OGH 4Ob409/87

OGH4Ob409/8719.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg J***, Künstler, Wien 11, Kaiser Ebersdorferstraße 324, vertreten durch Dr. Klaus-Peter Schrammel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Manfred T***, Entertainer, Wien 23, Franz Grasslergasse 33, 2. Josef P***, Entertainer, Wien 7, Halbgasse 19, beide vertreten durch Dr. Christoph Müller-Hartburg, Rechtsanwalt in Wien, wegen Rechnungslegung, Gewinnherausgabe und Zahlung einer Entschädigung (Gesamtstreitwert: S 450.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 5. Oktober 1987, GZ 4 R 161/87-56, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 3. Mai 1987, GZ 18 Cg 110/84-51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 16.213,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.473,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat vorwiegend im Sommer 1978, ein Lied mit dem Titel "Kodo" geschaffen. Er trug dieses Lied ab Sommer 1978 und in den folgenden Jahren häufig im Kreis von Freunden und Bekannten vor. Der Refrain des Liedes mit dem Text "und ich düse, düse im Sauseschritt...." blieb hiebei immer gleich, der übrige Text wurde häufig variiert; der Kläger hat auch neue Strophen hinzugedichtet. Er trug das Lied im wesentlichen immer in der gleichen Melodie, jedoch mit verschiedenen Variationen, vor. Der Kläger identifizierte sich weitgehend mit der von ihm in diesem Lied geschaffenen Figur "Kodo", einem außerirdischen Wesen; ab 1978 wurde er im Freundeskreis allgemein Kodo genannt.

Anfang 1982 war der Erstbeklagte anwesend, als der Kläger sein Lied "Kodo" vortrug. Er sagte zum Kläger, man könne dieses Lied vielleicht für eine Plattenproduktion verwenden. Kurz darauf ließ sich der Erstbeklagte dieses Lied und andere Lieder des Klägers von diesem nochmals vortragen und nahm den Vortrag des Liedes auf Tonband auf.

In der Folge schufen die beiden Beklagten gemeinsam mit Annette H*** das Werk "Codo" und brachten es auf einer Schallplatte heraus; dabei verwendeten sie Teile des vom Kläger geschaffenen Textes. Die Endfassung sowohl des Textes als auch der Musik stammt von Annette H***.

Ein Vergleich des Liedes des Klägers ("Kodo") mit dem Lied der Beklagten und der Annette H*** ("Codo") ergibt: Bei dem Vorvers, der ein Drittel des Stückes ausmacht, besteht keinerlei musikalische Übereinstimmung. Auch beim Refrain, der zwei Drittel des ganzen Stückes ausmacht, besteht melodisch keine Übereinstimmung. Rhythmisch und metrisch besteht eine Übereinstimmung von 10 %, harmonisch - rein rechnerisch - eine solche von 44,4 %. Das Tempo ist annähernd gleich, was bei dieser Gattung von Musik häufig der Fall ist; man kann hier eine Übereinstimmung von 50 % zugestehen. Das ergibt insgesamt für den Refrain eine Übereinstimmung von 26 %. Nachdem die Beklagten und Annette H*** das Lied "Codo" fertiggestellt hatten, spielten es die Beklagten - ebenso wie das Lied "Josef" - am 3. Mai 1983 im Auto des Erstbeklagten dem Kläger vor. Dieser war zunächst wegen der bei dem Lied "Codo" vorgenommenen Textänderungen sehr ungehalten und erklärte, das sei nicht mehr sein Lied. Insbesondere erregte er sich über den neuen Textteil "tötet Codo"; dies empfand er als eine gegen ihn gerichtete Morddrohung, weil er sich mit der Figur des Kodo identifizierte. Anschließend kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und den beiden Beklagten im Arbeitszimmer des Zweitbeklagten. Die Beklagten erklärten dem Kläger, daß er am Text der beiden Lieder "Codo" und "Josef" mit je einem Viertel als Co-Autor beteiligt werde. Der Kläger erklärte sich damit einverstanden. Als ihm die Beklagten mitteilten, daß die Musik der beiden Lieder hauptsächlich von Anette H*** geschaffen worden sei und nichts mehr mit dem zu tun habe, was der Kläger gemacht habe, erhob dieser keine Einwendungen. Die Beklagten machten den Kläger aufmerksam, daß er nun AKM-Mitglied werden müsse. Kurz vor der öffentlichen Präsentation der Schallplatte mit dem Lied "Codo" kam es im Lusthaus im Wiener Prater zu einer Vorbesprechung über diese Präsentation, an der die Beklagten, der Kläger und Markus S*** teilnahmen. Dabei wurde über die vorgesehene Aufteilung der Urheberrechte an dem Werk gesprochen, nach welcher der Kläger nur zu einem Viertel in Ansehung des Textes beteiligt werden sollte; der Kläger erhob auch hiebei keine Einwendungen. Er war auch bei der öffentlichen Präsentation der Schallplatte am 19. Mai 1983 anwesend, bei der er als Miturheber vorgestellt wurde.

Am 20. Mai 1983 fand im Haus des Erstbeklagten ein Fest statt, zu welchem auch der Kläger erschienen war. Bei dieser Gelegenheit legte ihm Markus S*** einen Vertragstext zur Unterschrift vor; der Kläger unterfertigte diesen. Mit dem Vertrag übertrugen die Urheber der Werke "Codo" und "Josef" der Firma L*** M*** W*** G*** Musikverlag KG Hermann S*** das ausschließliche Verlags-, Vervielfältigungs- und Vertriebsrecht an den genannten Werken. In dem Vertrag ist die Aufteilung der Urheberrechte an den beiden Werken angeführt, und zwar so, daß am Text beider Werke Annette H*** und die Streitteile, an der Musik nur H*** und die beiden Beklagten beteiligt sind, ohne daß die Höhe der Anteile ausdrücklich angeführt wäre. Der Kläger war wie die meisten an dem Fest teilnehmenden Personen ziemlich alkoholisiert. Daß er sich hiedurch in einem Zustand befunden hätte, in welchem er sich seiner Handlungen nicht bewußt war, oder daß seine Zurechnungsfähigkeit doch stark eingeschränkt gewesen wäre, ist jedoch nicht erwiesen. Mit der Behauptung, er sei zu 50 % Miturheber nicht nur des Textes, sondern auch der Musik des Liedes "Codo", begehrt der Kläger von den Beklagten die Rechnungslegung über den aus der Verwertung dieses Musikstückes erzielten Gewinn (Punkt 1), die Herausgabe von 25 % des durch die Verwertung dieses Musikstückes erzielten Gewinnes (Punkt 2 nach Einschränkung ON 42 S. 165) sowie eine angemessene Entschädigung von S 100.000,-- (Punkt 3; S. 165). Bei Unterfertigung des Vertrages vom 20. Mai 1983 sei er erheblich alkoholisiert und in seiner Zurechnungsfähigkeit schwer beeinträchtigt gewesen; den Darstellungen Markus S***, der im Auftrag der Beklagten gehandelt habe, habe er entnommen, er würde nunmehr als Miturheber von Text und Musik des Liedes "Codo" eine Werknutzungsberechtigung erteilen und dafür honoriert werden.

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage. Das musikalische Werk "Kodo" des Klägers sei von ihnen nicht benützt worden; der Kläger sei nicht Urheber des musikalischen Werkes "Codo". Er habe sich mit einer Beteiligung (nur) in Höhe eines Viertels "an der Urheberschaft des Textes" einverstanden erklärt. Bei der Unterfertigung des Verlagsvertrages sei er zurechnungsfähig gewesen.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Er traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und meinte rechtlich, die Beklagten und Annette H*** hätten für ihr Werk "Codo", wenn auch nur in recht bescheidenem Ausmaß - nämlich im Umfang von rund 17 % - die vom Kläger geschaffene Musik seines Werkes "Kodo" verwendet. Dennoch bestünden die eingeklagten Ansprüche nicht zu Recht, weil der Kläger dem Vorschlag der Beklagten über die Aufteilung der Urheberrechte an dem Werk "Codo" zugestimmt habe; hiedurch habe er auf jene Urheberrechte, die ihm infolge teilweiser Verwendung seiner Musik an dem Werk "Codo" zugestanden seien, verzichtet.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Es übernahm die Feststellungen des Erstrichters als das Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung.

Rechtlich führte es aus:

Richtig sei, daß der Kläger als Miturheber des Werkes "Codo" - auch was dessen Musik betreffe - anzusehen (§ 11 UrhG) und das Urheberrecht als solches nicht übertragbar sei. Aus den Feststellungen des Erstrichters ergebe sich aber nicht etwa ein - stillschweigender - Verzicht des Klägers auf sein Miturheberrecht, sondern nur seine Zustimmung zum Vorschlag der Beklagten, die Verwertungs(Nutzungs-)rechte an dem Werk so aufzuteilen, daß der Kläger am Text nur zu einem Viertel, an der Musik aber überhaupt nicht beteiligt sein sollte. Ein stillschweigender Verzicht des Klägers auf seinen Anteil an den Verwertungsrechten in bezug auf die Musik des Werkes "Codo" sei aber auch bei besonders sorgfältiger Prüfung des Sachverhaltes zu bejahen, denn der Kläger habe einerseits den detaillierten Vorschlägen der Beklagten nicht widersprochen und andererseits nicht auf alle Verwertungsrechte als Miturheber verzichtet. Der Vorschlag der Beklagten erscheine im übrigen im Hinblick auf ihre eigene Mitwirkung und jene Annette H*** am Zustandekommen des Werkes auch nicht als unbillig.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragten, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Soweit der Kläger aus dem Revisionsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO rechtliche Feststellungsmängel geltend macht (Punkt 1 lit a und b), sind diese Ausführungen der Rechtsrüge zuzuordnen. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit - nämlich die Nichtberücksichtigung eines bestimmten Beweisergebnisses unter Hinweis auf das Neuerungsverbot (Punkt 1 lit c) - und die gerügte Aktenwidrigkeit (Punkt 2) liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Rechtlich vertritt der Kläger die Auffassung, sein Anteil an dem Musikwerk "Codo" wäre bei richtiger Berechnung auf Grund des vom Erstrichter eingeholten Gutachters - nämlich dann, wenn von der vom Sachverständigen bekundeten 100 -%igen Übereinstimmung des Tempos der Musikstücke "Codo" und "Kodo" ausgegangen worden wäre - mit wesentlich mehr als 17 % zu veranschlagen gewesen; es wäre daher unbillig, ihn von der Verwertung der Musik überhaupt auszuschließen. Der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß der Kläger den Vorschlägen der Beklagten schlüssig zugestimmt habe, sei entgegenzuhalten, daß von dem "stark divergierenden Bewußtseinsstand der Streitparteien", insbesondere also davon, daß sich der Kläger in all diesen Fragen nicht ausgekannt habe, auszugehen und bei der Beurteilung stillschweigender Willenserklärungen größte Vorsicht geboten sei; dabei bedürfe insbesondere im Urheberrecht die Frage einer Übertragung von Verwertungsrechten einer besonders sorgfältigen Prüfung .

Diese Ausführungen sind nicht stichhältig.

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hatten zwischen den Streitteilen Gespräche über die "Aufteilung der Rechte" an dem Werk "Codo" stattgefunden; am 3. Mai 1983 erklärte sich der Kläger bei einem Gespräch mit den Beklagten damit einverstanden, daß er "als Co-Autor des Liedes "Codo" beteiligt" werde, und zwar auf der Grundlage, daß er nur als Urheber des Textes zu einem Viertel behandelt werde. Gegen die Äußerung der Beklagten, daß die Musik hauptsächlich von Annette H*** stamme und mit seiner Komposition nichts mehr zu tun habe, erhob er keine Einwendungen. Diese Absprache muß als Vereinbarung über die Verteilung der Erträgnisse des Werkes "Codo" angesehen werden. Daß der Kläger beim Abschluß dieses Vertrages nicht geschäftsfähig gewesen wäre, hat er nicht behauptet und geht auch aus den Feststellungen nicht hervor. Der Umstand allein, daß er den Beklagten an geschäftlicher Erfahrung unterlegen war und sich "in Dingen der Aufteilung von Rechten nicht ausgekannt" habe, beraubt ihn aber nicht der Handlungsfähigkeit, also der Fähigkeit, durch eigenes Verhalten Rechte und Pflichten zu begründen (Koziol-Welser8 I 47). Daß ihn die Beklagten bei den Vertragsgesprächen in Irrtum geführt hätten, wurde weder behauptet noch festgestellt. Es trifft zwar grundsätzlich zu, daß nach ständiger Rechtsprechung Stillschweigen nicht schlechthin als Zustimmung gedeutet werden kann (SZ 37/119 uva) und insbesondere bei Annahme eines stillschweigenden Verzichts besondere Vorsicht geboten ist (SZ 44/106 uva); daraus ist aber für den Kläger nichts zu gewinnen, hat er doch dem Vorschlag, daß er an der Verwertung des Liedes "Codo" (nur) als Mitautor des Textes zu einem Viertel beteiligt werde, ausdrücklich zugestimmt. Wenn er dann gegen die der Erläuterung dieses Vorschlages dienende Behauptung der Beklagten, die Musik dieses Liedes sei hauptsächlich von Annette H*** geschaffen worden und habe nichts mehr mit seinem Musikwerk zu tun, keine Einwendungen erhob, so muß dies als Zustimmung zu dem Aufteilungsvorschlag der Beklagten gewertet werden. Seinem Stillschweigen kann in diesem Zusammenhang keine andere Bedeutung beigelegt werden, wäre es doch nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte die selbstverständliche Pflicht des Klägers gewesen, sofort darauf hinzuweisen, daß er seine vorherige ausdrückliche Zustimmung nur darauf bezogen habe, daß er als Mitautor des Textes zu einem Viertel berücksichtigt werde, nicht aber dahin, daß er nicht außerdem auch noch als Schöpfer des Musikstückes beteiligt werde. Aus dem Unterlassen von Einwendungen konnten die Beklagten nur auf die Zustimmung des Klägers zu ihrem gesamten Aufteilungsvorschlag schließen. Daß sie sein Verhalten auch tatsächlich so verstanden haben, ergibt sich schließlich aus dem Vertragstext, den Markus S*** nach diesen Gesprächen der Streitteile dem Kläger zur Unterschrift vorgelegt hat. Gegen die Zulässigkeit einer solchen Vereinbarung bestehen keine Bedenken. Abmachungen dieser Art können nicht nur zwischen Miturhebern im Sinne des § 11 UrhG getroffen werden (SZ 31/23; zum deutschen Recht vgl. insbesondere v. Gamm Urheberrechtsgesetz, Rz 16 und 17 zu § 8 dUrhG; Fromm-Nordemann, Urheberrechtsgesetz5 Rz 6 und 7 zu § 8 dUrhG), sondern auch zwischen einem Urheber und solchen Personen, die sein Werk oder einen Teil davon (§ 1 Abs 2 UrhG) bearbeitet (§ 5 Abs 1 UrhG) oder sonst in ihr Werk übernommen haben, wie es hier die Beklagten nach der Behauptung des Klägers getan haben. (Der Kläger ist nämlich - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes - deshalb nicht Miturheber des Werkes "Codo" im Sinne des § 11 UrhG, weil er dieses Werk nicht gemeinsam mit den Beklagten geschaffen, d.h. nicht mit ihren bewußt zum Zweck der Schöpfung des Werkes zusammengearbeitet hat (§ 11 Abs 1 UrhG;

v. Gamm aaO Rz 8 und 10; Fromm-Nordemann aaO Rz 2)). Der Kläger hat nicht behauptet, daß er entgegen der Vereinbarung mit den Beklagten an den Erträgnissen der Verwertung des Liedes "Codo" trotz seiner teilweisen Urheberschaft am Text gar nicht beteiligt werde; er hat sich vielmehr allein darauf gestützt, daß seine Urheberschaft an der Musik unbeachtet bleibe. Da dies aber der Vereinbarung entspricht, haben die Vorinstanzen seine Klage mit Recht abgewiesen.

Die Revision mußte demgemäß erfolglos bleiben.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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