilen, wie er sich bei „flüchtiger Wahrnehmung" für einen nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Kreise ergebe. Auch in der „aktuellen" Werbelinie betone die Beklagte, ihr Produkt biete „Unterstützung" bzw „Hilfe" bei der Raucherentwöhnung. Einzelne Prospekte enthielten zwar den Hinweis, das beworbene Erzeugnis sei „kein Medikament". Ungeachtet dessen würden aber viele Adressaten zur Auffassung gelangen, die Zigarettenattrappe sei geeignet, die „Raucherentwöhnung" zu fördern und damit auch die Krankheit der Nikotinsucht - wenn auch nur in Kombination mit anderen Maßnahmen - zu heilen oder zumindest zu lindern, jedenfalls aber durch die Sucht verursachte seelische Zustände (Nervosität, Gewohnheit des „Hantierens" mit einer Zigarette) positiv zu beeinflussen. Der Hinweis, das Granulat sei an einem pharmazeutischen Universitätsinstitut entwickelt worden, werde zahlreiche Verbraucher in dieser Einschätzung bestärken. Die Zigarettenattrappe weise daher auch in jener Form, in der sie derzeit beworben werde, eine subjektive Zweckbestimmung iSd § 1 Abs 1 Z 1 und Z 5 AMG auf. Eine Auseinandersetzung mit der ursprünglichen, vom Erstgericht festgestellten Werbelinie sei deshalb entbehrlich.

Ein Lebensmittel iSd des § 1 Abs 3 Z 1 AMG liege nicht vor, weil eine Zigarettenattrappe nicht den Magen-Darm-Trakt durchlaufe und daher vom Menschen nicht „aufgenommen" werde. Zudem könnte dieser Ausnahmetatbestand, wenn überhaupt, nur eine Arzneimitteleigenschaft iSd § 1 Abs 1 Z 5 AMG verdrängen.

Das beworbene Erzeugnis sei daher ein Arzneimittel iSd § 1 Abs 1 Z 1 und Z 5 AMG. Da eine arzneimittelrechtliche Zulassung fehle, verstoße die Beklagte durch das Inverkehrbringen im Inland und durch die Bewerbung des Erzeugnisses gegen gesetzliche Bestimmungen und verschaffe sich so einen Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch.

Die Art und Weise, in der die Beklagte ihr Produkt präsentiere, begründe die Arzneimitteleigenschaft dieses Erzeugnisses. Daher habe sich das Unterlassungsgebot nicht auf die Untersagung bestimmter Werbeaussagen zu beschränken. Vielmehr seien die Abgabe und die Bewerbung des Erzeugnisses für die Dauer des Fehlens einer arzneimittelrechtlichen Zulassung ohne weitere Einschränkungen zu untersagen.

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs strebt die Beklagte die Abweisung des Sicherungsantrags an; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Nach Ergehen der Rekursentscheidung stellte das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen mit Bescheid fest, dass das Produkt nicht „unter die Definition eines Arzneimittels gemäß § 1 Abs 1 [AMG] fällt". Die Beklagte legt diesen Bescheid mit dem Revisionsrekurs vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil eine Klarstellung zur Fassung des Unterlassungsgebots bei Präsentationsarzneimitteln erforderlich ist. Er ist teilweise berechtigt.

1. Grundlage der Entscheidungen der Vorinstanzen war § 1 UWG idF vor der Novelle 2007 (BGBl I 2007/79). Diese Novelle ist seit 12. Dezember 2007 in Kraft und enthält keine Übergangsvorschriften. Nach der Rechtsprechung des Senats (4 Ob 225/07b, 4 Ob 42/08t ua) ist für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sowohl die alte als auch die neue Rechtslage maßgebend: Ein Verbot kann nur erlassen oder bestätigt werden, wenn das darin umschriebene Verhalten auch nach der neuen Rechtslage unlauter ist. Ein vor Inkrafttreten der Novelle gesetztes Verhalten begründet nur dann die Vermutung der Wiederholungsgefahr, wenn es schon zu diesem Zeitpunkt rechtswidrig war. Im Ergebnis ist ein Unterlassungsanspruch daher nur dann zu bejahen, wenn das beanstandete Verhalten sowohl gegen das alte als auch gegen das neue Recht verstieß bzw verstößt.

2. Die Klägerin macht als Mitbewerberin geltend, die Beklagte habe gegen Regelungen des Arzneimittelgesetzes verstoßen und dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern erlangt. Damit beruft sie sich auf die lauterkeitsrechtliche Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch". Zu deren Beurteilung nach neuem Recht hat der Senat in der Entscheidung 4 Ob 225/07b zusammenfassend ausgeführt:

Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist (nur) dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG idgF zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Der Unterlassungsanspruch setzt ferner voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen.

3. Auf dieser Grundlage besteht der Anspruch der Klägerin dem Grunde nach zu Recht.

3.1. Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, dass es sich beim Produkt der Beklagten um ein Präsentationsarzneimittel iSv § 1 Abs 1 Z 1 und Z 5 AMG handelt. Zwar ist es pharmakologisch wirkungslos. Für die Annahme eines Arzneimittels genügt aber schon die subjektive Zweckbestimmung (RIS-Justiz RS0051450, insb T3, T7; zuletzt etwa 4 Ob 208/06a = ÖBl-LS 2007/9 - medizinischer Disclaimer, und 4 Ob 213/06m = wbl 2007, 450 - Minucell). Dafür ist maßgebend, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Angaben zum Produkt auffassen, nicht dagegen, wie sie der Werbende verstanden wissen wollte. Es sind die zur Beurteilung von Werbeankündigungen nach § 2 UWG entwickelten Grundsätze heranzuziehen (RIS-Justiz RS0051461), insbesondere die Unklarheitenregel (4 Ob 22/04w = RdW 2004, 539 - Thunbergia Laurifolia mwN).

3.2. Die Werbeaussagen der Beklagten beschränkten sich nicht auf das im Revisionsrekurs in den Vordergrund gestellte Ersetzen der Zigarette durch eine Attrappe. Vielmehr schrieben sie auch den Inhaltsstoffen des Produkts - dem „Granulat" - eine (zumindest unterstützende) Wirkung auf den Körper zu. Das war teils ausdrücklich so formuliert („ ... baut Stress ab und hilft gegen Nervosität ... "), teils durch den Hinweis auf die Entwicklung in einer „pharmazeutischen Fakultät" (vgl dazu EuGH Rs C-369/88 - Jean Marie Delattre, Slg 1991 I 1487, Rz 41) bzw durch den Bezug in „der Apotheke" nahe gelegt. Damit musste der Durchschnittsverbraucher (zumindest) annehmen, dass das Granulat iSv § 1 Abs 1 Z 5 AMG geeignet sei, „die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen".

Teile der Werbung erfüllten darüber hinaus auch den Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 AMG. „Nervosität" oder „Stress" sind zumindest im Zusammenhang mit dem Nikotinentzug als „krankhafte Beschwerden" im Sinn dieser Bestimmung anzusehen (zu diesem Begriff VwGH 97/10/0210: von der „Normbeschaffenheit abweichende Zustände" wie etwa Schlafstörungen). Ebenfalls krankheitsbezogen sind Angaben (teilweise auch der „aktuellen" Werbelinie), die auf eine unterstützende Wirkung - und zwar mangels deutlicher Unterscheidung auch des Granulats, nicht bloß der Attrappe als solcher - bei der „Raucherentwöhnung" hinweisen. Diese Aussagen beziehen sich eindeutig auf die Behandlung einer Krankheit (Nikotinabhängigkeit).

3.3. Die Beklagte beruft sich auf § 1 Abs 3 Z 1 AMG. Danach sind „Lebensmittel gemäß Art 2 Abs 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr 178/2002" keine Arzneimittel, „sofern sie nicht nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, die Zweckbestimmungen des Abs 1 Z 1 bis 4 zu erfüllen". Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung folgt, dass die Arzneimitteleigenschaft nach § 1 Abs 1 Z 1 AMG durch das Erfüllen der Lebensmitteldefinition nicht beseitigt wird. Das stimmt mit Art 2 Abs 3 lit d der VO (EG) 178/2002 „zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit" (idF: BasisVO) überein, wonach Arzneimittel im Sinn des europäischen Arzneimittelrechts nicht unter die Lebensmitteldefinition fallen. Für Produkte, die nur aufgrund der Definition des § 1 Abs 1 Z 5 AMG als Arzneimittel anzusehen wären, ginge jedoch nach dem Wortlaut des österreichischen Rechts eine allfällige Lebensmitteleigenschaft vor.

Die Frage, ob diese Bestimmung gemeinschaftsrechtskonform ist - was nicht zuträfe, soweit Arzneimittel iSv § 1 Abs 1 Z 5 AMG unter den europäischen Arzneimittelbegriff fielen (vgl dazu Zeinhofer, Der Begriff des Arzneimittels und seine Abgrenzung von anderen Produktkategorien [2007] 212 f) -, kann hier offen bleiben. Denn schon das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, dass weder das Granulat noch die Zigarettenattrappe selbst „Lebensmittel" iSv Art 2 Abs 1 und 2 BasisVO sind.

Diese Bestimmung ist zwar sehr weit formuliert. Lebensmittel sind danach alle Stoffe, die „dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden". In der Literatur ist jedoch völlig unstrittig, dass die Aufnahme durch den Magen-Darm-Trakt erfolgen muss (Zeinhofer aaO 164 mwN auch auf ein Grünbuch der Europäischen Kommission; Meyer/Streinz, LFGB - BasisVO [2007] Art 2 BasisVO Rz 7; Meyer/Reinhart, Das neue Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - eine Mogelpackung, WRP 2005, 1437, 1441). Diese Auffassung, die nach dem natürlichen Verständnis des Begriffs „Lebensmittel" überaus nahe liegt, ergibt sich insbesondere aus der französischen und der englischen Fassung dieser Bestimmung: „to be ingested by humans" bzw „d'être ingéré par l'être humain". Das im Französischen verwendete Zeitwort „ingérer" bedeutet nach dem Wörterbuch der Académie Française (http://atilf.atilf.fr/academie9.htm) „introduire par la bouche dans les voies digestives"; es bezieht sich somit auf den Verdauungstrakt. Gleiches gilt für das englische „to ingest" (vgl dazu die Definition in www.merriam-webster.com: „to take in for or as if for digestion", dh „Aufnehmen zur oder als ob zur Verdauung").

Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Denn die - pharmakologisch freilich unwirksamen - Wirkstoffe des Granulats werden bloß eingeatmet und durchlaufen daher nicht den Magen-Darm-Trakt. Die eingeatmeten „Moleküle" (so der Revisionsrekurs) sind daher ebensowenig Lebensmittel wie - selbstverständlich - die Attrappe selbst.

3.4. Eine davon abweichende Auffassung ist nicht mit guten Gründen vertretbar. Zur Arzneimitteleigenschaft aufgrund subjektiver Zweckbestimmung gibt es umfangreiche Rechtsprechung; an der Nichtanwendbarkeit des Lebensmittelbegriffs der BasisVO besteht nach Auffassung des Senats kein vernünftiger Zweifel. Die auf das Kriterium der Vertretbarkeit abstellende Rechtsprechung deckt nicht den Versuch, einen offenkundigen Gesetzesverstoß nachträglich mit spitzfindigen Argumenten zu rechtfertigen (4 Ob 29/07d = wbl 2007, 399 - Gebrauchsanleitung).

Da ohnehin keine vertretbare Rechtsansicht vorliegt, ist es unerheblich, ob die Werberegelungen des Arzneimittelrechts - als Ausprägungen des allgemeinen Irreführungsverbots - spezifisch lauterkeitsrechtlichen Charakter haben. Das könnte zwar allenfalls zur Folge haben, dass es auch bei Klagen eines Mitbewerbers (zum Unterlassungsanspruch nach § 85a AMG vgl 4 Ob 81/07a = ÖBl 2007, 287 [Kresbach/Schnider] - Femara) nicht auf das Vertretbarkeitskriterium ankommt (vgl zu diesem Ansatz 4 Ob 225/07b unter B.4.5.e). Ob das zutrifft, ist hier aber mangels Relevanz nicht zu entscheiden.

3.5. Die von der Beklagten im „vollstreckbaren Notariatsakt" zugesagten Hinweise, wonach das strittige Produkt „kein Medikament" sei und auch „nicht dem Nikotinentzug" diene, können die Wiederholungsgefahr nicht beseitigen. Denn sie reichten nur dann für den Wegfall der Arzneimitteleigenschaft aus, wenn sie ein Durchschnittsverbraucher regelmäßig zusammen mit der übrigen Werbung wahrnähme und zudem auch als ernst gemeint auffasste (4 Ob 208/06a = ÖBl-LS 2007/9 - medizinischer Disclaimer; vgl auch EuGH C-369/88 - Jean Marie Delattre Rz 41). Letzteres ist schon dann nicht der Fall, wenn die Werbung ansonsten den - gegenteiligen - Eindruck erweckt, dass ein Arzneimittel vorliege. Der „vollstreckbare" Notariatsakt bietet daher keine Gewähr, dass die Beklagte nicht neuerlich den unzulässigen Eindruck des Vorliegens eines Arzneimittels erweckt. Bei der gebotenen Gesamtbeurteilung ihres Verhaltens (RIS-Justiz RS0012087) reicht daher das im Notariatsakt enthaltene Versprechen nicht aus, um die Vermutung der Wiederholungsgefahr wegfallen zu lassen.

3.6. Das Verhalten der Beklagten ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil rechtstreuer Mitbewerber nicht bloß unerheblich zu beeinflussen (§ 1 UWG idF vor der Novelle 2007; § 1 Abs 1 Z 1 UWG idgF). Das folgt schon daraus, dass sie ihr Produkt in der derzeitigen Präsentation nicht ohne Zulassung als Arzneimittel vertreiben dürfte. Es ist offenkundig, dass ihr damit rechtswidrig erzielter Umsatz in gewissem Umfang zu Lasten von Konkurrenzprodukten geht.

4. Das Unterlassungsgebot ist allerdings zu weit gefasst.

4.1. Das Rekursgericht stützt sich für die Formulierung des Verbots an sich zutreffend auf 4 Ob 182/02x (= ÖBl 2003, 81 - Prontosan). Dort hat der Senat bei bloß subjektiver Zweckbestimmung ein (generelles) Verbot des Inverkehrbringens ausgesprochen. Implizit liegt diese Auffassung wohl auch 4 Ob 213/06m (= wbl 2007, 450 - Minucell) zugrunde, wo unter vergleichbaren Umständen eine Klage auf Unterlassung einer entsprechenden Rechtsbehauptung abgewiesen wurde.

Demgegenüber hat der Senat in 4 Ob 141/02t (= KRSlg 2003/1834 - Lucovit) bei bloß subjektiver Zweckbestimmung differenziert: Der Beklagten wurde dort (nur) untersagt, bestimmte Tabletten vor einer Zulassung als Arzneimittel in Verkehr zu bringen; das Mehrbegehren, das Inverkehrbringen generell zu verbieten, wurde abgewiesen. Der Beklagten sei nur vorzuwerfen, ihr Produkt als Präsentationsarzneimittel unter Verstoß gegen Bestimmungen des AMG in Verkehr gebracht und damit wettbewerbswidrig iSd § 1 UWG gehandelt zu haben; (nur) in diesem Umfang erweise sich das Unterlassungsbegehren als berechtigt. In gleicher Weise hatte der Senat bereits in 4 Ob 74/92 (= ÖBl 1993, 68 - Cappilaris Haaraktivator) unterschieden: Untersagt wurde auch dort nur das Inverkehrbringen mit gesundheitsbezogenen Angaben, nicht das Inverkehrbringen schlechthin.

In anderen Entscheidungen zu Arzneimitteln kraft subjektiver Zweckbestimmung war die Formulierung des Verbots nicht strittig gewesen. Die Unterlassungsverpflichtung war allerdings auch dort idR auf das Inverkehrbringen von „Arzneimitteln" bzw „als Arzneimittel" gerichtet (vgl etwa 4 Ob 22/04w = RdW 2004, 539 - Thunbergia Laurifolia, 4 Ob 85/01f, 4 Ob 20/00w = ecolex 2000, 660 [Schanda] - Ginkgo Biloba; 4 Ob 304/99f).

4.2. Die Beklagte kann nach allgemeinen Grundsätzen nicht zu einer Unterlassung verhalten werden, zu der sie nach materiellem Recht gar nicht verpflichtet ist (RIS-Justiz RS0037461; zuletzt etwa 4 Ob 23/06w = wbl 2006, 487 - Direktvergabe; 4 Ob 29/07d = wbl 2007, 399 - Gebrauchsanleitung; 17 Ob 22/07w). Im vorliegenden Fall besteht der Unterlassungsanspruch nicht für das strittige Produkt generell, sondern nur dann, wenn es als Arzneimittel in Verkehr gebracht wird. Das Rekursgericht hat der Beklagten daher tatsächlich ein materiell erlaubtes Verhalten verboten. Sie dürfte ihr Produkt auch dann nicht vertreiben, wenn sie ihre Werbelinie in einer Weise änderte, die keine subjektive Zweckbestimmung als Arzneimittel erkennen ließe.

Zwar müssen mögliche Rechtfertigungsgründe nicht zwingend in den Spruch eines Unterlassungsgebots aufgenommen werden (vgl 6 Ob 114/00h = SZ 73/117; RIS-Justiz RS0114017). Hier geht es aber nicht darum, dass ein an sich rechtswidriges Verhalten unter besonderen Umständen erlaubt sein könnte. Vielmehr ist das im Spruch des Rekursgerichts genannte Verhalten von vornherein nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen (Abgeben bzw Bewerben als Arzneimittel) rechtswidrig. Diese Voraussetzungen sind im Spruch anzuführen. Soweit sich der Entscheidung 4 Ob 182/02x Gegenteiliges entnehmen lässt, hält sie der Senat nicht weiter aufrecht.

Der angefochtene Beschluss ist daher entsprechend abzuändern. Der Beklagten ist nur das Abgeben und Bewerben ihres Produkts als Arzneimittel zu untersagen; dieses Verbot ist durch Beispiele zu konkretisieren. Das Mehrbegehren ist abzuweisen.

4.3. Soweit sich die Beklagte im Revisionsrekurs auf den Bescheid des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen stützt, wonach das Produkt nicht „unter die Definition eines Arzneimittels gemäß § 1 Abs 1 [AMG] fällt", verstößt sie gegen das Neuerungsverbot. Zudem lässt sich auch aus diesem Bescheid nicht zwingend ableiten, dass ihre Auffassung vertretbar wäre: Denn es ist ohnehin unstrittig, dass wegen der pharmakologischen Wirkungslosigkeit des Granulats nach der objektiven Zweckbestimmung kein Arzneimittel vorliegt. Ob im Verwaltungsverfahren auch die subjektive Zweckbestimmung geprüft wurde, lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen. Die im Revisionsrekurs unter Hinweis auf den Bescheid behauptete „Unmöglichkeit", dem Unterlassungsgebot nachzukommen, liegt nach der Einschränkung des Verbots auf das Abgeben und Bewerben „als Arzneimittel" jedenfalls nicht vor.

5. Aufgrund dieser Erwägungen ist dem Revisionsrekurs teilweise Folge zu geben, was im Ergebnis zu einer Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts führt. Da die Klägerin das Verbot nur für Handlungen in Wettbewerbsabsicht begehrt, hat es - ungeachtet der neuen Rechtslage, wonach es darauf nicht mehr ankommt - dabei zu bleiben (§ 405 ZPO; vgl 4 Ob 225/07b).

Über das Eventualbegehren ist nicht zu entscheiden, da es nur für den Fall eines bestimmten Beklagtenvorbringens (Qualifikation der Zigarettenattrappe als Medizinprodukt) erhoben wurde. Die Beklagte hat ein solches Vorbringen nicht erstattet.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 50, 40, 43 Abs 1 ZPO. Die Klägerin ist mit ihrem Begehren etwa zur Hälfte durchgedrungen. Sie hat daher die Kosten des Verfahrens erster und dritter Instanz zur Hälfte endgültig und zur anderen Hälfte vorläufig selbst zu tragen; der Beklagten hat sie die Hälfte der in diesen Verfahrensstadien entstandenen Kosten zu ersetzen. Mit den Rekursen gegen die Entscheidung des Erstgerichts hatte im Ergebnis keine der Parteien Erfolg. Daher besteht hier nur ein Kostenersatzanspruch der Beklagten für die Kosten ihrer Rekursbeantwortung, und zwar auf der Grundlage des halben Streitwerts des Unterlassungsbegehrens. Die Klägerin hat die Kosten ihrer eigenen Rekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

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