OGH 4Ob36/16x

OGH4Ob36/16x30.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. F***** Privatstiftung, *****, 2. Verlassenschaft *****, vertreten durch den erbserklärten Erben R***** S*****, beide vertreten durch CMS Reich‑Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. H***** B*****, vertreten durch Dr. Georg S. Mayer, Rechtsanwalt in Wien, 2. G***** M*****, 3. S***** GmbH, *****, diese vertreten durch Ronald Schmidt, Rechtsanwalt in Berlin (Einvernehmensanwalt Dr. Georg S. Mayer, Rechtsanwalt in Wien), wegen Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung (Revisionsinteresse 65.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Dezember 2015, GZ 2 R 9/15f‑88, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00036.16X.0330.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Kläger stützen ihre gegen die Beklagten geltend gemachten urheberrechtlichen Ansprüche bezüglich der Texte von mehreren Musikstücken auf Urheberrechte des verstorbenen Popsängers F*****, behaupten den Übergang bzw die Übertragung dieser Rechte auf sie und werfen dem Erstbeklagten vor, er bestreite in einem von der drittbeklagten Partei herausgegebenen Buch die Urheberschaft des Künstlers und maße sich gleichzeitig das Urheberrecht an.

Gegen den Zweitbeklagten erging ein bereits in Rechtskraft erwachsenes Versäumungsurteil.

Unter Zugrundelegung der Feststellung, dass die Texte der Musikstücke nicht von F***** stammten, wiesen die Vorinstanzen, die auch den wahren Urheber nicht feststellen konnten, das Klagebegehren gegen den Erstbeklagten und die drittbeklagte Partei wegen fehlender Aktivlegitimation der Kläger zur Gänze ab.

Rechtliche Beurteilung

1. Das außerordentliche Rechtsmittel der Kläger zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2.1 Der im Rechtsmittel behauptete Umstand, die Beklagten hätten das Fehlen der Aktivlegitimation nicht ausreichend bestritten, kann eine erhebliche Rechtsfrage schon im Allgemeinen nicht begründen. Ob ein Vorbringen als erstattet anzusehen ist, hängt nach ständiger Rechtsprechung von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet, soweit es sich um keine aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung handelt, regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0042828).

2.2 Eine derartige Fehlbeurteilung ist hier schon deshalb auszuschließen, weil die von den Vorinstanzen verneinte Aktivlegitimation jedenfalls nicht unvertretbar auf das insoweit klare Vorbringen der Beklagten gestützt wurde, wonach „die inkriminierten Textpassagen nicht von F***** sind“ bzw „F***** nicht Urheber der klagsgegenständlichen Texte bzw Textteile ist“.

2.3 Auch die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

3. Nach § 12 Abs 1 UrhG gilt bis zum Beweis des Gegenteils derjenige als Urheber, der auf den Vervielfältigungsstücken eines erschienenen Werks als Urheber bezeichnet wird. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Revision zeigen keine erhebliche Rechtsfrage auf.

3.1 Die Entscheidung ist nicht von der Frage abhängig, ob diese Bestimmung nur im Verhältnis zu Dritten oder auch zwischen Personen (oder deren Rechtsnachfolgern) gilt, die die Urheberschaft an ein und demselben Werk für sich in Anspruch nehmen (Letzteres ablehnend: Walter, MR 1995, 140 [Entscheidungsanmerkung]). Selbst wenn man nämlich zugunsten der Kläger von der Anwendung des § 12 UrhG ausgeht, wäre die Entscheidung nicht von der Klärung einer erheblichen Rechtsfrage abhängig.

3.2 Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RIS‑Justiz RS0042656). Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass den Beklagten der Beweis des Gegenteils (schon) deshalb gelungen sei, weil sie nachgewiesen haben, dass F***** nicht der Urheber ist, wodurch die gesetzliche Vermutung widerlegt worden sei, findet Deckung im eindeutigen Wortlaut des § 12 UrhG und bedarf keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.

3.3 Die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht hält sich auch im Rahmen der zu § 270 ZPO ergangenen Rechtsprechung, wonach eine gesetzliche Vermutung widerlegbar ist, es sei denn, das Gesetz verbietet ausnahmsweise die Widerlegung (6 Ob 125/10s), was bei § 12 UrhG jedoch nicht der Fall ist.

3.4 Hingegen findet die von den Klägern vertretene Ansicht, dass der durch den Beweis des Gegenteils Belastete (zusätzlich auch) nachweisen müsse, dass ein konkreter Dritter das Werk mit hoher Wahrscheinlichkeit eigenhändig geschaffen habe, keine Grundlage in der herangezogenen Norm. Die im Rechtsmittel dazu zitierten Gesetzesmaterialien zu § 12 UrhG, wonach derjenige, der die Urheberschaft des vermuteten Urhebers bestreitet, beweisen müsse, „dass ein anderer das Werk geschaffen hat“ (vgl Dillenz, Materialien zum österreichischen Urheberrecht [1986] 62), korrespondieren vielmehr mit der durch das Gesetz geschaffenen eindeutigen Rechtslage. Aus dem (hier klar) bewiesenen Umstand, dass der vermutete Urheber nicht der tatsächliche Urheber ist, folgt zwingend, dass ein anderer das Werk geschaffen haben muss.

Gegenteiliges wird auch nicht im von der Revision zitierten deutschen Schrifttum zur vergleichbaren Norm des § 10 UrhG nur im Ansatz vertreten, hält doch etwa Thum (in Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht4 [2014] Rz 24) ausdrücklich fest, dass derjenige, der die Vermutung zu Fall bringen will, (nur) den vollen Gegenbeweis dafür erbringen müsse, dass der als Urheber Bezeichnete nicht der wahre Urheber ist. Die Urheberschaft sei (bereits) dann widerlegt, wenn eine schöpferische Beteiligung ausgeschlossen erscheine.

4. Schließlich zeigen die Kläger auch mit ihrem Hinweis auf 4 Ob 47/06z nicht auf, dass die Vorinstanzen von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs abgewichen sind. Die dieser Entscheidung zugrundeliegende Konstellation ist nicht mit der hier zu prüfenden Rechtssache zu vergleichen, ging es dort doch vielmehr darum, dass die schlüssige Behauptung eines in Anspruch genommenen Werknutzungsrechts ua die Nennung der Person des Urhebers voraussetzt.

5. Die Anregung der Kläger auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens war nicht aufzugreifen, weil zur Auslegung und Bedeutung der unionsrechtlichen Grundlagen und zu den sich daran anknüpfenden rechtlichen Konsequenzen keine Zweifel bestehen (vgl RIS‑Justiz RS0082949), zumal auch nach dem Unionsrecht die Berufung auf die Rechtsvermutung bei einem gelungenen Gegenbeweis ausgeschlossen ist (vgl Art 5 lit a der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, wonach der Urheber eines Werks nur „mangels Gegenbeweises“ als solcher gilt).

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