OGH 4Ob64/17s

OGH4Ob64/17s26.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers Mag. C* L*, vertreten durch Mag. Florian Pitner, Rechtsanwalt in Pregarten, gegen den Beklagten M* K*, vertreten durch Mag. Michael Schenk, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung (Streitwert 30.000 EUR), über die außerordentliche Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. Februar 2017, GZ 1 R 163/16w‑33, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 5. August 2016, GZ 5 Cg 32/15y‑28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E119768

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass der Kläger Miturheber (§ 11 UrhG) des Kunstwerks „T‑Guardian“ ist, wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 15.274,20 EUR (darin enthalten 2.545,70 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Gemäß § 70 ZPO wird ausgesprochen, dass der Kläger zum Ersatz der in § 64 Abs 1 Z 1 ZPO genannten Beträge infolge der dem Beklagten gewährten Verfahrenshilfe verpflichtet ist, und zwar der Pauschalgebühren zweiter und dritter Instanz.“

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist freischaffender Künstler. Er beschäftigt sich mit lichtunterstützten Skulpturen und stellt Kunstwerke aus Maschendraht, Kabelbindern und unterlegter Lichtquelle her. Der Beklagte ist im Bereich Design, Skulptur und Fotografie tätig. Er schuf die Figur des „Wächters“, teilweise in sitzender Form als „Kantenhocker“, teilweise in stehender Form. Beide Streitteile sind für ihre Kunstform überregional bekannt.

Nachdem sich die beiden Künstler kennengelernt hatten, entstand in gemeinsamen Gesprächen die Idee, dass ein Kantenhocker des Beklagten auf ein vom Kläger herzustellendes Kabelbinder-Drahtgeflecht in Form eines großen T, und zwar auf dessen Querbalken, platziert werden könnte. Der Kläger hatte bei der Herstellung des „T“ keine Vorgaben durch den Beklagten. Die Kombination zwischen dem vom Kläger hergestellten „T“ und dem darauf platzierten Wächter des Beklagten wurde anschließend als Gemeinschaftskunstwerk unter der Bezeichnung „T‑Guardian“ in Galerien ausgestellt, Modelle davon wurden zum Kauf angeboten. Der Verkaufserlös eines unter Vermittlung eines Galeristen nach Istanbul verkauften „T‑Guardian“ sollte zur Hälfte zwischen dem Galeristen einerseits und den Streitteilen andererseits aufgeteilt werden. In der Folge entstand ein Streit über die Aufteilung des Verkaufserlöses, den der Beklagte zum Anlass nahm, den auf seiner Website bislang bei der Skulptur „T‑Guardian“ enthaltenen Hinweis, dass es sich um ein Gemeinschaftsprodukt der Streitteile handle, zu entfernen und die Skulptur fortan als sein Allein-Kunstwerk darzustellen.

Das Kunstwerk „T‑Guardian“ hat folgendes Aussehen:

Der Kläger begehrt, gestützt auf § 11 UrhG, die Feststellung, dass er Miturheber des Kunstwerks „T‑Guardian“ sei.

Der Beklagte bestreitet unter anderem das Vorliegen eines Gemeinschaftskunstwerks.

Das Erstgericht gab der Feststellungsklage statt. Die Miturheberschaft des Klägers sei gegeben. Der vom Kläger beigesteuerte Teil („T“) sei ausschließlich seinem künstlerischen Gestalten zuzuordnen. Der Name des Klägers könne mit derartigen Kunstwerken (Maschendraht‑Skulpturen mit Kabelbindern und unterlegter Lichtquelle) klar assoziiert werden. Er habe zum Gemeinschaftskunstwerk einen entscheidenden Teil beigetragen und sei daher als Miturheber des „T‑Guardian“ anzusehen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Dass sich das Gesamtwerk „T‑Guardian“ wieder in die einzelnen Beiträge der Streitteile zerlegen lasse und diese selbstständig verwertbar seien, habe der Beklagte in erster Instanz nicht vorgebracht. Allerdings schade ihm dies im Ergebnis nicht, weil nach Ansicht des Berufungsgerichts ohnehin ein eigenes, einheitliches und untrennbares Kunstwerk vorliege.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Klage abzuweisen; hilfsweise wird Aufhebung begehrt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1.1. § 11 Abs 1 UrhG bestimmt: Haben mehrere gemeinsam ein Werk geschaffen, bei dem die Ergebnisse ihres Schaffens eine untrennbare Einheit bilden, so steht das Urheberrecht allen Miturhebern gemeinschaftlich zu.

1.2. Miturheberschaft setzt eine bewusste Zusammenarbeit zum Zweck der Werkherstellung voraus (4 Ob 409/87, Codo; 4 Ob 115/09d, Passfotos II). Jeder der Beiträge zum gemeinsamen Werk muss seinerseits die Anforderungen an eine eigentümliche geistige Schöpfung iSd § 1 Abs 1 UrhG erfüllen (Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht, § 11 Rz 7; Loewenheim in Schricker/ Loewenheim, Urheberrecht4, § 8 dUrhG Rz 4; Thum in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht4, § 8 dUrhG Rz 3). Eine bloße Idee oder Anregung begründet daher noch keinen Anspruch auf Miturheberschaft (RIS‑Justiz RS0076710; SZ 39/102), sondern nur eine individuelle und eigentümliche geistige Leistung, die ihre Eigenart aus der Persönlichkeit des Schöpfers empfangen hat (RIS‑Justiz RS0115496; RS0076397; RS0076367 [T22]; RS0076435; RS0076841; zuletzt 4 Ob 142/15h, Bettis Hand). Darauf, wie umfangreich oder bedeutend der Beitrag ist, kommt es hingegen nicht an; auch ein geringfügiger Beitrag reicht aus, um Miturheberschaft zu begründen (4 Ob 229/02h, Hundertwasserhaus II). Ebenso unschädlich ist es, wenn das Werk in horizontal oder vertikal arbeitsteiligem Verfahren geschaffen wird, die einzelnen Miturheber ihre Beiträge also entweder nebeneinander oder nacheinander leisten, solange es sich um einen einheitlichen Schöpfungsprozess handelt (Walter, Österreichisches Urheberrecht I Rz 354; Wiebe in Spindler/Schuster³ § 8 dUrhG, Rz 3).

1.3. Das Merkmal der gemeinsamen Herstellung eines Werks allein reicht aber nach § 11 Abs 1 UrhG nicht zur Qualifikation von Miturheberschaft aus; es bedarf auch der untrennbaren Einheit der Ergebnisse des gemeinsamen Schaffens. Von einer solchen kann nicht gesprochen werden, wenn sich das Werk in einzelne Teile zerlegen lässt, die eines selbstständigen Bestands fähig sind und durch die Trennung in ihrem Wesen nicht verändert werden (Kusznier in Kucsko/Handig, urheber.recht2, § 11 Rz 22 mwN).

1.4. Durch die Verbindung von mehreren selbstständigen Werken entsteht keine Miturheberschaft; dies auch dann nicht, wenn die Werke zum Zweck ihrer Verbindung geschaffen wurden. An den in der Regel selbstständig verwertbaren Werken besteht allerdings Teilurheberschaft. Durch die Werkverbindung entsteht zwischen den beteiligten Urhebern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach §§ 1175 ff ABGB (Kusznier in Kucsko/Handig, urheber.recht2, § 11 Rz 43 mwN).

2.1. Die Vorinstanzen haben zutreffend die Eigenschaft der Leistung des Klägers als eigentümliche geistige Schöpfung iSv § 1 UrhG bejaht. Der Kläger ist für seine aus Draht und Kabelbindern geformten und speziell ausgeleuchteten Skulpturen überregional bekannt. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung rekurriert, wonach der künstlerische Stil als solcher nicht schutzfähig ist (RIS‑Justiz RS0076695; RS0076734), ist ihm zu entgegnen, dass sich der eigentümliche Stil des Klägers hier in konkreter Gestalt manifestiert hat. Das nach diesem Stil geschaffene Werk ist zweifellos schutzfähig.

2.2. Die Vorinstanzen haben ausdrücklich festgestellt, dass die Parteien zum Zweck der Schaffung eines gemeinsamen Werks bewusst zusammengearbeitet haben. Der Kläger war – abgesehen von der grundsätzlichen Übereinkunft einer Gestaltung in dem dem Kläger eigentümlichen Stil – in der Realisierung seines Beitrags absolut frei. Die gemeinsame Herstellung des Werks als (subjektive) Voraussetzung der Miturheberschaft ist somit erfüllt.

2.3.1. Jedoch zeigt die Revision zur weiteren Voraussetzung der Miturheberschaft, nämlich dass das Werk eine untrennbare Einheit bildet, zutreffend auf, dass das Berufungsgericht diesbezüglich die Behauptungs- und Beweislastverteilung verkannt hat, wenn es seiner Entscheidung zugrunde legte, dass der Beklagte in erster Instanz nicht konkret behauptet habe, das Werk „T‑Guardian“ lasse sich in seine Einzelteile zerlegen, weshalb sein entsprechendes Rechtsmittelvorbringen gegen das Neuerungsverbot verstoße.

2.3.2. Die Behauptungslast folgt in der Regel der Beweislast. Außerhalb der (Mit‑)Urheberschaftsvermutung des § 12 Abs 1 UrhG (dazu 4 Ob 36/16x, Falco), auf die sich der Kläger nicht stützt, hat derjenige alle anspruchsbegründenden Tatsachen zu behaupten und zu beweisen, der ein urheberrechtliches Ausschließlichkeitsrecht anspricht (RIS‑Justiz RS0076536). Da es sich bei der Untrennbarkeit des Werks – wie ausgeführt – um ein konstitutives Element der Miturheberschaft handelt, ist diese vom Kläger zu behaupten und zu beweisen. Im Übrigen bezieht sich das Neuerungsverbot nicht auf Rechtsfragen (RIS‑Justiz RS0041965 [T7]; RS0016473 [T6]).

2.3.3. Von einer untrennbaren Einheit kann dann nicht gesprochen werden, wenn sich das Werk in einzelne Teile zerlegen lässt, die eines selbstständigen Bestands fähig sind und durch die Trennung in ihrem Wesen nicht verändert werden (vgl die EB zum Urheberrechtsgesetz 1936, in Dillenz, Materialien zum österreichischen Urheberrecht, 60).

2.3.4. Nach herrschender Auffassung sind die Teile eines Werks dann eines selbstständigen Bestands iSd § 11 Abs 1 UrhG fähig, wenn sie sich theoretisch gesondert verwerten lassen (Kusznier in Kucsko/Handig, urheber.recht2, § 11 Rz 23; Walter, Österreichisches Urheberrecht I Rz 351; Ciresa in Ciresa, Österreichisches Urheberrecht § 11 Rz 10; vgl auch BGH I ZR 17/58, Wenn wir alle Engel wären = GRUR 1959, 335).

Lassen sich die Beiträge – wie hier – noch den einzelnen Schöpfern zuordnen, so kommt es darauf an, ob der einzelne Beitrag für sich genommen unvollständig und ohne weitere Ergänzung oder Umgestaltung nicht verkehrsfähig wäre. Entscheidend ist nicht die subjektive Vorstellung mehrerer Schöpfer von der Untrennbarkeit des Werks, sondern allein die objektive Möglichkeit einer gesonderten Verwertung (Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht4, § 8 dUrhG Rz 5 f; Thum in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht4, § 8 dUrhG Rz 7 f; BGH I ZR 142/06, Kranhäuser = GRUR 2009, 1046). Irrelevant ist auch, ob den Anteilen der Urheber im Rahmen des Ganzen eine Bedeutung zukommt, die über den Wert des isoliert stehenden Anteils hinausgeht. Auch wenn die Beteiligten in einem solchen Fall ein größeres Ganzes geschaffen haben, überwiegt für gewöhnlich das Interesse an der Sonderverwertung des einzelnen Anteils (Siefert, Die Abgrenzung von Werkeinheit und Werkmehrheit im Urheberrecht und deren Bedeutung für das Verwertungsrecht, UFITA 1998, 112 f). Miturheberschaft wäre nur dann anzunehmen, wenn dies zu einer unorganischen Zergliederung des Gesamtwerks und damit einer Ergänzungsbedürftigkeit des Restwerks führen würde (Loewenheim in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht4, § 8 dUrhG Rz 6).

2.3.5. Die Beurteilung, ob ein Gemeinschaftswerk iSd § 11 UrhG vorliegt, ist wertungsmäßig dem Problem der Rückführbarkeit verarbeiteter Sachen nach § 415 ABGB vergleichbar. Dort wird die Trennbarkeit verbundener Sachen auch dann verneint, wenn die Wiederherstellung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre oder die Trennung eine unverhältnismäßige Wertzerstörung bewirken würde (RIS‑Justiz RS0012024; Karner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 415 ABGB Rz 2; Klicka/Reidinger in Schwimann/Kodek 4 § 415 ABGB Rz 1).

Auch Kunstwerke besitzen einen Marktwert (RIS‑Justiz RS0010061), wobei es in der Regel auf den gemeinen Wert, mithin – soweit hier relevant – den Verkehrs- oder Ertragswert (RIS‑Justiz RS0010082; RS0018877) ankommt. Damit lässt sich die von Siefert (Abgrenzung UFITA 1998, 112 f) angestellte Überlegung in Einklang bringen, dass eine gesonderte Verwertbarkeit für gewöhnlich den Interessen der Urheber eher entsprechen wird. Bei einer unverhältnismäßigen Wertminderung für den Fall der Trennung wird dies hingegen zu verneinen sein.

3. Angewendet auf den vorliegenden Fall folgt aus dem zu 2.3. Gesagten:

3.1. Der Kläger stellt regelmäßig – wie auchhier – mit Licht unterstützte Skulpturen aus Drahtgeflecht und Kabelbindern her. Er ist für diese Kunstform überregional bekannt, und die Kombination der genannten Gestaltungsformen ist ein Markenzeichen seiner Kunstwerke. Im Verfahren betonte er selbst, dass er bereits vor der Zusammenarbeit mit dem Beklagten und unabhängig von dessen Kantenhocker derartige Skulpturen eingesetzt habe, wobei neben den eindrucksvollen Lichteffekten in der Dunkelheit die Anbringung der Kabelbinder auch in unbeleuchtetem Zustand Effekte erziele, die die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zögen.

3.2. Daraus ist abzuleiten, dass auch die gegenständliche T‑förmige Skulptur des Klägers, die mit jener – aus unterschiedlichem Material gefertigten – des Beklagten (Kantenhocker) verbunden wurde, selbstständig verwertbar ist. Eine unverhältnismäßige Wertzerstörung der einzelnen Teile würde die Trennung offensichtlich nicht bewirken. Es fehlt somit an der Voraussetzung der untrennbaren Einheit zwischen den von den Streitteilen geschaffenen Kunstwerken, sodass bloß eine Werkverbindung, aber keine Miturheberschaft gegeben ist.

4. Der Feststellungsanspruch des Klägers besteht daher nicht zu Recht. Der Revision des Beklagten ist somit Folge zu geben; die Entscheidungen der Vorinstanzen sind dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.

5. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO.

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