OGH 4Ob55/24b

OGH4Ob55/24b22.10.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * GmbH, *, vertreten durch die GEISTWERT Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei * GmbH, *, vertreten durch die Meinhard Novak Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf, Veröffentlichung und Feststellung (Gesamtstreitwert 42.100 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 7.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichtvom 30. Jänner 2024, GZ 5 R 160/23w‑81, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00055.24B.1022.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Gewerblicher Rechtsschutz, Persönlichkeitsschutzrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Es steht unbekämpft fest, dass ein Text, der bereits im Provisorialverfahren zu 4 Ob 137/20f als kreditschädigend qualifiziert wurde, von der Beklagten verfasst und an „deren Vertriebspartner“ übermittelt wurde, sowie, dass verschiedene Vertriebspartner der Beklagten diesen Text weiterverbreiteten, unter anderem in den USA.

[2] Die Revision der Beklagten wendet sich gegen ihre Verpflichtung, die im Unterlassungsbegehren näher bezeichneten kreditschädigenden Behauptungen nicht nur gegenüber namentlich genannten Adressaten von fünf konkreten Schreiben, sondern auch öffentlich in der US‑amerikanischen Ausgabe einer internationalen Fachzeitschrift zu widerrufen.

[3] 2.1 Gemäß ständiger Rechtsprechung zu § 7 UWG und § 1330 ABGB ist Ziel des Widerrufs, die durch die veröffentlichte unwahre Tatsachenbehauptung entstandene abträgliche Meinung über den Verletzten zu beseitigen (vgl RS0031936 [insb T1]; RS0078868), sodass der Widerruf grundsätzlich durch Zurücknahme der wahrheitswidrigen Behauptung in gleich wirksamer Form wie die Verbreitung zu geschehen und in einem angemessenen Verhältnis zur Wirkung des Verstoßes zu stehen hat (vgl RS0004655 [insb T4, T6]). Ob der im Einzelfall angeordnete Widerruf diesen Voraussetzungen entspricht, begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0004655 [T4]).

[4] 2.2 Der Oberste Gerichtshof hat zu § 7 UWG zudem bereits mehrfach klargestellt, dass dann, wenn die beanstandete Äußerung nur einem bestimmten Personenkreis gegenüber gemacht wurde, der Kläger in seinem Begehren diejenigen Personen zu bezeichnen hat, denen gegenüber widerrufen werden soll (vgl RS0078850, RS0000826, RS0031915).

[5] Bei einem unbestimmten Personenkreis, wie etwa bei einer Kreditschädigung in einem Medium, besteht gemäß § 7 Abs 1 UWG ein Anspruch auf einen „öffentlichen Widerruf“ im Sinneiner Veröffentlichung des Widerrufs, wobei vom Kläger diesfalls ein konkretes Veröffentlichungsmedium anzugeben ist (vgl RS0078892, RS0078924, RS0078947). Insofern kann auch der öffentliche Widerruf von anlässlich einer Pressekonferenz getätigten kreditschädigenden Äußerungen in jenen Medien vertretbar sein, die darüber berichteten (vgl 6 Ob 188/19v).

[6] Davon zu unterscheiden ist eine Veröffentlichung des Urteils nach § 25 Abs 3 UWG, die auch bei einem Verstoß gegen § 7 UWG in Betracht kommt. Eine solche wird in Ausnahmefällen sogar kumulativ zu einem Widerrufnach § 7 Abs 1 UWG zugestanden, etwa wenn die Behauptung nicht nur ihren eigentlichen Adressaten, sondern darüber hinaus auch noch einem weiteren unbestimmten Personenkreis zur Kenntnis gelangt ist, und nicht bloß eine „Doppelveröffentlichung“ im selben Medium angestrebt wird, sondern ein zusätzliches Aufklärungsbedürfnis besteht (vgl RS0078824, 4 Ob 336/87, 6 Ob 258/03i).

[7] 2.3 Wenn dem Kläger die Empfänger der Mitteilung nicht namentlich bekannt sind und der Beklagte nicht bereit ist, über deren Namen Auskunft zu geben, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben, ihn so zu behandeln, als ob die herabsetzenden Tatsachenbehauptungen – wie bei einer öffentlichen Tatsachenmitteilung – einem nicht überschaubaren und daher unbestimmbaren Personenkreis zugekommen wären. In diesem Fall ist auf einen öffentlichen Widerruf zu erkennen, sodass der Kläger (nur) das Medium zu bezeichnen hat, in dem der Widerruf vorzunehmen ist (vgl 4 Ob 314/97y, 4 Ob 72/04y).

[8] Den Beklagten trifft weiters die Behauptungs- und Beweislast für den Wegfall des Interesses an der Beseitigung der durch die rufschädigende Äußerung hervorgerufenen abträglichen Meinung über den Verletzten (vgl RS0109191).

[9] 3.1 Auch die Auslegung der Urteilsfeststellungen begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, solange dem Berufungsgericht keine unvertretbare Fehlbeurteilung unterlaufen ist (vgl RS0118891).

[10] Entgegen den Revisionsausführungen sind die erstgerichtlichen Feststellungen hier keineswegs zwingend dahin zu verstehen, dass die kreditschädigenden Behauptungen ausschließlich gegenüber der Klägerin bekannten Personen, darunter zwei Vertriebspartnern der Beklagten, aufgestellt worden wären. Vielmehr kann die Urteilsbegründung als Gesamtes vertretbar dahin ausgelegt werden, dass die Beklagte ihren Text auch weiteren, unbekannt gebliebenen, Vertriebspartnern übermittelte (die diesen wiederum weiterleiteten), und damit im Sinne der Vorinstanzen von einem unbestimmtenEmpfängerkreis ausgegangen werden.

[11] 3.2 Soweit die Beklagte in ihrer Revision – erstmalig – mit dem Grundsatz von Treu und Glauben argumentiert und damit, dass sie von der Klägerin nie explizit zur Bekanntgabe der Empfänger aufgefordert worden sei und eine solche daher auch nicht verweigert habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie in erster Instanz schon die vorgelagerte Frage der Verfassung und des Versands des Textes bestritt. Die Klägerin erhob sodann aufgrund des Einwands der Beklagten, das Widerrufs-Hauptbegehren betreffend die „jeweiligen Adressaten“ sei unbestimmt, ein Eventualbegehren hinsichtlich aller ihr bekannten Adressaten. Sie brachte aber ausdrücklich vor, dass dessen ungeachtet ein öffentlicher Widerruf in einer Fachzeitschrift berechtigt sei, weil es sich um eine groß angelegte „Schmutzkübelkampagne“ der Beklagten gehandelt habe und die kreditschädigenden E‑Mails zweifellos mehr Personen am einschlägigen Markt erreicht hätten, als ihr aufgrund von Rückmeldungen bekannt sei. Dem hielt die Beklagte stets nur entgegen, dass der Personenkreis „bestimmbar“ sei, ohne nähere Aufklärung über die von ihr adressierten Vertriebspartner zu geben.

[12] Es ist daher auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen 4 Ob 314/97y und 4 Ob 72/04y und des Grundsatzes von Treu und Glauben vertretbar, der Beklagten zumindest die Nachteile der Unaufklärbarkeit der Erstempfänger ihres Textes aufzubürden.

[13] 3.3 Gegen den öffentlichen Widerruf – erkennbar gemeint nicht im Sinne einer Veröffentlichung des Spruchpunktes 2., sondern der Widerrufserklärung betreffend die im Unterlassungsbegehren beanstandeten Behauptungen – bestehen daher im Einzelfall keine Bedenken.

[14] Die Beklagte sprach sich nur insofern gegen das von der Klägerin beantragte Medium und die Veröffentlichungsart aus, als sie mit dem Äquivalenzgrundsatz argumentierte und vorbrachte, dass die Behauptungen nie dort veröffentlicht worden seien. Dies ist zwar zutreffend, aber schon dem Umstand geschuldet, dass sich die Beklagte hier so behandeln lassen muss, wie wenn sie die Vorwürfe öffentlich verbreitet hätte. Dass eine US‑amerikanische Fachzeitschrift nicht geeignet sein soll, die auch am amerikanischen Markt ansässigen Vertriebspartner zu erreichen, wo die Behauptungen unter anderem (weiter-)verbreitet wurden, und den unrichtigen Eindruck zu beseitigen, legt die Revision nicht dar.

[15] Das behauptete Missverhältnis zwischen Verstoß und Publizität ist schon deswegen nicht erkennbar, weil selbst dann, wenn ein öffentlicher Widerruf nicht in Betracht kommt, die beanstandete Behauptung aber – wie hier – noch anderen Personenkreisen als den ursprünglichen Adressaten zur Kenntnis gekommen war, eine (zwar einen anderen Zweck verfolgende, aber die gleiche Publizität entfaltende) Urteilsveröffentlichung in einem Medium erfolgen kann (vgl RS0078824, 6 Ob 258/03i).

[16] 3.4 Schließlich beantragt die Beklagte für den Fall, dass ihrer Revision hinsichtlich des Veröffentlichungsbegehrens nicht stattgegeben werde, eine Abweisung der Verpflichtung zum individuellen Widerruf gegenüber den bekannten Empfängern.

[17] Dies scheitert aber schon daran, dass sie sich in ihrer Berufung inhaltlich nur gegen das Veröffentlichungsbegehren wandte. Selbst wenn man ihren unklaren Berufungsantrag weit versteht und nicht von einer Rechtskraft der Widerrufsverpflichtung gemäß Punkt 2. ausgeht, läge insofern eine unterlassene Rechtsrüge zu einem selbständigen Streitpunkt vor, die in der Revision nicht mehr nachgeholt werden kann (vgl RS0043573).

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